Griechenland Grexit NEWS: Pokernacht in Brüssel: "Grexit auf Zeit" ist vom Tisch

Neuer Schuldengipfel schon Sonntag: Eurogruppe geht auf Griechen zu

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Die Lösung der Griechenland-Krise wird beim Eurogipfel erneut vertagt. Doch nach der heftigen Kritik der Gläubiger an Athen in den vergangenen Tagen verbessert sich die Stimmung. Kompromisse scheinen plötzlich möglich.

Die Eurogruppe will Griechenland nach Angaben des neuen Finanzministers Euklid Tsakalotos eine "neue Chance" geben. Der "politische Wille" dazu sei da, sagte Tsakalotos. Bei dem Treffen der Finanzminister Eurogruppe am Nachmittag habe es "Fortschritte" gegeben, sagte er, ohne nähere Angaben dazu zu machen. Beim anschließenden Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder hieß es, bereits am kommenden Sonntag könnte ein weiterer Gipfel stattfinden.

Nach dem Nein der Griechen zu den Gläubigervorschlägen beim Referendum am Sonntag hatten zahlreiche Vertreter der Eurogruppe und vor allem deutsche Politiker betont, dass weitere Hilfen für Griechenland kaum oder gar unmöglich seien. Zudem war immer wieder betont worden, dass es nun an Athen sei, Vorschläge vorzulegen, wie die Krise trotz des Votums der Wähler überwunden werde könne. Auf den Brüsseler Treffen signalisierten die Gläubiger dagegen mögliche Zugeständnisse, etwa bei der Restrukturierung der griechischen Schulden.

Der Varoufakis-Nachfolger brachte zwar nicht die von den Gläubigern angemahnten neuen Vorschläge mit nach Brüssel. Doch die sollten, so hieß es aus der Eurogruppe, noch am Abend nachgereicht werden. Im Wesentlichen soll es sich um den bereits abgelehnten Antrag Griechenlands von vergangener Woche für ein weiteres 29-Milliarden-Hilfsprogramm handeln - allerdings mit Nachbesserungen.

Der irische Finanzminister Michael Noonan bestätigte den Optimismus seines griechischen Kollegen. Die Ministerrunde sei offen für eine Restrukturierung der griechischen Staatsschulden. "Es gibt ein allgemeines Gefühl, dass eine Umgestaltung der Schulden akzeptabel wäre", sagte er dem Rundfunksender RTE. Eine Übertragung von Schulden vom IWF und der EZB auf den Rettungsfonds ESM sowie längere Laufzeiten und ein Teilerlass sind Kernforderungen der griechischen Regierung.
Athen fordert Übergangshilfe

Zudem brachte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras eine Übergangsfinanzierung ins Spiel, um die Zeit bis zum Beschluss eines möglichen neuen Hilfspakets zu überbrücken. Dies besprach er unter anderem in einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Frankreichs Präsident Francois Hollande vor Beginn des Gipfels. Griechenland erhofft sich von dem Treffen einen politischen Vorstoß, der es der EZB ermöglichen würde, finanzielle Hilfe zu geben. "Dafür wird Griechenland einige von dem Land geforderte Veränderungen in Gang setzen", sagte ein Athener Regierungsvertreter.

Auch die Staats- und Regierungschefs stellten Athen offenbar Zugeständnisse in Aussicht. Zwar mahnte Merkel vor Beginn des Gipfels erneut Sparmaßnahmen und Reformen in Griechenland als Gegenleistungen für Hilfen an. Doch sie sprach sich auch für "Solidarität" mit dem Krisenland aus und mahnte zur Eile bei der Suche nach eine Lösung.

Auch Italiens Regierungschef Matteo Renzi sieht gute Chancen auf eine baldige Einigung. Eventuell könne bereits auf dem Gipfel am Abend eine Lösung in Grundzügen erarbeitet werden.
 
EU-Sondergipfel in Brüssel: Tsipras und Tsakalotos stehen vor schweren Verhandlungen



Griechenlands Verhandlungen mit den Europartnern gehen in die nächste Runde. Doch trotz drohender humanitärer Krise, kann das Land nicht auf ein Nachgeben hoffen. Mit dem neuen Finanzminister Euklid Tsakalotos geht es für Alexis Tsipras nach Brüssel. Erst beraten dort die Finanzminister der Eurogruppe, danach die Staatschefs. Sollte Angela Merkel dabei weitere Griechenland-Hilfen akzeptieren, erwartet sie Gegenwind aus der eigenen Partei.

 
Liveticker zu Griechenland: +++ 22:55 Merkel fordert bis Donnerstag Details für Reformpläne +++

Griechenland soll nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel bis Donnerstag Details für Reformpläne vorlegen. Das sei Voraussetzung dafür, um Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm zu beginnen, sagte Merkel am Dienstagabend nach dem Euro-Sondergipfel in Brüssel. Erst nach der Vorlage dieser Details könne im Bundestag beschlossen werden, Gespräche über ein drittes Hilfsprogramm des Euro-Rettungsschirms ESM aufzunehmen.

Eine mögliche kurzfristige Brückenfinanzierung habe in den Gesprächen der Staats- und Regierungschefs der Eurozone keine große Rolle gespielt, sagte die Kanzlerin weiter. Darüber könne erst gesprochen werden, wenn die Pläne für ein langfristiges Programm vorlägen. Die Gespräche beim Gipfel seien sehr ernst gewesen, betonte Merkel. Man habe dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras deutlich gemacht, dass es in der Eurozone immer nur eine geteilte Souveränität der 19 Euro-Staaten gebe.

+++ 22:46 EU-Sondergipfel zu Griechenland am Sonntag +++

Der Euro-Gipfel in Brüssel ist vorbei. Er hat etwa vier Stunden gedauert. Am Sonntag werden alle 28 EU-Staaten bei einem Sondergipfel über die Griechenland-Krise beraten. Das kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Abschluss des Euro-Gipfels in Brüssel an.

+++ 22:23 Griechische Geldautomaten sind bald leer +++


Den griechischen Banken könnte in den nächsten zwei bis drei Tagen das Geld ausgehen, wenn die Kreditgeber sich nicht auf weitere Hilfen für das Land verständigen. Ein Informant, der mit dem Finanzsystem des Landes vertraut ist, sagte, die ersten Geldautomaten könnten schon am Mittwoch leer sein. Ein Banker schätzte, dass noch für zwei bis drei Tage Bargeld im System sei. Derzeit sind die Banken in Griechenland geschlossen. Überweisungen ins Ausland sind nicht möglich. An den Geldautomaten erhalten die Griechen maximal 60 Euro pro Tag. Diese Begrenzung habe das Problem hinausgeschoben, aber "Bargeld wird morgen an den Geldautomaten ein echtes Problem werden", sagte der Informant.

+++ 22:00 Clinton: Griechen-Krise ist eine Tragödie +++
Hillary Clinton, ehemalige US-Außenministerin und Präsidentschaftsbewerberin, bezeichnet die Krise in Griechenland als "eine Tragödie". Die Europäer sollten nichts unversucht lassen, um eine Einigung zu erzielen.

+++ 21:38 EU zeigt kurze Videosequenz vom Verhandlungstisch +++



+++ 21:27 Faymann spielt "Brückenfinanzierung" durch +++
Um besonders akute und kurzfristige Finanzlücken in der griechischen Staatskasse zu schließen, ist nach Einschätzung von Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann eine Brückenfinanzierung der Europartner vorstellbar. "Zuerst bräuchte man ein (Hilfs-)Programm. Dann kann man überlegen, ob - bis das Programm beschlossen ist - man eine Finanzierungsbrücke baut", sagte Faymann. Er wies aber darauf hin, dass bisher konkrete Reform- und Sparvorschläge Athens fehlten. Diese gelten als Voraussetzung für finanzielle Unterstützung der Europartner. Athen wünsche eine Übergangslösung bis zum Monatsende, hieß es ergänzend aus griechischen Regierungskreisen. Örtliche Medien berichteten, Athen wolle einen ersten "kleinen Überbrückungskredit", damit das Land nicht schon im Juli zusammenbreche.

+++ 21:17 Athen: Gehaltszahlungen am 13. Juli kein Problem +++
Der stellvertretende griechische Finanzminister sieht kein Problem, am 13. Juli die Gehälter im öffentlichen Dienst des Landes auszuzahlen.
Video
Besonnenheit und Ruhe in Athen: Bargeld wird immer knapper 07.07.15 – 02:34 min Mediathek Besonnenheit und Ruhe in Athen Bargeld wird immer knapper

+++ 21:06 Noonan spricht von "Umgestaltung griechischer Schulden" +++
Offenbar zeigen sich die Finanzminister der Eurozone offen für eine Umgestaltung der griechischen Staatsschulden. "Es gibt ein allgemeines Gefühl, dass eine Umgestaltung der Schulden akzeptabel wäre", sagt Irlands Ressortchef Michael Noonan dem Rundfunksender RTE. Er verwies auf Maßnahmen, die Irland ergriffen hatte wie die Verlängerung von Laufzeiten und die Reduzierung der Zinsen.

+++ 20:55 Athen fürchtet Flüchtlingsaufstand +++

Griechenland befürchtet Hungeraufstände in den zahlreichen Migrantenlagern, vor allem auf den Inseln der Ostägäis. "Die Programme (zur Versorgung mit Essen) sind ausgelaufen. Es könnte zu Revolten kommen", warnt die griechische Vize-Ministerin für Migrationspolitik, Tasia Christofilopoulou, im griechischen Parlament. Bereits am Vormittag hatten Regionalgouverneure von den Ägäisinseln vor einer gefährlichen Zuspitzung der Lage in den Migrantenlagern gewarnt. Die Catering-Unternehmen seien seit Monaten nicht bezahlt worden und hätten seit Dienstag die Austeilung von Essen eingestellt. Die Ägäis ist eine der Routen, über die Schleuser Tausende Migranten nach Europa bringen.

+++ 20:40 Tsakalotos: Eurogruppe will Athen neue Chance geben +++
Die Eurogruppe will Griechenland nach Angaben des neuen Finanzministers Tsakalotos eine "neue Chance" geben. Der "politische Wille" dazu sei da, sagt Tsakalotos. Bei dem Treffen der Eurogruppe habe es "Fortschritte" gegeben, sagt er, ohne nähere Angaben dazu zu machen.

