Griechenland Grexit NEWS: Pokernacht in Brüssel: "Grexit auf Zeit" ist vom Tisch

Banken ohne Geld: Not der griechischen Bevölkerung wächst


Viele Menschen in Griechenland sind verzweifelt. Sie wissen nicht, wie sie an Geld kommen und den Alltag meistern sollen. Inzwischen bleiben sogar viele Urlauber aus - die Verunsicherung über die Krise ist groß. Das Ausmaß bekommen vor allem die griechischen Bürger zu spüren.

 
"Wen trickst Athen diesmal aus?": Unionspolitiker verhehlen ihre Skepsis nicht

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Zahlreiche Euro-Länder schüren die Hoffnung auf eine Einigung im Schuldenstreit. In Deutschland traut man dem Frieden indes nicht. Mehrere Unionspolitiker bezweifeln, dass Athen die angekündigten Reformen auch umsetzen wird. Die Realität lasse dies kaum zu.

Die griechische Regierung hat ihren Gläubigern eine neue Spar- und Reformliste vorgelegt. Sie geht über das hinaus, was sie ihrer eigenen Bevölkerung noch vor einer Woche empfohlen hat abzulehnen. Den Gläubiger könnte diese Liste als Türöffner für weitere Verhandlungen über ein drittes Reformpaket reichen, die griechische Bevölkerung könnte sich indes von ihrer Regierung getäuscht fühlen.


Auch in Deutschland zweifeln führende Unionspolitiker an der Ernsthaftigkeit der neuen Reformvorschläge. So stellte Fraktionsvize Ralph Brinkhaus die Frage: "Wie glaubhaft ist es, dass diese Reformliste auch umgesetzt wird?" Schließlich umfasse sie offenbar weithin frühere europäische Vorschläge, die die Regierung in Athen und die griechischen Bürger beim Referendum am vergangenen Sonntag abgelehnt hätten. "Von daher stellt sich dann auch die Frage der Glaubwürdigkeit."

Sein Kollege in der Fraktionsführung Hans-Peter Friedrich von der CSU sagte: "Entweder die griechische Regierung trickst ihr eigenes Volk aus oder wieder mal uns." Allerdings stehe derzeit noch gar keine Entscheidung über die Reformvorschläge an, die die griechische Regierung in der Nacht in Brüssel eingereicht habe, sagte Brinkhaus. Nun müsse erst einmal geklärt werden, ob man Verhandlungen aufnehme, und dabei habe der Bundestag ein gewichtiges Wort mitzureden.

Die Debatte um Schuldenerleichterungen für das Land hält Brinkhaus für ein Ablenkungsmanöver. Die Schuldendienste seien aktuell nicht das Hauptproblem Griechenlands, sondern Reformen. Er sei, was das Thema Schuldenentlastungen angehe, "sehr skeptisch". Ein Schuldenschnitt sei momentan "wirklich nicht das Hauptthema".

Besser wäre ein Ausscheiden aus dem Euro

Friedrich verband seine Zweifel an den griechischen Reformvorschlägen mit einer scharfen Kritik an der EU-Kommission. "Da habe ich sehr wenig Vertrauen", sagte er. In Sachen Griechenland könne man EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker "auch eine alte Zeitung schicken mit Unterschrift, und dann würde der sagen toll, toll, toll. Das ist jetzt die Basis". Friedrich wiederholte seine Auffassung, dass aus ökonomischer Sicht ein Ausscheiden des Landes aus dem Euro geboten sei.

Erwartet wird, dass die griechische Regierung die Reformpläne ihren Wählern nur schmackhaft machen kann, wenn sie an anderer Stelle mehr herausholt. Das spricht für weitere Schuldenerleichterungen - sei es in Form niedrigerer Zinsen, längerer Laufzeiten oder einer Absenkung des Rückzahlungsbetrags.

