Griechenland Grexit NEWS: Pokernacht in Brüssel: "Grexit auf Zeit" ist vom Tisch

Von Versöhnung keine Spur: Provoziert Griechenland bewusst den Grexit?



Die Forderungen, dass das hochverschuldete Griechenland aus der Eurozone ausscheidet, werden lauter. In Athen war das lange ein Tabuthema, aber jetzt orakeln selbst dort die Zeitungen über einen möglichen Grexit. Denn Griechenland und die internationalen Geldgeber sprechen zwar noch miteinander. Aber die Euro-Partner bereiten sich auf das schlimmste Szenario vor. Und es stellt sich eine Frage.

 
Athens Zentralbank schlägt Alarm: Steuereinnahmen brechen stark ein

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Griechenland steht möglicherweise bereits "vor dem Beginn eines schmerzhaften Weges". Nach übereinstimmenden Berichten brechen die Steuereinnahmen des Landes mehr als erwartet ein. Der Verlust geht in die Milliarden.


Nach übereinstimmenden Berichten der Finanzpresse sollen die Steuereinnahmen in Griechenland in den ersten fünf Monaten des Jahres eingebrochen sein. Die Rede ist von einem Verlust von rund 1,7 Milliarden Euro. Grund dafür ist nach Angaben des Staatsradios, dass sich die gesamte Wirtschaft praktisch nicht mehr bewege. Außerdem ließen viele Bürger die Fristen für die Zahlung von Steuern verstreichen. Stattdessen versuchten sie, Steuern später in Raten zu zahlen.

Zudem seien die Mehrwertsteuereinnahmen dramatisch eingebrochen, weil viele Bürger ihre Ausgaben so weit wie möglich einschränkten. Dramatisch ist nach offiziellen Angaben auch die Lage für staatliche Unternehmen wie die Elektrizitätsgesellschaft (DEI). Die Verbraucher sollen der DEI fast zwei Milliarden Euro schulden. Viele Griechen könnten ihre Wasser-, Strom- und Telefonrechnungen nicht begleichen, weil sie arbeitslos seien, heißt es.

Das laufende Hilfsprogramm, auf dessen Basis die Regierung in Athen auf kurzfristige Zahlungen von rund 7,2 Milliarden Euro hofft, läuft Ende des Monats aus. Das Geld fließt allerdings nur, wenn die Athener Regierung bei den Griechen unbeliebte Reformen zusagt und umsetzt. Ohne das Geld könnte Athen eine am 30. Juni beim IWF fällige Rate von 1,6 Milliarden Euro nicht begleichen. Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte erst am Dienstag gedroht, die Schulden nicht zu bedienen.

In Euro-Kreisen wird gewarnt, dass die griechischen Banken in dem Fall nicht länger von der griechischen Zentralbank mit Geld versorgt werden dürfen. Um den Zusammenbruch der Wirtschaft zu verhindern, könnte Athen dann zur Rückkehr zur Drachme gezwungen werden.

Sollten die Verhandlungen mit den Geldgebern scheitern, würde das nach Einschätzung der griechischen Zentralbank direkt in den Grexit führen. "Dies wäre der Beginn eines schmerzhaften Weges", heißt es in einer Mitteilung. Der Bankrott würde zum Ausscheiden des Landes aus der Eurozone und höchstwahrscheinlich auch aus der EU führen", erklärte die Notenbank.

EU-Austritt nicht zwangsläufig

Bei der Gründung der europäischen Währungsunion wollte oder konnte sich niemand vorstellen, dass ein Mitglied eines Tages wieder austreten würde. In den Verträgen ist diese Möglichkeit nicht vorgesehen. Geregelt ist lediglich der Austritt aus der EU insgesamt: "Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten", heißt es in Artikel 50, Absatz 1 des EU-Vertrags.

Dieser Weg wurde im Falle Griechenlands schon vor drei Jahren diskutiert, um ein Ausscheiden aus der Eurozone zu ermöglichen: Wer aus der EU austritt, könne auch nicht mehr Euro-Mitglied sein, lautete damals die Argumentation.

Doch was, wenn Griechenland aus der Eurozone austreten, aber EU-Mitglied bleiben will? Dann müsste Athen dies nach Artikel 49 des EU-Vertrags neu beantragen. Dem müssten die verbleibenden Mitglieder einstimmig sowie die Mehrheit der Abgeordneten des Europaparlaments zustimmen. Zudem müsste ein Abkommen zum Wiedereintritt ausgehandelt und "durch alle Vertragsstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften" ratifiziert werden - in der Regel also durch die nationalen Parlamente.

 
Skepsis vor Finanzminister-Treffen: "Gespräche mit Athen sind entgleist"

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Beim Finanzministertreffen am Donnerstag wird es wohl noch keine Lösung des Schuldenstreits zwischen Griechenland und seinen Gläubigern geben. Österreichs Kanzler Faymann äußert sich nach einem Gespräch mit seinem griechischen Amtskollegen Tsipras etwas optimistischer. Tsipras lehnt weiter Rentenkürzungen ab.

Der Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, ist pessimistisch hinsichtlich einer schnellen Einigung mit Griechenland über die Schuldenkrise. "Die Chance, dass wir uns mit Griechenland am Donnerstag einigen, ist sehr klein", sagte der niederländische Finanzminister im Parlament in Den Haag. Die 19 Ressortchefs der Eurogruppe wollen am Donnerstag über das weitere Vorgehen beraten.

Der Knackpunkt liege nicht bei der Schuldenlast des südeuropäischen Euro-Landes, sagte Dijsselbloem. "Es geht um die Bereitschaft, schwierige Maßnahmen zu ergreifen." Dazu gehöre die Reform des griechischen Rentensystems.

Die Verhandlungen sind laut Dijsselbloem in den letzten Wochen "ziemlich entgleist". Aussagen der griechischen Regierung, dass die Geldgeber das Land erniedrigen wollten, nannte er "grob und falsch". Ein Übereinkommen sei noch immer möglich, betonte der Eurogruppen-Chef, Zugeständnisse werde es aber nicht geben. "Wenn wir ein Abkommen schließen, das die Glaubwürdigkeit der Eurozone untergräbt, dann wird das vor unseren Augen zerplatzen."

Faymann: Reiche Griechen müssen Steuern zahlen


Derweil hält Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann eine Lösung im Streit um die griechische Finanzkrise für möglich. Um sie unter Dach und Fach zu bringen, müsse man sich in den nächsten Tagen intensiv darum kümmern, sagte Faymann nach einem Vier-Augen-Gespräch mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in Athen.

