Clans in Essen: Ladenbesitzer enthüllt kriminelle Vergangenheit - „Ich hab 20 Mal zugestochen“ !
Essen. Erpressungen, Körperverletzungen, Betrügereien - wie Clans in Essen ihre kriminellen Geschäfte machen, hat nun ein ehemaliger Shishabar-Besitzer geschildert.
Shishabar-Betreiber packt über brutale Maschen der kriminellen Großfamilien aus
In der „Sat.1 Reportage“ verrät der Mann kurdischer Herkunft, wie er systematisch von Clans in Essen drangsaliert wurde.
Der Vater, in der Reportage Yusuf genannt, hing seinen Job als Mechaniker an den Nagel und eröffnete mit einem Kumpel eine Shisha-Bar.
Sie hatten auch drei Spielautomaten.
Am Anfang lief es gut, doch dann kreuzten Mitglieder eines stadtbekannten Clans auf, schildert er.
„Auf einmal ist ein Älterer mit seinem Sohn gekommen und hat gesagt: 'Die Automaten müssen raus.
Unsere kommen rein. 25 Prozent kriegst du, den Rest wir.'"
Pistole unter dem Anzug
Unter seinem Anzug lässt das Clan-Mitglied eine Pistole hervorscheinen.
„Ich habe verstanden, die meinen das ernst“, erzählt Yusuf.
Trotzdem lehnte er ab.
Eine Entscheidung, die er ein paar Tage später bereuen sollte.
Erst wurden die Scheiben seines Ladens eingeschlagen, dann gab es einen Einbruchsversuch.
Sein Laden wurde diskreditiert.
Yusuf entschied sich daher auf das dubiose Angebot einzugehen.
„Lieber habe ich Ruhe,“ dachte er sich und verzichtete auf die Einnahmen aus den Spielautomaten.
Doch die kriminelle Clan-Familie ließ ihm auch weiter keine Ruhe.
„Die sagten, die Hälfte des Ladens muss uns gehören.“
Das wurde auch im Mietvertrag festgehalten.
„Irgendwann bin ich hingegangen.
Da konnte ich den Laden nicht mehr aufmachen mit meinem Schlüssel.
Sie sagten mir: 'Du bist nicht mehr Besitzer von dem Laden.'“
Systematisch wurde der Mann aus seinem eigenen Laden gedrängt.
Und die Krönung: „Sie waren noch so dreist und haben mich bei der Polizei angezeigt.“
Yusuf erstattete ebenfalls Anzeige.
Doch der Fall wird eingestellt.
Auch weil andere bedrohte Ladenbesitzer sich offenbar nicht trauten, zur Polizei zu gehen.
„Man hat Angst, man hat Frau und Kinder“
Yusuf hat kapituliert: „Man hat Angst, man hat Frau und Kinder.“
Heute, fünf Jahre später, will er darüber sprechen, wenn auch anonym: „Ich wollte, dass das publik gemacht wird.
Das Problem ist: man kann nichts beweisen.
Es steht Wort gegen Wort.“
Ladenbesitzer hat dunkle Vergangenheit
Auch „Ibo“ betreibt einen Laden in der Essener Innenstadt, führt ein ordentliches Leben mit Familie und Arbeit.
Schutzgeld-Erpressungen, davor hat er keine Angst.
„Ich habe eine große Familie“, sagt er.
Seit fünf Jahren betreibt er den kleinen Supermarkt.
Doch „Ibo“ hat auch eine dunkle Vergangenheit.
Er saß sechs Jahre in Haft, weil er 2011 ein Mitglied eines anderen Clans beinahe tödlich verletzte.
Das Mitglied hatte seinen Bruder geschlagen.
„Ibo“ zückte ein Messer.
„Ich stach 20 Mal auf ihn ein.
Das war ein bisschen zu hart“, sagt er rückblickend über den Vorfall am Essener Hauptbahnhof.
„Keiner hört auf den Rechtsstaat“
„Wir Kurden sind ein bisschen anders als die anderen.
Bei uns gibt es keine Gnade“, erzählt er und ergänzt: „Wenn es Streit gibt, dann kommen die Messer raus.
Dann wird eskaliert, danach kommen die großen Onkel, man setzt sich an den Tisch und es wird verhandelt über Geld.
Wer mehr geblutet hat.
Der Rechtsstaat kann nichts machen.
Keiner hört auf den Rechtsstaat.“
Solche Vorgehensweisen kann auch die Kriminologie-Professorin Dorothea Dienstbühl von der Polizeihochschule Gelsenkirchen bestätigen: „In den Familien ist es das allerwichtigste Prinzip, dass man die Angelegenheiten selber regelt.
Man stellt keine Anzeige gegen den anderen, sondern regelt das untereinander.
Auch wenn man untereinander verfeindet ist: wer trotzdem immer der Feind ist, ist der Staat.
Mit ihm spricht man nicht.“
Die Reportage begleitete auch die Polizei im Einsatz in mehreren Shishabars in Essen.
Die Stimmung ist dabei immer wieder agressiv.
In einer Bar stoßen sie auf einen stadtbekanntes Clan-Mitglied.
Statt Zigaretten hat er in einer Kippen-Schachtel Drogen dabei.
Das habe er gefunden, erwidert er den Beamten.
Clan-Aussteiger: „Da ruft keiner die Polizei“
Auch der Clan-Aussteiger Hamid Khamis kommt in der Reportage zu Wort.
„Wenn du in einem Viertel aufwächst, wie ich es bin:
Da ruft keiner die Polizei.
Das bringt nur noch mehr Ärger, wenn eine Anzeige oder Gerichtsverhandlung kommt.
Jeder Junge hat da ein Bruch gemacht.
Da wirst du nicht getadelt, eher gelobt in so einem Viertel.
Das ist wie in den Charts.
Du steigst auf, alle wollen mit dir arbeiten, du bist ganz oben und merkst nicht, dass du irgendwann nicht mehr zurück kannst.“