+++ 20:09 EU-Kreise: Weiterer Euro-Gipfel am Sonntag +++
Nun berichten auch hochrangige EU-Vertreter, dass es vorläufige Pläne für einen weiteren Euro-Gipfel am Sonntag gibt, auf dem Hilfspläne für Griechenland genehmigt werden könnten. Voraussetzung sei, dass die Geldgeber mit dem Antrag und den Reformvorschlägen aus Athen einverstanden seien, sagt einer der Vertreter.

+++ 19:57 Griechen-Drama setzt DAX zu +++
Die Griechenland-Krise drückt die europäischen Aktienmärkte auf den tiefsten Stand seit fünf Monaten. Der DAX fiel um 2,0 Prozent auf 10.676 Punkte, und der Euro-Stoxx-50 verlor 2,1 Prozent auf 3.294 Punkte. "Tsipras provoziert offensichtlich den Grexit", sagt ein Händler mit Blick darauf, dass Athen nun noch nicht einmal einen neuen Vorschlag vorgelegt habe, obwohl der Regierungschef vor dem Referendum eine Lösung 48 Stunden nach diesem angekündigt habe. "Die Eurozone macht einen äußerst schlechten Eindruck", ergänzt er.

+++ 19:42 Kommt der nächste Gipfel am Sonntag? +++

Ein Korrespondent der "Financial Times" twittert, er höre schon von einem möglichen Gipfel am Sonntag.



+++ 19:30 Die Ergebnisse des Finanzminister-Treffens sind jetzt online +++
Von der Begrüßung des neuen griechischen Finanzministers Tsakalotos, dem Austausch darüber, wie es nun weitergeht bis zum griechischen Antrag auf ESM-Hilfen - eine Zusammenfassung der Ergebnisse des Treffens lesen Sie hier (in englischer Sprache).

+++ 19:13 Ärger über Athens ständiges Aufschieben wächst +++

Während die Staats- und Regierungschefs zur Stunde über das weitere Vorgehen beraten, wächst der Ärger über das ständige Aufschieben Griechenlands. Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaitė drückt es so aus: "Für die griechische Regierung geht es immer um mañana, morgen." Ähnlich äußert sich auch der belgische Premierminister. Die Eurogruppe habe nichts Interessantes oder Produktives gebracht. Es gebe eine gewisse "Müdigkeit", weil die griechische Regierung immer den Moment nach hinten schiebe, in dem sie Verantwortung übernehmen müsse, sagt etwa. Man könne einen Ministerpräsidenten nicht mit der Pistole an der Schläfe oder mit dem Messer am Hals dazu zwingen, Verantwortung zu übernehmen.

+++ 19:00 Das Chef-Treffen in Brüssel beginnt +++

+++ 18:55 Tsipras fordert "Überbrückungskredit" +++
Tsipras informiert Barack Obama telefonisch über den neuesten Stand der Beratungen zur griechischen Schuldenkrise. Dabei habe Tsipras dem US-Präsidenten erklärt, dass Athen einen "Überbrückungskredit" von seinen internationalen Geldgebern wünsche, bis eine nachhaltige Lösung des Problems erreicht sei. Obama habe seinerseits die Hoffnung geäußert, dass die Verhandlungen zwischen Athen und den Gläubigern bald erfolgreich abgeschlossen werden könnten, damit Griechenland im Euroraum bleibt.

+++ 18:42 Juncker: "Froh, wenn ich Herrn Tsipras sehe" +++
Vor dem Sondergipfel äußert sich ein sichtlich müder Jean-Claude Juncker über Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras: "Ich bin immer froh, wenn ich Herrn Tsipras sehe. Ich hatte ihn heute Nacht am Telefon, ich weiß nicht um wie viel Uhr", sagt der Kommissionspräsident.

+++ 18:30 Western Union verschickt wieder Geld +++
Der Geldversender Western Union nimmt seine Geschäfte in Griechenland wieder auf. Kunden können damit Geld aus dem Ausland überwiesen bekommen. Allerdings dürfen sie wegen der vorige Woche eingeführten Kapitalverkehrskontrollen vorerst nur bis zu 60 Euro pro Tag abheben. Aus insgesamt 31 Ländern kann damit Geld nach Griechenland geschickt werden.

+++ 18:12 Griechischer Hilfsantrag binnen Stunden erwartet +++
Griechenland dürfte möglicherweise schon "in einigen Stunden" einen Antrag für ein drittes Hilfsprogramm stellen. Das sagen unisono der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem und sein finnischer Amtskollege Alexander Stubb. "Der erste Schritt wird sein, dass die griechische Regierung der Eurogruppe eine neue Bitte um ESM-Hilfe übersenden wird", präzisiert Dijsselbloem. "Sobald das eintrifft, hoffentlich schon morgen früh, werden wir eine weitere Telefonkonferenz der Eurogruppe abhalten."

+++ 17:55 Merkel: Ohne Leistung keine Gegenleistung +++
Die Staats- und Regierungschefs wollen ab 18.30 Uhr beraten, wie es weitergeht. Die Kanzlerin dämpft die Erwartungen an den Sondergipfel. "Allerdings können wir uns noch kein abschließendes Bild machen", sagt Merkel vor Beginn des Treffens. Die Zeit dränge jedoch: "Ich sage aber, dass es hier nicht mehr um Wochen geht, sondern um wenige Tage."
Die Bundeskanzlerin pocht darauf, dass Griechenland Reformen umsetzen müsse, um neue Hilfen zu erhalten. Leistung und Gegenleistung gehörten "untrennbar zusammen". "Ohne Solidarität und ohne Reformen ist der Weg, den wir zu gehen haben, nicht möglich." Man werde beim Gipfel hören, was Tsipras zu sagen habe.

+++ 17:43 Euklides Tsakalotos schreibt fleißig Notizen +++
Es war sein erstes Finanzminister-Treffen. Euklid Tsakalotos kam zwar mit leeren Händen, dafür machte er sich aber fleißig Notizen, wie man hier sieht.



17:23 EU-Währungskommissar äußert Hoffnung +++
EU-Währungskommissar Pierre Moscovici sagt, es bestehe Hoffnung auf ein Griechenland-Abkommen.

+++ 17:10 Merkel trifft Tsipras im kleinen Kreis +++
Unmittelbar vor dem Sondergipfel am Abend ist Kanzlerin Angela Merkel in Brüssel erneut mit dem griechischen Premier Alexis Tsipras zusammengekommen. Diplomaten berichten, das auch François Hollande, Mario Draghi und Jeroen Dijsselbloem dabei sind.

+++ 16:57 Eurogruppen-Treffen beendet - Vorbereitungen für das Chef-Treffen laufen +++

Der finnische Finanzminister Alexander Stubb verkündet das Ende der Gespräche. Morgen geht's per Telefonkonferenz weiter. Eurogruppen-Dijsselbloem erwartet einen formellen griechischen Hilfsantrag morgen. Nächster Schritt sei ein Brief Griechenlands. Griechenland brauche "glaubwürdige Reformen", und das neue Programm müsse mittelfristig sein.

Dagegen laufen die Vorbereitungen für den Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurogruppe heute Abend an: Donald Tusk twittert, wie er sich mit EZB-Präsident Mario Draghi trifft.



+++ 16:30 Tsipras will am Mittwoch vor EU-Parlament sprechen +++
Tsipras will nach Angaben von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz am Mittwochmorgen ins Plenum des EU-Parlaments nach Straßburg kommen. Das habe ihm Tsipras in einem Telefonat bestätigt, teilt Schulz mit.



+++ 16:18 Athen liefert nicht - neuer Hilfsantrag im Gespräch +++
Das Gerücht der griechischen Korrespondentin hat sich bestätigt. Tsakalotos kommt mit leeren Händen nach Brüssel. Er präsentiert den Euro-Finanzministern keine neuen schriftlichen Vorschläge zur Lösung der Schuldenkrise.

Stattdessen will Griechenland nun einen neuen Antrag auf Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds ESM stellen. Dieser soll einem Vertreter der Euro-Zone zufolge am morgigen Mittwoch eingereicht werden. Die Euro-Finanzminister seien der Auffassung, dass ein neuer Antrag mit glaubwürdigen Reformvorschlägen her müsse. Griechenland soll dem zugestimmt haben.

+++ 15:54 Das steht im Brief von Pavlopoulos an EU-Ratspräsident Tusk +++
Der Guardian veröffentlicht den Brief, den der griechische Präsident Prokopis Pavlopoulos heute an EU-Ratspräsident Donald Tusk geschrieben hat. Darin heißt es, dass bei dem Treffen der Chefs der griechischen Parlamentsparteien am Dienstag alle Parteien - ausgenommen der kommunistischen Partei - ein gemeinsames Statement verabschiedet hätten: Das Votum des Volkes vom Sonntag sei "kein Mandat für den Ausstieg aus der Eurozone", sondern das Mandat, um weiterhin Versuche zu unternehmen, "eine sozial und wirtschaftlich lebensfähige Vereinbarung" zu erzielen. Es gehe dabei darum,

die finanziellen Bedürfnisse des Landes ausreichend zu gewährleisten
glaubwürdige Reformen anzugehen, die auf einer fairen Verteilung von Last und Wachstum basieren
ein starkes Entwicklungsprogramm umzusetzen, das in erster Linie darauf setzt, die Arbeitslosigkeit zu linden und den Aufbau von Unternehmen zu unterstützen
ernsthafte Gespräch darüber zu führen, wie realisierbar die Rückzahlung der griechischen Schulden ist.


+++ 15:44 Dijsselbloem und Tsakalotos lächeln für die Kameras +++


Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem gibt seinem griechischen Kollegen Euklid Tsakalotos die Hand. Noch, so scheint es, ist die Atmosphäre in Brüssel locker.

+++ 15:27 Keine offizielle Pressekonferenz nach dem Eurogipfel +++
Eine offizielle Pressekonferenz soll es nach dem Gipfel der Eurogruppe nicht geben. Geplant ist stattdessen nur ein kurzes Statement an der Türschwelle von Eurogruppen-Chef Dijsselbloem. Das legt die Vermutung nahe, dass niemand mit einem substanziellen Durchbruch rechnet.


+++ 15:10 Griechische Korrespondentin: Athen hat keine Vorschläge im Gepäck +++

Im Brüsseler Pressezentrum werden immer wieder Gerüchte laut. Manche stimmen, andere nicht. So will die Korrespondentin der konservativen griechischen Tageszeitung Kathimerini, Eleni Varvitsiotis, erfahren haben, dass Griechenland ohne Vorschläge nach Brüssel gekommen sei und diese erst morgen übermitteln wolle.