Was Griechenland brauche, seien keine weitere Kürzungen, sondern mehr Investitionen. "Ich war immer der tiefen Überzeugung, dass man aus der Krise heraus investieren muss", sagte Faymann. Mit Blick auf die Steuern sagte er, reiche Griechen müssten ihre Steuern zahlen und dürften ihr Geld nicht ins Ausland schaffen. "Ich halte es aber für sinnvoll, insbesondere kleinere Pensionen keiner weiteren Kürzung zuzuführen."

Tsipras sagte, Griechenland habe den Gläubigern einen umfassenden Vorschlag vorgelegt. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuern für Medikamente und Strom könne es aber nicht geben, auch keine weiteren Kürzungen der Rentenausgaben. Die griechischen Rentner hätten bereits viele Verluste gehabt. "Wenn Europa darauf besteht, muss es auch die Konsequenzen bedenken", sagte Tsipras. An vorgezogene Parlamentswahlen oder eine Volksabstimmung denke die Regierung in Athen nicht. "Es gibt nur eine Wahl. Eine tragfähige Lösung, die vom Volk und dem Parlament akzeptiert werden kann", sagte Tsipras. Sollte es eine Lösung geben, würden er und seine Partei die politische Last auf sich nehmen und sie unterstützen, auch wenn es eine schwierige Lösung für sein Land sei.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verbreitete keine optimistischen Signale. Der CDU-Politiker habe sich im Finanzausschuss des Bundestags "nicht positiv geäußert, dass er die Hoffnung hat", dass es in der Eurogruppe am Donnerstag zu einer Einigung komme, sagte CSU-Finanzexperte Hans Michelbach. Es gebe "keine Vorbereitungen, um zu einer Beschlusslage zu kommen". Schäuble selbst wollte sich weder vor noch nach seinem rund zweistündigen Auftritt in dem Ausschuss gegenüber Journalisten äußern.

Athen borgt sich frisches Geld


Unterdessen hat sich das schuldengeplagte Griechenland kurzfristig frisches Geld am Kapitalmarkt besorgt. Wie die Schuldenagentur PDMA mitteilte, konnten insgesamt 1,3 Milliarden Euro für 13 Wochen in Form kurzlaufender Staatspapiere aufgenommen werden. Die Rendite der versteigerten Papiere lag - wie bei einer vergleichbaren Auktion im Vormonat - bei 2,7 Prozent. Athen hat sich das Geld geliehen, weil es am 19. Juni 1,6 Milliarden Euro Schulden refinanzieren muss.

In der griechischen Finanzpresse wird damit gerechnet, dass das restliche Geld an diesem Donnerstag in die Staatskasse fließt. Denn dann dürfte Athen wie üblich im Rahmen eines gesonderten Verfahrens zusätzliche Wertpapiere versteigern. Kurzfristig ist es Athen auch dank des Stillhaltens der Europäischen Zentralbank noch möglich, Geld aufzunehmen. Längerfristig ist der Gang an den Kapitalmarkt seit langem verwehrt, weil der Staat vor der Pleite steht. Das Bankensystem überlebt derzeit nur mit Notkrediten der Zentralbank.

Bis 30. Juni muss Athen zudem eine Tilgungsrate in Höhe von 1,5 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zahlen. Der Währungsfonds stimmte Anfang Juni kurz vor einem Zahlungstermin zu, dass Athen alle in diesem Monat fällig werdenden Tilgungsraten bündeln und erst zum Monatsende überweisen kann.
Weniger Steuereinnahmen

Erschwert wird das Ziel dadurch, dass die Steuereinnahmen des Landes in den ersten fünf Monaten des Jahres eingebrochen sind. Die Rede ist von einem Verlust von rund 1,7 Milliarden Euro. Ein Grund dafür ist, dass sich die gesamte Wirtschaft praktisch nicht mehr bewegt.

Außerdem lassen viele Bürger die Fristen für die Zahlung von Steuern verstreichen. Stattdessen versuchen sie, Steuern später in Raten zu zahlen. Zudem reduzieren die Bürger ihren Konsum - dadurch gehen dem Staat ebenfalls Mehrwertsteuereinnahmen verloren.
 
Provoziert Athen den Grexit?: Juncker und Varoufakis bezichtigen sich der Lüge


Der Ton in den festgefahren Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Gläubigern wird zunehmend schärfer: Knapp zwei Wochen vor Ablauf der letzten Frist ist keinerlei Bewegung in Sicht. Und auch für das Treffen der Euro-Finanzminister am Donnerstag in Luxemburg zeichnet sich bislang kein Kompromiss über die Reformauflagen im Gegenzug für neue Hilfen ab. Stattdessen überziehen sich beide Seiten erneut mit Vorwürfen, für die verfahrene Lage verantwortlich zu sein.
 
Trutzburg Athen: Regierung Tsipras hält Europa weiter hin

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Beim Finanzministertreffen am Donnerstag wird es wohl noch keine Lösung des Schuldenstreits zwischen Griechenland und seinen Gläubigern geben. Eurogruppenchef Dijsselbloem beklagt den Reformunwillen der Tsipras-Regierung. Deutschland und Österreich setzen weiter auf eine Einigung. Die EZB verschafft den griechischen Banken Luft.


Im griechischen Schuldenstreit zeichnet sich keine schnelle Lösung für das pleitebedrohte Euroland ab. Hohe EU-Vertreter schraubten die Erwartungen an ein Treffen der Euro-Finanzminister am Donnerstag in Luxemburg erheblich herunter, da neue Spar- und Reformvorschläge aus Athen fehlten. "Die Chance, dass wir uns mit Griechenland am Donnerstag einigen, ist sehr klein", sagte der Chef der Eurogruppe, der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, im Parlament in Den Haag.

Der Knackpunkt liege nicht bei der griechischen Schuldenlast, sagte Dijsselbloem. "Es geht um die Bereitschaft, schwierige Maßnahmen zu ergreifen." Dazu gehöre die Reform des griechischen Rentensystems.

Der griechische Chef-Unterhändler Euclid Tsakalotos signalisierte Spielraum für Zugeständnisse. Eine Kürzung der Renten sei aber indiskutabel, betonte er. Eine Einigung sei nur möglich, wenn die Vereinbarung tragfähig sei und Schulden-, Finanzierungs- sowie Investitionsfragen berücksichtige. "Wenn es das gibt, wird die griechische Regierung die Übereinkunft unterschreiben."

