Griechenland Grexit NEWS: Pokernacht in Brüssel: "Grexit auf Zeit" ist vom Tisch

Grexit-Szenario ist vorbereitet: EU-Spitzen drohen Griechenland und stellen Ultimatum



Positives haben die EU-Spitzen nach ihren letzten Verhandlungen mit den Griechen nicht zu verkünden. Im Gegenteil: Sollte Griechenland diesmal keine akzeptablen Reformen liefern, ist der Grexit beschlossene Sache. "Wir haben ein Grexit-Szenario detailliert vorbereitet", erklärt EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Und auch Angela Merkel gibt sich äußerst pessimistisch.

 
"Brauchen grundlegenden Neuanfang": In der GroKo mehren sich Stimmen für den Grexit



Nicht nur in Reihen der CDU mehren sich die Stimmen für den Euroaustritt Griechenlands. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel spricht sich für einen "grundlegenden Neuanfang" aus. Dass der Sozialdemokrat sich von der linken Syriza abwendet, hat einen pragmatischen Grund.

 
Reaktionen nach dem Gipfel: "Wäre ein schrecklicher, kollektiver Fehler"

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Grexit ja oder nein, Schuldenschnitt ja oder nein - die Liste der Diskussionsthemen rund um Griechenland ist lang und komplex. Nach dem Eurogipfel zeigen sich viele Staats- und Regierungschefs weiter alarmiert. Denn die Zeit rennt und ein Ende ist nicht in Sicht.

Die Dramatik der Griechenlandkrise ist kaum noch zu steigern: "Ohne Zweifel ist das sicherlich der kritischste Moment in unserer gemeinsamen Geschichte der EU und der Eurozone", resümiert der sonst so kühle Gipfelchef Donald Tusk nach rund vierstündigen Spitzenberatungen den Stand der Dinge.

Tusk zufolge ist auch humanitäre Hilfe für notleidende Menschen in dem Krisenland denkbar. "Für uns ist es wichtig, die Meinung der (EU-)Kollegen über eine mögliche humanitäre Hilfe für Griechenland zu hören, wenn sie denn notwendig werden sollte", sagte der polnische EU-Ratspräsident. Ein sogenanntes "schwarzes Szenario", also den Austritt Griechenlands aus der Eurozone, schloss Tusk in seiner Beschreibung der Lage nicht aus.

Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich nach dem Krisengipfel extrem ernst. "Sie sehen mich hier nicht ausgesprochen optimistisch", sagte sie während einer Pressekonferenz. Die Gespräche seien "sehr ernsthaft und sehr klar" gewesen. Die Ankündigung des Sondergipfels am Sonntag zeige, "dass die Situation vergleichsweise ernst" sei.

Merkel betonte, die Voraussetzungen für die Aufnahme von Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm im Rahmen des ESM-Rettungsschirms seien unverändert nicht gegeben. Der griechische Regierungschef Tsipras habe aber angekündigt, am Mittwoch einen entsprechenden Antrag zu stellen. "Wir erwarten, dass die griechische Regierung spätestens am Donnerstag sehr detaillierte Vorschläge vorlegt."

"Wir verlangen (...) von Griechenland gar nichts, sondern Griechenland hat uns angekündigt, dass es einen Antrag auf Basis des ESM stellen möchte. Dafür gibt es eine gesetzliche Grundlage", sagte Merkel weiter. Einen Schuldenschnitt für Griechenland schloss Merkel erneut aus: "Ein Haircut kommt nicht infrage. Das ist ein Bailout innerhalb der Währungsunion und das ist verboten", sagte sie. Eine mögliche Brückenfinanzierung, um Athens kurzfristige Zahlungsverpflichtungen einhalten zu können, habe am Dienstag auf dem Gipfel in Brüssel "so gut wie keine Rolle gespielt".

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der sich stets für eine Abmachung mit dem griechischen Premier Alexis Tsipras einsetzte, spricht das G-Wort nun offen aus: "Wir haben ein Grexit-Szenario im Detail ausgearbeitet." Der Luxemburger unterstreicht, er sei jedoch weiter für einen Verbleib des Krisenlandes in der Eurozone.

"Wir haben ein Szenario, was die humanitäre Hilfe angeht. Und wir haben ein Szenario - und das ist auch mein Lieblingsplan - mit dem wir dem Problem Herr werden könnten und Griechenland im Euro-Währungsgebiet bleibt." Doch Athen müsse dafür Reformen zusagen und auch in die Tat umsetzen.

Im Kreis der 19 Euroländer kämpft vor allem Frankreich vehement gegen einen Austritt Griechenlands. "Es gibt nicht drei Optionen, es gibt zwei: In der Eurozone zu sein oder nicht", sagt der französische Staatschef François Hollande. Er sei für die erste Variante. Und weist wie seine Kollegen auf die Dringlichkeit hin: "Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren."

Ob weitere Milliardenbeträge nach Athen fließen können, soll bei dem Sondergipfel aller 28 EU-Staaten an diesem Sonntag beschlossen werden - und damit eine Woche nach dem Referendum in Griechenland. Der irische Regierungschef Enda Kenny sagt: "Die Lage ist schwieriger und komplexer als vor dem Referendum."

Schon zuvor waren einige Finanzminister beim "Grexit" überraschend deutlich geworden. "Das ist eine realistische Möglichkeit", bilanzierte der maltesische Ressortchef Edward Scicluna. Schriftliche Vorschläge brachte der neue griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos zum Treffen der Euro-Finanzminister nicht mit - zur Enttäuschung vieler Amtskollegen. Ein neuer Antrag auf Rettungshilfen soll bis Mittwoch kommen. "Es gibt Hoffnung, und wir müssen auf dieser Hoffnung aufbauen", so der EU-Währungskommissar Pierre Moscovici. Denn: "Ein Grexit wäre ein schrecklicher und kollektiver Fehler."

Griechenlands Premier Alexis Tsipras hat wie von den Euro-Partnern verlangt ein Reformpaket angekündigt. "Die Vorschläge enthalten glaubwürdige Reformen, die sozial gerecht sind", sagte er. Im Gegenzug werde Griechenland Unterstützung bekommen, um seinen mittelfristigen Finanzbedarf zu decken. Es sei auch ein Investitionspaket im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit vorgesehen sowie Gespräche über eine Umschuldung. "Das Ziel ist eine sozial gerechte und wirtschaftlich machbare Vereinbarung für Griechenland und für Europa", betonte der Premier.

Noch bevor ein mögliches neues Hilfspaket für Griechenland überhaupt spruchreif ist, regt sich in der Unionsfraktion bereits massiver Widerstand dagegen. Er kenne keinen einzigen Kollegen in seiner Fraktion, der eine Basis für ein drittes Hilfspaket sehe, sagte Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich der "Rheinischen Post". Die Stimmung an der Parteibasis sei mit Blick auf den erwarteten Kreditantrag aus Athen eindeutig: "Die Griechen haben das Recht, Nein zu sagen, und jetzt haben wir das Recht, ebenfalls Nein zu sagen."

Der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl hat sich für ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone und einem Schuldenerlass ausgesprochen. Er habe erhebliche Zweifel, dass die Griechen ihre Schulden je zurückzahlen könnten oder wollten, sagte der Bundestagsabgeordnete der "Bild" laut Vorabmeldung. "Griechenland muss raus aus dem Euro. Mit allem anderen tun wir den Griechen keinen Gefallen. Allein zu diesem Zweck ist ein teilweiser Schuldenschnitt denkbar".

Hillary Clinton hat die Europäer zur Einigung im Finanzstreit mit Griechenland aufgerufen. "Was in Griechenland geschieht, ist eine Tragödie", sagte die Ex-US-Außenministerin und demokratische Präsidentschaftsbewerberin. Das Volk leide, Rentner hätten nicht mehr genügend Geld für Lebensmittel. Die Europäer sollten alles tun, um die Krise zu entschärfen. Griechenland sei ein wichtiger Partner. "Ich möchte eine Lösung sehen", sagte Clinton am Rande ihres Vorwahlkampfes im Bundesstaat Iowa. Auch Präsident Barack Obama hatte sich bereits mehrfach für eine Lösung der Schuldenkrise eingesetzt.
 