+++ 15:02 Anleger sind vorsichtig vor Griechenland-Gipfel +++
Die Ungewissheit über den Ausgang neuer Krisengespräche zu Griechenland treibt die Anleger am deutschen Aktienmarkt in Verkäufe. Nach einem freundlichen Handelsauftakt bröckelt der Dax im Verlauf stetig ab und notiert am Nachmittag zuletzt 0,52 Prozent tiefer bei 10.833,62 Punkten. Der MDax der mittelgroßen Werte sinkt um 0,28 Prozent auf 19.618,24 Punkte. Der Technologiewerte-Index TecDax verliert 0,18 Prozent auf 1648,11 Punkte. Für den Eurozone-Leitindex EuroStoxx 50 geht es um 0,63 Prozent nach unten.


+++ 14:47 EZB-Ratsmitglied: Neue Hellas-Währung wahrscheinlich +++
Das lettische EZB-Ratsmitglied Ilmars Rimsevics sieht Griechenland auf dem Weg aus der Euro-Zone: "Die griechische Nation war kühn und hat sich selbst aus der Euro-Zone herausgewählt", sagt er im lettischen Rundfunk. Rimsevics ergänzt, künftig werde es womöglich einen Staat weniger in der Eurozone geben. Die Einführung einer anderen Währung in Griechenland sei das wahrscheinlichste Szenario.

+++ 14:33 Ansa: Tsipras will Brückenfinanzierung beantragen +++
Laut italienischer Nachrichtenagentur Ansa wird die griechische Regierung in den nächsten 48 Stunden eine Brückenfinanzierung in Höhe von 7 Milliarden Euro beantragen.



+++ 14:17 EU-Kommissar schließt "Grexit" nicht aus +++
Juncker-Stellvertreter Valdis Dombrovskis schließt ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone nicht mehr aus. Das sei zwar nicht das Ziel der EU-Kommission, sagt der für den Euro zuständige Vizepräsident der EU-Kommission vor dem Sondertreffen der Euro-Finanzminister. "Falls jedoch Vertrauen nicht wieder aufgebaut wird, falls es kein glaubwürdiges Reformpaket gibt, kann das (der Grexit) nicht ausgeschlossen werden."

In der Runde der Finanzminister sitzt auch EZB-Chef Mario Draghi.

+++ 14:10 Umfrage: Jeder zweite Franzose für Grexit +++ Die französische Regierung ist ein gewichtiger Fürsprecher Griechenlands. Premierminister Valls denkt sogar laut über einen Schuldenschnitt für Griechenland nach. Die Bevölkerung ist dabei ganz anderer Meinung. Laut einer Umfrage will jeder zweite Franzose inzwischen, dass Griechenland die Eurozone verlässt.

+++ 13:27 Schäuble beharrt auf Standpunkt: Kein Schuldenschnitt +++
Die Vorzeichen für das heutige Sondertreffen der Euro-Finanzminister sind mau: Der griechische Minister schweigt, manch anderer stellt dafür klar, dass er nicht gedenkt, Boden preiszugeben. So zum Beispiel Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: Ein Schuldenerlass für Griechenland kommt für ihn weiterhin nicht in Betracht. Wer die EU-Verträge kenne, wisse, dass ein Schuldenschnitt unter das Bailout-Verbot falle, so Schäuble. Einige Finanzminister anderer Länder sehen das offenbar nicht so eng. Ihrer Ansicht nach sollte man auch einen Schuldenschnitt nicht kategorisch ausschließen.

+++ 13:15 Dijsselbloem-Kommentar macht wenig Hoffnung +++
Jeroen Dijsselbloem erwartet nach dem Nein der Griechen "sehr schwierige" Gespräche mit Athen über Lösungen in der Schuldenkrise. Er hoffe, dass die griechische Regierung nach der Volksabstimmung vom Sonntag neue Vorschläge unterbreiten werde und dass diese glaubwürdig seien, so der Eurogruppen-Chef kurz vor Beginn des Sondertreffens der Finanzminister der Eurozone in Brüssel.

+++ 13:03 Lackmustest für Athener Staatsfinanzen am Mittwoch +++
Schon morgen steht eine weitere schwere Prüfung für die griechischen Staatsfinanzen an. Auf der Agenda steht eine Auktion von dreimonatigen Geldmarktpapieren mit einem Volumen von 1,25 Milliarden Euro. Die DZ-Bank fragt sich, wer die Bills kaufen soll, wenn die griechischen Geschäftsbanken als Käufer ausfallen. Floppt die Auktion am Mittwoch, floppt auch eine Rückzahlung von Geldmarktpapieren in Höhe von 2 Milliarden Euro am Freitag. Die letzte Hoffnung ruhe auf der griechischen Notenbank, heißt es. Spätestens, wenn die griechische Notenbank diese Staatsanleihen direkt kaufe, sei klar, dass das Land nur noch am seidenen Faden der monetären Staatsfinanzierung hänge.

+++ 12:53 Tsakalatos erscheint wortlos bei Eurogruppen-Treffen +++
Laut Medienberichten ist der neue griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos gerade bei seinen Kollegen aus der Eurogruppe eingetroffen. Anders als sein Vorgänger, Yanis Varoufakis, hatte der 55-Jährige keine Stellungnahme für die Presse parat. Er sei ohne ein Wort und nur mit einem kurzen Kopfnicken an den Kameras und Mikrofonen vorbeigegangen - links einen Stapel Papiere, rechts eine Aktentasche.

+++ 12:19 Gabriel nennt Aufnahme Griechenlands in den Euro "naiv" +++
SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisiert Fehler bei der Aufnahme Griechenlands in die Eurozone. "Die Aufnahme Griechenlands in den Euro ist aus heutiger Sicht sehr naiv erfolgt", sagte Gabriel in einem Interview mit dem "Stern". Schlimmer sei aber, dass alle viel zu lange zugeschaut haben, wie das Land immer tiefer in die Krise geriet, fügte er hinzu.

+++ 11:49 Juncker kassiert Rüffel wegen SMS an Tsipras +++
Kleine Anekdote aus dem EU-Parlament von heute Morgen: Offensichtlich sah EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nicht so aus, als sei er hundertprozentig bei der Sache. Weil er ständig auf sein Smartphone starrte, kassierte er Kritik von mehreren Europaabgeordneten. Wie das Online-Portal "iefimerida.gr" berichtet, hatte Juncker eine gute Ausrede: "Ich tue nur meine Arbeit. Ich kommuniziere derzeit per SMS mit Alexis Tsipras. Das nennt man Texting. Lassen Sie mich doch arbeiten."



+++ 11:40 Wirtschaftsinstitut: "Athen völlig überfordert" +++
Die Geldgeber Griechenlands haben nach einer Analyse des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) die Verschleppung von grundlegenden Reformen viel zu lange toleriert. "Keine griechische Regierung der vergangenen Jahre hat ohne Druck und Kontrollen den Reformprozess oder die Haushaltssanierung vorangetrieben", sagt IfW-Experte Klaus Schrader. Haupthindernis für Reformerfolge sei die völlige Überforderung der griechischen Staatsverwaltung bei der Durchführung komplexer Reformen, heißt es in der Studie. "Sie bedarf in noch größerem Umfang als bisher externer Expertenhilfe."

+++ 11:23 Rom: Nicht "böse Deutsche" verantwortlich +++
Der italienische Außenminister Paolo Gentiloni warnt davor, die Verantwortung für die griechische Schuldenkrise auf die "bösen Deutschen" zu schieben. Die Verantwortung liege vielmehr bei den griechischen Regierungen der vergangenen 15 bis 20 Jahre, sagt Gentiloni der Tageszeitung "Corriere della Sera". Rechts auf Englisch nachzulesen:

+++ 11:06 Umfrage: Union profitiert von "Nein"-Sager Schäuble +++
Die Union legt laut einer Umfrage deutlich zu. Dabei profitiert sie maßgeblich von der harten Haltung von Finanzminister Wolfgang Schäuble in den Griechenland-Verhandlungen. Wie das Institut Insta berichtet, würde die CDU/CSU derzeit bei einer Bundestagswahl 43 Prozent erreichen, 3,5 Prozentpunkte mehr als vor einer Woche. Die Grünen, die für einen moderateren Kurs werben, verbesserten sich leicht um einen halben Punkt auf insgesamt zehn Prozent.


+++ 10:49 Devisenanleger zeigen Nerven +++
Der Euro-Kurs fällt unter die Marke von 1,10 Dollar. Am Morgen hatte sich die Gemeinschaftswährung noch vergleichsweise stabil präsentiert. Der Handel steht damit im Schatten der Krisendiplomatie. Am Abend kommen die Staats- und Regierungschefs der Eurozone zu einem Sondergipfel zusammen. Bisher gibt es keinerlei Anhaltspunkte, dass die beteiligten Parteien einer Lösung näher kommen.

+++ 10:40 Tourismusbranche schlägt Alarm +++
Laut der griechischen Zeitung "To Vima" haben am Montag mehrere Fluggesellschaften griechischen Reisebüros und Reiseveranstaltern untersagt, ihre Flugtickets zu verkaufen. Unter anderem sind Reisen mit Emirates, Virgin, Turkish Airlines, Qatar, Quantas, Air Baltic, Pegasus, China Airlines, China Eastern, China Southern, Philippines und Cathay betroffen. Grund sind die seit vergangener Woche verhängten Kapitalverkehrskontrollen. Die Unternehmen fürchten, dass Veranstalter ihre Rechnungen nicht begleichen können.

+++ 10:05 Griechische Börse bleibt geschlossen +++
Der griechische Aktienmarkt bleibt wie die Banken bis zum Mittwoch geschlossen. Das teilt die Kapitalmarktkommission mit.

+++ 10:00 Unions-Politiker gegen drittes Hilfspaket +++
Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht sich mit "Nein"-Sagern in den eigenen Reihen konfrontiert. Sie sprechen sich offen gegen ein drittes Hilfspaket für Griechenland aus:

"Griechenland hat Nein gesagt. Nein heißt jetzt für uns auch Nein zu Verhandlungen und zum Hilfspaket", sagt CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.
Der Vorsitzende des Bundestags-Wirtschaftsausschusses, Peter Ramsauer, ebenfalls CSU, erklärt, das Votum der Griechen beim Referendum sei zwingend als "Nein zu jeglicher Art eines neuen Hilfspakets" zu verstehen.
Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der Unionsfraktion, Christian von Stetten, verlangt, das "Experiment mit den reformunwilligen Griechen im Euro-Raum" zu beenden.
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Hans-Peter Friedrich (CSU) warnte, Ängstlichkeit und Unentschlossenheit der europäischen Führer seien nun "die größte Gefahr für den Euro".