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras sprach am Abend mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Dies verlautete aus Regierungskreisen in Athen. Über den Inhalt des Telefonats wurde offiziell nichts bekannt. Griechische Medien spekulierten, Juncker taste ab, ob Athen zu einer neuen Verhandlungsrunde mit seinen Gläubigern bereit sei.

Bei dem Streit geht es um ein Spar- und Reformprogramm, das Voraussetzung ist für die Auszahlung blockierter Hilfen von 7,2 Milliarden Euro. Am 30. Juni muss Athen fast 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen; es gibt Zweifel, ob Griechenland dazu noch in der Lage ist.
Griechische Wirtschaft bewegt sich nicht

"Der Ball ist im Feld der griechischen Regierung", resümierte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici. "Uns bleibt nur noch wenig Zeit." Die Steuereinnahmen Griechenlands sind in den ersten fünf Monaten des Jahres eingebrochen. Sie blieben Berichten zufolge rund 1,7 Milliarden Euro hinter den Erwartungen zurück. Grund ist nach Angaben des griechischen Staatsradios, dass sich die Wirtschaft praktisch nicht mehr bewege. Die Mehrwertsteuereinnahmen seien dramatisch gesunken, weil viele Bürger ihre Ausgaben so weit wie möglich einschränkten.

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Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann hält dennoch eine Lösung der Schuldenkrise für möglich. Nach einem Gespräch mit Tsipras in Athen sagte er, was Athen brauche, seien keine weitere Kürzungen, sondern mehr Investitionen. Mit Blick auf die Steuern sagte er, reiche Griechen müssten ihre Steuern zahlen und dürften ihr Geld nicht ins Ausland schaffen.

Tsipras will sich keine harten Entscheidungen von außen aufzwingen lassen. Nur seine Regierung werde über harte Maßnahmen für ein Rettungsprogramm und die Zukunft des Landes befinden, sagte er nach dem Treffen mit Faymann. Eine vorgezogene Neuwahl schloss Tsipras explizit aus.

Verteidigungsetat im Fokus

Auch die Bundesregierung setzt weiter auf eine Einigung. "Die Bundesregierung möchte eine Lösung", sagte Kanzleramtsminister Peter Altmaier nach Beratungen des Haushaltsausschusses des Bundestages. "Aber das setzt voraus, dass die griechische Regierung ihrerseits hart für eine solche Lösung arbeitet."

Der für den Euro verantwortliche Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis plädierte wie zuvor bereits Kommissionspräsident Juncker für eine Kürzung der Verteidigungslasten: "Griechenland hat, gemessen an der Wirtschaftsleistung, den zweithöchsten Anteil an Verteidigungsausgaben in der EU." Zu Spekulationen über ein Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs der Euroländer zur Griechenland-Krise, möglicherweise schon an diesem Wochenende, sagte ein hoher Diplomat: "Ich weiß nichts über einen Gipfel."

Angesichts der dramatisch zugespitzten Lage werden unter den Mitgliedstaaten Notfallszenarien wie eine Staatspleite, ein Austritt Griechenlands aus dem Eurogebiet oder Kapitalverkehrskontrollen debattiert. Dombrovskis sagte, die Kommission beteilige sich nicht an solchen Überlegungen.

EZB erhöht Ela-Nothilfen

Indes hat die Europäische Zentralbank (EZB) den griechischen Banken erneut einen erhöhten finanziellen Spielraum eingeräumt. Wie ein griechischer Bankoffizieller sagte, genehmigte die EZB die Aufstockung des Notkreditrahmens für die Geschäftsbanken durch die Zentralbank des Landes auf 84,1 Milliarden von 83,0 Milliarden Euro.

Unter dem Notkreditprogramm Emergency Lending Assistance (Ela) kann die griechische Notenbank den Kreditinstituten des Landes Geld leihen. Für diese Kredite sind höhere Zinsen zu zahlen als für EZB-Kredite. Außerdem verbleibt das Kreditrisiko in Griechenland. Der EZB-Rat kann jede Woche mit einer Zweidrittelmehrheit die Notkredite stoppen.

Zuvor war aus Bankenkreisen verlautet, dass besorgte Griechen aus Angst vor einem "Grexit" weiter viel Geld von ihren Konten abheben. In dieser Woche hätten die Abhebungen schon 1,8 Milliarden Euro erreicht, sagte ein Bankbeamter. Wegen der wachsenden Unsicherheit über die Zukunft Griechenlands im Euroraum sei das tägliche Volumen zuletzt steil gestiegen.

Besorgnis in London und Paris

Großbritannien wappnet sich für einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Eurozone. "Wir ergreifen alle Maßnahmen, um uns vorzubereiten und zu schützen", sagte eine Sprecherin von Schatzkanzler George Osborne. Grund dafür seien die "unsichere Lage der globalen Wirtschaft und das wachsende Risiko", dass Griechenland zahlungsunfähig werden könne und möglicherweise die Währungsunion verlassen müsse.

Der französische Finanzminister Michel Sapin warnte vor den "schlimmen Folgen" nicht nur für Griechenland, sondern auch "für das europäische Projekt", sollten die Verhandlungen scheitern. Es sei an der griechischen Regierung, Vorschläge zu machen und zu zeigen, dass sie zu Anstrengungen bereit ist, sagte er in der Nationalversammlung. "Wir müssen ebenfalls unsere Verantwortung übernehmen", fügte Sapin mit Blick auf die mit Athen verhandelnden Gläubiger hinzu.

 
Wieder ein Tag der Entscheidung: Griechen stehen zwischen Einigung und Pleite

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Das Schicksal Griechenlands steht auf Messers Schneide. Dem Land droht die Staatspleite - wenn nicht doch noch eine Lösung im Schuldenstreit gefunden wird. Heute geht das Drama bei einem mit Spannung erwarteten Treffen der Euro-Finanzminister in Luxemburg weiter.

Die Finanzminister der Euroländer kommen heute Nachmittag in Luxemburg zu neuen Beratungen über den Schuldenstreit mit Griechenland zusammen. Sie machen sich aber keine großen Hoffnungen auf eine schnelle Lösung. "Die Chance, dass wir uns mit Griechenland noch heute einigen, ist sehr klein", sagte der Chef der Eurogruppe, der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem vor dem Treffen. Athen bleibe den Geldgebern weiterhin einen vernünftigen Reformvorschlag schuldig.

Von den aktuellsten Entwicklungen lesen Sie in unserem Liveticker.

Aus den USA kamen erneut Warnungen vor weitreichenden ökonomischen Folgen, sollten sich Athen und die Geldgeber nicht auf eine Lösung einigen. Es sei im Interesse aller, "diese Situation zu lösen, bevor es entscheidende negative Folgen für die Weltwirtschaft gibt", sagte Regierungssprecher Josh Earnest in Washington.

