Verhandlungen mit Griechenland: "Anders als Samaras werden wir respektiert"
Was macht die griechische Regierung, wenn es am Montag beim EU-Sondergipfel keine Einigung gibt? "Dann werden wir sehen, was wir tun", sagt die stellvertretende Arbeitsministerin Theano Fotiou im Interview mit n-tv.de. "Wir sind unvorhersehbar."
n-tv.de: Glauben Sie, dass es am Montag beim EU-Sondergipfel eine Einigung geben wird?
Theano Fotiou: Die derzeitige Situation ist heikel. Wir wissen nicht, wer am Ende innerhalb der Institutionen die Oberhand haben wird. Die Vernunft sagt, dass sie versuchen werden, eine Einigung mit uns zu erzielen. Wir wissen nur: Wir können nicht zulassen, dass der wirtschaftlichen Zusammenbruch weitergeht.
War es ein Fehler, dass Syriza nach dem Wahlsieg nicht nur einen Neustart für Griechenland verkündet hat, sondern ganz Europa umkrempeln wollte?
Wieso sollte das ein Fehler gewesen sein?
Weil alle anderen europäischen Regierungen das als Provokation verstehen mussten.
Syriza ist eine pro-europäische Partei. Aber wir sind für ein anderes Europa. Die EU hat alle Werte, die sie eigentlich vertreten will, längst aufgegeben: Demokratie, Respekt vor dem Willen des Volkes, Solidarität. Wir wollen Europa nicht provozieren, aber wir glauben, Europa sollte seine Prinzipien überdenken.
Was verlangen Sie von den Institutionen?
Vier Dinge: Der Primärüberschuss [die Differenz von staatlichen Einnahmen und Ausgaben vor Abzug des Schuldendienstes] darf nicht zu hoch sein.
Da soll es ja eine Einigung geben.
Das stimmt, da konnte ein Weg gefunden werden. Wichtig ist jetzt der zweite Punkt. Die frühere Regierung unter Antonis Samaras hat immer wiederholt, was unsere europäischen Partner gesagt haben: dass die griechischen Schulden tragfähig sind. Aber das stimmt nicht. Die Schulden sind nicht tragfähig, jeder weiß das. Wir müssen uns mit unseren Partnern einigen, dass sie tragfähig gemacht werden. Das heißt nicht, dass wir sofort eine endgültige Lösung brauchen. Aber das Thema muss auf den Tisch.
Und Ihre anderen beiden Forderungen?
Es darf keine weiteren Kürzungen von Renten und Löhnen geben. Die Renten sind bereits mehrfach gekürzt worden, außerdem lebt mehr als die Hälfte der Griechen von der Rente ihrer Großeltern. Das vierte ist ein Wachstumspaket – nicht in Form von Überweisungen an die griechische Regierung, sondern als Investitionsprogramm für Griechenland.
Ist es ein Erfolg für die griechische Regierung, dass die Staats- und Regierungschefs das Problem bei einem Sondergipfel lösen wollen? Es heißt, dies sei, was Ministerpräsident Alexis Tsipras von Anfang an wollte.
Auf der technischen Ebene sind alle Fragen längst geklärt, daran haben wir in den vergangenen vier Monaten gearbeitet – jeder Minister in seinem Bereich, ich in meinem. Ich kann Ihnen versichern, dass jeder Punkt bis ins Detail geklärt ist. Der ständige Vorwurf, Griechenland habe keine Vorschläge vorgelegt: Das sind Lügen, nur Propaganda. Jedes Ministerium hat genau ausgearbeitet, welche Maßnahmen in den nächsten sechs Monaten, in einem Jahr und in den kommenden vier Jahren umgesetzt werden sollen. Was fehlt, sind die politischen Entscheidungen. Ich glaube, Tsipras hat Recht, dass er auf der höchsten politischen Ebene eine Antwort haben will: Seid ihr bereit, das Problem zu lösen, oder seid ihr nicht dazu bereit?