+++ 9:47 EZB: "Zahlt Athen nicht, wird Geldhahn zugedreht" +++
Was passiert am 20. Juli? Ist das der Tag, an dem der offizielle Zahlungsausfall Griechenlands erklärt wird? Die Europäische Zentralbank wäre gezwungen, Griechenland den Geldhahn zuzudrehen, wenn das Land der Zentralbank am 20. Juli eine fällige große Anleihe nicht zurückzahlt, sagt EZB-Ratsmitglied und Österreichs Zentralbank-Chef Ewald Nowotny. "Das wäre ein Staatsbankrott, ein Default auf Englisch", so Nowotny in einem Interview mit dem österreichischen Fernsehsender ZiB 2. "In dieser Situation wäre es nicht länger möglich für die EZB, weitere Liquidität zur Verfügung zu stellen."

+++ 9:37 Juncker: "Rhetorische Lautstärke drosseln" +++
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker heute Morgen im Europaparlament:

"Die EU-Kommission arbeitet daran, die Verhandlungen mit Griechenland wieder aufzunehmen. Wir werden die rhetorische Lautstärke drosseln."
Von Alexis Tsipras fordert Juncker eine Erklärung des Referendums. Er respektiere die Abstimmung, beteuert er. Aber: "Ich würde das gerne verstehen", sagt er.
Gibt es heute Abend eine Einigung im Chaos? Juncker dämpft die Erwartungen an das Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs der Euroländer in Brüssel. Dabei könne es noch keine Lösung geben.
"Und wenn es heute eine Lösung geben könnte, dann wäre es wiederum eine zu einfache Lösung."



+++ 8:57 Valls: "Umschuldung darf kein Tabuthema sein" +++
Europa dürfe einen Austritt Griechenlands aus der Währungsunion auf keinen Fall riskieren - weder aus wirtschaftlichen noch aus politischen Gründen, appelliert Frankreichs Premier Manuel Valls an die europäischen Partner. Umschuldung für Griechenland dürfe "kein Tabuthema" sein. Der erste Austritt eines Eurolandes aus der Währungsunion hätte Auswirkungen "auf das Wachstum und die globale Wirtschaft". "Europa steht auf dem Spiel", warnt Valls.



+++ 8:38 Kunst in der Krise - Wut-Graffiti in Athen +++
Wieder eine neue Verhandlungsrunde im Schuldenstreit mit Griechenland, aber eine Lösung ist weiterhin nicht in Sicht. Wie tief der Frust sitzt, zeigen die Wut-Graffiti in den Straßen Athens: Sind es am Ende die Künstler, die der EU vor Augen führen, dass der "Verband der Sterne" mehr ist als eine Wirtschaftsgemeinschaft? CNN hat Eindrücke gesammelt:

+++ 8:22 Tsakalotos in Brüssel erwartet +++
Der neue griechische Finanzminister Evklides Tsakalotos, der heute seine Ressortkollegen aus der Eurozone in Brüssel trifft, will die Verhandlungen mit den Gläubigern des Landes fortsetzen. Die Griechen hätten beim Referendum allerdings deutlich gemacht, dass sie "Besseres verdient haben" und eine "nicht-lebensfähige Lösung nicht akzeptieren" könnten, schickt der oberste Kassenwart mit leeren Kassen voraus. Die Verhandlungen werden nicht leichter.


+++ 8:03 Börsianer bibbern weiter +++
Börsianer warten heute auf frische Impulse vom Euro-Finanzministertreffen und vom Sondergipfel der Staats- und Regierungschef. Die EZB agierte am Vorabend nach dem Prinzip Zuckerbrot und Peitsche: Zwar fließen die ELA-Hilfen in unveränderter Höhe an die griechischen Banken weiter, die Anforderungen an die dafür zu hinterlegenden "Collaterals" wurde aber erhöht. Ein Händler beschwichtigt: "Die EZB lässt die Banken zumindest solange nicht absaufen, solange es wenigstens eine hauchdünne Chance auf eine politische Lösung gibt."

+++ 7:47 London schickt zusätzliches Personal in Konsulate +++
Die britische Regierung warnt vor einer Verschärfung von Versorgungsengpässen in Griechenland. Die Briten müssen "wachsam" sein und die Lage genau beobachten, sagt Finanzminister George Osborne. Es sei zusätzliches Personal in die britische Botschaft in Athen geschickt worden, "um vorbereitet zu sein, auf was auch immer geschieht". Auch auf die griechischen Ferieninseln Kreta, Korfu, Rhodos und Zakynthos, wo viele Briten Urlaub machen, sei zusätzliches konsularisches Personal entsandt worden.

+++ 7:25 Fidel Castro gratuliert Tsipras: "Brillanter politischer Sieg" +++
Kubas ehemaliger Präsident und Revolutionsführer Fidel Castro gratuliert Alexis Tsipras zu dessen "brillantem politischen Sieg". Er habe den Ausgang des Referendums über die internationalen Reformauflagen im Fernsehen verfolgt, schreibt der 88-Jährige in einem Brief an den Vorsitzenden der linksgerichteten Syriza-Partei. "Ihr Land ruft bei den Völkern Lateinamerikas und der Karibik Bewunderung hervor", indem es "seine Identität und seine Kultur gegen Aggressionen von außen verteidigt".
Vier Stunden zum Thema Käse: Ein von Kubas Staatsmedien verbreitetes Foto vom vergangenen Freitag. Es soll Fidel Castro in einem Institut für Lebensmittelforschung zeigen.

+++ 7:15 Wichtige Termine heute +++
Auch am heutigen Dienstag geht es in Sachen Griechenland spannend weiter: erst ab 13 Uhr mit einem Euro-Finanzministertreffen, dann ab 18 Uhr mit einem EU-Sondergipfel. Mit Sicherheit wird es auch wieder viele unerwartete Entwicklungen geben.

+++ 7:12 Nowotny: EZB könnte Brückenfinanzierung geben +++
Laut Österreichs Zentralbank-Chef Ewald Nowotny wird Griechenland in jedem Fall Geld brauchen, um weiter zu funktionieren. Selbst, wenn es vor dem 20. Juli eine Einigung auf ein drittes Rettungspaket unter dem Europäischen Stabilitätsmechanismus gebe, könne der Rettungsfonds wahrscheinlich noch nicht angezapft werden, so das EZB-Ratsmitglied weiter. Jede Einigung müsse erst von den Parlamenten in der Eurozone abgesegnet werden. Eine Diskussion müsse sich deshalb jetzt darum drehen, ob die EZB Griechenland Geld über ein Brückenprogramm zur Verfügung stellen könnte, in Erwartung der Zahlungen des ESM, so Nowotny weiter.

+++ 6:54 Wie knapp ist das Geld? - Banken bleiben geschlossen +++
Laut Bankenverband bleiben Griechenlands Banken heute und morgen geschlossen. Durchhalten könnten sie bis Freitag, sagt Syriza-Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis - vorausgesetzt, die Europäische Zentralbank belässt die Notkredite für die Banken des Landes auf dem bisherigen Niveau. So zitiert ihn die BBC. Im Moment bekommen die Griechen an den Geldautomaten 60 Euro am Tag. Sollte die EZB die griechischen Banken unter Druck setzen, drohe eine "entsetzliche Notlage", so Stathakis weiter.

+++ 06:36 Laute Rufe nach humanitärer Hilfe +++
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bezeichnet die griechischen Familien, Alten, Kranken und die Einkommensschwachen als die "die eigentlichen Verlierer des griechischen Dramas". Sie bräuchten humanitäre Hilfe der EU, so der SPD-Politiker in einem Gastbeitrag in der "Rheinische Post". Die EU-Kommission und die Euro-Länder müssten verhindern, "dass es wegen der akuten Finanznot zu Engpässen bei Medikamenten, Lebensmitteln oder Öl und Gas kommt", fordert EU-Kommissar Günther Oettinger in der "Bild"-Zeitung. Dafür könnten Mittel aus EU-Fonds für Naturkatastrophen genutzt werden. Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, ergänzt: "Wir wollen und werden die Menschen in Griechenland nicht im Stich lassen." Denkbar seien EU-Hilfen zur Gesundheitsvorsorge. Für nicht gezahlte Renten oder Löhne von Beamten könne die EU aber nicht einspringen.

+++ 06:11 Oettinger: "Athen zahlt wahrscheinlich bald mit Schuldscheinen +++
Günther Oettinger hat Bedenken gegen einen weiteren Verbleib Griechenlands in der Eurozone angemeldet. "Ein insolventes Land, das eine Parallelwährung einführt, passt nicht zur Währungsunion", sagt der deutsche EU-Kommissar der "Bild"-Zeitung. "Wir haben die kuriose Situation, dass Griechenland zwar Mitglied der Eurozone ist, aber im Moment kaum noch Euros hat." Die griechische Regierung müsse wahrscheinlich bald Löhne, Renten und offene Rechnungen in Form von Schuldscheinen auszahlen.

+++ 5:02 ZEW-Präsident empfiehlt Geldgebern harte Linie +++
Im Streit um neue Hilfen für Griechenland müssen die Euroländer nach Ansicht des Wirtschaftsexperten Clemens Fuest unbedingt Härte zeigen. "Wir zerstören die wirtschaftlichen Grundlagen der Eurozone, wenn wir den Griechen jetzt nachgeben", sagt der Präsident des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Es könnte zu einer Art Dominoeffekt kommen. So könnten sich die Bürger in Irland und Spanien fragen, warum sie sich anstrengen und ihre Haushalte sanieren mussten, aber die Griechen nicht. In Deutschland, Frankreich und anderen Ländern drohten antieuropäische Kräfte sehr schnell an Einfluss zu gewinnen, wenn sich der griechische Premier Alexis Tsipras durchsetzen würde. Damit würde die Axt an Europa gelegt.

+++ 4:25 US-Finanzminister erwartet schon bald ein konstruktives Ergebnis +++
US-Finanzminister Jack Lew spricht mit dem griechischem Regierungschef Alexis Tsipras und dem neuen Finanzminister Euklid Tsakalotos. Lew rechne damit, dass Griechenland und die anderen Verhandlungsparteien die Gespräche bald wieder aufnehmen würden und es am Ende ein konstruktives Ergebnis geben werde, sagt eine Sprecherin des US-Finanzministeriums.

