Griechenland Grexit NEWS: Pokernacht in Brüssel: "Grexit auf Zeit" ist vom Tisch

Neue Vorschläge bis Mitternacht: Griechische Regierung scheint optimistisch



Ministerpräsident Alexis Tsipras unter Druck: Bis Mitternacht muss die griechische Regierung den Geldgebern neue Reformvorschläge vorlegen - und legt Optimismus an den Tag. Kanzlerin Angela Merkel betont noch einmal, was für sie auf keinen Fall infrage kommt, und IWF-Chefin Christine Lagarde versucht, eine Brücke zu bauen.

 
Athen muss Vertrauen schaffen: Schäuble rät Tsakalotos "Just do it"



Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wirft Athen Untätigkeit vor. Er habe er seinem griechischen Amtskollegen Euklid Tsakalotos gesagt: "Geht doch in Euer Parlament und: Just do it. Das würde wahnsinnig viel Vertrauen schaffen", so Schäuble bei der Tagung der Bundesbank in Frankfurt. Optimistisch zeigt es sich nicht: "Meine Fantasie, wie wir vertrauensbildende Maßnahmen zwischen jetzt und Sonntag 24.00 Uhr bekommen sollen, ist sehr begrenzt".

 
Noch viele Hürden zu nehmen: Athens Reformliste ist da

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Die griechische Regierung hat es spannend gemacht. Kurz vor Ablauf der letzten Frist übermittelt Athen seine Spar- und Reformvorschläge. Ob sie im Gegenzug das geforderte Hilfspaket bekommt, ist keineswegs sicher.


Die griechische Regierung hat den Geldgebern ihr Sparprogramm kurz vor Auslaufen der ihr gesetzten Frist übermittelt. Die Vorschläge seien gegen 21.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit per E-Mail an Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem abgeschickt worden, berichtete das griechische Fernsehen unter Berufung auf die Regierung in Athen. Dijsselbloems Büro bestätigte den Eingang der Liste. Details zum Inhalt wurden vorerst nicht bekannt.


Die Vorschläge sind Voraussetzung für weitere Hilfszahlungen an das akut pleitebedrohte Griechenland. Allein im Juli muss 4,2 Milliarden Euro an Schulden begleichen. Die Geldgeber hatten der Athener Regierung bis Mitternacht Zeit gegeben, konkrete Pläne vorzulegen. Falls die Geldgeber die Vorschläge akzeptieren, könnten sie ein neues Hilfsprogramm und eine Zwischenfinanzierung gewähren. Die griechische Regierung hat beim europäischen Rettungsfonds ESM ein drittes Hilfspaket mit drei Jahren Laufzeit beantragt.

Die griechische Wirtschaftszeitung "Naftemporiki" berichtete, beim neuen Vorschlag handle es sich um eine "Mischung" aus Athens 47-seitigen Kürzungsprogramm und den letzten Vorschlägen der EU-Kommission. Die Streichliste umfasste unter anderem Einsparungen bei den Renten und im Militärhaushalt sowie Erhöhungen bei der Mehrwertsteuer. Demnach soll die Mehrwertsteuer für Hotels von 6,5 auf 13 Prozent und im Gastronomiebereich von 13 auf 23 Prozent steigen. Zudem solle die Möglichkeit von Frühverrentungen fast komplett abgeschafft werden. Eine offizielle Bestätigung hierfür gab es zunächst nicht. Die neue Liste soll der Zeitung zufolge Kürzungen im Umfang von zehn Milliarden bis zwölf Milliarden Euro enthalten und den Gläubigern noch weiter entgegenkommen.

Griechische Regierungsvertreter gaben sich zuversichtlich, dass die Vorschläge diesmal den Vorstellungen der Gläubiger genügten. Berichten zufolge sollen Experten der Troika-Institutionen an der Ausarbeitung mitgearbeitet haben.
Braucht Tsipras die Opposition?

Das Parlament in Athen könnte griechischen Medienberichten zufolge bereits am Freitag über das Sparprogramm beraten und Finanzminister Euklid Tsakalotos im Schnellverfahren beauftragen, die nötigen Verträge zur Einigung mit den Gläubigern zu unterzeichnen. Die endgültige Billigung des Sparprogramms solle dann zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Ministerpräsident Alexis Tsipras will die Abgeordneten seines Linksbündnisses Syriza vom Fraktionszwang befreien und eine Mehrheit im Zweifelsfall mit Hilfe von Oppositionsstimmen sichern, um einen Regierungsbruch zu vermeiden.

Vor einer Verabschiedung muss ein mögliches Hilfspaket mehrere Hürden überwinden. Die Vorschläge aus Athen sollen zunächst von Experten der drei Geldgeber-Institutionen - EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds - ausgewertet werden. Am Samstag sollen sich dann die Finanzminister der 19 Euro-Staaten mit den Vorschlägen befassen. Einen Tag später kommen in Brüssel die Staats- und Regierungschefs der Eurozone und dann der gesamten EU zusammen.

Zudem muss ein mögliches neues Hilfspaket aufgrund unterschiedlicher nationaler Regelungen in einigen EU-Ländern von den Parlamenten abgesegnet werden – darunter auch vom deutschen Bundestag. Vor allem in der CDU/CSU-Fraktion gibt es dort zahlreiche Kritiker an neuen Krediten für Griechenland.

Nach Einschätzung des CDU-Abgeordenten Wolfgang Bosbach kann sich die Bundesregierung für ein weiteres Griechenland-Rettungspaketes nicht auf eine Mehrheit der Unionsfraktion verlassen. "Es würde sehr, sehr schwierig, für ein drittes Hilfspaket eine Mehrheit in der Unionsfraktion zu finden", sagte Bosbach dem Bonner "General-Anzeiger". Bosbach verwies darauf, dass bereits bei der Abstimmung über eine Verlängerung des zweiten Griechenland-Hilfspaketes Ende Februar mehr als 100 Abgeordnete der Unionsfraktion "nur unter erheblichen Bauchschmerzen zugestimmt" hätten.