Was passiert, wenn die anderen Staats- und Regierungschefs die Frage mit Nein beantworten?
Dann werden wir sehen, was wir tun.
Ihre Regierung hat doch immer betont, sie bluffe nicht, sondern spiele mit offenen Karten.
Das stimmt. Aber was dann passiert, ist unvorhersehbar.
Wird es vorzeitige Neuwahlen geben?
Nein. Wenn es keine Einigung gibt, ist keine Zeit für Wahlen. Anders wäre es, wenn wir eine Einigung hätten, gegen die viele Menschen auf die Straße gehen. Dann müsste die Regierung die Wähler entscheiden lassen. Im Moment erfahren wir allerdings starke Unterstützung aus der Bevölkerung. In allen Umfragen liegt Syriza weit vor der Nea Dimokratia [des früheren Ministerpräsidenten Samaras].
Glauben Sie, dass es den aktuellen Konflikt zwischen Griechenland und den anderen europäischen Regierungen auch geben würde, wenn Samaras noch Ministerpräsident wäre?
Bei der deutschen Regierung habe ich den Eindruck, dass sie zwei Richtungen vertritt. Bundeskanzlerin Angela Merkel versucht, das Spiel zu retten. Sie weiß, dass man ihr die Schuld geben würde, wenn Griechenland den Euro verlassen muss. Finanzminister Wolfgang Schäuble steht für eine andere Politik. Wir bekommen von der deutschen Regierung, was die deutsche Regierung uns geben kann – nicht mehr und nicht weniger. Aber wir wissen, dass die deutsche Regierung uns mit Respekt behandelt. Die früheren griechischen Regierungen haben der deutschen Regierung keine Schwierigkeiten bereitet, aber sie wurden von ihr auch nicht respektiert. Wir werden respektiert. Das ist ein großer Unterschied. Ein Problem ist, dass die deutsche Regierung sich intern nie auf eine gemeinsame Linie verständigt hat.
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Was macht die griechische Regierung, wenn es am Montag beim EU-Sondergipfel keine Einigung gibt? "Dann werden wir sehen, was wir tun", sagt die stellvertretende Arbeitsministerin Theano Fotiou im Interview mit n-tv.de. "Wir sind unvorhersehbar."
n-tv.de: Glauben Sie, dass es am Montag beim EU-Sondergipfel eine Einigung geben wird?
Theano Fotiou: Die derzeitige Situation ist heikel. Wir wissen nicht, wer am Ende innerhalb der Institutionen die Oberhand haben wird. Die Vernunft sagt, dass sie versuchen werden, eine Einigung mit uns zu erzielen. Wir wissen nur: Wir können nicht zulassen, dass der wirtschaftlichen Zusammenbruch weitergeht.
War es ein Fehler, dass Syriza nach dem Wahlsieg nicht nur einen Neustart für Griechenland verkündet hat, sondern ganz Europa umkrempeln wollte?
Wieso sollte das ein Fehler gewesen sein?
Weil alle anderen europäischen Regierungen das als Provokation verstehen mussten.
Syriza ist eine pro-europäische Partei. Aber wir sind für ein anderes Europa. Die EU hat alle Werte, die sie eigentlich vertreten will, längst aufgegeben: Demokratie, Respekt vor dem Willen des Volkes, Solidarität. Wir wollen Europa nicht provozieren, aber wir glauben, Europa sollte seine Prinzipien überdenken.
Was verlangen Sie von den Institutionen?
Vier Dinge: Der Primärüberschuss [die Differenz von staatlichen Einnahmen und Ausgaben vor Abzug des Schuldendienstes] darf nicht zu hoch sein.
Da soll es ja eine Einigung geben.