Proteste in Athen

Derweil demonstrierten Tausende in Athen und anderen griechischen Städten gegen die Sparpolitik und für eine harte Haltung gegenüber den Gläubigern. Die Demonstration vor dem Parlamentsgebäude in Athen stand unter dem Motto: "Wir nehmen die Situation in die eigene Hand - Wir reißen die Austerität (den harten Sparkurs) nieder".

Regierungschef Alexis Tsipras sprach nach Angaben aus Kreisen seiner Regierung erneut mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Griechische Medien spekulierten, Juncker taste ab, ob Athen zu einer neuen Verhandlungsrunde mit seinen Gläubigern bereit sei.

Mit scharfen Worten reagierte Tsipras unterdessen auf Kritik an seiner Verhandlungsführung. "Wer behauptet, deutsche Steuerzahler kämen für die Löhne, Renten und Pensionen der Griechen auf, lügt", schrieb Tsipras in einem Beitrag für den "Tagesspiegel". Seine Regierung habe bereits mehrere Vorschläge zur Reform des Rentensystems gemacht.

Bei dem Streit zwischen Athen und den Geldgebern geht es um ein Reformprogramm, das Voraussetzung ist für die Auszahlung blockierter Hilfen von 7,2 Milliarden Euro. Am 30. Juni muss Athen 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen.

Hier ein Überblick über die möglichen Szenarien


Einigung im Juni:
Noch ist der Gesprächsfaden zwischen der griechischen Links-Rechts-Regierung und den Geldgebern von Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission nicht abgerissen. Allerdings macht das, was von der Krisendiplomatie auf höchster Ebene nach außen dringt, immer weniger Hoffnung. Am vergangenen Sonntag brach Juncker einen Vermittlungsversuch schon nach kurzer Zeit ab: Die Vorstellungen beider Seiten liegen noch zu weit auseinander, welche Reformen Griechenland im Gegenzug für weitere Hilfen umsetzen muss. Die Wahrscheinlichkeit, dass noch vor Auslaufen des aktuellen, bereits verlängerten Hilfsprogramms Ende Juni eine Lösung gefunden wird, schätzen Volkswirte auf 35 Prozent.

Fauler Kompromiss: Pokern Tsipras und sein betont salopp auftretender Finanzminister Yanis Varoufakis nur, weil sie sich sicher sind, dass keiner der Partner letztlich den Geldhahn zudrehen wird und Griechenland in die Pleite taumeln lässt - mit unkalkulierbaren Folgen? "Ein fauler Kompromiss mit Griechenland ist wahrscheinlicher als ein Grexit", meint Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Schließlich müsse Bundeskanzlerin Angela Merkel im Falle eines Scheiterns den Wählern in Deutschland erklären, "dass die Hilfskredite an Griechenland verloren sind und die Rettungspolitik gescheitert ist", sagt Krämer.

Neuwahlen in Griechenland:
Die harte Haltung der seit viereinhalb Monaten amtierenden Regierung wird auch für die griechische Bevölkerung zu einer nervenaufreibenden Hängepartie. In einer Anfang dieser Woche veröffentlichten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GPO sprachen sich rund 70 Prozent der Griechen für einen Verbleib ihres Landes im Euroraum aus - auch wenn dies mit harten Sparmaßnahmen verbunden wäre. Sollte der Geduldsfaden der Menschen in Griechenland reißen, wäre ein politischer Neuanfang denkbar. 25 Prozent Wahrscheinlichkeit sieht Holger Schmieding von der Berenberg Bank für ein solches Szenario.

Allerdings ist Tsipras' Syriza der GPO-Umfrage zufolge nach wie vor die führende politische Kraft im Land: Fände an diesem Sonntag eine Parlamentswahl statt, würde die Linkspartei sie mit 35,1 Prozent gewinnen. Bei der Parlamentswahl am 25. Januar hatte Syriza 36,3 Prozent erreicht.

Staatspleite:
Griechenlands Staatskasse ist leer, die Banken des Landes hält die EZB durch Notkredite (Ela) am Leben. Bis zum 30. Juni muss Athen rund 1,5 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen. Und das ist längst nicht alles: Am 20. Juli werden griechische Anleihen im Volumen von etwa 3,5 Milliarden Euro fällig, die die EZB hält. "Gelingt auch bis zu diesem Zeitpunkt keine Einigung, ist der Zahlungsausfall ... praktisch nicht mehr abwendbar", schreibt DZ-Bank-Analyst Daniel Lenz.

Grexit:
In den EU-Verträgen ist der Austritt eines Landes aus dem gemeinsamen Währungsraum mit seinen derzeit 19 Mitgliedstaaten nicht vorgesehen. Allerdings könnte Griechenland dazu gezwungen sein, wenn die Euro-Notkredite gestoppt werden und das Land keinen Zugang mehr zu frischem Geld hat. Würde Griechenland statt des "harten" Euro wieder eine "weiche" Drachme einführen, könnte die heimische Wirtschaft mit einer billigen eigenen Währung ihre Produkte viel günstiger anbieten. Denkbar wäre zudem, dass der Staat Gehälter und Renten in Schuldscheinen auszahlt, um die Staatskasse kurzfristig zu entlasten. Die Wahrscheinlichkeit für einen "Grexit" ist nach Einschätzung von Ökonomen auf 50 Prozent gestiegen.

Folgen eines Grexits:
Verlässlich abschätzen kann das niemand. Fachleute warnen jedoch: Hauptverlierer wäre die griechische Bevölkerung. Importe wie Energie und Arzneimittel etwa dürften sich massiv verteuern, viele Unternehmen könnten wegen eines Anstiegs ihrer Auslandsverschuldung gezwungen sein, Mitarbeiter zu entlassen. Firmen aus dem Ausland dürften noch zurückhaltender werden, in dem Mittelmeerland zu investieren.

Die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe schreiben in einem gemeinsamen Papier: "Gegebenenfalls wäre das erste Jahr der neuen Währungsselbstständigkeit durch ein humanitäres Hilfsprogramm zu begleiten, um die unmittelbaren sozialen Härten des Ausstiegs abzumildern." Die fundamentalen Probleme jedoch blieben: "Die Ausgabe von Schuldscheinen, Parallelwährungen oder ein vorübergehender Austritt Griechenlands aus dem Euro im Zuge einer griechischen Zahlungsunfähigkeit sind nur Scheinlösungen", meint Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Dass die griechische Wirtschaft im Grunde nicht wettbewerbsfähig ist und die Verwaltung des Landes dringend reformiert werden muss, würde nur in die Zukunft verschoben.
 