Liveticker zu Griechenland: +++ 14:45 Griechische Banken bleiben geschlossen +++

Seit mehr als einer Woche sind die griechischen Banken geschlossen, mangels Liquidität. Auch am Donnerstag werden sie ihre Schalter nicht öffnen. Eine entsprechende Anweisung soll laut der Nachrichtenagentur Reuters im Laufe des Tages veröffentlicht werden. Wie lange die bereits seit acht Werktagen geschlossenen Banken geschlossen bleiben sollen, ist noch nicht bekannt.

+++ 14:31 Brics-Staaten wollen Griechenland nicht helfen +++
Die großen Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (Brics) wollen dem angeschlagenen Griechenland nicht zu Hilfe eilen. Das sei beim derzeit laufenden Brics-Gipfel in der russischen Stadt Ufa kein Thema, sagt der Wirtschaftsminister des Gastgebers, Alexej Uljukajew. Ein russischer Banker hatte bereits zuvor deutlich formuliert: Russland ist nicht in der Lage, bei der Lösung der griechischen Schuldenkrise zu helfen. Europa habe das Problem selbst geschaffen und sollte es auch selbst lösen, so der Andrej Kostin, Vorstandsvorsitzender der zweitgrößten Bank Russlands, der VTB-Bank.

+++ 14:13 Tsipras: Konkrete Reformvorschläge am Donnerstag +++
Griechenland erfüllt bisher den Zeitplan seiner europäischen Partner.Nach dem formalen Antrag beim ESM will Alexis Tsipras am morgigen Donnerstag der Eurozone nun "sehr konkrete" Reformvorschläge vorlegen. "Die griechische Regierung wird morgen glaubhafte Reformen für eine faire und dauerhafte Lösung übermitteln", kündigte er am Morgen an. Bisher hat Athen beim Europäischen Rettungsfonds ESM einen Antrag für ein dreijähriges Hilfsprogramm gestellt. Darin verspricht die Regierung, eine Steuerreform und verschiedene Rentenmaßnahmen bereits kommende Woche in Gesetze zu gießen. Konkreter wird sie noch nicht.

+++ 14:01 Harte Linie im Baltikum: "Zeit des Feierns vorbei" +++
In den baltischen Staaten gibt es starken Widerstand gegen weitere Zugeständnisse an Griechenland. Nach eigenen Krisenerfahrungen haben Estland, Lettland und Litauen eine strikte Haltung. Zudem müssen die Menschen mit einem Bruchteil der griechischen Gehälter und Renten auskommen. "Die Zeit des Feierns auf Kosten Anderer ist vorbei für Griechenland", sagt die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite an Athen gerichtet. Auch Estlands Regierungschef Taavi Rõivas vertritt eine harte Linie: "Reformen in Griechenland sind weiterhin unvermeidbar."

+++ 13:34 Was im ESM-Antrag Athens steht: Der ganze Brief +++
Hier eine Zusammenfassung:

Die griechische Regierung beantragt ein dreijähriges Hilfsprogramm. Die Kredite würden dafür gebraucht, die laufenden Verpflichtungen zu bedienen und das Finanzsystem stabil zu halten, heißt es.
Im Gegenzug verspricht die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras, schon in der nächsten Woche eine Steuerreform und verschiedene Rentenmaßnahmen in Gesetze zu gießen. Konkreter wird das Schreiben Griechenlands an den Fonds an dieser Stelle nicht. Die Geldgeber bestehen darauf, über die Anhebung der Mehrwertsteuer zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Geld gespart werden soll über die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre und ein Ende der Frühverrentung.
Griechenland begrüßt in dem Schreiben ferner ausdrücklich die Möglichkeit, verschiedene Wege zu erkunden, um die hohen Staatsschulden tragfähig zu machen. Das wird als eine bürokratische Formulierung für "Schuldenschnitt" gesehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble lehnen das bisher kategorisch ab.


+++ 13:17 Joschka Fischer: "Kein Zurück mehr" +++
Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer hält einen Grexit für wahrscheinlich. Er könne sich "nicht vorstellen, wie eine Zukunft Griechenlands in der Eurozone aussehen soll", sagt Fischer im Gespräch mit der "Zeit". "Ich sehe keinen neuen Kompromiss, bei dem nicht eine Seite ihr Gesicht verliert." Scharfe Kritik äußert Fischer an Bundeskanzlerin Merkel. "Nun sind wir womöglich an einem Punkt angekommen, an dem es kein Zurück mehr gibt." Dass es so weit gekommen sei, werfe er der Bundesregierung vor: "Sie hat nicht politisch argumentiert und agiert, sondern buchhalterisch."

+++ 13:10 Grüner: Notleidende Bevölkerung braucht schnelle Hilfe +++
Schnelle Hilfen für die notleidende Bevölkerung Griechenlands hat der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Tom Koenigs, gefordert. "Europa muss kurzfristig mit Hilfe für die Menschen bereitstehen, um eine humanitäre Notlage abzuwenden", sagte Koenigs. Dafür, dass es überhaupt so weit gekommen sei, machte er die Politik der Institutionen der Geldgeber sowie die Bundesregierung mitverantwortlich. Es sei "ein Armutszeugnis" für deren Griechenland-Politik, wenn jetzt über humanitäre Hilfe geredet werden müsse.

+++ 12:48 Eurogruppe vertagt Beratung über Hilfsantrag +++
Die Eurogruppe wird nicht wie erwartet schon heute in einer Telefonkonferenz über den neuen griechischen Hilfsantrag sprechen. Das teilt der Sprecher von Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem mit. Geplant seien hingegen Beratungen der Finanzstaatssekretäre der 19 Eurostaaten, die in der sogenannten Eurogroup Working Group die Treffen ihrer Ressortchefs vorbereiten. Die Eurogruppe muss entscheiden, ob sie das mehrstufige Verfahren zur Gewährung neuer Rettungsmilliarden an das Krisenland in Gang setzt.

+++ 12:40 Steuer- und Rentenmaßnahmen ab nächster Woche +++
Aus dem ESM-Antrag geht laut Dow Jones hervor, dass Athen schon in der kommenden Woche zu Steuer- und Rentenmaßnahmen bereit ist. Im EU-Parlament in Straßburg hatte der griechische Premier zuvor gesagt, Ziel eines neuen Hilfsprogramms müsse sein, die Belastungen für die Bevölkerung gerechter zu verteilen. "Arbeitnehmer und Rentner können keine zusätzlichen Lasten akzeptieren", so Tsipras.

+++ 12:10 Eurorettungsschirm ESM bestätigt: Hilfsantrag eingetroffen +++
Der neue Hilfsantrag aus Griechenland für neue Rettungshilfen ist beim Eurorettungsschirm ESM eingetroffen. "Der ESM hat das griechische Gesuch empfangen", bestätigt ein Sprecher des ESM in Luxemburg.

Der Korrespondent der "Financial Times" in Brüssel kommentiert es sportlich: "Meine Herren, starten Sie Ihre Motoren":



+++ 12:07 Lufthansa akzeptiert griechische Kreditkarten +++
Die Deutsche Lufthansa besteht beim Ticketverkauf in Griechenland nicht auf Barzahlung. "Wir akzeptieren derzeit nur Kreditkarten als Zahlungsmittel", sagt ein Konzernsprecher. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Karte von einer griechischen oder einer ausländischen Bank ausgestellt worden sei. Die Regelung gelte für alle Airlines der Lufthansa-Gruppe, zu der unter anderem die AUA, Swiss und Germanwings gehören.

+++ 11:55 Athen leiht sich 1,6 Milliarden Euro +++
Kaum zu glauben, aber wahr: Das Pleiteland Griechenland besorgt sich immer noch frisches Geld am Kapitalmarkt. Wie der griechische Rundfunk unter Berufung auf die Schuldenagentur PDMA berichtet, wurden insgesamt 1,625 Milliarden Euro für 26 Wochen in Form kurzlaufender Staatspapiere aufgenommen. Die Rendite der versteigerten Papiere lag - wie bei einer vergleichbaren Auktion im Vormonat - bei 2,97 Prozent. Athen muss am 10. Juli zwei Milliarden Euro Schulden refinanzieren. In der griechischen Finanzpresse heißt es, das restliche Geld werde an diesem Donnerstag in die Staatskasse fließen. Denn dann dürfte Athen wie üblich im Rahmen eines gesonderten Verfahrens zusätzliche Wertpapiere versteigern.