Das stimmt, da konnte ein Weg gefunden werden. Wichtig ist jetzt der zweite Punkt. Die frühere Regierung unter Antonis Samaras hat immer wiederholt, was unsere europäischen Partner gesagt haben: dass die griechischen Schulden tragfähig sind. Aber das stimmt nicht. Die Schulden sind nicht tragfähig, jeder weiß das. Wir müssen uns mit unseren Partnern einigen, dass sie tragfähig gemacht werden. Das heißt nicht, dass wir sofort eine endgültige Lösung brauchen. Aber das Thema muss auf den Tisch.
Und Ihre anderen beiden Forderungen?
Es darf keine weiteren Kürzungen von Renten und Löhnen geben. Die Renten sind bereits mehrfach gekürzt worden, außerdem lebt mehr als die Hälfte der Griechen von der Rente ihrer Großeltern. Das vierte ist ein Wachstumspaket – nicht in Form von Überweisungen an die griechische Regierung, sondern als Investitionsprogramm für Griechenland.
Ist es ein Erfolg für die griechische Regierung, dass die Staats- und Regierungschefs das Problem bei einem Sondergipfel lösen wollen? Es heißt, dies sei, was Ministerpräsident Alexis Tsipras von Anfang an wollte.
Auf der technischen Ebene sind alle Fragen längst geklärt, daran haben wir in den vergangenen vier Monaten gearbeitet – jeder Minister in seinem Bereich, ich in meinem. Ich kann Ihnen versichern, dass jeder Punkt bis ins Detail geklärt ist. Der ständige Vorwurf, Griechenland habe keine Vorschläge vorgelegt: Das sind Lügen, nur Propaganda. Jedes Ministerium hat genau ausgearbeitet, welche Maßnahmen in den nächsten sechs Monaten, in einem Jahr und in den kommenden vier Jahren umgesetzt werden sollen. Was fehlt, sind die politischen Entscheidungen. Ich glaube, Tsipras hat Recht, dass er auf der höchsten politischen Ebene eine Antwort haben will: Seid ihr bereit, das Problem zu lösen, oder seid ihr nicht dazu bereit?
Was passiert, wenn die anderen Staats- und Regierungschefs die Frage mit Nein beantworten?
Dann werden wir sehen, was wir tun.
Ihre Regierung hat doch immer betont, sie bluffe nicht, sondern spiele mit offenen Karten.
Das stimmt. Aber was dann passiert, ist unvorhersehbar.
Wird es vorzeitige Neuwahlen geben?
Nein. Wenn es keine Einigung gibt, ist keine Zeit für Wahlen. Anders wäre es, wenn wir eine Einigung hätten, gegen die viele Menschen auf die Straße gehen. Dann müsste die Regierung die Wähler entscheiden lassen. Im Moment erfahren wir allerdings starke Unterstützung aus der Bevölkerung. In allen Umfragen liegt Syriza weit vor der Nea Dimokratia [des früheren Ministerpräsidenten Samaras].
Glauben Sie, dass es den aktuellen Konflikt zwischen Griechenland und den anderen europäischen Regierungen auch geben würde, wenn Samaras noch Ministerpräsident wäre?
Bei der deutschen Regierung habe ich den Eindruck, dass sie zwei Richtungen vertritt. Bundeskanzlerin Angela Merkel versucht, das Spiel zu retten. Sie weiß, dass man ihr die Schuld geben würde, wenn Griechenland den Euro verlassen muss. Finanzminister Wolfgang Schäuble steht für eine andere Politik. Wir bekommen von der deutschen Regierung, was die deutsche Regierung uns geben kann – nicht mehr und nicht weniger. Aber wir wissen, dass die deutsche Regierung uns mit Respekt behandelt. Die früheren griechischen Regierungen haben der deutschen Regierung keine Schwierigkeiten bereitet, aber sie wurden von ihr auch nicht respektiert. Wir werden respektiert. Das ist ein großer Unterschied. Ein Problem ist, dass die deutsche Regierung sich intern nie auf eine gemeinsame Linie verständigt hat.