 
Abhängig von deutschen Importen: Pharmafirmen sollen kranke Griechen retten

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Für viele kranke Griechen ist die Krise zu einer Frage von Leben und Tod geworden. Fast alle Medikamente werden importiert. Manche deutsche Unternehmen wollen ihre Lieferungen nun teilweise einstellen.


"In den vergangenen sechs Monaten konnten mir hier keine Medikamente mehr gegeben werden", sagt Giannis Kaloidas, als er wieder einmal in der Schlange vor einem staatlichen Krankenhaus in Athen wartet. Der 61-jährige Rentner leidet an Knochenkrebs, um die tödliche Krankheit aufzuhalten, braucht er teure Medikamente.

In der Klinik kann Kaloidas sich nur noch ein Formular für die Apotheke abstempeln lassen, damit er die Präparate nicht selbst bezahlen muss. "Meine Tabletten kosten 3500 Euro, meine Rente liegt bei 500 Euro", sagt er. "Wenn ich diese Kosten selbst tragen muss, ist es vorbei." Wie Kaloidas geht es auch anderen chronisch Kranken: In der Krise haben viele Job und Einkommen verloren - und müssen nun noch das Geld für die teuren Medikamente auftreiben.

Krankenversicherung ist in Griechenland inzwischen Luxus. Als letzte Option bleiben nur staatliche Krankenhäuser und Freiwilligenkliniken. Hunderte kommen täglich zum Athener Krankenhaus Elpis - griechisch für "Hoffnung". Dort wird Nicht-Versicherten geholfen.

"Uns geht das Geld aus", klagt auch dort Klinikdirektor Theo Giannaros. Die vorhandenen Gelder reichten nur noch bis zum Monatsende. Er will nicht, dass die Unsicherheit die Qualität beeinflusst und bietet jetzt kostenfreie Betten auf der Intensivstation, die normalerweise 3500 Euro pro Nacht kosten. Druck machen zunehmend auch die Lieferfirmen. "Wir erhalten Schreiben, in denen uns mitgeteilt wird, dass sie uns wegen der Situation nicht mehr beliefern können."

"Leute, sind dabei zu sterben"

Giannaros zufolge tauschen Krankenhäuser schon Material untereinander, um die Engpässe zu überbrücken. Den Europäern wirft er vor, nicht zu wissen, was in Griechenland tatsächlich passiert: "Sie verstehen nicht, dass die Leute dabei sind, zu sterben." Sollte das Gesundheitssystem endgültig zum Erliegen kommen, werde es viele Tote geben.

Durch die Kapitalverkehrskontrollen hat sich die Lage bei der Arzneimittel-Versorgung weiter verschärft. Importeure müssen nun umfangreichen Papierkram für Bestellungen erledigen. Die Bürokratie und die Sorgen vor einem Grexit schrecken ausländische Lieferanten ab.

In Griechenland selbst werden nur wenig Medikamente hergestellt. Ein Großteil wird eingeführt, viel auch aus Deutschland. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach warf deutschen Pharmakonzernen vor, sie würden ihre Lieferungen nach Griechenland wegen ausstehender Zahlungsverpflichtungen einschränken. Dies sei "unethisch". "Die Pharmafirmen fahren zum Teil Gewinne von 15 bis 20 Prozent ein", sagte Lauterbach dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Da sollte ein Zahlungsengpass zu überbrücken sein."

Industrie fordert Bürgschaften

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) wies diese Vorwürfe zurück. Es sei immer einfach, anderen unethisches Verhalten vorzuwerfen, erklärte der. Schon jetzt hätten Unternehmen auf Millionenzahlungen verzichtet oder hätten extreme Außenstände. Für einzelne Firmen könne dies betriebswirtschaftlich extrem problematisch werden.


Der Pharmakonzern Fresenius hat bereits erklärt, die Lieferung einiger Medikamente nach Griechenland eingestellt zu haben. "Produkte, zu denen es für die Patienten keine ausreichenden Alternativen gibt, liefern wir weiter nach Griechenland - allerdings ausschließlich über einen griechischen Distributionspartner", sagte ein Unternehmenssprecher.

Obwohl deutsche Unternehmen bereits "auf Millionenzahlungen verzichtet" hätten, suchten die Firmen nach "Wegen, die Versorgung in Griechenland stabil zu halten", heißt es beim Pharmaverband. Die Firmen erwarteten dabei aber "entsprechend Hilfe: Bürgschaften oder andere Lösungen". Lauterbach kündigte an, die Koalition werde sich um eine konzertierte Aktion von Arzneiherstellern und Krankenkassen bemühen. "Jetzt muss humanitär geholfen werden, und zwar im Eiltempo."

 
Parlamentsvorbehalt fürs Hilfspaket: Ohne diese Abgeordneten kriegt Athen nichts

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Kommt ein drittes Hilfspaket für Griechenland? Mindestens fünf Parlamente müssten nach einem Deal zwischen Athens Regierung und den Gläubigern zustimmen. Erfolgsaussichten: mäßig.

Sonntag, 24 Uhr - das ist die Deadline. Bis dahin müssen sich die griechische Regierung und ihre Gläubiger einigen, sonst, so heißt es zumindest, ist ein Ausstieg des Landes aus der Eurozone nicht mehr zu verhindern. Die Mission wirkt unmöglich. Wirklich schwierig wird es vielleicht aber erst, wenn diese Deadline längst verstrichen ist.
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Neue Vorschläge bis Mitternacht: Griechische Regierung scheint optimistisch 09.07.15 – 01:31 min Mediathek Neue Vorschläge bis Mitternacht Griechische Regierung scheint optimistisch

Sollten sich die Regierung Griechenlands und die Institutionen tatsächlich auf ein drittes Hilfsprogramm und eine Reformagenda verständigen, müssten noch die Parlamente von mindestens fünf Eurostaaten zustimmen. Die Erfolgsaussichten sind teils gering.