+++ 11:48 Athen dementiert Bericht über Schuldscheine +++
Das griechische Finanzministerium weist Meldungen zurück, wonach die Regierung in Athen Vorbereitungen für die Einführung von Schuldscheinen treffe. Dies hatte die konservative Athener Zeitung "Kathimerini" verbreitet. Dem Zeitungsbericht zufolge sollen damit die Gehälter der Staatsbediensteten und die Renten Ende des Monats bezahlt werden. Das Ministerium erklärte dazu, der Bericht sei unwahr. Schuldscheine könnten die Vorstufe zu einer neuen Währung sein.

+++ 11:41 Front National zeigt EU rotes "Oxi" +++
Nicht nur Griechen können "Nein" sagen. "Oxy" oder "Oxi" wird immer mehr zum geflügelten Wort. Hier eine Szene aus dem Europaparlament:

Über den Wahlsieg der linkspopulistischen Syriza in Griechenland hatten sich nicht nur Europas Linke gefreut. Auch rechtsgerichtete Euroskeptiker waren begeistert. Marine Le Pen, die Vorsitzende des französischen Front National, sprach von einer "gigantischen demokratischen Ohrfeige, die das griechische Volk der Europäischen Union erteilt hat". Le Pen empfiehlt den Griechen den Austritt aus der Eurozone. So hätten sie Chancen auf neues Wachstum.


Unterstützer für Griechenland fanden sich auch noch anderswo auf den Rängen. Hier halten Abgeordnete Schilder mit den Slogans "Nein zu Kredithaien - Freiheit für Griechenland" in die Luft:

+++ 11:41 Rotes Kreuz wartet auf Startsignal für Nothilfe +++
Das Deutsche Rote Kreuz steht bereit, Überlebenshilfen für notleidende Griechen zu leisten. Rentner, arme und kranke Menschen, aber auch Flüchtlinge litten unter der Krisensituation in Griechenland, sagt DRK-Sprecher Dieter Schütz. Bereits jetzt gebe es Schwierigkeiten bei der medizinischen Versorgung. Probleme bei der Grundversorgung könnten hinzukommen, "wenn sich viele Menschen den Kauf lebensnotwendiger Güter kaum mehr leisten können." Der Sprecher versicherte jedoch, dass das DRK in der Lage sei, "den Griechen über die Schwesterorganisation vor Ort flächendeckend und schnell zu helfen".

+++ 11:21 Tsipras: "Werden Gläubiger-Frist einhalten" +++
Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras ist optimistisch, die Forderungen der internationalen Gläubiger fristgerecht erfüllen zu können. "Ich bin zuversichtlich, dass wir in den kommenden zwei oder drei Tagen in der Lage sein werden, den Verpflichtungen im besten Interesse Griechenlands und auch der Eurozone nachzukommen", sagte er vor den Europaparlamentariern in Straßburg. Ein geteiltes Europa müsse verhindert werden. Tsipras versprach, die notwendigen Reformen umzusetzen. Die Lasten müssten aber tragfähig verteilt werden. Vor allem mittlere und untere Schichten der griechischen Gesellschaft müssten entlastet werden, sagte der Regierungschef.


+++ 11:02 Tumultartige Szenen im Europaparlament +++
Bei der Rede des konservativen Europapolitikers Manfred Weber kochen die Emotionen im Europaparlament hoch. An Alexis Tsipras gewandt sagt er: "Herr Tsipras, Sie sagen den Menschen nicht die Wahrheit und das ist eine würdelose Politik." Er beendet seine Rede mit den Worten: "Herr Tsipras, Sie spalten Europa. Wir lieben Europa". Es kommt zu tumultartigen Szenen. Die griechischen Abgeordneten reagieren mit Buh-Rufen. Martin Schulz als Parlamentspräsident muss eingreifen.

+++ 10:33 Tsipras: Brief an ESM abgeschickt +++
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat vor dem EU-Parlament in Straßburg gesprochen. Hier Auszüge aus seiner Rede:

Tsipras bestätigte, dass ein neuer Antrag auf Rettungsmilliarden beim Eurorettungsschirm ESM geschickt wurde. Zudem versicherte er, dass die Reformbemühungen fortgesetzt würden.
Die "bösen Ausländer" seien nicht für die Krise verantwortlich, so Tsipras weiter.
Es sei nicht in der Absicht Athens, die europäischen Steuerzahler zu belasten. Aber sie sollten wissen, dass die Hilfsgelder nicht dem griechischen Volk zugute gekommen, sondern in die Banken geflossen sind.
Tsipras fordert eine Vereinbarung mit den Geldgebern, die ein Überwinden der Krise signalisieren.



+++ 10:21 EZB erhöht Druck auf Athen +++
Die EZB könnte den Banken schon bald den Geldhahn zudrehen. Sollte es keine Perspektive für eine Einigung im Schuldenstreit mit den Gläubigern geben, müsste die EZB die Nothilfen für die griechischen Banken unverzüglich beenden, warnt der französische Notenbankchef Christian Noyer im französischen Radiosender Europe 1.

+++ 10:00 Flugtickets nur noch gegen Barzahlung +++
Die Griechen können Flugtickets nur noch bar oder mit einer nicht in Griechenland ausgegebenen Kreditkarte zahlen. Mehr als 35 Fluggesellschaften haben die griechischen Reiseagenturen benachrichtigt, dass sie deren Buchungen nicht mehr akzeptieren. Die Kunden müssen direkt am Flughafenschalter zahlen. Dies bestätigt die griechische Reiseagentur Thisseas.

+++ 9:54 Happy End für "weinenden Rentner" +++
In den sozialen Netzwerken sorgte vor wenigen Tagen ein weinender Rentner vor einer Bank in Thessaloniki für Aufsehen - die Geschichte findet jetzt offenbar ein Happy End. Der Dank gebührt James Koufos, einem in Australien geborenen Geschäftsmann griechischer Abstammung. Ihm war das Foto des 77-jährigen Giorgos Chatzifotiadis bekannt vorgekommen.

Der 41-jährige Chef einer Finanzfirma kontaktierte daraufhin seine Mutter in Griechenland via Facebook. Diese bestätigte ihm, dass es sich bei Chatzifotiadis tatsächlich um einen alten Freund seines verstorbenen Vaters handele. Er bat seine Mutter, den Mann ausfindig zu machen und ihm mit etwas Bargeld "Soforthilfe" zu geben. Auf Facebook startete Koufos zudem einen Hilfsappell, um Geld für den Rentner zu sammeln. Am Samstag will der Australien-Grieche nach Athen fliegen und Chatzifotiadis treffen.


+++ 9:40 Transportwesen in Griechenland bricht zusammen +++
Die Kapitalkontrollen lassen das Transport- und Verkehrswesen kollabieren. Täglich können nur 60 Euro vom Konto abgehoben werden. Deshalb können Transportunternehmer ihre Lastwagen nicht betanken. Hunderte griechische Lastwagenfahrer im In- und Ausland haben so keine Möglichkeit, den nötigen Sprit zu bezahlen. "Ein Lastwagenfahrer braucht 4000 Euro, um aus Deutschland nach Griechenland zu kommen", sagt Petros Skoulikidis, Präsident der Transportunternehmen Griechenlands (PSXEM). Die griechischen Kreditkarten werden im Ausland nicht mehr akzeptiert. Auch im Inland gebe es Probleme. Lieferungen auf die Inseln sind nur gegen Barzahlung möglich. Auf den Inseln könne es bald zu Versorgungsengpässen kommen.

+++ 9:14 DIW-Chef: Einigung auch nach Sonntag möglich +++
Wie eng wird es für Griechenland? Angeblich läuft die Frist Sonntag aus. Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht es nicht so dramatisch. Im Interview mit n-tv sagt er:
"Ich denke, es wird eine Einigung geben, auch nach Sonntag noch. Die Frage ist nicht, ob es eine Einigung geben wird, sondern wann sie kommt und wie sie aussieht. Ich glaube, Griechenland ist jetzt bewusst: Sie müssen eine Lösung finden, denn wenn die Europäische Zentralbank am 20. Juli nicht bezahlt wird, dann wird es nicht nur zu einer Staatsinsolvenz, sondern auch zu einem Zusammenbruch des Bankensystems in Griechenland kommen. Dann bricht die Wirtschaft komplett weg, die Arbeitslosigkeit wird nochmal deutlich höher werden. Also wir werden eine richtig tiefe humanitäre Katastrophe in Griechenland erleben. Das muss auch der griechischen Regierung klar sein."