Der Ökonom Marco Bargel von der Postbank warnt vor einem "faulen Kompromiss". Er erwartet, dass Griechenland "wie üblich nur Reformgesetze verspricht. Die wurden bislang häufig nicht umgesetzt." Außerdem wäre das ein Schlag ins Gesicht der Länder, die ihre Hausarbeiten anders als Griechenland gemacht haben und jetzt wie Spanien, Portugal oder Irland wieder wachsen", sagte der Chefvolkswirt. "Ein fauler Kompromiss würde die Reformgegner in vielen Ländern stärken und die Währungsunion damit schwächen."

In Brüssel beraten derzeit die Experten über die neue Reformliste, mit der sich am Samstag dann die Finanzminister der Euro-Zone befassen sollen.

 
CDU-Mann über Tsipras' Sparliste: "Sehr glaubwürdig ist das nicht"

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Athen hat neue Sparvorschläge an die Eurogruppe geschickt. Ob das neue Angebot für eine Einigung ausreicht? Unionsfraktionsvize Michael Fuchs ist skeptisch. Das Angebot der griechischen Regierung von Regierungschef Tsipras geht ihm nicht weit genug.

n-tv.de: Was halten Sie von der neuen griechischen Sparliste?

Michael Fuchs: Sehr glaubwürdig ist das nicht, was Tsipras anbietet. Die Sparvorschläge lagen ja bereits vor zwei Wochen auf dem Tisch. Dann hat Athen ein Referendum abgehalten und gegen diese Vorschläge gestimmt.

Die griechische Regierung kommt den Gläubigern in einigen Punkten entgegen, zum Beispiel beim Thema Steuern und Renten.

Die Vorschläge gehen in die richtige Richtung. Das Problem ist: Oft beginnen die geplanten Sparmaßnahmen nicht sofort. Zum Teil sollen sie erst 2016 und 2017 in Kraft treten. Griechenland hat aber bereits jetzt erhebliche Defizite. Deswegen muss schneller gehandelt werden.

Was sind die größten Knackpunkte?

Bei den Militärausgaben hatten wir größere Einsparungen verlangt. Da ist Athen sehr zögerlich. Bei der Mehrwertsteuer wurden die Zeiten deutlich nach hinten verlegt. Das ist nicht in Ordnung, denn wir hatten vereinbart, dass das alles ab sofort gelten sollte. Es muss sofort mehr Geld in die griechischen Kassen fließen. Ansonsten hat das Land keine Tragfähigkeit der Schulden und der Zinsen.

Kann das neue Angebot Athens die Bedenken der Unionsfraktion trotzdem etwas mildern?

Wir müssen das jetzt erstmal genau überprüfen und bewerten. Es wäre mutig, jetzt schon ein umfassendes Urteil abzugeben. Dafür war die Zeit bisher zu kurz.

In vielen Punkten bietet die griechische Regierung mehr an als zuletzt. Widerspricht das nicht dem Nein beim Referendum?

Zur griechischen Schuldenkrise bringt n-tv heute um 13.30 Uhr, 14.30 Uhr sowie dann zu jeder vollen Stunde bis 20.00 Uhr und um 23 Uhr ein News Spezial.

Das macht mich auch stutzig. Man kann nicht ein Referendum machen und dem Volk empfehlen, dass man diese Vorschläge nicht will, und dann ein paar Tage später doch alles anders machen. Das verstehe ich nicht ganz und deswegen bin ich auch skeptisch.

Tsipras lässt heute in Athen über die Sparliste abstimmen. Was ist, wenn er keine Mehrheit erhalten sollte?

Wenn er keine Mehrheit bekommt, haben sich die Vorschläge sowieso erledigt. Dann brauchen wir nicht weiter zu diskutieren.

Was passiert dann?

Das muss die griechische Regierung entscheiden. Wir können und wollen Griechenland nicht aus dem Euro rausschmeißen. Das müssen die selbst entscheiden. Wenn sie keine andere Möglichkeit haben, werden sie den Euro verlassen.

Das muss das griechische Volk entscheiden. Es wäre nicht richtig, wenn sich deutsche Politiker jetzt einmischen und sagen, dass die Menschen dort jemand anderes wählen sollen. Das ist nicht unsere Aufgabe.