Vor dem Eurogruppen-Treffen: +++ 10:20 Ex-EZB-Direktor: Gläubiger werden Athen "auf jeden Fall" im Euro halten +++

Heute um 15 Uhr treffen sich die Euro-Finanzminister in Luxemburg. Zentrales Thema ist die Krise in Griechenland. Auch IWF-Chefin Christine Lagarde nimmt an den Gesprächen teil. Viel Zeit für eine Einigung bleibt nicht: In zwölf Tagen läuft das zweite Kreditprogramm aus. Dann können die 7,2 Milliarden Euro, auf die Griechenland seit Monaten hofft, nicht ausgezahlt werden. Wir begleiten den Tag im Liveticker.

+++ 10:20 Ex-EZB-Direktor: Gläubiger werden Athen "auf jeden Fall" im Euro halten +++
Diese Aussage passt nicht zu Merkels Regierungserklärung, aber ihr Urheber ist ein ernstzunehmender Debattenteilnehmer: Das ehemalige Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank, Jürgen Stark, rechnet damit, dass die internationalen Gläubiger Griechenland am Ende entgegenkommen werden. "Die Gläubiger werden einlenken, indem sie weniger Bedingungen stellen und indem sie neues Geld zur Verfügung stellen, um auf jeden Fall und was es auch kosten möge, Griechenland im Euro zu halten", sagte Stark im RBB-Inforadio.

+++ 10:12 Göring-Eckardt: Schluss mit der Showdown-Politik +++
Ein Grexit wäre "eine Bruchlandung für Europa", sagt Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt im Bundestag. Ganz ähnlich wie heute Morgen Tsipras im "Tagesspiegel" (siehe unten) stellt sie klar, dass die Griechen keineswegs so früh in Renten gehen wie oft behauptet. Die Bundesregierung ruft sie auf: "Hören Sie auf mit dem Pokern, hören Sie auf mit der Showdown-Politik!"

Griechenland müsse den Haushalt ohne noch größere soziale Verwerfungen konsolidieren und gleichzeitig in die Zukunft investieren. Um Griechenland eine "realistische Chance" zu geben, schlägt sie ein Umschuldungsprogramm vor - und erinnert an das Kurzarbeitergeld und die Abwrackprämie, mit der die Bundesregierung 2009 auf die Finanzkrise reagiert hatte.

+++ 10:00 Oppermann: Wir lassen uns nicht erpressen +++
Nach Gysi sprach SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Seine Botschaft: Es sei schlecht wenn die griechische Regierung der EU diktiere, "unter welchen Bedingungen es ihr gefällt, in der Eurozone zu bleiben". Keine Regierung in der EU habe das Recht, Solidarität einzufordern, ohne dafür in Gegenleistung zu treten. "Wir wollen den Kompromiss, aber wir lassen uns nicht erpressen", sagte Oppermann.

+++ 09:45 Gysi: Merkel gefährdet Europa +++

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi wirft hat der schwarz-roten Regierung einen völlig verfehlten Umgang mit der griechischen Schuldenkrise vor. "Sie gefährden den Euro insgesamt und damit auch die europäische Integration", sagte er in seiner Entgegnung auf Merkel.

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras habe den finanziellen "Schlamassel" von seinen sozialdemokratischen und konservativen Vorgängern geerbt, zuletzt aber schon sieben Milliarden Euro Schulden zurückgezahlt. "Die griechische Regierung ist zum Sparen bereit - nur nicht dort, wo Sie es gerne hätten", sagt Gysi. Das Schuldendrama sei ein Resultat der Politik der internationalen Geldgeber-Troika, "hinter der sich ja auch die Bundesregierung versteckt".

+++ 09:34 Merkel: Griechenland muss alle Verpflichtungen erfüllen +++
Hier eine schnelle Zusammenfassung dessen, was die Kanzlerin in der Regierungserklärung zu Griechenland gesagt hat. Erster Eindruck: Merkel klang alles andere als kompromissbereit.

Sie könne und wolle den Finanzministern, die sich heute Nachmittag treffen, nicht vorgreifen und nur "grundsätzliche Bemerkungen" machen. Reformen nach dem Prinzip "Leistung gegen Gegenleistung" hätten den Euro stärker gemacht.
Zugleich sei der Euro immer "weit mehr" gewesen als eine Währung. Die Entscheidung für eine gemeinsame Währung "stand und steht für die Idee der europäischen Einigung".
"Griechenland ist in den letzten fünf Jahren ein beispielloses Maß an europäischer Solidarität zuteilgeworden". Und Griechenland sei nicht das einzige Land in der Eurozone, das auf Solidarität angewiesen gewesen sei.
Anders als in Griechenland hätten Irland, Spanien und Portugal "ihre Hilfsprogramme erfolgreich abgeschlossen und stehen wieder auf eigenen Beinen". Auch Zypern sei "auf einem guten Weg". Diese Länder, so Merkel, "haben ihre Chance genutzt ... auch wenn der Weg dahin nicht einfach war".
"Auch Griechenland war auf einem guten Weg ... immer wieder jedoch wurden notwendige Strukturreformen verschleppt." Diese Reformen seien aber nicht die Voraussetzung, dass das zweite Programm erfolgreich abgeschlossen werden könne (d.h. Voraussetzung für die Auszahlung der verbliebenen 7,2 Milliarden Euro), sondern auch dafür, dass die "Hilfe zur Selbsthilfe" erfolgreich sein könne.
Die Vereinbarung der Euro-Finanzminister vom 20. Februar habe es der griechischen Regierung erlauben sollen, "im Rahmen des laufenden Programms ihre eigenen Schwerpunkte zu setzen". Dann zitiert Merkel aus der Vereinbarung. Die griechische Regierung habe darin die "eindeutige Zusage" gegeben, "ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber all ihren Gläubigern vollständig und fristgerecht zu erfüllen".
Deutschland Bemühungen seien darauf gerichtet, "dass Griechenland in der Eurozone bleibt". Merkel sagt, sie sei unverändert überzeugt: "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg." Eine Einigung mit den Institutionen sei immer noch möglich.

+++ 09:17 Merkel: Eurozone muss dauerhaft Erfolg haben +++
Nach Ausführungen über das Flüchtlingsthema sowie über die außen- und sicherheitspolitischen Krisen, die näher an die EU herangerückt seien, sagt Merkel, Europa habe auch "erhebliche innere Herausforderungen zu bewältigen".