+++ 8:55 Ramsauer wirft Athen "schmutzige Tour" vor +++
Unionsfraktionsvize Peter Ramsauer spart bei einem Interview am Morgen nicht mit kernigen Worten. Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Bundestages wirft der Athener Regierung eine "schmutzige Tour" vor, mit der sie die europäischen Regierungschefs "wie Tanzbären durch die Manege" führe. Auch die Eurostaaten bekommen ihr Fett weg: Durch immer neue Fristen machten sich die Regierungschefs unglaubwürdig.

+++ 8:39 Noyer: "Griechische Wirtschaft am Rande der Katastrophe" +++
Die griechische Wirtschaft steht nach Einschätzung des französischen Notenbankchefs Christian Noyer am Rande einer Katastrophe. Falls bis Sonntag keine Einigung im Schuldenstreit komme, könnte die Ökonomie des Landes kollabieren, so das EZB-Ratsmitglied. Er appelliert ferner an die Politik, eine Lösung zu finden. Die Statuten der EZB würden es verbieten, Griechenland auf Dauer zu unterstützen.

+++ 8:34 Wo ist Alexis Tsipras heute? +++
Der griechische Premier nimmt heute ab 9.45 Uhr an einer Debatte im Europaparlament in Straßburg teil. Es geht dabei um die Konsequenzen des griechischen Referendums vom Sonntag und den Ausgang des Brüsseler Sondergipfels vom Vorabend. Es ist der erste Auftritt des 40-Jährigen vor dem Plenum des Europaparlaments seit seiner Wahl im Januar. Die Befürchtungen wachsen, dass Tsipras sein Land in einen ungeordneten, chaotischen und damit noch schmerzhafteren Grexit schlittern lassen könnte. Sicher ist jetzt nur noch, dass Griechenland und die EU an einer wichtigen Wegscheide angekommen sind.

+++ 8:24 Griechische Presse: Entscheidung "Euro oder Drachme" steht bevor +++

"Euro oder Drachme bis Sonntag", titelt die konservative Traditionszeitung "Kathimerini". Die Regierung müsse sich entscheiden. Ministerpräsident Alexis Tsipras und sein Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis hätten mit dem Schicksal des Landes gespielt und verloren. Die Partner sagten jetzt offen: Ohne Einigung gebe es am Sonntag das "schwarze Szenario" des Grexit. Jetzt müsse Tsipras seine Partei ignorieren und seine "patriotische Pflicht" erfüllen, das Land im Euroland zu halten.
Die linke Zeitung "Efimerída ton Syntaktón" titelt: "Sie (die Gläubiger) wollen eine bedingungslose Kapitulation".
Auch die Boulevardzeitung "Ethnos" sieht nur noch zwei Möglichkeiten: "Abkommen oder Grexit", titelt das Blatt. Bis Freitag müsse Athen antworten.
Die konservative Zeitung "Eleftheros Typos" titelt: "Hellas SOS. Sparprogramm für den Verbleib in der EU oder Drachme und ein Griechenland der Dritten Welt".
Das Sprachrohr der regierenden Linkspartei Syriza "I Avgi" titelt: "Fünf-Tage-Kampf für eine endgültige Lösung". Bis Sonntag werde es eine tragfähige Lösung geben.
Die Traditionszeitung der politischen Mitte "Ta Nea" meint, die Regierung und die Partner würden sich am Ende einigen. Die Regierung unter Alexis Tsipras bewege sich in die Richtung eines Abkommens, der den Verbleib in der Eurozone sichert.
Die in Thessaloniki erscheinende Zeitung "Angeliaforos" titelt: "Letzte Chance am Sonntag."

+++ 8:12 Tsakalotos handgeschriebener Zettel +++
Am Morgen nach dem Krisentreffen sind die handgeschriebenen Notizen des neuen griechischen Finanzministers Euclid Tsakalotos immer noch Thema in den Medien. Sein Auftritt war bewusstes "understatement", das Sakko zerknittert und auf Hotelpapier nur wenige englische Stichworte wie "political situation," "no triumphalism" und "message to people". Wer angesichts der ernsten Lage einen großen Auftritt erwartet hatte, ist offensichtlich enttäuscht worden.

+++ 7:45 Französischer Linkspolitiker: "Deutschland hat seine Schulden auch nicht bezahlt" +++
Der linke französische Europaabgeordnete Jean-Luc Mélenchon kritisiert im Deutschlandfunk die europäische Krisenpolitik - und vor allem Deutschland bekommt dabei wieder mal sein Fett weg. Mélenchon empfiehlt einen Blick in die deutsche Geschichte: "Griechenland muss atmen können. So wie Deutschland in den Fünfzigerjahren. Deutschland hat seine Schulden auch nicht bezahlt. Weder die vor noch die nach dem Krieg. Auch nicht während des Krieges, als Deutschland seine Nachbarn geplündert hat. Das war eine gute Entscheidung, weil es ermöglicht hat, dass Deutschland atmen konnte. Und so konnte das Land eine sehr starke Demokratie aufbauen. So muss Griechenland atmen können, damit seine Demokratie vollständig funktionieren kann."

+++ 7:19 Ex-Notenbanker: "Politik des 'Zeitkaufens' kläglich gescheitert" +++
Der frühere EZB-Chefvolkswirt, Otmar Issing, warnt vor zu weitreichenden Zugeständnissen an Athen. "Käme Griechenland mit seiner Weigerung durch, grundlegende Reformen zu implementieren, hätte das gravierende Folgen." Der Ex-Notenbanker befürchtet Fehlanreize für andere schuldengeplagte Länder. Kritik äußert er am Kurs der EZB. "Im Falle Griechenlands ist die Politik des 'Zeitkaufens' kläglich gescheitert." Die EZB hatte am Montagabend die ELA-Notfallkredite für die Hellas-Banken erneut verlängert.

+++ 7:04 Keine Basis für 3. Hilfsprogramm? - "Nein"-Sager in der Union formieren sich +++
Immer mehr Unionspolitiker sperren sich gegen ein weiteres Hilfspaket für Griechenland. "Die Griechen haben das Recht, Nein zu sagen, und jetzt haben wir das Recht, ebenfalls Nein zu sagen", sagt Vize-Unionsfraktionschef Hans-Peter Friedrich. Er kenne keinen einzigen Kollegen in seiner Fraktion, der eine Basis für ein drittes Hilfspaket sehe. Der Chef der Mittelstandsvereinigung der CDU, Carsten Linnemann, sieht die Notwendigkeit grundlegender Veränderungen als Bedingung für weitere Hilfen: Europa brauche eine Insolvenzordnung, in der es entweder um die Sanierung zahlungsunfähiger Staaten oder um deren Austritt aus der Währungsunion gehe. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl macht sich für einen Schuldenschnitt für Athen stark, um eine Grexit zu erleichtern. "Griechenland muss raus aus dem Euro."

+++ 6:53 Merkel: "Großes Hilfsprogramm - mehr Verpflichtungen" +++
Laut Bundeskanzlerin Angela Merkel geht es nun nicht mehr um eine kurze Programmverlängerung, sondern um ein "drittes Programm" über mehrere Jahre. Dieses müsse aufgrund seiner längeren Laufzeit dann auch "ein Mehr an Verpflichtungen" für Griechenland enthalten. Bei dem Gipfel mit allen 28 EU-Staaten am Sonntag entscheide sich, ob die Bedingungen für die Aufnahme von Verhandlungen über ein neues Programm erfüllt seien.
Video
Hilfsantrag schon gestellt: Das müssen Athens weitere Schritte zum Hilfspaket sein 08.07.15 – 00:53 min Mediathek Hilfsantrag schon gestellt Das müssen Athens weitere Schritte zum Hilfspaket sein

+++ 6:50 Wie Athen den Finanzkollaps abwenden könnte +++
Die nächsten Schritte könnten wie folgt aussehen. Wichtig ist, dass es jetzt vor allem schnell geht:

Griechenland wird womöglich heute Morgen einen Antrag beim Euro-Rettungsfonds ESM für ein mittelfristig angelegtes Hilfsprogramm stellen. Die Euro-Finanzminister würden danach über diesen Antrag in einer Telefonkonferenz beraten.
Danach würden die von den Geldgebern beauftragten Institutionen - EU-Kommission, Europäischer Währungsfonds (EZB) und IWF - innerhalb von zwei bis drei Tagen vorläufig bewerten, ob diese Vorschläge realisierbar sind.
Parallel dazu müsste der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras vorrangige Maßnahmen ("prior actions") vorstellen, die aber auch noch durch das Parlament in Athen gebracht werden müssen. Einem Vertreter der griechischen Regierung zufolge ist es sinnvoll, einige Maßnahmen bereits vor dem Wochenende dem Parlament vorzulegen.
Nachdem das griechische Parlament sich zu den Reformen bekannt hat und noch bevor Verhandlungen über ein umfassendes ESM-Programm mit Griechenland aufgenommen werden könnten, müsste der Bundestag zustimmen. Das könnte in einer Sondersitzung geschehen.

