Digitale Sicherheitskonferenz: Bidens Balsam beeindruckt Merkel kaum !
Mit seiner Rede bei der Münchener Sicherheitskonferenz sendet US-Präsident Biden ein klares Signal: Trump ist Geschichte, jetzt soll alles wieder gut werden zwischen den Vereinigten Staaten und Europa.
Merkel wird davon nicht gerade mitgerissen.
Bei der Münchener Sicherheitskonferenz hat US-Präsident Joe Biden die Europäer derartig leidenschaftlich hofiert, dass es wohl Standing Ovations für ihn gegeben hätte, wenn die ganze Veranstaltung nicht coronabedingt virtuell abgelaufen wäre.
So sprach Biden von einem Monitor herab in einen leeren Saal im Hotel Bayerischer Hof und lediglich das fast selige Strahlen des Gastgebers und früheren Botschafters in Washington, Wolfgang Ischinger, zeugte davon, dass Bidens Botschaft angekommen war.
Gleich nach dem US-Präsidenten sprachen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron - sie machten deutlich, wie sie sich die Zusammenarbeit vorstellten.
Von Enthusiasmus war bei beiden, insbesondere aber bei Merkel, wenig zu spüren.
"Amerika ist zurück", lautete Bidens Botschaft, so wie er es schon vor zwei Jahren bei seinem Besuch der Konferenz versprochen hatte.
Das hat er zwar schon öfter gesagt, doch sein Auftritt ließ keinen Zweifel daran, dass er es ernst meinte.
"Von Rom bis Riga" wolle er mit den Ländern in Europa zusammenarbeiten, sagte Biden, er wolle dabei helfen, dass die Europäische Union stark und wohlhabend bleibe.
Man wolle nun nicht zurück-, sondern gemeinsam nach vorne schauen. Worte wie Balsam auf europäische Seelen.
Allein die Tatsache, dass Biden als US-Präsident sich nach München zuschalten ließ, hatte Symbolik.
Das hatte noch keiner seiner Vorgänger getan.
Er selbst ist Stammgast auf dem Treffen.
Erstmals war er 1974 als junger Senator da, dann dreimal als Vizepräsident, schließlich vor zwei Jahren als "privater Bürger", der versprach, dass die Trump-induzierte Eiszeit vorübergehen werde und das Amerika zurückkommen werde.
"Ich habe Wort gehalten", sagte Biden nun.
2019 war es auf der Sicherheitskonferenz hoch hergegangen.
Während Trumps Vize Mike Pence mehr oder weniger unverblümt Gefolgschaft und Gehorsam eingefordert hatte, äußerte Merkel in einer vielbeachteten Rede außergewöhnlich deutliche Kritik an Trump.
Im vergangenen Jahr sagte der damalige US-Außenminister Mike Pompeo, wenn Amerika gewinne, gewinne auch der Westen - zuvor hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die USA mit China und Russland auf eine Stufe gestellt, indem er diesen Ländern nationalen Egoismus vorwarf.
Es knirschte im transatlantischen Gebälk.
Eiszeit erstmal vorbei
Die letzte verbliebenen Eiszapfen darin dürfte Biden nun mit seinen warmen Worten zum Schmelzen gebracht haben.
In Deutschland wird man mit Genugtuung vernommen haben, dass er noch einmal darauf hinwies, dass er den Abzug der US-Truppen aus hiesigen Basen vorerst gestoppt hat.
Besonders die baltischen Staaten, aber auch andere Länder des früheren Ostblocks dürften sich über sein klares Bekenntnis zum Beistandsartikel der NATO gefreut haben.
"Wir werden uns an Artikel 5 halten", sagte Biden.
"Ein Angriff auf einen, ist ein Angriff auf alle."
In der Ära Trump waren Zweifel daran aufgekommen.
Hätten die USA da wirklich reagiert, wenn Putin in Litauen oder Estland einmarschiert wäre?
Bidens Worte waren der Kontrapunkt zu Trumps "America First"-Rhetorik.
"Die letzten vier Jahre waren hart, aber Europa und die USA müssen wieder mit Selbstbewusstsein und gegenseitigem Vertrauen führen."