 
Immer mehr Ausreisewillige: Griechen befürchten Chaos im eigenen Land



Für Griechenland ist der Tourismus extrem wichtig - doch auch dieser Wirtschaftszweig wird durch die Krise in Mitleidenschaft gezogen. Deshalb hoffen die rund 700.000 Menschen, die vom Tourismus leben, dass es endlich eine Einigung gibt. Welche Auswirkungen hat die Griechenlandkrise bislang in den Urlaubsregionen? n-tv ist auf Korfu unterwegs, um zu sehen, wie die Leute dort mit der Krise umgehen.

 
Skepsis bei Wirtschaftsexperten: Reformvorschläge aus Athen reichen nicht aus



Griechenland macht einen Schritt auf die Gläubiger zu. Die langersehnten Reformvorschläge aus Athen treffen vor Ablauf der Frist in Brüssel ein. Jetzt müssen Experten von EU-Kommission, EZB und IWF die Liste prüfen - und entscheiden, ob Griechenland frisches Geld erhält. Die Chance auf eine Einigung am Wochenende wird damit zwar wahrscheinlicher, Euphorie sieht aber anders aus.

 
Panikkäufe und Steuerzahlungen: Griechen werden erfinderisch


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Not und Angst machen kreativ. Ehe sie ihr Geld verlieren, geben die Griechen es lieber aus. Doch die Händler lassen sich längst nicht mehr auf jedes Geschäft ein.

Die Staatspleite in Griechenland scheint kaum noch abwendbar. Inzwischen greifen viele Griechen zu drastischen Mitteln, um ihr Erspartes nicht einfach so zu verlieren. Die "New York Times" berichtet, wer irgendwie in der Lage dazu sei, versuche, hochwertige Güter einzukaufen. Dabei sind teure Sonnenbrillen ebenso gefragt wie Handys.

Regelrecht leergekauft sind inzwischen die Läden, in denen es große Haushaltsgeräte wie Kühlschränke, Herde oder Geschirrspüler gibt. Eine Verkäuferin berichtete von regelrechten Panikkäufen. Sie habe sogar die Ausstellungsstücke verkauft und stelle die verbliebenen Waren nun so, dass die Lücken nicht gar zu sehr auffallen. Dabei fließt so gut wie kein Bargeld, es wird mit Karte bezahlt.

Ein griechischer Juwelier berichtete, er habe am Mittwoch einen Kunden abgewiesen, der Schmuck im Wert von einer Million Euro kaufen wollte. Auch hier sollte mit Karte gezahlt werden, doch der Juwelier wollte lieber seine Ware behalten, als sich auf eine große Summe bei einer griechischen Bank zu verlassen. Immer wieder macht der Verweis auf Zypern 2013 die Runde. Bei dem dortigen Bankenrettungsplan verloren Sparer, die mehr als 100.000 Euro auf dem Konto hatten, rund 40 Prozent ihrer Einlagen.

Geld wird auf vielen Konten verteilt

Daraus versuchen die Griechen zu lernen. Die Panik, die die Menschen fühlten, sei kaum zu beschreiben, berichtet ein Athener Buchhalter. Er habe sogar Kunden, die schon jetzt ausrechnen lassen, welche Steuern sie zu bezahlen haben und die Summe dann bereits vorab überweisen. Auch wenn die Steuer 40.000 oder 50.000 Euro betrage, zahlten sie den ganzen Betrag "in einem Rutsch".

Wer noch Schulden hat und sie bezahlen kann, tut das jetzt. Doch wer noch Geld zu bekommen hat, will es jetzt gerade nicht haben. Groß ist die Angst, dass das Geld auf den Bankkonten im Fall eines Schuldenschnitts einfach weg sein könnte. Der Einlagensicherung trauen die wenigsten. Weil zudem unklar ist, wie im Falle eines Schuldenschnitts vorgegangen wird, versuchen viele Griechen ihr Geld in kleineren Summen auf mehrere Konten zu verteilen.