+++ 6:29 Merkel: "Sie sehen mich nicht ausgesprochen optimistisch" +++
Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras kündigt wie von den Euro-Partnern verlangt ein Reformpaket mit "glaubwürdige und sozial gerechten Reformen" an. Im Gegenzug werde Griechenland Unterstützung bekommen, um seinen mittelfristigen Finanzbedarf zu decken. Laut Bundeskanzlerin Angela Merkel erwarten die Europartner jetzt, dass Athen bis spätestens Donnerstag vorschlägt, wie so ein Hilfsprogramm des Euro-Rettungsschirms ESM aussehen könnte. Bisher seien die Voraussetzungen für Verhandlungen über ein solches Rettungsprogramm nicht gegeben. "Sie sehen mich hier nicht ausgesprochen optimistisch", so Merkel.

+++ 6:06 Tusk: "Nur noch fünf Tage Zeit" +++
Für einen Kompromiss im Griechenland-Streit wird die Zeit knapp. EU-Gipfelchef Donald Tusk erklärt nach dem Euro-Krisengipfel am späten Dienstagabend, es bleiben nur noch fünf Tage Zeit. "Die endgültige Frist endet diese Woche."

+++ 4:34 Griechische Banken sollen schrittweise wieder öffnen +++
Die griechische Regierung will heute über eine mögliche schrittweise Öffnung der griechischen Banken entscheiden. Es werde ein Dekret zur weiteren Handhabung des Kapitalverkehrs erlassen, kündigt der stellvertretende Finanzminister, Dimitris Mardas, an. "Das Ziel ist, schrittweise alle Banken wieder zu öffnen, so dass die Lage sich normalisiert."

In Griechenland gelten seit Montag vergangener Woche Kapitalverkehrskontrollen. Das Dekret, das die Einschränkungen für den Kapitalverkehr verordnete, läuft heute Abend aus. Die Nachfolgeregelung solle "eine größere Zahl an Dienstleistungen" in einer beschränkten Zahl geöffneter Banken ermöglichen, so Mardas weiter. Zur Zeit sind rund tausend griechische Banken für Rentner geöffnet, die keine Bankkarte für die Geldautomaten haben. Sie dürfen am Schalter maximal 120 Euro abheben.

Der Minister für den öffentlichen Dienst, Giorgos Katrougalos, erklärt derweil in einem Interview, dass eine Öffnung der griechischen Banken in dieser Woche "zweifellos technisch nicht machbar" sei. Um die Probleme zu beheben, müsse Griechenland eine Einigung mit seinen internationalen Gläubigern erzielen.

+++ 2:31 Tsipras kündigt Reformpaket an +++
Griechenlands Premier Alexis Tsipras kündigt ein Reformpaket an. "Die Vorschläge enthalten glaubwürdige Reformen, die sozial gerecht sind", so Tsipras nach dem Euro-Sondergipfel in der Nacht zum Mittwoch in Brüssel. Im Gegenzug werde Griechenland Unterstützung bekommen, um seinen mittelfristigen Finanzbedarf zu decken. Es sei auch ein Investitionspaket im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit vorgesehen sowie Gespräche über eine Umschuldung. "Das Ziel ist eine sozial gerechte und wirtschaftlich machbare Vereinbarung für Griechenland und für Europa", betont der Premier. Die Euro-Partner haben Griechenland bis Donnerstagabend Zeit zur Vorlage eines Reformpakets gegeben. Dies ist Voraussetzung für weitere Finanzhilfen.

+++ 2:00 Offener Brief an Merkel: Ja zum Schuldenschnitt +++
In einem offenen Brief von Thomas Piketty an Angela Merkel, den das Magazin "The Nation" veröffentlicht, fordern Piketty, Jeffrey Sachs, der frühere Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Heiner Flassbeck, und zwei weitere Wirtschaftswissenschaftler die Bundeskanzlerin dazu auf, einem Schuldenschnitt für Griechenland zuzustimmen. Die Sparauflagen hätten das Land nur weiter in eine wirtschaftliche Depression getrieben, kritisieren die Ökonomen: "Die verschriebene Medizin hat den Patienten ausbluten lassen, aber nicht von der Krankheit geheilt."

 
Touristen in Sorge: Diese Rechte haben Griechenland-Urlauber


Wie es mit Griechenland weitergeht, ist derzeit ungewiss. Der Zahlungsverkehr ist weiterhin eingeschränkt. In den Hotels zeichnen sich derzeit noch keine Engpässe ab.

Allerdings brachte sogar schon der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, "Notstandskredite" zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Versorgung in Griechenland ins Spiel. Aus den folgenden Szenarien ergeben sich unterschiedliche Rechte für Urlauber:
Das Essen in den Hotels wird knapp

Die Verpflegung im Hotel ist bei einer Pauschalreise eine gebuchte Leistung. Wenn eine Leistung nicht oder nur unzureichend erbracht wird, können Urlauber den Reisepreis mindern. Bedingung ist, dass sie der Reiseleitung vor Ort Gelegenheit gegeben haben, den Mangel zu beheben. Gelingt dies nicht, ist eine Minderung möglich. Wie hoch diese ist, hängt vom Grad der Beeinträchtigung ab, wie der Reiserechtler Prof. Ernst Führich erklärt. "Bei mangelhafter Verpflegung sind es maximal 5 bis 10 Prozent." Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn das Hotel den Speiseplan deutlich ausdünnt.
Das Hotelpersonal wird nicht mehr bezahlt

Wenn der Zahlungsverkehr in Griechenland weiter eingeschränkt bleibt, könnten Hotels Probleme bekommen, ihre Mitarbeiter zu bezahlen. Treten diese nicht mehr zu Arbeit an, kann sich auch daraus ein Mangel ergeben: "Bei Service- und Komfortproblemen ist eine Minderung des Reisepreises von bis zu 20 Prozent angemessen", erklärt Prof. Führich.

Was bei Reisepreisminderungen generell wichtig ist: "Wenn die Qualität und Quantität der Leistung sinkt, kommt es nicht darauf an, wer schuld ist", erklärt Führich. Die allgemeine Versorgungssituation kann der Veranstalter also nicht als Ausrede anführen.
Das öffentliche Leben liegt still


Spitzt sich die Krise weiter zu, ist ein Stillstand des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens denkbar. Dann läge unter Umständen ein erheblicher Reisemangel vor, der den Kunden zu einer kostenlosen Kündigung berechtigt, erläutert Führich. Der Urlauber könnte dann zurückreisen und bekäme die nicht verbrauchten Reiseleistungen erstattet. Er darf in einem solchen Fall aber nicht einfach abreisen, sondern muss der Reiseleitung vor Ort wieder eine Frist setzen, innerhalb derer sie den Mangel beseitigen kann. "Diese Frist hängt von der Dauer der Reise ab. Bei einem Urlaub von 14 Tagen sind 3 Tage angemessen", so Führich.
Reise kündigen

Urlauber sollten sich aber im Fall der Fälle überlegen, ob sie wirklich abreisen: "Ein erheblicher Mangel liegt erst vor, wenn die Reise "um ein Drittel" entwertet ist", erklärt der Reiserechtler. "Weil das aber so schwer zu bestimmen ist, zögern Reisende, von der Kündigungsregelung Gebrauch zu machen." Es sei sicherer, vor Ort zu bleiben und nach der Reise seine Ansprüche auf eine Minderung des Reisepreises geltend zu machen. Die Frist dafür beträgt einen Monat. Außerdem sieht es derzeit nicht danach aus, als käme das öffentliche Leben in Griechenland vollständig zum Erliegen.

 
Hilfsantrag schon gestellt: Das müssen Athens weitere Schritte zum Hilfspaket sein



Fünf Tage bleiben Griechenland, um den Grexit abzuwenden. Einen Hilfsantrag hat das Land schon gestellt. Doch nur, wenn die Griechen einen akzeptablen Reformplan vorlegen, können sie ein drittes Hilfspaket erwarten. Das sind die Schritte, die Athen auf dem weiteren Weg zum nächsten Kredit nehmen müsste.