+++ 2:25 Unionspolitiker lehnen neues Hilfspaket ab +++
Führende Unionspolitiker sprechen sich vor dem Sondergipfel der Euroländer am Dienstagabend gegen Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket für Griechenland aus. "Griechenland hat Nein gesagt", sagt CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer der "Bild"-Zeitung und fügte hinzu: "Nein heißt jetzt für uns auch Nein zu Verhandlungen und zum Hilfspaket." Ähnlich äußerten sich der Vorsitzendes des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, Peter Ramsauer (CSU), der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der Unionsfraktion, Christian von Stetten (CDU) und Unionsfraktionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU).

Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) bekräftigt derweil seine Forderung nach einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone. "Der ehrliche und konsequente Weg wäre der Grexit", sagt Söder der "Passauer Neuen Presse". Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger hat ebenfalls Bedenken gegen einen weiteren Verbleib Griechenlands in der Eurozone. "Ein insolventes Land, das eine Parallelwährung einführt, passt nicht zur Währungsunion.

+++ 1:42 London stockt Personal an Botschaften auf +++
Großbritannien wappnet sich angesichts der Krise in Griechenland für das Schlimmste. "Wenn die Wirtschaftskrise in Griechenland fortbesteht, steigen die Risiken von Engpässen", sagt der britische Finanzminister George Osborne. Angesichts der wachsenden Gefahr müssten die Briten "wachsam" sein und die Lage genau beobachten. Osborne weist darauf hin, dass zusätzliches Personal in die britische Botschaft in Athen geschickt worden sei, "um vorbereitet zu sein auf was auch immer geschieht". Auch auf die griechischen Ferieninseln Kreta, Korfu, Rhodos und Zakynthos, wo viele Briten Urlaub machen, sei zusätzliches konsularisches Personal geschickt worden.

+++ 0:21 Kammenos fühlt sich wie ein Gallier +++
Griechenlands Verteidigungsminister Panos Kammenos setzt sich in Heldenpose in Szene. Über seinen Twitter-Account verbreitet er eine Bildmontage, die Ministerpräsident Alexis Tsipras als Asterix und ihn selbst als Obelix aus dem gleichnamigen Comic zeigt. Mit einem Schriftzug fordert er dazu auf, nach Griechland zu reisen, um die Heimat "rebellischer Helden" kennenzulernen.

 
Szenarien für den "Grexit" Griechenlands langsamer Abschied vom Euro



Wie geht es in Griechenland weiter, wenn dem Land das Geld ausgegangen ist? Eine Möglichkeit wäre die Einführung einer Parallelwährung. Doch ein solcher Schritt wäre äußerst riskant.

Wenn der Grexit kommt, der Abschied Griechenlands aus dem Euro, wird er ganz anders aussehen, als sich das die meisten vorstellen. Ein Währungswechsel wie bei der Umstellung auf Euro-Scheine und -Münzen im Jahr 2002 erfordert eine jahrelange Vorbereitung. Viel Zeit hat die Regierung von Alexis Tsipras nach dem von ihr herbeigeführten Nein beim Referendum aber nicht mehr. Schon in den nächsten Wochen dürfte der Euro-Mangel Athen dazu zwingen, eigenes Geld zu drucken.

Griechenland könnte versuchen, dem Beispiel des US-Bundesstaats Kaliforniens zur Zeit der Finanzkrise 2009 zu folgen, und Schuldscheine herausgeben, mit denen es seine Rechnungen bezahlt. "In der jetzigen Situation ist es wohl die wahrscheinlichste Variante, dass Athen damit beginnen wird, solche Schuldscheine auszugeben, und damit eine Art Parallelwährung schafft", sagt Michel Martinez, Ökonom bei der französischen Großbank Société Générale.

Der akute staatliche Liquiditätsmangel könnte mit diesen Schuldscheinen überbrückt werden, allerdings auf die Gefahr hin, dass die Regierung von Tsipras eine Ereignislawine lostritt, die sie selbst nicht mehr kontrollieren kann.
Sinn fordert sofortige virtuelle Parallelwährung

Szenarien für Parallelwährungen kursieren schon länger. Doch nie waren sie so akut wie nach dem Nein beim Referendum. Der Chef des Münchener Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn hat zu Wochenbeginn ein digitales Zweitgeld für Griechenland gefordert: "Die Drachme sollte sofort als virtuelle Währung eingeführt werden", erklärte Sinn in München. Für Bargeschäfte sollten die Griechen weiter Euro-Banknoten nutzen können. Zu einem späteren Zeitpunkt sei dann eine Rückkehr in den Euro zu einem verminderten Wechselkurs möglich.



Auch Thomas Mayer, der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, hat vor einiger Zeit einen Plan für eine Parallelwährung entwickelt, die er "Geuro" nennt und auch schon Tsipras vorgestellt hat. Und selbst der jetzt zurückgetretene Finanzminister Janis Varoufakis brachte in seinem Blog eine Art digitale Drachme in Spiel, die nicht dem Diktat der "Austeritätspolitik" unterliege.
Wohl kein schneller "Grexit"

Bei dem Referendum in Griechenland hatten am Sonntag gut 61 Prozent gegen die Forderungen der internationalen Gläubiger votiert. Die Griechen unterstützten damit klar das Vorgehen der Tsipras-Regierung im Schuldenstreit mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF).

"Ein komplettes Ausscheiden aus dem Euro in den nächsten Tagen oder Wochen ist unwahrscheinlich", sagt Währungsexperte Martinez von der Société Générale. Eher werde es letzte Verhandlungsbemühungen geben, solange werde die Europäische Zentralbank das Land über die berüchtigten ELA-Notkredite über Wasser halten.

"Es ist klar, dass die EZB keine Lust verspürt, sich an die Spitze des politischen Prozesses zu setzen, so lange wie es Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und der Euro-Zone gibt. Es ist nicht zu erwarten, dass die EZB die ELA-Notkredite vollständig kappt", sagt Martinez.
Notkredite der EZB verschleppen nur den Konkurs

Doch am 20. Juli läuft diese letzte Frist ab. Nachdem die griechische Regierung den IWF geprellt hat, wird das Land vermutlich auch die dann fällige Rate an die EZB platzen lassen. Die Kapitalkontrollen werden nicht allzu bald verschwinden. Aus dieser Zwangslage könnte sich Athen durch die Schuldscheine befreien.

Auch Markus C. Kerber, Rechtsanwalt und Professor für Öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, sieht die Zentralbank als Zünglein an der Waage: "Wenn die EZB die konkursverschleppende Finanzierung der griechischen Banken beendet, wäre das faktisch das Aus für Griechenland als Mitglied der Währungsunion."



Die griechische Regierung werde dann aber alles daransetzen, in der Euro-Zone zu bleiben, weil sie weiß, welche immensen logistischen Schwierigkeiten mit der Einführung einer neuen Währung verbunden sind. Die Griechen könnten versuchen, die Versorgung mit Bargeld in die eigene Hand zu nehmen. "Das wäre zwar illegal, aber auch eine kurzfristig effiziente Maßnahme, um die Rentnerrevolte zu verhindern."

Die akademische Literatur kennt mehrere Formen von Parallelwährung, einige davon sind Wertpapiere, die durch den künftigen Schuldendienst eines Staates gedeckt sind. Ein prominentes Beispiel ist Kalifornien in der vergangenen Finanzkrise.
Schuldscheine als Parallelwährung

Im Juli 2009 gab der US-Bundesstaat sogenannte I.O.U. aus, um Staatsbedienstete in der Zeit einer akuten Haushaltsnotlage zu entlohnen. Die Papiere waren zu 3,75 Prozent verzinst, um sie attraktiv zu machen. Die englische Buchstabenkombination steht für "I owe you" ("Ich schulde dir"). Griechenland könnte in der jetzigen Situation etwas Ähnliches versuchen.

"Die Regierung in Athen könnte zum Beispiel einen Teil der Beamtengehälter und Pensionen, sagen wir 30 Prozent, in Schuldscheinen zahlen und den Rest in Euro", sagt Martinez. Diese Schuldscheine könnten in dem Fall gefragt sein, wenn sie eine Steuervergünstigung enthalten, beispielsweise in Höhe von fünf Prozent. Sie wären lediglich auf dem Territorium der Hellenischen Republik gültig.


Diese inoffiziellen Drachmen könnten dann von der Bevölkerung auch bei geschlossenen Banken dazu dienen, Güter des täglichen Bedarfs zu kaufen, zum Beispiel Nahrungsmittel. Das öffentliche Leben könnte so weiter am Laufen gehalten werden.

"Der Staat würde Rentner, Bedienstete und Lieferanten mit Schuldscheinen bezahlen. Die Banken würden ihnen den Gegenwert der Schuldscheine auf besonderen Konten gutschreiben", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Damit könnten die Bürger dann ihre Steuern zahlen.

In Kalifornien hat das funktioniert. Als der US-Bundesstaat den finanziellen Engpass des Jahres 2009 nach einigen Wochen überwunden hatte, zog er die I.O.U. im Volumen von zwei Milliarden Dollar wieder aus dem Verkehr. Für die Griechen könnte der Schuss jedoch auch nach hinten losgehen. Die Schaffung einer Parallelwährung über Schuldscheine birgt politische wie wirtschaftliche Risiken. Auch juristisch ist die Sache heikel.

Zum einen könnte es organisatorisch schwierig werden, die Schuldscheine so zuzuteilen, dass sich nicht manche Bürger benachteiligt fühlen. Auch wenn die Zuteilung stockend verläuft, könnte es zu sozialen Unruhen kommen. Bei allem Bemühen, dem kalifornischen Beispiel nachzueifern, könnten die Dinge in Griechenland viel schlechter laufen und sogar außer Kontrolle geraten.
Gefahr einer ungezügelten Inflation

Athen müsste vor allem befürchten, dass die Ausgabe solcher Coupons eine Eigendynamik gewinnt. "Im Fortgang der Ereignisse könnte der griechische Staat dazu übergehen, Geldscheine zu drucken, die sich auf die Schuldscheine beziehen", sagt Krämer. Das wäre dann aber schon mehr als der schleichende Ausstieg aus dem Euro.

Die Einführung einer neuen Währung kann leicht zu starker Inflation führen, vor allem in einer Phase des ökonomischen Chaos, in dem es den Regierenden vor allem ums Überleben geht. In den Zwanzigerjahren führte die massenhafte Ausgabe von Schuldscheinen durch das Deutsche Reich zu einer Entwertung des Geldes, die sich schließlich in der Großen Inflation von 1923 entlud.

Nicht viel besser erging es Argentinien. Die dort in der Krise von 2001/02 eingeführten Schuldscheine verloren schnell an Wert. Das südamerikanische Land ist auch ein Menetekel dafür, dass die Währung eines Landes mit unsolidem Finanzgebaren auch nach der Währungsumstellung den Bach runtergeht. Seit der Staatspleite von 2001 hat der Peso zu Dollar und Euro um rund 90 Prozent abgewertet.