Auf dem Athener Fischmarkt, wo man ausschließlich mit Bargeld bezahlen kann, laufen die Geschäfte in diesen Tagen schlecht. Lediglich 60 Euro am Tag können die Griechen bar am Automaten abheben. Wer Glück hat, bekommt sie tatsächlich auch. Doch die Automaten geben nur noch 50- und 20-Euroscheine aus. Die Zwanzigerscheine werden immer rarer und Fünfziger kann kaum noch jemand wechseln. Ein Apotheker berichtet, er habe schon jetzt viele Kunden, die ihre Medikamente mit Schuldscheinen bezahlten. Einzelne Firmen sind inzwischen dazu übergegangen, ihre Mitarbeiter in bar zu bezahlen.

 
Tsipras' 180-Grad-Wende: Was war das "Nein" wert?

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Griechenland sagt laut und deutlich "Nein" zum EU-Spardiktat. Trotzdem gibt Alexis Tsipras genau das nun korrigiert bei den Gläubigern ab. Warum? Weil er die nächste Runde im Spiel einläutet.

Er werde ihnen die "nationale Würde" wiedergeben, versprach Alexis Tsipras. Und mehr als 60 Prozent der Griechen glaubten ihrem Regierungschef und stimmten gegen die Spar- und Reformauflagen der internationalen Geldgeber. Keine Woche später ist alles anders. Sein Adjutant im Aufstand gegen die Troika, Yanis Varoufakis, ist zurückgetreten. Tsipras selbst schickt Reformvorschläge nach Brüssel, die mehr oder weniger das beinhalten, was seine Landsleute im Referendum vehement abgelehnt haben. Verrückt? Vielleicht. Vor allem aber taktisch. Alexis Tsipras hat die nächste Runde im Spiel um die Gelder eingeleitet.

Das Drohspiel, das sowohl die griechische Regierung als auch die Geldgeber in den vergangenen Wochen gespielt haben, hat mit dem Referendum sein krachendes Ende gefunden. Nun müssen Kompromisse gefunden werden, mit denen beide Seiten leben können.

Tsipras spielt mit hohen Einsätzen, die Not und Verzweiflung in seinem Land sind bereits unerträglich groß. Zudem bröckelt seine politische Glaubwürdigkeit an allen Fronten. Warum sollten die Geldgeber seinen Reformvorschlägen trauen? Warum sein Parlament die Kehrtwende mitmachen? Warum sollten ihn vor allem die 60 Prozent wiederwählen, denen er etwas anderes versprochen hatte?

Dagegen steht, was er möglicherweise rausholen kann: Im Gegenzug zu den Reformen verlangt Tsipras 53,3 Milliarden Euro an Hilfen, zudem eine Schuldenstreckung weit in die Zukunft hinein. Nicht zuletzt will Griechenland vor allem seine Schulden beim IWF und der Europäische Zentralbank zurückzahlen, so dass in ein paar Jahren nur noch die EU als Gläubiger übrig ist. Ein Vorschlag, der etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht gefallen wird. Sie wollte den IWF immer im Kreis der Kreditgeber halten. Geht das Vorhaben trotzdem durch, hat das "Nein" Tsipras tatsächlich eine stärkere Verhandlungsmacht gebracht. Oder die Gläubiger einfach weiter zermürbt.

Die Meinungen über den Politiker Tsipras gehen weit auseinander. Ob er ein ausgekochter Stratege oder doch nur ein politisch untalentierter Grünschnabel ist, wird sich erst in der Rückschau zeigen. Am Ende ist jedes Spiel auch von den Gegen- und Mitspielern abhängig. Noch muss das Parlament in Athen Tsipras grünes Licht geben. Und die Gläubiger dürfen nicht trotzig reagieren. Sonst heißt es schnell: Game Over.

 
Abstimmung in Athen: Für Tsipras wird's heute noch spannend

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Nicht nur die Euro-Finanzminister müssen neuen Finanzhilfen für Griechenland abnicken. Auch das Parlament in Athen stimmt über die Sparvorschläge von Ministerpräsident Tsipras ab. Der kämpft vor dem Votum um jede Stimme.