 
Kritikos zur Krise in Griechenland: "Syriza setzt die alte Klientelpolitik fort"


Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sieht keinen Unterschied zwischen der aktuellen Regierung in Griechenland und ihren Vorgängern. Dennoch habe auch die Troika eine Verantwortung für die Fehler der letzten Jahre.

n-tv.de: Warum geht es Portugal, Spanien und Irland nicht so schlecht wie Griechenland?

Alexander Kritikos: Ich glaube, es gibt drei Gründe. Erstens war die Krise in diesen Ländern sehr viel weniger stark ausgeprägt als in Griechenland. Zweitens hat man sich in den anderen Ländern die Vorschläge der Troika zu Eigen gemacht – was in den Verhandlungen in Brüssel immer mit dem Stichwort "ownership" bezeichnet wird. Die Regierungen in Lissabon, Madrid und Dublin haben sich selbst überlegt, welche Reformen sie für sinnvoll halten und welche nicht, sie haben Reformvorschläge der Troika durch andere ersetzt. In Griechenland wurde die Troika dagegen als böser Bube dargestellt. Während die Regierungen in Athen bei den Strukturreformen nur widerwillig agierten, haben sie beim Sparen übertrieben.

Griechenland hat beim Sparen übertrieben?

Ja. Man hätte vor allem bei den Löhnen und Gehältern nicht so weit runtergehen müssen. Und wenn man die Renten so wie geplant senkt, muss man in Griechenland eine Sozialhilfe einführen. Denn in Griechenland hat die Rente diese zweite Funktion.

Die Fehler lagen nicht bei der Troika?

Bei der Umsetzung der Sparauflagen hatten die Griechen durchaus einen gewissen Spielraum. Es war die griechische Regierung, die sich entschieden hat, die Löhne besonders stark zu senken und eine neue Immobiliensteuer einzuführen. Auf dieser Ebene wurden die Vorschläge der Troika bedingungslos umgesetzt. Im Bereich der Wirtschaftsreformen ist dagegen nur wenig passiert. Wenn man Verantwortung verteilen wollte, könnte man sagen, dass beide Seiten für dieses Versäumnis verantwortlich sind: die griechische Regierung, die die Reformen nicht umgesetzt hat, und die Troika, die nicht darauf beharrte, dass dies gleich im ersten Jahr der Krise passiert.

Über Griechenland heißt es, das Land müsse sogar Olivenöl im unverarbeiteten Zustand exportieren, weil es nicht genügend Anlagen für die Weiterverarbeitung habe. Wie kann ein solches Land auf absehbare Zeit eine funktionierende Wirtschaft aufbauen?

Man muss sich ansehen, wie innovationsgetriebene Länder in Europa funktionieren. Die Grundvoraussetzung ist eine staatlich finanzierte Forschung. Zweitens braucht man die Akzeptanz des Übergangs: Forschungsergebnisse müssen genutzt und zu Produkten gemacht werden. Das ist etwas, das in Griechenland konsequent behindert wird. Man braucht drittens eine Regulierung, die hilfreich ist für Unternehmer, und viertens eine Steuergesetzgebung, die Unternehmen Anreize zum Wachstum gibt. In Griechenland gibt es viele gute Forscher, aber vor allem kleine Unternehmen. Griechische Forscher, die ihre Ideen umgesetzt sehen wollen, und griechische Unternehmer, die wachsen wollen, gehen ins Ausland. Baut man also die Überregulierung ab, dann sähe man nicht nur Investitionen in Anlagen zur Weiterverarbeitung von Olivenöl, sondern auch zur Entwicklung von innovativen Produkten.

Trauen Sie der Regierungspartei Syriza zu, die nötigen Reformen umzusetzen und den Klientelismus zu überwinden?

Um ehrlich zu sein: Nein. Ich fürchte, Syriza ist nicht anders als ihre Vorgänger. Syriza betreibt dieselbe Klientelpolitik wie die christdemokratische Nea Dimokratia und die sozialistische Pasok. Wann immer es darum geht, Menschen in Positionen zu bringen, wird nicht nach den Besten gesucht, sondern nach Leuten mit dem richtigen Parteibuch – wie bei den Vorgängerregierungen.

Ein niederschmetternder Befund, wenn man bedenkt, dass keine andere Regierung in Sicht ist.

Das würde ich so nicht sagen. Richtig ist, dass der Ausgang des Referendums dagegen spricht, dass noch in diesem Jahr eine neue Regierung an die Macht kommt. Aber es gibt durchaus Strömungen in Griechenland, die das Klientelsystem ablegen und Griechenland in einen modernen Staat transformieren wollen. Man kann nur hoffen, dass die irgendwann eine strukturelle Mehrheit haben.

Die meisten Experten gehen davon aus, dass Griechenland eine Parallelwährung einführen muss, wenn es nicht bald einen Durchbruch gibt. Wäre der Grexit dann noch aufzuhalten?

Ich hielte die Einführung einer Parallelwährung für das völlig falsche Signal. Wenn sie eingeführt würde, müsste die Regierung auch den Zwang verfügen, dass diese im Inland auch benutzt wird – und das wäre ein wesentlicher Schritt in Richtung Grexit.

Die meisten Deutschen würden einen Grexit vermutlich begrüßen. Ist es trotzdem sinnvoll, Griechenland in der Eurozone zu halten?

Auf jeden Fall, und das ist auch der Grund, warum wir Politiker haben. Politiker sollen weitblickend denken und nicht auf kurzfristige Stimmungen in der Bevölkerung hören. Für Deutschland und für Europa ist es die bessere Entscheidung. Was in den letzten Monaten und Jahren gefehlt hat, ist eine Vision, die erklärt, warum Europa wichtig für uns ist. Das Positive, Visionäre ist verloren gegangen. Was fehlt, ist eine Person mit Visionen, die europäisch denkt und entsprechend handelt.

 
Sprengmeister oder Brückenbauer?: Gabriels Griechen-Roulette
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SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel gefällt sich in der Rolle des scharfen Athen-Kritikers. In der eigenen Partei kommt das gar nicht gut an.

Am Dienstagabend ist Sigmar Gabriel wieder staatstragend. "Die Lage ist zu ernst für politische Spielchen, wir müssen den Menschen helfen. Europa lebt vom Kompromiss, nicht davon, dass einer seinen Kopf durchsetzt", schreibt er bei Facebook. Darunter zeigen Bilder den Vizekanzler im Gespräch mit dem französischen Präsidenten François Hollande. Es geht – natürlich – um Griechenland.

Gabriel, der Mann, der die Dinge anpackt und an vorderster Front verhandelt – so kann man das interpretieren. Der Vizekanzler versucht, sich beim Thema Griechenland zu profilieren. Doch viele Genossen beäugen ihren Parteichef argwöhnisch. Ihnen missfällt Gabriels Auftreten, sein Ton. Dass er so heftig gegen die Griechen poltert, häufig die Positionen wechselt und gegen Absprachen verstößt.

Was ist passiert? In der Fraktionssitzung Ende der vergangenen Woche hatten sich die SPD-Abgeordneten darauf geeinigt, den Ausgang des Referendums vorerst nicht zu kommentieren. "Füße stillhalten" lautete die Devise. Doch die Abstimmung war noch nicht vollständig ausgezählt, da meldete sich Gabriel am Sonntagabend zu Wort. Er sehe nach dem Nein der Griechen kaum Chancen für einen Kompromiss, sagte er dem "Tagesspiegel". Tsipras habe "letzte Brücken eingerissen, über die Europa und Griechenland sich auf einen Kompromiss zu bewegen konnten." Verhandlungen über neue Hilfsprogramme seien kaum mehr vorstellbar.

Von der Kanzlerin oder dem Finanzminister war an diesem Abend nichts zu hören. Kaum ein EU-Spitzenpolitiker wagte sich in diesen Stunden vor ein Mikrofon, aus Sorge, ein Satz könne missverstanden werden. Gabriel tat es.
"Dürfen nicht weiter Griechenland-Bashing betreiben"

In der eigenen Partei kam es nicht gut an, dass der Vorsitzende ohne Absprache vorpreschte. Mehrere SPD-Abgeordnete, darunter Fraktionsvize Axel Schäfer, äußerten Kritik. Der Parteilinke Klaus Barthel spricht von einem gewissen Unverständnis in der Fraktion. "Ich hätte es für sinnvoll gehalten, eine Denkpause einzuhalten. Man kann sich erst äußern, wenn man einen Plan hat, wie es weitergehen kann." In dieser Situation noch einmal zuzuspitzen, sei nicht klug gewesen. Was Gabriel sich dabei gedacht hat? Vermutlich habe er versucht, die Stimmungen aus Umfragen aufzufangen, sagt Barthel n-tv.de.

