Tsipras' Angebot an die Gläubiger: "Für Griechenland wird es jetzt teurer"
Was ist von den neuen Sparvorschlägen aus Griechenland zu halten? Der SPD-Finanzexperte Carsten Schneider sieht die Regierung in Athen auf dem richtigen Weg. Dass sich Alexis Tsipras erst so spät bewege, habe jedoch fatale Folgen.
n-tv.de: Die griechische Regierung hat einen neuen Reformplan eingereicht. Wie bewerten Sie die Sparvorschläge?
Carsten Schneider: Es ist zum ersten Mal ein ernsthaftes Bemühen der griechischen Regierung erkennbar, diese wirtschaftliche Katastrophe zu lösen. Man erkennt nun an, dass es Bedarf für ein weiteres Hilfsprogramm gibt und geht die Probleme in der eigenen Verwaltung an. Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras bekennt sich zu den notwendigen Reformen in verschiedenen Bereichen. Sie schlägt den richtigen Weg ein, nur leider zu spät. Auf der Grundlage dieses Angebots kann man jedoch ernsthaft verhandeln.
Obwohl es, wie Sie sagen, zu spät ist?
Ja, für Griechenland wird es jetzt nur teurer. Das Land ist vor Monaten von einem Wachstumskurs in die Rezession geschlittert. Die Bevölkerung ist tief verunsichert und hat viel Geld von den Banken abgezogen. Das wird Griechenland noch über Jahre Substanz und Wohlstand kosten. Das hätte man sich sparen können. Es hat lange gedauert, bis die griechische Regierung verstanden hat, dass es ohne Gegenleistungen keine Hilfe gibt. Die harte Haltung von Vizekanzler Sigmar Gabriel war deshalb absolut richtig.
Sie hatten bereits Gelegenheit, sich die neuen griechischen Sparvorschläge anzuschauen. In welchen Bereichen sehen Sie noch Verhandlungsbedarf?
Die entscheidende Frage ist, wie hoch der Bankenrekapitalisierungsbedarf ist. Die griechischen Banken haben zuletzt sehr gelitten. Man muss jetzt prüfen, wie hoch die nötigen Mittel sind, um das Bankensystem wieder zu stärken. Das ist dringend notwendig, um Kredite für die Unternehmen und Investitionen zu initiieren.
Die griechische Regierung macht unter anderem bei der Besteuerung der griechischen Inseln und beim Rentensystem Zugeständnisse. Noch einmal die Frage: Wo muss Tsipras möglicherweise über das jetzige Angebote hinausgehen?
Die Regierung in Athen muss selbst entscheiden, wie hoch etwa der Steuersatz auf ihren Inseln sein soll. Wichtig ist, dass die Zahlen zum Gesamthaushalt am Ende stimmen und wir einen leicht ansteigenden Primärüberschuss haben.
Der Unionsfraktionsvize Michael Fuchs findet die neue Sparliste nicht glaubwürdig. Er sagt: "Man kann nicht ein Referendum machen und dem Volk empfehlen, dass man diese Vorschläge nicht will, und dann ein paar Tage später doch alles anders machen." Teilen Sie diese Einschätzung?
Griechenland scheint politisch anders zu ticken, als wir es in Deutschland kennen. Es fällt mir schwer, das zu beurteilen. Sicher ist: Es gibt keinen Vertrauensvorschuss für die griechische Regierung. Dafür ist zu viel Porzellan zerschlagen worden. Geld gibt es nur gegen Gegenleistungen. Wir werden genau kontrollieren, dass alle Reformzusagen auch Gesetze werden.
Wenn es am Wochenende eine Einigung geben sollte, muss der Bundestag möglicherweise schon in der kommenden Woche über neue Finanzhilfen abstimmen. Erwarten Sie, dass diesmal noch mehr Abgeordnete mit Nein stimmen könnten als Ende Februar?
Das kann ich erst sagen, wenn es ein bestätigtes Gesamtkonzept gibt. Erst dann weiß ich, ob ich meiner Fraktion empfehlen kann, bei der Abstimmung zuzustimmen. Griechenland gehört zu Europa und hat im Euro eine Chance verdient. Aber sie müssen sich jetzt selbst helfen.
Das griechische Parlament stimmt heute noch über die Sparvorschläge der Regierung ab. In der Regierungskoalition von Tsipras gibt es jedoch viele Kritiker. Was passiert, wenn der Ministerpräsident keine Mehrheit erhalten sollte?
Das wäre natürlich schwierig. Das Parlament sollte wissen, dass er die Mehrheit unbedingt benötigt. Wenn nicht, gibt es keine Verhandlungen. Dann würde Griechenland scheitern und müsste aus dem Euro ausscheiden. Die Zeit für Spielchen ist jetzt endgültig vorbei.