Estland

Estlands Präsident Toomas Hendrik Ilves machte in einem Interview mit der "Zeit" Mitte Juni deutlich, für wie unwahrscheinlich er ein Ja zu einem drittem Hilfspaket hält. "Was ich sage, ist, dass es hier gewisse Schwierigkeiten gibt. Und wenn die Hilfe im Parlament ratifiziert werden muss, könnten die zu einem Problem werden." Ilves fügt hinzu: "Zwei Mal haben wir Hilfskredite beschlossen. Dabei liegt das estnische Durchschnittseinkommen zehn Prozent unter dem griechischen Mindestlohn." Die Regierung wird in Estland von einer Koalition aus der liberalen Reformpartei (RE), den Sozialdemokraten (SDE) und den Konservativen (IRL) gestellt. Sie verfügen über 59 der 101 Sitze. Die endgültige Entscheidung über ein drittes Hilfsprogramm fällt allerdings der Parlamentsausschuss für europäische Angelegenheiten. Zwar ist die größte Fraktion des Parlaments, die RE, ausgesprochen europafreundlich. Dass viele Esten kaum besser dran sind als die meisten Griechen, macht es aber vielen Abgeordneten schwer, klar für weitere Milliarden für Griechenland zu werben.

Finnland

Die Regierung Finnlands ist nicht mehr als eine Zweckgemeinschaft. Weil es bei der jüngste Wahl keine klaren Mehrheitsverhältnisse gab, schlossen sich die liberale Zentrums-Partei (KESK), die konservative nationale Sammlungspartei (Kok) und die rechtspopulistischen Basisfinnen (PS, früher Wahre Finnen) zusammen. Zwar verfügt die Regierung mit 124 der 200 Sitze so über eine komfortable Mehrheit im Parlament. Vor allem die Basisfinnen gelten aber als Problem, wenn es um ein drittes Hilfsprogramm geht. Europaskepsis ist Markenkern der Truppe. 2011 sorgten sie bereits dafür, dass Finnland als einziges Mitglied der Eurozone ein Treuhandkonto für seine Hilfszahlungen an kriselnde Eurostaaten bekommt - für den Fall das Griechenland die Kredite nicht zurückzahlen kann. Der Kurs der Basisfinnen setzt auch die anderen Koalitionspartner unter Druck. Selbst einer der größten Proeuropäer des Landes, Finanzminister Alexander Stubb, machte kürzlich bei Twitter deutlich, dass er die Geduld mit Griechenland verliert. Das "Manager-Magazin" titelte in einem Portrait: "Der finnische Ex-Freund".

Niederlande

Eigentlich ist eine Zustimmung des niederländischen Parlaments nicht zwingend. Allerdings, so heißt es aus der Regierung, sei eine Befragung bei Themen wie diesem "ständige Praxis". Kurzum: Die niederländische Regierung macht ihre Entscheidung von den Abgeordneten abhängig, und ohne Mehrheit in der sogenannten Zweiten Kammer der Generalstaaten wird es kein Ja zu einem dritten Hilfspaket geben. Vorausgesetzt, die griechische Regierung zeigt sich reformwillig, stellt das aber keine Hürde da. Die sozialliberale Regierung des Landes gilt als ausgesprochen europafreundlich, und sie hat in der Kammer eine Mehrheit von 79 der 150 Sitze.

Deutschland

Auch der deutsche Bundestag müsste einem dritten Hilfspaket zustimmen. Ein Ja von Grünen und SPD gilt als sicher - griechischen Reformwillen vorausgesetzt. Viele Linke dürften sich dagegen wie bei früheren Abstimmungen zu Hilfspaketen für ein Nein entscheiden. Unklar ist die Lage bei der Union. Kanzlerin Angela Merkel sagte kurz nach dem Referendum in Griechenland, die Spielräume der Regierungschefs seien kleiner geworden. Nach dem klaren hellenischen Nein zu den Reformvorschlägen der Gläubiger sprechen sich etliche namhafte Unionspolitiker gegen ein drittes Hilfsprogramm aus. Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras muss der Kanzlerin wirklich etwas Neues bieten. Denn sollte die Gefahr bestehen, dass sie ihre Union nicht hinter sich versammeln kann, würde sie die Aufnahme über Verhandlungen zu einem dritten Hilfspaket wohl gar nicht erst zur Abstimmung stellen.

Griechenland

Ministerpräsident Alexis Tsipras wiederum wird sich schwer tun, Kanzlerin Merkel ein neues weitreichendes Angebot zu machen. Schließlich hat die Bevölkerung seines Landes gerade sehr deutlich Nein zu harten Reformvorschlägen der Geldgeber gesagt. Je weiter er den Gläubigern entgegen kommt, desto schwieriger wird es wohl, die notwendige Parlamentsmehrheit zusammenzubekommen. Ausgeschlossen ist diese Mehrheit allerdings nicht. Am größten dürfte der Widerstand gegen ein Reformprogramm, das mit einem dritten Hilfspaket einhergehen würde, in den eigenen Reihen sein. Die Regierung aus der linken Bewegung Syriza und der rechtsextremen Anel ist schließlich nur durch den Protest gegen die Sparauflagen der Institutionen an die Macht gekommen. Die Koalition verfügt über 162 der 300 Sitze des Parlaments. Die früheren Regierungsparteien Pasok und Nea Dimokratia warben aber schon beim Referendum am Sonntag für ein Ja zu den Reformen der Gläubiger. Wenn auch das nicht reicht, könnten die Geldgeber den Abgeordneten des griechischen Parlaments eine Schuldenrestrukturierung in Aussicht stellen - eine Kernforderung vieler Griechen, die, das ist der Vorteil, nicht zwingend Teil eines dritten Hilfspakets sein muss.