Gabriel gilt als Instinktpolitiker. Als einer, der sich stark von Stimmungen im Land beeinflussen lässt. Laut einer ZDF-Umfrage sind 51 Prozent der Deutschen für den Grexit, 70 Prozent lehnen weitere Hilfen ab. Barthel hält Gabriels Äußerungen vom Sonntag für falsch. Die griechische Regierung anzugreifen, sei unangebracht. Die Griechen hätten sich eindeutig hinter Tsipras gestellt, dies sei zu respektieren. "Wir dürfen nicht weiter Griechenland-Bashing betreiben. Am Ende muss man sich einigen und Griechenland entgegenkommen." Die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann sagte der "Welt", die SPD müsse Brückenbauer in Europa sein und nicht Sprengmeister.

Zu Wochenbeginn äußerte sich Gabriel in einer Pressekonferenz plötzlich zurückhaltender. Die Entscheidung des griechischen Volkes verdiene "vollen Respekt". Man dürfte das Land "nicht im Stich lassen", hieß es. Ausgerechnet Gabriel riet nun, "einen Moment innezuhalten". Der Parteichef war inzwischen intern bearbeitet worden. In einem Redeentwurf, aus dem die "Süddeutsche Zeitung" zitiert, hieß es noch: "Es gibt auf der Grundlage des Referendums keine neuen Milliarden-Hilfsprogramme für Griechenland. Ob Griechenland im Euro noch eine Zukunft hat, ist deshalb zur Stunde ungewiss." Doch die Sätze verschwanden, Gabriel sagte sie nicht.
Politik ist wie Golf

Es ist nicht das erste Mal, dass der Vizekanzler beim Thema Griechenland die Marschrichtung ändern muss. Ähnliches geschah auch nach Bekanntwerden des griechischen Referendums. Anders als fast sämtliche EU-Finanzminister begrüßte Gabriel zunächst die Volksabstimmung. Man wäre klug beraten, den Vorschlag von Tsipras nicht einfach abzutun, sagt er an jenem Samstag dem Deutschlandfunk. Zwei Tage später erklärte Gabriel nach einer Fraktionssitzung plötzlich: "Das Beste wäre, wenn Herr Tsipras das Referendum absagt."

Die Kanzlerin fällt in der Griechenland-Krise vor allem durch Zurückhaltung auf. Umso stärker wirken die Sätze von Gabriel. Er schwankt zwischen diplomatisch und aggressiv. Im Februar hatte die SPD der Verlängerung der Griechenland-Hilfen noch einstimmig zugestimmt. Wie wird sich die Partei bei einer neuen Abstimmung verhalten? Welche Linie der Parteichef vorgibt, ist unklar. Auf seine harte Haltung angesprochen, verwies er am Montag auf unzählige Mails von Mitgliedern, die vor zu viel Verständnis gegenüber Griechenland warnen.

Tatsächlich dürfte den SPD-Chef auch die innere Ungeduld antreiben. Zwei Jahre vor der Bundestagswahl läuft Gabriel die Zeit davon. Ob Mindestlohn oder Rente mit 63: Die SPD hat viel durchgesetzt, aber in Umfragen kommt die Partei nicht über 25 Prozent. Es muss etwas geschehen. Möglicherweise ist es das, was Gabriel dazu bewegt, sich von der ruhigen Sacharbeit zu verabschieden, die er seiner Fraktion nach der Wahl auferlegt hat. Auf seiner Sommerreise im vergangenen Jahr verglich Gabriel in einem Hintergrundgespräch die Politik mit Golf. Die ersten zwei Jahre in der Koalition werde man nur auf Sicht spielen. Erst wenn das gelinge, könne man auf die Driving Range wechseln - für die ganz langen Schläge.

 
Union hat Nase voll von Tsipras: Für ein "Ja" braucht Merkel eine neue Story


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Wenn über ein drittes Hilfspaket für Griechenland verhandelt werden soll, muss die Unionsfraktion zustimmen. Doch die Stimmung unter den Abgeordneten ist schlecht. Das vorherrschende Gefühl: "Die Griechen ziehen uns über den Tisch."

Hoffnungen auf eine Einigung im monatelangen Streit mit Griechenland weckt die Bundeskanzlerin nicht mehr. Durch das Referendum sei vielleicht die "Verhandlungskompetenz" des griechischen Premierministers Alexis Tsipras gestärkt worden, so Angela Merkel am Dienstagabend nach dem Euro-Gipfel in Brüssel. Aber die Spielräume der Regierungschefs der anderen 18 Euro-Staaten seien eher geringer geworden.

Soll heißen: Merkel hätte derzeit große Schwierigkeiten, ihre Fraktion von einem dritten Griechenland-Programm zu überzeugen. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg, sagte n-tv.de zwar, es sei eine Illusion zu glauben, ein Grexit wäre die einfachste und beste Lösung. Er fügte jedoch hinzu: "Aber die weitere Mitgliedschaft Griechenlands im Euro ist nur möglich, wenn das Land endlich bereit ist, die Grundregeln der Währungsunion zu achten und zu beachten."

Mittlerweile hat Griechenland einen Antrag auf weitere Milliardenkredite beim Rettungsschirm ESM gestellt. Wenn die Bundesregierung ernsthaft über diesen Antrag verhandeln will, muss sie sich dies vorher vom Bundestag genehmigen lassen. Auf den ersten Blick dürfte das kein Problem sein: Der Verlängerung des zweiten Griechenland-Programms stimmten im Februar 541 der 586 anwesenden Abgeordneten zu, was einer Quote von über 92 Prozent entspricht. Mit der Hilfe von SPD, Grünen und Linken würde es auch beim nächsten Mal eine Mehrheit geben.
Ohne Schäuble geht nichts

Doch Merkel ist nicht nur Bundeskanzlerin, sie ist auch die Chefin der CDU. Dass sie sich auf ein Votum des Bundestages stützt, das nicht von einer breiten Mehrheit ihrer eigenen Fraktion getragen wird, ist nicht vorstellbar. Schon im Februar stimmten 29 Unionsabgeordnete mit Nein. Außerdem gaben 118 Abgeordnete eine persönliche Erklärung ab – ein klares Signal, wie widerwillig sie Ja sagten. Seither ist die Stimmung in der Unionsfraktion nicht besser geworden. Unter den Abgeordneten von CDU und CSU herrsche das Gefühl vor, "die Griechen ziehen uns über den Tisch", heißt es aus Fraktionskreisen. "Mit der alten Story" der Hilfen für Griechenland werde es nicht gelingen, die Abgeordneten von einem dritten Programm zu überzeugen.

Aber die Frage ist nicht nur, wie diese "neue Story" aussehen könnte. Denn selbst ohne die schlechte Stimmung in der Unionsfraktion gibt es hohe Hürden für ein drittes Griechenland-Paket: Unter den Bedingungen des ESM müssen die griechischen Schulden als tragfähig gelten, ansonsten darf es kein Hilfsprogramm geben. Und anders als der EFSF, über den die ersten beiden Kredite für Griechenland abgewickelt wurden, darf der ESM nur eingeschaltet werden, wenn ein Risiko für die "finanzielle Stabilität der Eurozone als Ganzes oder ihrer Mitgliedstaaten" besteht. Die Bundesregierung hat allerdings mehrfach deutlich gemacht, dass sie einen Grexit für beherrschbar hält.

Ohne die Unterstützung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble würde Merkel mit größter Wahrscheinlichkeit gar nicht erst den Versuch unternehmen, die Unionsfraktion für ein weiteres Ja zu Griechenland zu bewegen. Schäuble genieße in der Fraktion einen so hohen Respekt, dass sein Wort die weitaus meisten Abgeordneten wohl dazu bewegen würde, noch einmal mit Ja zu stimmen, so ein Abgeordneter.