Zunächst einmal ist es jedoch gar nicht gewiss, dass die griechischen Schuldscheine als vorübergehende Maßnahme der Überbrückung glaubhaft wären. Kalifornien hatte bessere Voraussetzungen. Das akute Defizit in der Staatskasse war nicht mangelnder Wettbewerbsfähigkeit der Ökonomie geschuldet, sondern einem politischen Patt zwischen Demokraten und Republikanern. Der Verbleib des wirtschaftsstärksten US-Bundesstaats im Dollar-Raum stand nie zur Debatte.

Da der Euro in Griechenland gesetzliches Zahlungsmittel bleiben würde, könnte die Bereitschaft des privaten Sektors, die Schuldscheine anzunehmen, gering sein. Es wäre also möglich, dass die ursprünglichen Besitzer des Parallelgeldes am Ende in die Röhre schauen und damit nach einer Weile gar nichts mehr anfangen könnten. Ein solches Fiasko erlebte die Kanadische Provinz Alberta in den Jahren 1936 und 1937.
EZB könnte Parallelwährung zum Falschgeld erklären

Ohnehin stellen viele Ökonomen infrage, ob griechische I.O.U. der Bevölkerung schmackhaft zu machen wären. "Ich halte die Einführung von Schuldscheinen als eine Parallelwährung alles in allem für schwierig", sagt Krämer. Da der Staat akut von der Pleite bedroht ist, würden die Bürger Schuldscheine als Ersatzgeld wohl kaum akzeptieren. "Außerdem fehlten dem Staat ja nach wie vor Euro, um die Banken zu rekapitalisieren."

Kerber hat ebenfalls Zweifel: "Angesichts der Bonität Griechenlands könnten die Schuldscheine nur funktionieren, wenn sie als Sondervermögen abgegrenzt und verbrieft wären." Dafür kommen vor allem Grundstücke infrage. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die sozialistische Regierung von Alexis Tsipras dazu bereit ist.

Für die gegenwärtige Situation gibt es aus Sicht von Kerber daher keine wirkliche historische Vorlage. Wolle sich die griechische Regierung legal zusätzliche Liquiditätsquellen erschließen, könnte sie auf das gesamte Staatsvermögen Wandelschuldverschreibungen mit interessanten Wandlungsrechten ausgeben.

Er selbst plädiert dafür, einen klaren Schnitt zu machen und Griechenland von der Euro-Zone abzutrennen: "Die Grenzen der Währungsunion müssen neu gezogen werden, will man nicht die politische Explosion Europas riskieren."

Schließlich bleibt ein juristisches Risiko anderer Art: "Artikel 128 der Europäischen Verträge besagt, dass die von der EZB und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten das einzige gesetzliche Zahlungsmittel in der Euro-Zone sind", sagt Martinez. Streng genommen könnte die Bank of Greece als Filiale der EZB die Schuldscheine also als Falschgeld betrachten und einziehen.

 
Griechenland - Quo vadis? "Grexit"-Freunde in der Übermacht



In der Griechenland-Frage ist die Eurozone gespalten. Frankreich will den Grexit unbedingt verhindern. Doch bei Angela Merkel beißt François Hollande auf Granit. Ihr harter Kurs findet Unterstützer.

Bis Sonntag war die Sache klar. 18 zu eins. 18 Euro-Länder gegen eines: Griechenland. Alexis Tsipras hatte sich mit seiner Politik so in die Ecke manövriert, dass der Rest der Euro-Zone geeint gegen ihn stand. Doch seit dem klaren Ausgang des Referendums, seit den Gesprächsangeboten der Griechen, ist die Lage nicht mehr ganz so eindeutig. Frankreich will reden, andere eher flüstern. Deutschland am liebsten schweigen. Hierzulande zeichnet man jetzt das Bild der eisernen Kanzlerin, die den Verführungskünsten der restlichen Staaten widersteht.

Die zunehmende Kluft zwischen Deutschland und Frankreich könnte zwar einerseits Gespräche überhaupt erst ermöglichen – wenn Frankreichs Präsident François Hollande sich gegen Merkel durchsetzt. Andererseits dürfte die zunehmende Kluft zwischen den beiden führenden Nationen der Währungsunion Verhandlungen erschweren, weil beide Länder sich gegenseitig blockieren.

In Frankreich sieht man die Möglichkeit, dass Hollande die Führung der Euro-Zone übernimmt. Nach Jahren des politischen Bedeutungsverlusts für unseren Nachbar ist das nicht unwichtig. Das Votum des griechischen Volkes könnte auch eine Niederlage für Merkel werden, sagt etwa der frühere französische Bildungsminister Benoît Hamon. Ein Riss entsteht.

Kompromiss wäre für Eurozone riskant

Und natürlich spielen auch andere Länder außerhalb der Euro-Zone eine gewichtige Rolle. Die Amerikaner wollen eine rasche Einigung. Russland wiederum würde nur allzu gern einen Keil zwischen die Europäer treiben. Daher mischt sich Präsident Wladimir Putin immer wieder in die Diskussion ein. Zugunsten der Griechen natürlich. Auch das macht es für Angela Merkel schwer, den Griechen entgegen zu kommen.


Syriza habe bereits einen Großteil des finanziellen Engagements der Geldgeber versenkt, sagt Jacob Kirkegaard vom Peterson Institute in Washington. "Finanziell gesehen kann Europa nicht mehr viel verlieren und hat damit keinen Grund einen Kompromiss mit Griechenland zu schließen."

Und Stephen Jen, einst Ökonom beim Internationalen Währungsfonds und Gründer der Hedgefonds-Gesellschaft SLJ Macro Partners meint: "Die Euro-Kreditgeber dürften bald erkennen, dass es riskanter für die Euro-Zone ist, Griechenland im Euro zu halten, als ziehen zu lassen." Ähnlich sieht es Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Er glaubt, mit ihrem anhaltenden Widerstand gegen harte Reformen zerstören die Griechen das Regelwerk der Währungsunion und damit den Euro selbst.
Die Nein-Staaten

Angeführt werden die potenziellen Nein-Sager natürlich von Deutschland. Angela Merkel hat die Nase erkennbar voll. Gespräche mit Tsipras? Wofür? Was hat er zu bieten? Hat man nicht lange genug ergebnislos gesprochen? Ist er ihr nicht in den Rücken gefallen, als er sein Referendum verkündete und auch noch für Nein votierte?


Ihr Vize-Kanzler Sigmar Gabriel gibt sich gar noch härter. Der SPD-Chef mimt den starken Mann. Die Basis will halt keine weitere Hilfe für Griechenland. Und Gabriel weiß das. Bundesfinanzminister Schäuble wiederum gilt seit langem als Gegner des Landes in der Euro-Zone. Er glaubt dem Vernehmen nach, dass Griechenland eher eine Last als eine Bereicherung für die Euro-Zone ist.

Dabei sind die Deutschen noch nicht einmal die härtesten Nein-Sager. Die Slowakei hat noch nie verstanden, warum ausgerechnet sie den Griechen helfen sollte. Bei den bilateralen Hilfskrediten verweigerte sie ihre Teilnahme. Und auch heute gilt das im Vergleich recht arme Land als Gegner neuer Hilfen.

Die Finnen wiederum haben den Deutschen schon immer den Rücken gestärkt, wenn es gegen eine zu weiche Politik für Athen ging. Sie sind ihr stärkster Alliierter. Das Land hat sich seine Beteiligung am zweiten Hilfsprogramm sogar mit einem Pfand absichern lassen.
Selbst andere Krisenländer haben sich abgekehrt

Und die Südländer? Traditionell eher Verbündete? Selber in einer schwierigen Lage? Wollen mit Athen nichts zu tun haben. Tsipras hat sie von Beginn an gegen sich aufgebracht. Der Grieche hat jede Solidarität von Beginn an zerstört. Portugiesen und Spanier fürchten, dass eine zu weiche Politik gegenüber der linksradikalen Syriza-Regierung die eigenen Protestbewegungen daheim befördern könnte.

Warum sollten Spanier und Portugiesen harte Reformen durchziehen, wenn Griechenland Geld geschenkt bekommt? Portugals Premier Pedro Passos Coelho meint: Europa könne die Krise managen. "Ich glaube nicht, dass die Integrität des Projekts in Frage steht." Portugals Position: Das Land habe nichts zu gewinnen, wenn es sich mit dem maroden Griechenland vergleiche.

In Irland ist man schwer genervt von den störrischen Griechen. Die Iren haben harte Einschnitte hinter sich. Den Schuldenschnitt gab's auch für Irland nicht, warum also für Athen, die ernsthafte Reformen zumindest behindern?
Schluss mit Party in Griechenland

Die Balten wiederum haben selbst schwere Zeiten durchlebt, sie haben gespart, im Sozialsystem gestrichen. Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite sieht das so: Die griechische Regierung wolle weiter Party machen. Dummerweise aber sollten andere die Rechnung zahlen. Völlig unverständlich ist für diese Länder, dass Griechenland noch immer einen höheren Mindestlohn hat.

Und die Niederländer gehören seit Jahren ohnehin zu den Unterstützern eines harten Kurses. Geld ohne Reformen? Das ist mit ihnen nicht zu machen. Ändern kann diese Position nur Angela Merkel. Sie kann die Nein-Sager einbinden. Bleibt sie bei ihrem Kurs, werden die anderen auch nicht umschwenken.

Die Unentschiedenen

Die Italiener wissen nicht so richtig, was sie wollen. Einerseits meinen sie, man könne es den anderen Europäern nicht zumuten, dass sie Griechenlands Rentnern die Pensionen zahlen. Andererseits sind sie durchaus gesprächsbereit. Einen echten Schuldenverzicht aber dürfte sich das Land, das selbst unter einer hohen Verschuldung stöhnt, kaum leisten wollen.

Und leiden kann Ministerpräsident Matteo Renzi seinen Kollegen Tsipras vermutlich ohnehin nicht. Spätestens seit die griechische Regierung den Italienern vorhersagte, sie seien die Nächsten, die den Euro verlassen müssten, wenn Athen erst raus sei, gilt das Verhältnis zwischen beiden als eher schlecht.