 
"Schluss mit dem Spardiktat"?: Zu welchen Reformen Athen bisher bereit war



Mit Spannung erwarten Griechenlands Geldgeber die neuen Reformvorschläge aus Athen. Welche Angebote die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras diesmal machen wird, weiß noch niemand so genau. n-tv schaut sich noch einmal an, was die Griechen bisher angeboten haben.

 
Kein Geld, keine Importe: Griechische Firmen können Zulieferer nicht mehr bezahlen


Den elften Tag in Folge sind in Griechenland die Banken geschlossen - das Land blutet innerlich nach und nach aus. Überweisungen ins Ausland sind nur mit Genehmigung der Zentralbank möglich. Güter aus dem Ausland kommen kaum noch ins Land, weil die Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können. Griechische Händler befürchten daher, dass die Waren knapp werden.
 
Liveticker zu Griechenland: +++ 12:37 SPD und Grüne loben Athener Reformliste +++

Während die Union skeptisch auf die neue Reformliste aus Griechenland schaut, kommt aus den Führungsriegen von Sozialdemokraten und Grünen Zuspruch: "Die Vorschläge zeigen erstmals, dass die griechische Regierung zu ernsthaften Eigenanstrengungen bereit scheint", sagt SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider. Der Co-Fraktionschef der Grünen rief die Große Koalition auf, den Griechen jetzt die Hand zu reichen. "Die griechische Regierung scheint mit der neuen Liste über ihren Schatten gesprungen zu sein. Jetzt ist es an den Gläubigern, sich ebenfalls zu bewegen", meint Anton Hofreiter.

+++ 12:25 Bundesregierung lehnt Schuldenschnitt ab +++
Die Bundesregierung bleibt bei ihrer Linie und wird einem Schuldenschnitt für Griechenland nicht zustimmen. Es wäre auch nicht ausreichend, die Vorschläge von Ende Juni in neuer Verpackung zu präsentieren, sagt ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums.

+++ 12:01 Telefonkonferenz der Gläubiger um 13 Uhr +++ Die Spitzenvertreter der Gläubiger-Institutionen Griechenlands wollen in einer Stunde über die eingereichten Reformvorschläge beraten, die Voraussetzung für ein neues Hilfsprogramm für Athen sind. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EZB-Präsident Mario Draghi, IWF-Chefin Christine Lagarde und der Eurogruppen-Vorsitzende Jeroen Dijsselbloem würden sich um 13 Uhr in einer Telefonkonferenz abstimmen, sagen Insider. Ziel sei es, die griechischen Vorschläge "auf höchster Ebene" zu diskutieren, um "eine gemeinsame Einschätzung" für das Treffen der Finanzminister der Eurozone am Samstag abzugeben,.


+++ 11:58 Euro-Gipfel am Sonntag möglicherweise überflüssig +++
Wenn die Euro-Finanzminister schon am Samstag grünes Licht für die griechischen Vorschläge geben, ist kein Euro-Gipfel am Sonntag mehr nötig. Das sagt ein Verantwortlicher der Eurozone in Brüssel. Gemeint ist damit aber nur das Treffen der 19 Staats- und Regierungschefs der Euroländer, nicht der ebenfalls für Sonntag geplante Gipfel aller 28 EU-Staaten.

+++ 11:46 Energieminister Lafazanis vor Rücktritt? +++
Nach unbestätigten Meldungen will Energieminister Panagiotis Lafazanis hinwerfen. Lafazanis führt den linken Flügel von Tsipras' Partei Syriza. Er lehnt die Sparmaßnahmen vehement ab. Zum radikalen Flügel der Syriza-Partei gehören insgesamt 30 Abgeordnete. Es ist fraglich, ob irgendeiner von ihnen der Sparliste zustimmen wird.

+++ 11:32 Lettische Ministerpräsidentin kann Hilfsaktion nicht unterstützen +++
Die lettische Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma sieht große Bedenken in ihrem Land für ein neues Hilfspaket. Dabei nimmt sie sich selbst nicht aus. "Für mich wird es sehr schwer werden, das Parlament davon zu überzeugen. Und für das Parlament wird es schwer werden zuzustimmen", sagt sie dem Deutschlandfunk."Im Moment sehe ich keine Möglichkeit, dass Lettland Griechenland Geld gibt."

+++ 11:10 Sinn und Fuest: "EZB betreibt Insolvenzverschleppung" +++
Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn und sein Nachfolger Clemens Fuest warnen vor einer Verlängerung der Notkredite an die griechischen Banken. Mit den ELA-Notkrediten habe die EZB die vom Rettungschirm EFSF formell festgestellte Insolvenz des griechischen Staates seit Jahresbeginn verschleppt. "Ohne die ELA-Notfallhilfen wäre der griechische Staat schon viel früher pleite gegangen", schreiben Sinn und der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in einem Zeitungsbeitrag. Die griechische Notenbank dürfe ELA-Kredite aus frisch gedrucktem Geld nur an solvente Geschäftsbanken vergeben, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken - nicht aber, "um eigentlich insolventen Geschäftsbanken die Möglichkeit zu geben, notleidende Staaten zu stützen. Dieser Grundsatz wurde von der EZB missachtet."

+++ 10:43 Parlament bemängelt Sparliste: "Bitte nicht nur auf Englisch!" +++
Die Textvorlage "Zur Verhandlung und zum Abschluss eines Kreditvertrags mit dem Europäischen Stabilitäts-Mechanismus (ESM)", über die die griechischen Abgeordneten heute Abend im Parlament abstimmen sollen, hat einen kleinen Makel: Die angehängten Sparvorschläge der Regierung (hier) gibt es nur auf Englisch.

Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou fordert die Regierung handschriftlich auf, die griechische Übersetzung nachzuliefern. Wörtlich heißt es: "Die Regierung soll informiert werden, dass eine Übersetzung des Textes fehlt und dass diese ergänzt werden muss."

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+++ 10:29 Frankreich: "Vorschläge sind glaubwürdig" +++
Frankreichs EU-Minister Harlem Desir bezeichnet die neuen Vorschläge Griechenlands als glaubwürdig und ernsthaft.

Kein Wunder. Die Franzosen haben mitgeschrieben!

+++ 10:22 Tsipras: "Geschlossen weitermachen" +++
Am Morgen tagte die Fraktion der regierenden Linkspartei Syriza hinter verschlossenen Türen. Der linke Parteiflügel soll aufgebracht gewesen sein. Es gilt aber als sicher, dass das Parlament der Regierung die Vollmacht mit den Stimmen fast aller Oppositionsparteien geben wird. Regierungschef Alexis Tsipras erklärte griechischen Reportern zufolge: "Wir haben alle gemeinsam für ein sozial gerechteres Abkommen gekämpft. Jetzt müssen wir geschlossen weitermachen."

+++ 10:09 Eilverfahren im Parlament +++
Das griechische Parlament soll nach Angaben des staatlichen griechischen Rundfunks bereits am Abend über das Sparprogramm beraten. Die Abgeordneten sollen der Regierung im Schnellverfahren die Vollmacht geben, am Wochenende in Brüssel eine Vereinbarung mit den Gläubigern zu unterzeichnen. Die endgültige Billigung des Sparprogramms soll dann später nachgeholt werden. Der Zeitpunkt der Abstimmung am Abend ist noch unklar.

+++ 9:50 Warum das griechische "Nein" jetzt ein "Ja" ist +++
Warum bietet Griechenland etwas an, was die Bürger am vergangenen Sonntag ablehnen sollten? Hier bringt es jemand auf den Punkt:

+++ 9:42 Wie Ökonomen die Reformvorschläge bewerten +++

-Commerzbank-Volkswirt Jörg Krämer sieht in der Liste nur "kosmetische Korrekturen". Athen habe die Reformliste eingereicht, die sie ihrer eigenen Bevölkerung vor einer Woche empfohlen hat abzulehnen. "Sie kann das ihren Wählern nur verkaufen, wenn sie an anderer Stelle mehr herausholt. Das spricht für weitere Schuldenerleichterungen - sei es in Form niedrigerer Zinsen, längerer Laufzeiten oder einer Absenkung des Rückzahlungsbetrags." Eine Einigung auf dieses Basis sei etwas wahrscheinlicher, würde aber einen "faulen Kompromiss" bedeuten.
-Marco Bargel, Chefvolkswirt der Postbank, spricht von einer Überraschung nach dem Referendum am Sonntag. "Wir sehen eine deutlich gestiegene Chance auf eine Einigung am Wochenende." Griechenland sei offenbar bereit, ein drittes Reformpaket abzuschließen. Er sieht aber auch Risiken - "etwa unterschiedliche Auffassungen in der Rentenversicherung". "Das ist noch nicht in trockenen Tüchern".

+++ 9:16 Finanzmarktteilnehmer wetten auf Einigung +++
Anleger an den Anleihemärkten setzen darauf, dass Griechenland eine Einigung mit den Geldgebern findet. Nachdem die Zinsdifferenzen im Euroraum zuletzt deutlich auseinanderliefen, geht es nun in die andere Richtung. Bundesanleihen verlieren. Sie sind nicht mehr als sichere Häfen gesucht. Während die Rendite der 10-jährigen Bunds steigt, sinkt die der spanischen und italienischen Pendants. Auch die Rendite der portugiesischen Anleihen bricht ein.

+++ 9:09 Griechen fürchten um ihr Erspartes +++
Die Knappheit des Bargelds zerrt an den Nerven der griechischen Bürger. Jeden Tag könnte der Geldstrom an den Automaten versiegen. Die griechische Tageszeitung "Ta Nea" fragt, wie das Ersparte gerettet werden kann:

+++ 8:51 Freudenfeuerwerk an Börsen erwartet - Euro steigt +++
Der Markt wertet die Reformliste aus Griechenland überwiegend als "Einknicken" von Ministerpräsident Alexis Tsipras. "Die Börse setzt darauf, dass die Geldgeber am Sonntag eine Einigung mit Griechenland erzielen", sagt ein Händler. Der Euro legt seit dem Vortagestief über einen US-Cent zu und springt über die 1,11 Dollar.

+++ 8:20 IWF: Griechenland braucht noch mehr Geld +++
Der IWF schraubt seine Prognose zum Finanzbedarf Griechenlands hoch. Möglicherweise sei eine größere Schuldenentlastung und eine höhere Finanzierung nötig, als der IWF vor weniger als einer Woche geschätzt hatte, schreibt der Chefökonom des Fonds, Olivier Blanchard (Critique 4).

Wörtlich übersetzt heißt es in seinem Blogeintrag: "Wir glauben, dass die aktuellen Entwicklungen den Bedarf an noch mehr Finanzierung nahelegen, nicht zuletzt zur Unterstützung der Banken, und für noch mehr Schuldenentlastung als in unserem (Schuldenbericht)."


In einer vor einer Woche veröffentlichten Analyse hatte der IWF Griechenlands möglichen Bedarf an neuen Hilfen auf mehr als 60 Milliarden Euro beziffert, damit das Land seinen Verpflichtungen nachkommen und seine Ziele erreichen könne. Grundsätzlich verteidigt Blanchard in seinem Eintrag die Rettung Griechenlands.