Im Kern gehe es darum, die Konstruktion der Eurozone dauerhaft zum Erfolg zu führen. Nötig sei eine Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Euro-Länder. Merkel kündigt an, dass Deutschland und Frankreich beim EU-Gipfel in der kommenden Woche für Maßnahmen werben wollen, die im Rahmen der bestehenden Verträge umgesetzt werden können. Sie wirbt zugleich dafür, dass die "Strukturreformen" in den Mitgliedsstaaten fortgeführt werden.

Griechenland erwähnt sie in den ersten 15 Minuten ihrer Rede nicht.

+++ 09:03 Merkel gibt Regierungserklärung ab +++
Sie können die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Livestream bei n-tv.de verfolgen. Erstes Thema: Die Rettung und Aufnahme von Flüchtlingen.

+++ 08:35 CDU-Politiker Linnemann: Grexit wäre besser +++

Der Chef der Mittelstandsvereinigung der Union, Carsten Linnemann hält einen Grexit für die bessere Lösung. Die Mittelstandsvereinigung plädiere für eine Insolvenz mit anschließendem Euro-Austritt, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete bei n-tv. "Das ist die bessere Lösung jetzt für Griechenland, denn es ist eigentlich schon fünf nach zwölf und wir müssten eigentlich schon die Uhr zurückstellen."

Dass Griechenland die Notkredite zurückzahlen kann, glaubt Linnemann nicht: "Das Geld kommt nicht zurück, es ist weg, das ist nun mal so und das muss auch allen Beteiligten klar sein. Es geht jetzt darum, eine Lösung zu finden, dass man zumindest ein Ende hat und eine Perspektive, auch für die Menschen in Griechenland."

Linnemann hat die Griechenland-Kredite im Bundestag stets abgelehnt. Hier ein Interview mit ihm vom Februar 2015 über seine Forderung nach Einführung einer Staateninsolvenzordnung.

+++ 08:00 Schäuble und Kollegen machen Druck auf Athen +++
Unsere Presseschau geht weiter: In der "Bild"-Zeitung appellieren die Finanzminister Deutschlands, Belgiens, Litauens und Sloweniens an Griechenland, die Reform-Vereinbarungen einzuhalten. Athen müsse die "Verpflichtungen aus dem laufenden Programm" erfüllen, sagt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

+++ 07:40 Weidmann: Grexit schadet Griechenland mehr als der Eurozone +++
Nach Einschätzung von Bundesbank-Chef Jens Weidmann würde ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone nicht die Existenz des Euro gefährden. Im Falle eines Grexit wären Ansteckungseffekte "sicher nicht auszuschließen", sagte Weidman in einem Interview mit den Zeitungen "Les Echos" (Frankreich), "El Mundo" (Spanien) und "La Stampa" (Italien). Ein endgültiges Scheitern der Verhandlungen mit seinen internationalen Gläubigern bedeute aber vielmehr "schwer zu kontrollierende Konsequenzen für Griechenland".

Ein Grexit könne "den Charakter der Währungsunion verändern", sagte Weidmann. Dies sei aber auch der Fall, wenn einzelne Länder "nicht ihre Verantwortung übernehmen, um eine stabile Währung zu garantieren". Im Schuldenstreit sei "der Ball klar im Feld der griechischen Regierung", die nun über die Zukunft ihres Landes entscheiden müsse.

+++ 07:15 "Financial Times" fordert Einigung +++
In einem Editorial ruft die in London erscheinende "Financial Times" alle Beteiligten zu einer Einigung im griechischen Schuldendrama auf. In wirtschaftlicher Hinsicht seien die Differenzen gering, ein Grexit wäre sowohl für die griechischen Rentner als auch für die Gläubiger schlimmer als eine Einigung innerhalb des Euro.

Vorwürfe hat die Wirtschaftszeitung an alle Seiten: Die Syriza-Regierung habe schlecht verhandelt und Freunde verprellt; die Kreditgeber hätten Griechenland (vor Ausbruch der Krise) nicht so viel Geld leihen dürfen; die Eurogruppe hätte Griechenland erst nicht aufnehmen dürfen und habe dann die Rettung "verpfuscht". Jetzt sei allerdings nicht die Zeit für gegenseitige Schuldzuweisungen. Wer jetzt den Mut zu Konzessionen habe, verdiene nichts als Lob.

+++ 06:40 Tsipras weist "Lügen" zurück +++

Der "Tagesspiegel" bringt einen Gastbeitrag des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Darin weist er den Vorwurf zurück, die griechischen Renten seien zu hoch. Es stimme, dass Deutschlands Ausgaben für Renten und Pensionen stabil bei rund 10 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts liegen, die entsprechenden griechischen Ausgaben dagegen zwischen 2007 und 2013 von 11,7 auf 16,2 Prozent gestiegen seien. Das liege allerdings am Zusammenschrumpfen der Wirtschaftsleistung Griechenlands. Auch liege das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Griechenland bei 65,1 Jahren für Männer und bei 64,2 Jahren für Frauen (und damit in etwa auf dem deutschen Niveau).

Für Griechenland sind das keine statistischen Feinheiten, sondern ein Kern bei den Verhandlungen mit den "Institutionen", also mit EU, IWF und EZB. Ein Punkt ist Tsipras besonders wichtig: "Wer behauptet, deutsche Steuerzahler kämen für die Löhne, Renten und Pensionen der Griechen auf, lügt."

Der Zeitpunkt für Tsipras' Kommentar könnte kaum besser gewählt sein: Heute um 9 Uhr gibt Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag eine Regierungserklärung ab, in der es auch um die griechische Krise gehen wird. Um 15 Uhr kommt die Eurogruppe zusammen.

 
Griechenland, hop oder top?: Athen kann sich weiter durchhangeln

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Griechenland ist noch nicht verloren. Die mutmaßliche Eskalation des Schuldenstreits ähnelt im Augenblick eher einem Sturm im Wasserglas.

Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis hat von seinen Kollegen aus der Eurogruppe zumindest heute nichts zu befürchten. Das hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Morgen klar gemacht. In ihrer Regierungserklärung bekräftigte sie noch einmal, sie wolle nicht, dass Hellas den Euro verlässt. Damit signalisiert sie: Die bellenden Hunde beißen immer noch nicht. Die Krisenmanager Europas sind entgegen aller offen vorgetragener Empörtheit und Entnervtheit weiterhin nicht bereit, Griechenland ziehen zu lassen.