Der Anfang ist gemacht. Die neue Sparliste der griechischen Regierung ist bei der Eurogruppe angekommen. Am Sonntag soll die Entscheidung darüber fallen, ob es ein neues Hilfspaket für Griechenland gibt. Doch Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras muss bis dahin noch eine schwierige Etappe bewältigen.

Das Parlament in Athen berät heute Abend über die Sparvorschläge. Die Regierung braucht eine Mehrheit unter den 300 Abgeordneten. Dann kann, vorausgesetzt die Eurogruppe stimmt zu, eine Vereinbarung über neue Finanzhilfen unterzeichnet werden. Nur: Tsipras muss zittern.

Das Problem: der Rückhalt in den eigenen Reihen schwindet. Der linke Parteiflügel kritisierte schon die Zugeständnisse, die Tsipras Ende Juni gegenüber den Gläubigern gemacht hatte. Was den Parteilinken, die einen Austritt aus dem Euro befürworten, noch mehr missfallen dürfte: Die Griechen stimmten beim Referendum zwar mit Nein. Dennoch machte Tsipras mit seiner neuen Sparliste, etwa beim Thema Steuern und Renten, einen weiteren Schritt auf die Gläubiger zu.

Zur griechischen Schuldenkrise bringt n-tv heute um 13.30 Uhr, 14.30 Uhr sowie dann zu jeder vollen Stunde bis 20.00 Uhr und um 23 Uhr ein News Spezial.
Auch Syriza-Vize und Energieminister Panagiotis Lafazanis erklärte bereits, dass er dem neuen Programm nicht zustimmen werde. "Wir werden aus dem Nein kein Ja machen." Andere Mitglieder des linken Parteiflügels brachten sogar ein neues Referendum ins Spiel. Insgesamt könnten 30 Abgeordnete gegen die neuen Sparpläne stimmen. Tsipras' Koalition, die 162 der 300 Sitze hält, könnten daher am Ende knapp 20 Stimmen fehlen.
"Unsere einzige Sorge ist, dass unser Land gerettet wird"

Möglichweise sind es sogar noch mehr. Denn Ärger droht dem Ministerpräsidenten auch vonseiten des Koalitionspartners. Die Anel-Partei, die 13 Parlamentarier stellt, will harten Reformen nicht zustimmen. Parteichef und Verteidigungsminister Panos Kammenos unterschrieb Tsipras' neue Reformvorschläge nicht. Er ist von den neuen Sparvorschlägen selbst betroffen. So soll das einzige von den Rechtspopulisten angeführte Ministerium bis Ende kommenden Jahres 300 Millionen Euro einsparen.

Um die Mehrheit nicht zu gefährden, verhandelt Tsipras deshalb mit Parteien aus der Opposition. Stimmen von der sozialistischen Pasok und der christdemokratischen Nea Dimokratia sind wahrscheinlich. Möglicherweise auch aus der neu gegründeten sozialliberalen Potami-Partei, die seit Februar mit 17 Sitzen im Parlament vertreten ist. Ist aufgrund der Differenzen in der Koalition gar ein Wechsel des Koalitionspartners möglich? Dimitris Tsiodras, Sprecher von Potami, twitterte am Donnerstagabend: "Potami wird sich nicht an der Regierung beteiligen. Unsere einzige Sorge ist, dass unser Land gerettet wird."

Für Tsipras steht an diesem Freitag viel auf dem Spiel. Am Vormittag traf er sich noch mit den Abgeordneten der Syriza-Fraktion. Das Ziel: die möglichen Abweichler auf Linie zu bringen. Nicht auszudenken, wenn das neue Hilfspaket schon im griechischen Parlament scheitern würde. Bei einer Niederlage stände zwangsläufig Tsipras' Zukunft auf der Kippe.