Dies fiele ihnen umso leichter, je weniger Erfolge Griechenlands Regierungschef Tsipras für sich reklamieren könnte. Griechenland habe die Chance, bis Freitagmorgen ein akzeptables Reformpaket vorzulegen, sagt CDU-Haushaltsexperte Rehberg. "Da es hier um die Möglichkeit eines ESM-Programms über mehrere Jahre geht, müssen die Reformauflagen umfassend und tiefgehend sein." Zudem müsse Griechenland einige Maßnahmen konkret umsetzen, bevor überhaupt Verhandlungen über ein weiteres Hilfsprogramm beginnen könnten. "Um im Euro zu bleiben, muss Herr Tsipras jetzt genau das tun, wogegen er sein eigenes Volk aufgestachelt hat." Anders gesagt: Tsipras muss Merkel mit einer neuen Story ausstatten. Macht er das nicht, kann sie nicht viel für ihn tun.
 
Clemens Fuest über Griechenland: Überzeugender Reformplan "wäre kleines Wunder"



Den Hilfsantrag auf weitere Kredite hat Griechenland schon gestellt. Doch ist der Grexit noch wirklich abzuwenden. Clemens Fuest, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, sieht das äußerst skeptisch. Ohne Reformen sei weder ein Hilfspaket noch ein Schuldenschnitt im Rahmen des Möglichen. Und ein überzeugender Reformplan von Seiten der Griechen sei kaum zu erwarten.

 
EU-Spitzen drohen mit Grexit: Tsipras: Griechenland ist "Versuchslabor für Sparpolitik"



Positives haben die EU-Spitzen nach ihren letzten Verhandlungen mit den Griechen nicht zu verkünden. Im Gegenteil: Sollte Griechenland diesmal keine akzeptablen Reformen liefern, ist der Grexit beschlossene Sache. "Wir haben ein Grexit-Szenario detailliert vorbereitet", erklärt EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Und auch Angela Merkel gibt sich äußerst pessimistisch. Jetzt schießt Alexis Tsipras vor dem EU-Parlament in Strassburg zurück.

 
Kämpferische Rede: Tsipras spielt mit seiner letzten Chance

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Wenn alles glattläuft, einigen sich die Eurostaaten am Sonntag auf eine neue Verhandlungsrunde mit Griechenland. Doch dass es so weit kommt, ist nicht sicher: Alexis Tsipras könnte seine Chancen heute verschlechtert haben.

"Ich hätte gedacht, dass Sie sich entschuldigen", sagte Manfred Weber, EVP-Fraktionsvorsitzender und CSU-Mitglied. Der griechische Verteidigungsminister hatte damit gedroht "Flüchtlingswellen über Europa zu schicken", der mittlerweile abgesetzte Finanzminister hatte seine Kollegen als "Terroristen" bezeichnet. Doch eine Entschuldigung war es nicht, was Alexis Tsipras vor dem Europäischen Parlament vortrug. Der griechische Ministerpräsident befeuerte den aufgeladenen Streit eher, als dass er ihn beruhigte. Wieder war von "Terror" die Rede: "Die Medien haben versucht, zu terrorisieren, indem sie sagten, ein Nein im Referendum bedeute eine Spaltung Europas."

Noch allerdings hat Tsipras diese Behauptung nicht widerlegt. Griechenland droht der Austritt aus der Eurozone und die Debatte im Parlament war nicht dazu geeignet, dieses Szenario unwahrscheinlicher zu machen.

Tsipras sprach von seinem Land als Versuchslabor für die Sparpolitik. In vielen Ländern habe es Sparprogramme gegeben, doch nirgendwo so streng und so lange wie in Griechenland. Das Experiment sei aber gescheitert: Die Arbeitslosigkeit sei gestiegen, die Armut gewachsen. Die Staatsverschuldung sei von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 180 Prozent gestiegen. Er räumte ein, dass nicht für alle Notstände in seinem Land "böse Ausländer" zuständig seien. Griechenland stehe am Rand des Bankrotts, weil seine Vorgänger einen Klientelstaat aufgebaut und die Korruption gefördert hätten.

Ein neues Programm dürfe jedoch diejenigen nicht weiter belasten, die schon viel geleistet hätten. Und vor allem müsse ein neues Abkommen zeigen, dass es Licht am Ende des Tunnels gebe. Nur so könne eine historische Spaltung Europas umgangen werden.
Gipfel am Sonntag kann kein Geld freigeben

Der CSU-Politiker Weber antwortete Tsipras, den geforderten Schuldenschnitt müssten auch Landwirte in Portugal, Krankenschwestern in Irland und Beamte in Finnland bezahlen. "Wie können Sie den Bulgaren erklären, dass Griechenland weitere Kürzungen nicht aushalten kann, obwohl der Mindestlohn in fünf Eurostaaten geringer ist?" Auch Staaten wie Lettland hätten es geschafft, sich aus der Krise zu arbeiten. Weber wird nicht am Verhandlungstisch sitzen, wenn über den Antrag Griechenlands verhandelt wird. Doch er spricht aus, was viele Konservative in Europa denken – und zu diesen gehören auch EU-Ratspräsident Donald Tusk und die Vertreterin des wichtigsten Geberlandes, Angela Merkel.

Dass der Antrag an den Rettungsfonds ESM mittlerweile gestellt ist, gab Tsipras zu Beginn seiner Rede bekannt. Es ist der erste Schritt in einem Verfahren, in dem es noch einige Hürden gibt: In den kommenden fünf Tagen muss Griechenland die Prozedur durchlaufen, die es schon mehrere Male durchlaufen hat. Im Laufe des Donnerstags soll Griechenland ein Reformprogramm umreißen. Diesen Vorschlag muss es dann mit den drei Institutionen abstimmen, dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission. Am Samstag treffen sich dann die Finanzminister der Eurostaaten und erarbeiten auf dieser Basis einen Vorschlag für den am Tag darauf tagenden Gipfel.

Dieser Gipfel kann allerdings nicht, wie er es im Juni gekonnt hätte, Geld freigeben. Denn im Juni befand sich Griechenland im zweiten Hilfsprogramm, die Eurostaaten hätten lediglich eine schon zugesagte Kredittranche des vorläufigen Rettungsfonds EFSF freigeben müssen. Nun geht es darum, ein komplett neues Hilfsprogramm des Dauerrettungsfonds ESM zu entwerfen. Die Finanzierung soll nun nicht mehr fünf Monate, sondern drei Jahre umfassen. Laut Merkel muss es darum auch umfassendere und langfristigere Reformzusagen geben. Als Finanzbedarf Griechenlands steht die Summe von 52 Milliarden Euro bis 2018 im Raum. Wenn dieses dritte Hilfspaket bis 2017 reichen soll, wird die Hilfssumme also etwas darunter liegen. Zum Vergleich: Das zweite Hilfspaket hatte ein Volumen von 130 Milliarden Euro, das nicht komplett ausgeschöpft wurde.
Bundestag müsste Sommerpause unterbrechen

Merkel darf allerdings gar nicht über ein solches Hilfspaket verhandeln, bevor es der Bundestag ihr nicht explizit erlaubt hat. Wie einige ihrer Kollegen muss sie sich zu Hause erst ein Mandat vom Parlament geben lassen, um weiterzumachen. Das bedeutet: Die Eurostaaten rechnen gar nicht damit, dass sie am Sonntag ein fertiges Reformkonzept beschließen werden. "Man kann das sogenannte 'staff-level agreement' nicht erwarten", sagte Merkel am Montagabend. "Aber man kann Eckpunkte für ein solches Programm erwarten." Dann müssten als nächstes die Abgeordneten des Bundestag aus der Sommerpause zurückkommen und Merkel das Mandat zu Verhandlungen geben.

Dann folgt die Arbeit an den Details, über die sich wiederum Griechenland mit den Institutionen einig werden muss, die wiederum von den Euro-Finanzministern abgesegnet werden müssen, die wiederum von einem Eurogipfel akzeptiert werden müssen und die dann erst vom Bundestag und anderen Parlamenten beschlossen werden können. Selbst wenn nun alles glattläuft, würde das bekannte Spiel am Sonntag also einfach nur in eine neue Runde gehen. Die gesetzte Deadline ist damit recht willkürlich. Wichtiger sind der nächste Zahlungstermin - am 20. Juli wird eine Rückzahlung an die EZB fällig - und die Situation in Griechenland: Mit jedem Tag, an dem die Banken geschlossen sind, verliert das Land an Wirtschaftskraft und verschlechtert sich die Situation der Menschen im Land.
 
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