Zwar macht Merkel auch deutlich, dass sie Griechenland bei den Schuldenrückzahlungen nicht entgegenkommen will. Gleichzeitig verschafft sie Athen auf dem diplomatischen Parkett aber wieder Zeit. Zeit, die es angeblich schon längst nicht mehr gibt. Die Europartner werden weiter die Füße stillhalten. In der Hoffnung, dass Athen spitz auf Knopf doch noch einlenken wird. Und damit alle wissen, warum sie dieses Spiel eigentlich noch weiterspielen, stellt sie dem europäischen Bündnis gleich noch ein überragendes Zeugnis aus: Europa sei im Vergleich zum Beginn der Krise "unstrittig robuster geworden". Worte, die in dieser Situation jedoch eher wie ein abgehalfterter Werbespruch wirken.

Zeit ist neben Geld der wichtigste Dreh- und Angelpunkt im Schuldenstreit. Griechenlands Premier Alexis Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis wissen, wie sehr die europäischen Krisenmanager und Geldgeber an diesem Europa hängen. Sie hüten diese Union wie ihre Herde. Kein Schäflein soll verloren gehen - egal ob schwarz oder weiß. EZB-Chef Mario Draghi hat das Versprechen Euroland auf Gedeih und Verderb zusammenzuhalten, 2012 in die drei Worte gegossen: "Whatever it takes". Euroland wird auf jeden Fall gerettet. Diese Idee scheint fix geworden zu sein. Man ist offenbar bereit, ihr alle Zeit der Welt einzuräumen.

Tsipras und Varoufakis setzen dieses Kleben an einer hehren Idee, die auf dem Reißbrett geboren wurde, geschickt für sich ein. Kompromissbereit muss nur der sein, der Angst hat, mehr zu verlieren, als er gewinnen kann. Athen hat nichts zu verlieren. Im besten Fall ringt Tsipras den Geldgebern Zusagen ab. Im schlimmsten Fall geht das Land pleite. Und dann? Die Gekniffenen sind vor allem die Geldgeber.

Wie können die Eurostaaten die Währungsunion in ihrer jetzigen Form jetzt noch retten? Eine Spielart wäre, dass sie dem IWF und der EZB die Griechenland-Schulden abkaufen. Dann lägen alle Schulden beim Rettungsfonds EFSF. Zins und Tilgung auf diese Schulden sind bereits bis 2023 ausgesetzt. Athen wäre erst einmal aus dem Schneider.

Selbst wenn Griechenland aus dem Euro ausscheiden würde - was bei einer Staatspleite nicht unbedingt der Fall sein muss - wäre es nicht das Ende der Welt für Hellas. Die Griechen hätten zwar eine massive Abwertung ihrer neuen Währung. Da Griechenland kaum etwas produziert, stellt sich auch die Frage, wie die Bevölkerung für die importierten Lebensmittel bezahlen kann. Andererseits würde Athen - wenn die internationale Geldquelle ein für alle Mal versiegt ist - aber vermutlich endlich beginnen, eigenes Geld einzusammeln. Athen würde wahrscheinlich plötzlich Steuern eintreiben, Vermögen aus dem Ausland zurückbeordern, Verkehrskapitalkontrollen einführen und Auslandskapital für Direktinvestitionen anwerben. Alles, worauf die Europartner im Moment vergeblich warten.

Ein Investitionsboom könnte die Folge sein, Arbeitsplätze würden so geschaffen. Um Güter aus dem Ausland zu bezahlen, sind Kompensationsgeschäfte und langfristige Kreditlinien mit Partnern außerhalb Europas denkbar. Die Drachme wäre zwar in den Außenbeziehungen ein Problem. Für die Binnenwirtschaft ist es aber egal, welche Währung die Menschen in die Hand nehmen. Hauptsache das Geld wird in Griechenland akzeptiert. Athen könnte so - zumindest theoretisch - Tritt fassen.

Die Griechen stehen also weniger unter Druck, als der Rest Europa es zum Teil aussehen lässt. Die Hoffnungen, bei den Geldgebern noch etwas rauszuschlagen, sind für Athen längst nicht verloren. Griechenland wird nicht plötzlich der große Gewinner im klassischen Sinne sein, aber es kann gelingen, sich weiter durchzuhangeln.

Tsipras kann also vorerst weiterlächeln. Die mutmaßliche Eskalation des Streits ist im Augenblick nicht viel mehr als ein Sturm im Wasserglas.

 
Zu verkaufen", "auf Pump gelebt": Die Spuren der griechischen Krise


Im Schuldenstreit mit Griechenland gibt es keine Anzeichen einer schnelle Lösung für das pleitebedrohte Euroland. EU-Vertreter schrauben die Erwartungen an das anstehende Treffen der Euro-Finanzminister in Luxemburg herunter, da neue Reformvorschläge aus Athen fehlen. Doch wie geht es den Menschen in Griechenland? n-tv Reporterin Nadja Kriewald hat sich umgehört.

 
Merkel beharrt auf Reformzusagen: Varoufakis deutet Kompromissbereitschaft an



Im Schuldenstreit mit Griechenland hält Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Einigung auf den letzten Metern nicht für ausgeschlossen. Dennoch stellt sie in ihrer Regierungserklärung klar, dass es keine Hilfe ohne Gegenleistung geben wird. Der griechische Finanzminister Yannis Varoufakis hofft indes auf Bewegung beim Treffen der Euro-Finanzminister. Ziel sei es, ein "kostspieliges Zerwürfnis durch einen wirksamen Konsens zu ersetzen".

 
"Grundsätzliche Bemerkungen": Merkel kommt Griechenland nicht entgegen

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Bundeskanzlerin Merkel sagt, sie wolle, dass Griechenland im Euro bleibt. Eine Einigung im Schuldenstreit hängt in ihren Augen allein von Athen ab. Von Griechenland fordert sie, alle Schulden "vollständig und fristgerecht" zu bezahlen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer mit Spannung erwarteten Regierungserklärung im Bundestag beim Thema Griechenland keine Kompromissbereitschaft gezeigt.

Die Vereinbarung der Euro-Finanzminister vom 20. Februar habe es der griechischen Regierung erlauben sollen, "im Rahmen des laufenden Programms ihre eigenen Schwerpunkte zu setzen", sagte die Kanzlerin. Dann zitierte sie aus der Vereinbarung. Die griechische Regierung habe darin die "eindeutige Zusage" gegeben, "ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber all ihren Gläubigern vollständig und fristgerecht zu erfüllen".