Dabei machte er aber auch deutlich, dass man nun nicht einfach die Zeit zurückdrehen kann.
"Wir stehen an einem Wendepunkt", sagte Biden.
Es gebe neue Krisen.
Gegen Russland und China müsse man zusammenstehen, forderte der Präsident, sei es in der Ukraine-Frage oder bei unfairen Handelspraktiken.
Auch beim Kampf gegen die Corona-Pandemie und beim Klimawandel warb der US-Präsident für internationale, gemeinsame Anstrengungen.
Vielsagend war, dass Biden heiße Eisen wie den Streit um die Pipeline Nord Stream 2 oder auch das umstrittene Zwei-Prozent-Ziel der NATO gar nicht erst erwähnte.
Auch zu einer möglichen Rückkehr zum Atom-Deal mit dem Iran sagte er nichts.
Stattdessen hielt Biden ein grundsätzliches Plädoyer für die Demokratie selbst.
Die werde in Europa und den USA angegriffen.
"Wenn wir jetzt mit unseren demokratischen Partnern zusammenarbeiten, weiß ich, dass wir gegenüber jeder Herausforderung und jedem Herausforderer bestehen können", sagte er.
Noch eine Schippe drauf legte er ganz zum Schluss, indem er die gerade geglückte Mars-Mission der NASA anführte, an der auch europäische Staaten beteiligt seien.
"So etwas können wir schaffen", rief er.
"Amerika ist wieder da und lassen Sie uns zusammenkommen und unseren Enkeln zeigen, dass Demokratie funktioniert und es nichts gibt, was wir nicht schaffen können."
Merkel zeigt sich ungerührt
Das saß, und man hätte erwarten können, dass Merkel und Macron in ihren anschließenden Beiträgen freudestrahlend die rhetorische Umarmung erwidert hätten.
Aber Merkel zeigte sich unbeeindruckt von den großen Worten Bidens.
Dessen "Amerika ist wieder da" schien bei ihr zu verhallen - denn für Merkel war Amerika natürlich nie weg, sondern in Person von Trump vielmehr dauerpräsent.
Große Worte vermied sie und hielt sich strikt an die Themen.
Im Sitzen vor einer blauen Wand klapperte sie diese fast geschäftsmäßig ab, versprach etwa, dass Deutschland weiter anstrebe, zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben, und forderte, dass auch die tatsächlichen Beiträge berücksichtigt werden sollten.
So sei man ja bereits seit 18 Jahren in Afghanistan mit dabei.
"Deutschland ist bereit, länger in Afghanistan zu bleiben", sagte sie.
Sie begrüßte ausdrücklich, dass Biden nun Trumps Abzugspläne aus dem Bürgerkriegsland überprüft.
Sie forderte, wie auch nach ihr Macron, dass sich die transatlantischen Partner stärker um Afrika kümmern sollten.
So regte sie etwa eine UN-Mission an, um Staaten in der Sahelzone im Kampf gegen Islamisten zu helfen.
Macron sprach sich dafür aus, jetzt Afrika mit Impfstoff auszuhelfen, damit die Länder sich nicht an China und Russland wenden.
Auch um Libyen und Syrien müsse man sich kümmern, ebenso Berg-Karabach.
Macron bekräftigte zudem seine Forderung, dass Europa sich militärisch weniger abhängig von den USA machen sollte.
Der Kontrast der Reden Bidens und Merkels war deutlich.
Während der Amerikaner die großen Linien zeichnete, schien Merkel sich aus dem Maschinenraum der Politik zu melden und wies mit einer gewissen Vehemenz auf die konkreten Sachfragen hin.
Auch sie bekannte sich zu den gemeinsamen Werten und zu einem engen Verhältnis mit den Amerikanern.
Bei ihr klang es aber weniger leidenschaftlich, eher pflichtschuldig: "Deutschland steht für ein neues Kapitel der transatlantischen Partnerschaft bereit."
Bei aller Freude über die neue Regierung in Washington klang bei ihr auch Enttäuschung über die vergangenen vier Jahre mit.
Bidens Leidenschaft begegnete sie jedenfalls kühl: Im Deutschen gebe es ein Sprichwort, sagte sie.
"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es."