+++ 7:57 Unionsvize reagiert skeptisch auf Athens Vorschläge +++
Wie glaubwürdig sind die Reform- und Sparvorschläge der Regierung in Athen, fragt Unionsfraktionsvize Ralph Brinkhaus im ZDF. Er ist skeptisch. "Am Sonntag hat sie noch eine Kampagne geführt, wo sie all das, was da jetzt wohl vorgelegt worden ist, verdammt hat." Die Frage sei: "Wird das denn auch alles umgesetzt, auch wenn es im Parlament beschlossen wird, oder sind das nur Versprechungen?"

+++ 7:42 Griechen horten Haushaltsgeräte und Luxusartikel
Aus Angst vor einem Bankenkollaps kaufen viele Griechen laut einem Medienbericht im großen Stil teure Handys und Sonnenbrillen. Auch Haushaltsgeräte wie Herde oder Kühlschränke sind gefragt. Laut New York Times hat ein Juwelier in Griechenland sogar einen Käufer abgewiesen, der für eine Million Euro einkaufen wollte, weil er die Ware im Augenblick dem Bargeld vorzieht. Bezahlt wird mit Kreditkarte, denn am Geldautomaten bekommt jeder weiterhin nur 60 Euro am Tag.

+++ 7:20 Zeitung geht das Papier aus +++
Der größten Tageszeitung auf der Insel Lesbos geht das Papier aus. Im schlimmsten Fall muss sie die Produktion einstellen, bis die Banken wieder geöffnet haben. Um zu sparen, wurden die sonst üblichen 20 um 4 Seiten eingedampft. "Unser Lieferant kann nicht liefern, weil er seine ausländischen Lieferanten nicht bezahlen kann", sagt Zeitungschef Manolis Manolos. "Die Banküberweisungen sind blockiert und es gibt zu wenig Bargeld, um das Geschäft fortzusetzen."

+++ 6:46 Reicht Athens Angebot aus? +++
Was auffällt: Viele Vorschläge sollen erst Ende 2016 oder gar 2019 wirksam werden. In ersten Kommentaren heißt es, der Vorschlag Athens, Ausgaben fürs Militär zu senken, bleibe deutlich hinter den Forderungen der Geldgeber zurück: Dieses Jahr 100 Millionen Euro, nächstes Jahr 200 Millionen Euro. Die Gläubiger wollten Einsparungen im Volumen von 400 Millionen Euro.

+++ 6:34 Die Reformliste aus Athen im Original +++
Hier die 13-seitige Sparliste:

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+++ 5:31 Dijsselbloem: Kein Kommentar, bis die Institutionen die Pläne ausgewertet haben +++
Jetzt muss Brüssel entscheiden, ob die Reformliste aus Athen den Ansprüchen der Geldgeber genügt. Jetzt heißt es warten. Eurogruppenchef Dijsselbloem ließ noch in der Nacht erklären, er werde sich bis zur abgeschlossenen Auswertung der Pläne durch die Institutionen nicht weiter dazu äußern.

Martin Selmayr, Kabinettschef von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, erklärte kurz nach 23 Uhr per Twitter: "Nun erhalten. Unterschrieben. Drei Institutionen werden nun prüfen."

+++ 4:09 Sparliste liegt vor: Athen bietet Rentenreform und Mehrwertsteuererhöhung an +++
Wie aus den heute Nacht veröffentlichten Vorschlägen hervorgeht, bietet Athen unter anderem eine Rentenreform, diverse Steuererhöhungen sowie Privatisierungen an. Auch der öffentliche Dienst soll reformiert werden. Außerdem sollen die Militärausgaben sinken, allerdings nicht so stark wie zuletzt von den Gläubigern verlangt. Im Gegenzug für seine Zusagen fordert Athen ein dreijähriges Hilfsprogramm und Schuldenerleichterungen zur Überwindung der akuten Finanzkrise. Darüber hinaus wirbt die Regierung in dem Papier um ein Investitionspaket für Griechenland im Umfang von 35 Milliarden Euro.


+++ 0:28 Griechenland will 53,5 Milliarden Euro für Schuldendienst +++
Die griechische Regierung will nach eigenen Angaben Finanzhilfen von 53,5 Milliarden Euro beantragen, um ihren Verpflichtungen beim Schuldendienst nachzukommen. Vorgesehen ist demnach ein Zeitraum bis Ende 2018.

+++ 23:43 Griechenland schlägt Steuererhöhungen vor +++
Die ersten Einzelheiten der griechischen Reformvorschläge werden bekannt. So bietet die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras an, Vergünstigungen bei der Mehrwertsteuer auf Inseln bis Ende 2016 zu streichen. Dies war bei früheren Gesprächen ein wichtiger Streitpunkt.

+++ 22:23 Eurogruppen-Chef Dijsselbloem bestätigt Eingang von Athener Liste +++
Das griechische Spar-Programm hat Brüssel erreicht. Das bestätigte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem über seinen Sprecher Michel Reijns. Einzelheiten wurden aber noch nicht bekannt. Die Vorschläge sind Voraussetzung für weitere Hilfszahlungen. Allein im Juli ist Athen den Gläubigern 4,2 Milliarden Euro schuldig. Falls die Geldgeber die Vorschläge akzeptieren, könnten sie ein neues Hilfsprogramm und eine Zwischenfinanzierung gewähren.

+++ 22:13 IWF besteht weiter auf Schuldenschnitt +++
Der Internationale Währungsfonds (IWF) bleibt bei seiner Forderung nach einem Schuldenschnitt. "Eine Einigung wird schwierige Entscheidungen auf beiden Seiten erfordern", sagt IWF-Chefökonom Olivier Blanchard. Während die Griechen ihre Steuern anpacken sollten, müssten die Geldgeber einen klaren Plan für die weitere Finanzierung sowie einen Schuldenerlass vorlegen. Die versäumte Rückzahlung von 1,5 Milliarden Euro an den IWF vor gut einer Woche dürfe dabei nicht einfach unter den Tisch gekehrt werden.