Die Österreicher wiederum scheinen hin- und hergerissen. Finanzminister Hans Jörg Schelling lehnt einen Schuldenschnitt bislang ab. Verhandlungen mit Athen bezeichnet er als schwierig. Sein Bundeskanzler Werner Faymann gilt dagegen als offener. Und Notenbank-Chef Ewald Nowotny hält zumindest eine Brückenfinanzierung für Athen für möglich.
Die Ja-Staaten

Frankreich wird alles tun, um Griechenland im Euro zu halten. Ein Grexit betrachten die Franzosen als Gefahr für die Weltwirtschaft. Sollten danach die Zinsen steigen, auch für Frankreich, ist der ohnehin wackelige Budgetplan unseres Nachbarn Makulatur. Ein Desaster wäre das. Deshalb mischt sich die Regierung sogar in die Politik der Notenbank ein. Die Europäischen Zentralbank (EZB) dürfe jetzt die Liquiditätsversorgung Athens mit Notfallkrediten (ELA) nicht reduzieren, heißt es in Paris. Und Emmanuel Macron, der Wirtschaftsminister, warnt explizit Deutschland vor einem weiteren "Versailler Vertrag".

Die Versailer Verträge und die hohe finanzielle Belastung Deutschlands durch Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg gelten als eine der Ursachen für das Erstarken der Nationalsozialisten. Präsident François Hollande wird daher versuchen, die Bundeskanzlerin von einer nachgiebigeren Haltung zu überzeugen. Bislang bewies er allerdings nicht, dass er ein politisches Schwergewicht ist.

Die Amerikaner wiederum fürchten einen Grexit, weil sie den Lehman-Moment fürchten. US-Präsident Barack Obama sieht die Gefahr, dass eine Pleite Griechenlands ähnlich schwere wirtschaftliche Verwerfungen wie die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 nach sich ziehen könnte. Deshalb redet er seit Monaten auf die Kanzlerin ein, das Problem endlich zu lösen.
Zypern hält aus Prinzip zu Athen

Zyperns Präsident Nicos Anastasiadas ist traditionell ein Freund Griechenlands. Er fordert einen Schuldenschnitt. Die Verbindlichkeiten müssten auf ein solides Niveau gesenkt werden. Das Votum des griechischen Volkes sei zu respektieren. Erstaunlich ist das, denn sein Land musste durchaus harte Reformen hinnehmen. In Zypern wurden sogar die Sparer zur Kasse gebeten.

Die EU-Kommission will den Euro-Exit Griechenlands um jeden Preis verhindern. Warum? Präsident Jean-Claude Juncker hält sich wohl einerseits für den gewählten Präsidenten aller Europäer. Andererseits fürchtet er die wirtschaftlichen Folgen eines Austritts. Dass er es mit seiner manchmal übermäßig jovialen, dann wieder harschen Art den Griechen gegenüber vielen anderen schwer macht, seine Verhandlungsführung zu akzeptieren, ist ihm scheinbar egal.

 
Raus aus dem Griechen-Drama Bei Janis Varoufakis hat das Scheitern Methode

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Janis Varoufakis ist gefeuert – ein beruflicher Rückschlag? Kaum. Bei dem Ex-Minister gilt das eher als nächster logischer Karriereschritt. Denn ihm verhilft das Scheitern offenbar zu Reichtum.

Als Finanzminister Griechenlands hat der Spieltheoretiker Janis Varoufakis seit heute ausgedient. Sorgen um seine Zukunft muss sich der Ex-Politiker trotzdem nicht machen. Zwar ist der 54-Jährige mit dem griechischen und australischen Pass als Ökonom an der Universität Athen nicht gerade durch große wissenschaftliche Meriten aufgefallen. In der Zitatebestenliste der weltweiten Ökonomenelite taucht der Name Janis Varoufakis nicht einmal unter den besten 1000 auf. Trotzdem könnte das Spiel als Promiwissenschaftler für ihn jetzt richtig losgehen.

Denn der überraschende Rücktritt ist für Menschen, die ihn kennen, eigentlich nur der nächste logische Karriereschritt. Immer wieder hat Varoufakis bei seinen bisherigen Auftritten darauf verwiesen, dass das Scheitern bei ihm Methode hat und geradezu ein Erfolgsmodell ist. "Ich hoffe, dass mir die vielen Fälle, in denen ich gescheitert bin, zu einem gewissen Durchblick verhelfen", sagte er einmal.


Während seiner Amtszeit vermochte der Ökonom mit dem Faible für Spieltheorie es indes nicht, einen Kompromiss im Schuldenstreit hinzubekommen. Stattdessen steht sein Land am Abgrund.

Doch für ihn persönlich dürfte der Rückzug aus der Politik weit weniger dramatisch als für sein Volk sein. Gut möglich, dass Varoufakis einfach auf seinen Posten als Wirtschaftsprofessor in Athen zurückkehrt. In Deutschland wird üblicherweise so verfahren, dass die Professur für die Zeit als Abgeordneter bis zur Rückkehr ruht.

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass ihm eine Karriere als viel gebuchter Redner bevorsteht und möglicherweise sogar ein Aufstieg an eine renommierte Universität, die den Promifaktor des umstrittenen Griechen für die Eigenwerbung nutzen möchte.
Bewusst das Scheitern provoziert?

"Ich vermute, dass er in den letzten Monaten seinen Bekanntheitsgrad genügend gesteigert und um Erfahrungen aus dem Politikalltag angereichert hat, um jetzt interessante andere Alternativen in der akademischen Welt zu haben", sagt ein Insider, der sich in der Wissenschaftsszene gut auskennt.

Varoufakis befände sich damit in bester Gesellschaft. Die Liste der Ex-Politiker, die mittlerweile als hoch bezahlte Redner um die Welt tingeln, ist lang. Der britische Premier Tony Blair, Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy und der einstige US-Präsident Bill Clinton – der es zum unangefochtenen Spitzenverdiener der politischen Rednerzunft gebracht hat – gehören genauso dazu wie der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, Österreichs Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer oder der frühere US-Finanzminister Larry Summers, der nach seinem Ausstieg aus der Politik zum Präsidenten der Harvard-Universität aufstieg und als Berater von Hedgefonds Millionensummen verdiente.

Fast könnte man den Eindruck gewinnen, Varoufakis habe bewusst das Scheitern im Amt des griechischen Finanzministers provoziert, um seine akademische Karriere voranzubringen. Varoufakis sei es innerhalb von drei Wochen gelungen, Popstarstatus zu bekommen und zur Kultfigur zu werden, sagte Jorgo Chatzimarkakis, Ex-Ehrenbotschafter der griechischen Regierung, der "Welt".

"Und als solcher kann er für seine Vorlesungen jetzt nicht mehr 1000 Euro sondern 25.000 oder 30.000 Euro verlangen." Für ihn ist das Verhalten vor allem ein taktisches Manöver: "Varoufakis hat das erreicht, was er erreichen wollte, und hat seine Position weidlich ausgenutzt. Zum Glück lässt er nun die Griechen in Ruhe."
Dreißigmal zitiert

Auch in der Wissenschaftswelt ist Varoufakis' Ruf von eher zweifelhafter Natur. Dort gilt die sogenannte Zitationsliste als Maß aller Dinge, also die Aufstellung darüber, wie oft die Artikel eines Ökonomen von anderen zitiert werden. Gemessen an dieser Währung ist Varoufakis' akademischer Wert eher vergleichbar mit der schwachen Drachme denn mit Euro oder Dollar.

Basierend auf der Datenbasis von Thomson, die als Standard gilt, kommt er bis zum heutigen Stichtag auf lediglich 24 verzeichnete Publikationen. Und gerade einmal dreißig in dieser Datenbasis verzeichnete Arbeiten referieren auf einen Aufsatz von Varoufakis. Seine meistzitierte Arbeit, die in Co-Autorenschaft erschien, wurde zwölf Mal zitiert.

Bezeichnenderweise trägt sie den Titel "Toward a theory of solidarity (other-regarding acts and beliefs)" – wirbt also für die Hinwendung zu einer Theorie der Solidarität und ist in einer Zeitschrift mit dem Titel "Erkenntnis" erschienen. Insgesamt sind in der Thomson-Datenbasis drei Arbeiten von Varoufakis mindestens dreimal zitiert.

Zum Vergleich: Die gleiche Datenbasis zeigt für den französischen Nobelpreisträger Jean Tirole 15.056 Zitationen, also 500 Mal so viele. Tirols meistgenannte Arbeit ist in der Wissenschaftswelt 666 Mal zitiert worden.

Der akademische Makel dürfte in seiner jetzigen Lage keine Rolle spielen. Selbst wenn es mit den Aufsätzen und dem Aufstieg in der Wissenschaftswelt weiterhin nicht klappen sollte, kann er sich ganz aufs Bücherschreiben konzentrieren. Seine fünf Monate als Finanzminister taugen auf jeden Fall als Enthüllungsroman.

 
Reformpläne für Griechenland Welches Referendum?

Im Ringen um neue Finanzhilfen setzt Athen offenbar auch auf jene Reformen, die von den Griechen eigentlich abgelehnt wurden. Bei einem entscheidenden Punkt gibt es weiter keine Annäherung.

Euclid Tsakalotos mag zwar auch ein offenes Hemd tragen, doch mit seinem Vorgänger Janis Varoufakis hat er wenig gemein. Fast schon schüchtern wirkt es, als der neue griechische Finanzminister im Kreis der Euro-Finanzminister um die Stühle schleicht und sich endlich setzt.

Dem Mann mit dem traurigen Welpenblick fehlt die Eitelkeit seines Vorgängers. Sein Hemd ist zerknittert, sein Sakko schlabbert lustlos am Körper herab. Auch das Oberlehrerhafte von Varoufakis geht ihm ab. In der folgenden Sitzung soll er seinen 18 Amtskollegen zugehört und auf Nachfragen eingegangen sein, heißt es.

Fotos zeigen seinen Sprechzettel, den er auf dem Briefpapier eines Brüsseler Hotels verfasste. "No Triumphalism" steht darauf geschrieben. Vermutlich wollte er deutlich machen, dass die griechische Regierung trotz des deutlichen Neins im Referendum weiter an einer Lösung arbeite.


Doch wer glaubte, dass Euclid Tsakalotos eine andere Botschaft haben würde als sein am Montag abgetretener Amtsvorgänger, der wurde enttäuscht. "Der Ton war anders als der von Varoufakis", heißt es. "Die Substanz allerdings war dieselbe." Wie schon früher verlangt Griechenland einen Schuldenerlass.


Griechische Banken seit zehn Tagen geschlossen

Viel Spielraum für weitere Forderungen hat Griechenland eigentlich nicht. Das Land steht unmittelbar vor einem finanziellen Abgrund, dessen Boden der Ausschluss aus der Euro-Zone ist. Seit zehn Tagen sind die Banken des Landes geschlossen. Die Griechen stehen vor den Geldautomaten Schlange, um täglich die zulässigen Maximalbeträge abzuheben.