Merkel sagte, die Bemühungen Deutschlands seien weiterhin "darauf gerichtet, dass Griechenland in der Eurozone bleibt". Trotz der stockenden Verhandlungen zwischen der Regierung in Athen und den drei internationalen Geldgeberinstitutionen sei sie überzeugt: "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg."

Aber Merkel betonte, dass sie allein die Regierung in Athen am Zug sieht. "Wenn die politisch Verantwortlichen in Griechenland diesen Willen aufbringen, ist eine Einigung mit den drei Institutionen immer noch möglich."

Merkel sieht Euro stärker als zu Krisenbeginn


Anlass der Regierungserklärung war der EU-Gipfel in der kommenden Woche, bei dem Griechenland offiziell gar nicht auf der Tagesordnung steht. Heute Nachmittag treffen sich die Finanzminister der Eurogruppe, um über die griechische Krise zu beraten. Sie wolle diesem Treffen nicht vorgreifen, sagte Merkel, und nur "grundsätzliche Bemerkungen" machen.

Europa sei im Vergleich zum Beginn der Krise "unstrittig robuster geworden", und das liege auch daran, dass "wir immer das Ganze im Blick hatten und haben, und das ist die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion", so die Kanzlerin. Reformen nach dem Prinzip "Leistung gegen Gegenleistung" hätten den Euro stärker gemacht.

Zugleich sei der Euro immer "weit mehr" gewesen als eine Währung. Die Entscheidung für eine gemeinsame Währung "stand und steht für die Idee der europäischen Einigung".

An der griechischen Regierung übte sie deutliche Kritik: "Griechenland ist in den letzten fünf Jahren ein beispielloses Maß an europäischer Solidarität zuteilgeworden", sagte Merkel. Und Griechenland sei nicht das einzige Land in der Eurozone, das auf Solidarität angewiesen gewesen sei.

Anders als in Griechenland hätten Irland, Spanien und Portugal "ihre Hilfsprogramme erfolgreich abgeschlossen und stehen wieder auf eigenen Beinen". Auch Zypern sei "auf einem guten Weg". Diese Länder, so Merkel, "haben ihre Chance genutzt ... auch wenn der Weg dahin nicht einfach war". Auch Griechenland sei auf einem guten Weg gewesen, immer wieder jedoch seien notwendige Strukturreformen verschleppt worden.

 
Volles Risiko: Wie weit wird Tsipras gehen?

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Alle Indizien weisen darauf hin, dass Griechenlands Ministerpräsident sich auf einen langen Kampf mit den Gläubigern vorbereitet hat. Alexis Tsipras scheint sich keine allzu großen Sorgen um die Konsequenzen einer Staatspleite zu machen.

Während die Risikopolitik in der griechischen Finanzkrise neue Höhepunkte erreicht, kratzen sich einige europäische Regierungschefs den Kopf, um zu verstehen, in welchem Handlungsrahmen sich der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras derzeit bewegt. Andere Regierungschefs scheinen in eine Starre gefallen zu sein.

Es stimmt, dass der so aufwieglerische Tsipras viele seiner europäischen Kollegen überrascht hat. Obwohl seine Wahlversprechen ein klares Bild seiner Regierungspläne gezeichnet hatten, ging man davon aus, dass er, sobald er an der Macht wäre, seine Forderungen an die Gläubiger Griechenlands verwässern würde, um rechtzeitig eine Einigung zu erzielen.

Aber nach viereinhalb Monaten endloser Verhandlungen mit der Europäischen Kommission, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) scheint der einzige Kompromiss, zu dem Tsipras bereit ist, in Teilprivatisierungen zu liegen. Dabei geht es nicht um neue Privatisierungen, sondern um eine Fortsetzung der Angebote bei den griechischen Regionalflughäfen und der Hafenbehörde von Piräus.

Bei seinen anderen roten Linien - der Reform des Rentensystems, der Liberalisierung des Arbeitsmarktes und der Abschreibung oder wenigstens der Umstrukturierung der griechischen Schulden - zeigt er keinerlei Bereitschaft zum Kompromiss.

Wie weit will Tsipras seine riskante Politik noch treiben?

Alle Indizien weisen darauf hin, dass er sich auf einen langen und harten Kampf mit den Gläubigern vorbereitet hat und dass er sich nicht allzu große Sorgen über die Konsequenzen einer möglichen Staatspleite macht. Griechische Medien berichteten am Mittwoch, er habe dem Vorsitzenden der Partei To Potami, Stavros Theodorakis, bei einem Treffen am Dienstag gesagt, dass er wegen möglicher Kapitalkontrollen nicht sehr besorgt sei, weil "Syriza-Wähler ohnehin keine großen Sparguthaben besitzen".

Ob das wahr ist oder nicht, es ist offensichtlich, dass es Tsipras schwerfallen würde, seine Syriza-Genossen und seinen Koalitionspartner, die "Unabhängigen Griechen" (Anel), davon zu überzeugen, einer Einigung zuzustimmen, die in der Nähe der aktuellen Forderungen der Gläubiger liegt. Einige Beobachter fürchten sogar, dass Tsipras das Land lieber pleite gehen lassen würde als die "absurden" Bedingungen der Gläubiger zu akzeptieren und die "Kolotoumba" (die Rolle rückwärts) zu machen, wie frühere griechische Regierungschefs es bei den Bailout-Programmen gemacht haben.

Yanis Varoufakis, Tsipras' Partner in diesem Risikospiel, zeigt dieselbe harte Haltung. Bei seinem Besuch in Paris am Mittwoch signalisierte er, dass es beim Eurogruppen-Treffen an diesem Donnerstag keine Einigung geben werde und die einzige Chance für ein Abkommen auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs liege, wobei er auf den EU-Gipfel in der nächsten Woche anspielte.

Einige Griechen haben vielleicht das Gefühl, Tsipras zeige starke Führung und kämpfe hart, um seine Versprechen zu halten. Aber täglich wird deutlicher, dass er sich bei der Bereitschaft der Eurozone, Entschlossenheit zu zeigen und sich nicht "erpressen" zu lassen, schrecklich verkalkuliert hat. Selbst die Annahme, Kapitalkontrollen seien beherrschbar, könnte sich leicht als tragische Illusion herausstellen. Einige Syriza-Vertreter zeigen auf das Beispiel Zypern und wie gut das Land mit Kapitalkontrollen zurechtgekommen sei. In Zypern gab es aber einen wesentlichen Umstand, der geholfen hat, dass die Kapitalkontrollen funktionierten: Das Land hatte einem Bailout-Programm mit seinen Gläubigern bereits zugestimmt.
 
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