+++ 21:45 Staatsfernsehen: Athener Reformliste abgeschickt +++
Die griechische Regierung hat ihr Sparprogramm auf den Weg gebracht. Die Vorschläge seien gegen 21.30 Uhr MESZ per E-Mail an den Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem abgeschickt worden, berichtet das staatliche griechische Fernsehen.

 
E-Mail für Brüssel: Geldgeber müssen Reformliste nun prüfen



Die Liste mit Reformvorschlägen aus Athen ist da. Aber wird sie den Ansprüchen der Gläubiger genügen? Bekommt Griechenland frisches Geld? Es gibt Hoffnung, aber noch sind einige Hürden zu nehmen.

Die griechische Regierung hat es spannend gemacht. Die dringend erwarteten neuen Sparvorschläge Athens wurden nur zweieinhalb Stunden vor Ablauf der auf Mitternacht gesetzten Frist per E-Mail an den Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem abgeschickt. Kurz darauf veröffentlichte die griechische Regierung das 13-seitige Papier.

Die Brüsseler EU-Kommission bestätigte den Eingang des Dokuments. Martin Selmayr, Kabinettschef von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, erklärte kurz nach 23 Uhr per Twitter: "Nun erhalten. Unterschrieben. Drei Institutionen werden nun prüfen."

Dijsselbloem ließ erklären, er werde sich bis zur abgeschlossenen Auswertung der Pläne durch die Institutionen nicht weiter dazu äußern. Ob die Vorschläge für ein drittes Hilfspaket ausreichen, müssen jetzt die Kreditgeber beurteilen. Auf den ersten Blick kommen Athens Vorschläge aber den Forderungen nahe, die die internationalen Gläubiger vor dem Abbruch der Verhandlungen vergangenen Monat aufgestellt hatten.

Laut der Reformliste will die griechische Regierung unter anderem die ermäßigten Mehrwertsteuersätze für Inseln abschaffen. Auch beim Thema Renten schraubte Athen frühere Forderungen herunter. So will die Regierung unter dem linken Ministerpräsidenten Alexis Tsipras das gesetzliche Rentenalter grundsätzlich früher als ursprünglich angeboten auf 67 Jahre anheben. Auch die Militärausgaben sollen sinken, allerdings nicht so stark wie zuletzt von den Gläubigern verlangt.
Reichen diese Zusagen jetzt noch aus?

In vielen Punkten entspricht das Athener Schreiben genau dem letzten Kompromissangebot der Gläubiger von Ende Juni. Doch dieses Angebot ist mit dem Abbruch der Verhandlungen vor dem griechischen Referendum am vergangenen Wochenende ausgelaufen. Brüsseler Diplomaten betonen mittlerweile, inzwischen seien zusätzliche Anstrengungen nötig geworden. Denn die Lage des Krisenlandes habe sich wegen geschlossener Banken und Kapitalverkehrskontrollen dramatisch verschlechtert, berichteten Diplomaten in Brüssel.

Zudem packt die Regierung erneut ein heißes Eisen an. Nach einem Begleitschreiben will Athen auch eine Regelung zum Umgang mit seinen Schulden. Schuldenschnitte lehnt unter anderem die Bundesregierung bisher jedoch strikt ab. Zudem hofft die Regierung in Athen auf ein Wachstumspaket von 35 Milliarden Euro. Bereits am Mittwoch hatte Athen beim europäischen Rettungsfonds ESM ein drittes Hilfspaket mit drei Jahren Laufzeit beantragt. Dabei hofft die Regierung nach griechischen Medienberichten auf wenigstens 53,3 Milliarden Euro.

Die nächsten Schritte

Die Hoffnung auf eine baldige Entschärfung der Schuldenkrise bleibt durch die fristgerechte Vorlage vorerst am Leben. Fällt das präsentierte Reformpaket zur Zufriedenheit der Geldgeber aus, könnten sie ein neues Hilfsprogramm und eine Zwischenfinanzierung gewähren. Allein im Juli muss Athen seinen Gläubigern 4,2 Milliarden Euro zurückzahlen, ohne frisches Geld droht der "Grexit".

Die Vorschläge aus Athen müssen nun zunächst von Experten der EU-Kommission, Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) ausgewertet werden. Am Samstag könnten die Euro-Finanzminister dann bei einem Treffen in Brüssel grünes Licht geben. Nur wenn sie das Programm für zustimmungsfähig erachten, könnte wiederum ein doppelter Sondergipfel der Euro- und EU-Staaten am Sonntag den Weg für ein weiteres Hilfspaket ebnen.

Das Parlament in Athen könnte griechischen Medienberichten zufolge bereits am heutigen Freitag über das Sparprogramm beraten und Finanzminister Euklid Tsakalotos im Schnellverfahren beauftragen, die nötigen Verträge zur Einigung mit den Gläubigern zu unterzeichnen. Die endgültige Billigung des Sparprogramms solle dann zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Tsipras will die Abgeordneten seines Linksbündnisses Syriza angeblich vom Fraktionszwang befreien und eine Mehrheit im Zweifelsfall mit Hilfe von Oppositionsstimmen sichern, um einen Regierungsbruch zu vermeiden.
 
Hoffen auf drittes Hilfspaket: Griechenland reicht Reformliste in Brüssel ein



Die lange erwartete Liste mit Reformvorschlägen aus Athen ist da - und das vor Ablauf der Frist: Die Reformliste - ein 13-seitiges Papier - geht per Email in Brüssel ein. Unter anderem sind eine Steuer- und Rentenreform, Einsparungen bei der Verteidigung und der Kampf gegen Korruption und Steuerhinterziehung geplant. Im Gegenzug dazu fordert Athen ein neues Hilfsprogramm in Höhe von rund 50 Milliarden Euro. Jetzt müssen Experten von EU-Kommission, EZB und IWF die Liste prüfen.