 
Griechische Reformliste vorgelegt: Mögliches Hilfspaket muss mehrere Hürden überwinden



Die griechische Regierung übermittelt den Geldgebern ihr Sparprogramm kurz vor Auslaufen der ihr gesetzten Frist. Die Vorschläge sind Voraussetzung für weitere Hilfszahlungen an das akut pleitebedrohte Griechenland - falls die Geldgeber die Vorschläge akzeptieren.

 
Tsipras' Angebot an die Gläubiger: "Für Griechenland wird es jetzt teurer"

Was ist von den neuen Sparvorschlägen aus Griechenland zu halten? Der SPD-Finanzexperte Carsten Schneider sieht die Regierung in Athen auf dem richtigen Weg. Dass sich Alexis Tsipras erst so spät bewege, habe jedoch fatale Folgen.

n-tv.de: Die griechische Regierung hat einen neuen Reformplan eingereicht. Wie bewerten Sie die Sparvorschläge?

Carsten Schneider: Es ist zum ersten Mal ein ernsthaftes Bemühen der griechischen Regierung erkennbar, diese wirtschaftliche Katastrophe zu lösen. Man erkennt nun an, dass es Bedarf für ein weiteres Hilfsprogramm gibt und geht die Probleme in der eigenen Verwaltung an. Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras bekennt sich zu den notwendigen Reformen in verschiedenen Bereichen. Sie schlägt den richtigen Weg ein, nur leider zu spät. Auf der Grundlage dieses Angebots kann man jedoch ernsthaft verhandeln.

Obwohl es, wie Sie sagen, zu spät ist?

Ja, für Griechenland wird es jetzt nur teurer. Das Land ist vor Monaten von einem Wachstumskurs in die Rezession geschlittert. Die Bevölkerung ist tief verunsichert und hat viel Geld von den Banken abgezogen. Das wird Griechenland noch über Jahre Substanz und Wohlstand kosten. Das hätte man sich sparen können. Es hat lange gedauert, bis die griechische Regierung verstanden hat, dass es ohne Gegenleistungen keine Hilfe gibt. Die harte Haltung von Vizekanzler Sigmar Gabriel war deshalb absolut richtig.

Sie hatten bereits Gelegenheit, sich die neuen griechischen Sparvorschläge anzuschauen. In welchen Bereichen sehen Sie noch Verhandlungsbedarf?

Die entscheidende Frage ist, wie hoch der Bankenrekapitalisierungsbedarf ist. Die griechischen Banken haben zuletzt sehr gelitten. Man muss jetzt prüfen, wie hoch die nötigen Mittel sind, um das Bankensystem wieder zu stärken. Das ist dringend notwendig, um Kredite für die Unternehmen und Investitionen zu initiieren.

Die griechische Regierung macht unter anderem bei der Besteuerung der griechischen Inseln und beim Rentensystem Zugeständnisse. Noch einmal die Frage: Wo muss Tsipras möglicherweise über das jetzige Angebote hinausgehen?

Die Regierung in Athen muss selbst entscheiden, wie hoch etwa der Steuersatz auf ihren Inseln sein soll. Wichtig ist, dass die Zahlen zum Gesamthaushalt am Ende stimmen und wir einen leicht ansteigenden Primärüberschuss haben.

Der Unionsfraktionsvize Michael Fuchs findet die neue Sparliste nicht glaubwürdig. Er sagt: "Man kann nicht ein Referendum machen und dem Volk empfehlen, dass man diese Vorschläge nicht will, und dann ein paar Tage später doch alles anders machen." Teilen Sie diese Einschätzung?

Griechenland scheint politisch anders zu ticken, als wir es in Deutschland kennen. Es fällt mir schwer, das zu beurteilen. Sicher ist: Es gibt keinen Vertrauensvorschuss für die griechische Regierung. Dafür ist zu viel Porzellan zerschlagen worden. Geld gibt es nur gegen Gegenleistungen. Wir werden genau kontrollieren, dass alle Reformzusagen auch Gesetze werden.