 
Tsipras knickt ein: Griechen sollen mehr zahlen und arbeiten

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Das Spar- und Reformangebot der griechischen Regierung liegt auf dem Tisch. Den Gläubigern dürfte es gefallen, geht es doch weit über das hinaus, was die Griechen in einem Referendum am Sonntag abgelehnt haben.

Griechenland will mit Steuererhöhungen und einer Rentenreform die internationalen Gläubiger zu weiteren Milliardenhilfen bewegen und eine Staatspleite in letzter Minute abwenden. Noch Stunden vor Ablauf eines Ultimatums schickte die Athener Regierung am Abend ihre Vorschläge an die Geldgeber. Die Vorschläge sollen nach den bisher bekanntgewordenen Einzelheiten weit über das hinausgehen, was die Regierung einst als Troika-Papier abgelehnt hatte.

Vorgesehen ist demnach etwa, die Belastungen für Reedereien zu erhöhen und Steuervergünstigungen für Inseln zu streichen. Im Gegenzug verlangt Griechenland 53,5 Milliarden Euro, um bis 2018 seine Schulden bezahlen zu können. Außerdem fordert die Regierung ein Entgegenkommen bei den Zielen für den Staatshaushalt.

Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem kommentierte die Liste zunächst nicht öffentlich und kündigte an, sie von Experten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds überprüfen zu lassen. Er und die 18 anderen Finanzminister der Euro-Zone kommen am Samstag zusammen. Dann könnten sie empfehlen, Verhandlungen über ein Hilfspaket des europäischen Rettungsfonds ESM mit Griechenland aufzunehmen. Das Parlament in Athen soll bereits heute über Sofortmaßnahmen abstimmen.

Troika als Stichwortgeber mit am Tisch

In weiten Teilen liest sich der jetzt in Brüssel eingereichte Text wie das alte Papier der Gläubiger, wegen dem Tsipras Ende Juni die Verhandlungen angebrochen hatte. Damals war in Athen von "Unterwerfung" die Rede. Schließlich hatte sich das griechische Volk in einem von Tsipras angestrebten Referendum dagegen ausgesprochen. Jetzt soll sich die griechische Regierung bei der Ausarbeitung seiner Spar- und Reformvorhaben von Vertretern der drei Gläubiger beraten lassen haben.

Im Wesentlichen enthält das Papier folgende Maßnahmen:
Steuererhöhungen für Versicherungen
Streichung des Mehrwertsteuerprivilegs für die Inseln bis Ende 2016
Mehrwertsteuer für Hotels steigt von 6,5 auf 13 Prozent
Mehrwertsteuer für Restaurants stiegt von 13 auf 23 Prozent
Streichung der Frühverrentung
Renteneintrittsalter steigt auf 67 Jahre (Regelung wie in Deutschland)
Neue Gehaltsstruktur für Beamte
Über ein Dutzend Flughäfen werden privatisiert
Erhöhung der Steuer für Schiffe
Luxussteuer steigt auf 13 Prozent
Reform des Strommarktes


In einem ersten Schritt müssen Vertreter der Troika (EU-Kommission, EZB und IWF) das Papier in Augenschein nehmen. Befinden sie es nach der ersten Prüfung für gut, würden schnell Verhandlungen mit Griechenland über ein drittes Hilfspaket empfohlen. Die Athener Regierung geht davon aus, dass dies der Fall sein wird. Ein ranghoher griechischer Beamter soll der "Bild"-Zeitung gesagt haben: "Die Troika wird ja wohl kaum ein Angebot ablehnen, das sie selbst mitgeschrieben hat."
Heftiger Gegenwind für Tsipras

Ebenfalls am Vormittag wird das Angebot in der Syriza-Fraktion beraten. Bereits dort droht Tsipras eine Niederlage. Mindestens 15 Mitglieder wollen mit Nein stimmen und fordern Neuwahlen. Sie verweisen auf das Referendum von Sonntag und werfen Tsipras vor, aus einem Nein gegen die strengen Reformen ein Ja machen zu wollen.

Auf weiteren Widerstand könnte Tsipras auch beim kleineren Koalitionspartner stoßen, dessen Vorsitzender das Papier gar nicht erst unterschieben hat. Auch die Unterschrift von Energieminister Panagiotis Lafazanis fehlt. Er führt den linken Flügel von Tsipras' Partei Syriza. Der Ministerpräsident hat sich allerdings die Hilfe von Oppositionsparteien gesichert, die beim Referendum mit Ja gestimmt haben. Das könnte Tsipras' Ansehen schwer beschädigen und auf eine Regierungsneubildung oder sogar Neuwahlen hinauslaufen.

Sollen sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone am Sonntag für kurzfristige Finanzhilfen und Verhandlungen über ein längerfristiges drittes Rettungspaket entscheiden, wäre eine weitere Abstimmung im Parlament nötig. Änderungen an dem Papier sind dann allerdings nicht mehr möglich.

Alles in allem birgt das Reformangebot der griechischen Regierung Sprengkraft für den sozialen Frieden im Land. Kommunisten und linke Gewerkschaften haben bereits für heute zu ersten Protesten aufgerufen.

 
Welche Rolle spielt die EZB?: Aufnahme Griechenlands in den Euro von Beginn an umstritten



Schon vor Eintritt Griechenlands in den Euro gab es Mahner und Zweifel daran, ob Griechenland fit für den Euro sei. Hinterher hieß es, Athen habe seine Defizitzahlen für den Euro-Beitritt aufpoliert. Inzwischen erleben wir jeden Tag neue letzte Fristen. Griechenland steht finanziell am Abgrund und überlebt nur noch dank der EZB. Die war es damals auch, die das Land auf seine wirtschaftliche Euro-Tauglichkeit geprüft

 
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