Wenn es am Wochenende eine Einigung geben sollte, muss der Bundestag möglicherweise schon in der kommenden Woche über neue Finanzhilfen abstimmen. Erwarten Sie, dass diesmal noch mehr Abgeordnete mit Nein stimmen könnten als Ende Februar?

Das kann ich erst sagen, wenn es ein bestätigtes Gesamtkonzept gibt. Erst dann weiß ich, ob ich meiner Fraktion empfehlen kann, bei der Abstimmung zuzustimmen. Griechenland gehört zu Europa und hat im Euro eine Chance verdient. Aber sie müssen sich jetzt selbst helfen.

Das griechische Parlament stimmt heute noch über die Sparvorschläge der Regierung ab. In der Regierungskoalition von Tsipras gibt es jedoch viele Kritiker. Was passiert, wenn der Ministerpräsident keine Mehrheit erhalten sollte?

Das wäre natürlich schwierig. Das Parlament sollte wissen, dass er die Mehrheit unbedingt benötigt. Wenn nicht, gibt es keine Verhandlungen. Dann würde Griechenland scheitern und müsste aus dem Euro ausscheiden. Die Zeit für Spielchen ist jetzt endgültig vorbei.


 
Griechenland-Krise: Fischer warnt vor neuem Nationalismus

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Der frühere Außenminister mischt sich in die Griechenland-Debatte ein. Joschka Fischer verweist auf die großen historischen Linien. Doch er gibt auch einen persönlichen Einblick: Was hätte er getan, wenn er billige Kredite angeboten bekommen hätte?

Joschka Fischer warnt angesichts der Griechenland-Krise vor einer Rückkehr des Nationalismus. Erstmals sehe er wieder die Gefahr, dass der europäische Einigungsprozess scheitern könnte, sagte er. Fischer sprach auf einer Podiumsdiskussion in Kiel. Eigentlich ging es um den Zusammenhang von Energiewende, fossilen Brennstoffen und Außenpolitik. Auf die Krise des südosteuropäischen Landes, kam er wiederholt zu sprechen.

Fischer verwies darauf, dass die Krise nun schon seit fünf Jahren tobt und zeigte seinen Verdruss darüber, dass sie noch immer nicht geklärt ist. "Griechenland macht zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Währungsunion aus, und offensichtlich ist man nicht in der Lage die Dinge zu lösen", klagte er. Er pochte vor allem auf mehr europäischen Gemeinsinn. "Wir kommen aus dieser Sache nur gemeinsam raus, oder wir kommen nicht raus." Wenn es nicht gelänge, stärker zusammenzuarbeiten, zeige sich, dass Europa nicht die richtigen Lehren aus seiner Geschichte gezogen hätte und verwies auf Nationalismus und Kriege auf dem Kontinent vor dem europäischen Einigungsprozess.

Am Donnerstag erklärte der frühere Außenminister die Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Gläubigern bereits in der "Zeit" für festgefahren. "Ich sehe keinen neuen Kompromiss, bei dem nicht eine Seite ihr Gesicht verliert." Mitverantwortlich machte er auch Kanzlerin Angela Merkel für die aussichtslose Situation. Laut Fischer hat sie in der Griechenland-Krise bisher "nicht politisch argumentiert und agiert, sondern buchhalterisch. Merkel habe einen großen politischen Kredit, den sie bisher nicht abgerufen habe, sagte er dem Blatt. In Kiel pochte er nun noch einmal darauf, auf Griechenland zuzugehen. "Der Klügere gibt nach", sagte er. "Und wenn es dann auch noch der Stärkere ist, erst Recht."

Wenig Verständnis zeigte Fischer für Forderungen, die Regierung Athens für die tragische Entwicklung in dem Land allein verantwortlich zu machen und abzustrafen. "Es gibt jetzt die Debatte, ob die Griechen bestraft werden müssen, weil sie gesündigt haben", sagte er. "Wenn man mir billiges Geld in gewissen Lebensabschnitten angeboten hätte, ai ai ai...", flappste er. Fischer verwies auf die Rolle deutscher und französischer Bänker in der Griechenland-Krise.
 
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