Die Verhandlungspartner stehen nun im Zwang, sich binnen weniger Tage auf ein drittes Rettungsprogramm zu verständigen, wollen sie das Schicksal doch noch wenden. Doch auch das ist komplizierter geworden. Ein neues Programm müsste deutlich umfangreicher werden als vorgesehen. Griechenland wird dieses Jahr den Erwartungen zufolge in die Rezession schlittern.

Auch vor diesem Hintergrund wird mittlerweile offen über den Grexit gesprochen – den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. Mehrere Finanzminister sprachen davon, als sie zu einer Krisensitzung in Brüssel eintrafen. EU-Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis sagte, man wolle einen Grexit verhindern, doch er ergänzte gleichwohl: "Falls jedoch Vertrauen nicht wieder aufgebaut wird, falls es kein glaubwürdiges Reformpaket gibt, kann das nicht ausgeschlossen werden."
"Mein Wille ist, einen Grexit zu verhindern"

Es ist ein Szenario, das die Griechen vermeiden wollen. Am Sonntag hatte eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent gegen Reform- und Sparauflagen gestimmt, die das Land im Tausch gegen Kredite akzeptieren sollte. Doch als ein Votum gegen den Euro wollten Ministerpräsident Alexis Tsipras das Ergebnis nicht verstanden wissen – vielmehr als Stärkung der eigenen Verhandlungsposition.

Am Dienstagmorgen hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor dem Europäischen Parlament in Straßburg erklärt, dass er für Verhandlungen bereit sei. "Mein Wille ist, einen Grexit zu verhindern", sagte er. "Und weil dem so ist, wird die Europäische Kommission sich darum bemühen, dass die Verhandlungen mit Griechenland wieder aufgenommen werden."


Gesprächsbereit sind die Staats- und Regierungschefs, die am Abend zu einem Sondergipfel nach Brüssel eilten. Doch sie mahnten auch Eile an. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, es gehe um Tage nicht um Wochen, um eine Einigung mit Griechenland zu erreichen. "Wir brauchen solche Reformvorschläge so schnell wie möglich – so schnell wie möglich. Und um abzuschließen: so schnell wie möglich", sekundierte François Hollande beim Eintreffen in Brüssel.

Die Kanzlerin und Hollande wollten vor dem Sondergipfel der Euroländer den griechischen Premier Alexis Tsipras in die Zange nehmen. Erst am Vorabend hatten die beiden in Paris über die Griechenland-Krise konferiert. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi war zuversichtlich: Ein Abkommen könne womöglich schon "binnen Stunden" möglich sein.
Tsipras machte entspannten Eindruck

Sollte Tsipras nervös sein angesichts der Lage: Er ließ es nicht erkennen. Als er 17.10 Uhr im Brüsseler Ratsgebäude ankam, da machte er einen sehr entspannten Eindruck. Wie immer im dunklen Anzug und im weißen Hemd schritt er lächelnd an den Kameras vorbei. Zuvor hatte er bereits mit US-Präsident Barack Obama telefoniert. Athen wünsche einen "Überbrückungskredit" von seinen internationalen Geldgebern, teilte er dem um die Weltwirtschaft besorgten US-Präsidenten mit.

Doch neue Vorschläge für Reform- und Sparvorhaben schien Tsipras nicht im Gepäck zu haben. Sein neuer Finanzminister Tsakalotos, der in Brüssel als Verhandlungsführer bei den technischen Gesprächen über ein Reform- und Sparkatalog schon bekannt ist, konnte seinen Amtskollegen nichts Schriftliches präsentieren. Nur mündlich trug er vor.

Sein Vortrag orientierte sich weitgehend an dem, was schon Tsipras vergangene Woche in einem Schreiben an die Vertreter der Troika offerierte. Demnach ist Griechenland weitgehend dazu bereit, die Spar- und Reformauflagen zu akzeptieren, die die Griechen im Referendum mit einem klaren Nein ablehnten.

Die Ausnahmen sind bekannt: So sollen auf den griechischen Inseln weiterhin geringere Mehrwertsteuersätze gelten als auf dem Festland. Eine Zusatzrente für bedürftige Alte soll später als vorgesehen abgeschafft werden. Auch für Restaurants soll ein verminderter Mehrwertsteuersatz gelten.

Kann die EU Griechenland weiter entgegenkommen?

Bis morgen möchte Griechenland das alles in Schriftform fassen und an die Verhandlungspartner schicken. Dann wird der Krisenmarathon in Brüssel weitergehen. Die Euro-Finanzminister würden telefonisch beraten, kündigte Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem an. Um eine kurzfristige Finanzspritze werde es aber in den Gesprächen nicht gehen, sagte der Niederländer, sondern um ein "mittelfristiges" Programm.

Nur ein solches Programm dürfte es der Europäischen Zentralbank erlauben, mit massiven Liquiditätsspritzen Griechenlands Banken vor dem sicheren Zusammenbruch zu retten. Bislang hält die EZB das Niveau der Nothilfe stabil. Das dürfte allerdings nicht ausreichen, um das Finanzchaos dauerhaft abzuwenden – oder gar die Banken wieder zu öffnen.

Die offene Frage ist, ob die Mitgliedstaaten Griechenland weiter entgegen kommen können als bislang. Geht es um einen Schuldenschnitt, schalten viele auf stur. Bundesfinanzminister Wolfang Schäuble sagte, die EU-Verträge würden einen Schuldenverzicht verbieten. Alexander Stubb, Finnlands Finanzminister lehnte einen Schuldenschnitt ab – die fünf Milliarden Euro, für die sein Land hafte, entsprächen doch zehn Prozent des Haushalts.

Die Diskussion über einen Grexit wird in den kommenden Tagen nicht enden. Markus Pieper, CDU-Europaabgeordnete und Sprecher des Mittelstandskreises der EVP-Fraktion fordert die Eurostaaten auf, den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone ohne weitere Verzögerung zu beschließen. "Wenn wir bei unseren Regeln bleiben", sagte er, "wird die Euro-Zone am Ende gestärkt dastehen."
 
"Eigentliches Spiel kommt noch": Varoufakis-Rücktritt war nur die erste Runde

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Der Rücktritt von Yanis Varoufakis war nicht von langer Hand geplant, glaubt Spieltheoretiker Wolfram Elsner von der Universität Bremen. Der Abschied zeige aber, dass Tsipras und Varoufakis fertig mit dem Drohspiel sind. "Jetzt muss aber noch die Gläubigerseite auf das reale Spiel umschalten."

n-tv.de: Sie haben Yanis Varoufakis als Kollegen unter Spieltheoretikern kennengelernt. Hat Sie sein Rücktritt überrascht?

Wolfram Elsner: Eigentlich nicht. Das war nur eine Frage der Zeit, man hat ihn entnervt. Aber als Professor hat er ja noch eine gut-bürgerliche Alternativ-Rolle. Er ist nicht verpflichtet, sich als Dämon durch die europäischen Medien treiben zu lassen. Als Wissenschaftler mit seiner Reputation kann er ein deutlich ruhigeres Leben führen. Andere Politiker müssen manchmal an ihren Stühlen kleben, weil sie keine berufliche Alternative haben.

Was für ein Spiel wurde bei den Verhandlungen der EU-Institutionen mit der griechischen Regierung gespielt?

So wie die Akteure sich seit Februar verhalten, wird hier ein scharfes Konfliktspiel gespielt. Diese Problemsituation ist als Chicken-Game oder Feiglingsspiel bekannt. Das ist wie in den Filmszenen, wo zwei Wagen aufeinander zu fahren. Der, der zuletzt ausweicht ist der Held, der andere der Feigling. Wenn beide draufhalten, landen sie im Krankenhaus oder auf dem Friedhof. In der Griechenlanddiskussion wurde das Chicken-Game bisher fast ausschließlich als Droh-Spiel gespielt. Im vergangenen halben Jahr wurde nichts anderes getan, als Drohkulissen aufzubauen.

Obwohl das eine oder andere Thema auf den Tisch gekommen ist, haben die Parteien bis heute noch nicht mit dem eigentlichen Spiel, wo nach sachlichen Kompromissen gesucht wird und man mit sogenannten gemischten Strategien spielen muss, begonnen. Bei gemischten Strategien wäre sinngemäß mal der eine, mal der andere der Gewinner.

Ist denn nun wenigstens das Drohspiel beendet?

Beide, sowohl Regierungschef Alexis Tsipras als auch Varoufakis haben vergangene Woche gemerkt, dass das Drohspiel an seine Grenzen gekommen ist, jedenfalls auf Seiten der Griechen. Sie haben nicht mehr viel zu drohen, es sei denn, Tsipras würde nach Peking fahren und mit einem zwei- bis dreistelligen Milliardenprogramm an Kredit- und Investitionszusagen zurückkehren.

Als in dem eigentlichen Spiel die verschiedenen realen Themen auf den Tisch gelegt wurden, hat Tsipras so viele rote Linien überschritten, dass es jetzt um seine innenpolitische Existenz ging. Also musste er den Kreis jetzt durchbrechen.

War denn Ihrer Ansicht nach der Rücktritt von Varoufakis Teil des Droh-Spieles? Hatte er als Spieltheoretiker von Anfang an geplant, an einen Punkt zu kommen, wo der Rücktritt der nächste Schritt sein muss?

Das glaube ich nicht. Der Austritt aus einem Spiel ist sehr schwierig vorher zu bestimmen. Genauso wenig glaube ich, dass Herr Tsipras schon vor vier Wochen das Referendum im Sinn hatte. Hier wurde mit Varoufakis der Bad Cop aus dem Verkehr gezogen, vielleicht hat Herr Schäuble ein Ultimatum gestellt. Aber vielleicht wusste Yanis Varoufakis schon, dass er zurücktreten würde, als er das Wort "Terrorismus" verwendete. Da hatte er vielleicht die Nase voll und beschlossen, in seine gut-bürgerliche Alternative mit ihrem hohen Sozialprestige zurückzukehren.

Was wären aus taktischer Sicht die nächsten Schritte für beide Parteien?

Ich glaube, dass Tsipras jetzt kein Interesse mehr am Drohspiel hat. Für den Grexit hat er sich währungstechnisch nicht vorbereitet, also keine Parallelwährung für den Binnenmarkt vorbereitet.

Das Repertoire der Schäuble’schen Seite ist dagegen sicherlich noch nicht ausgeschöpft. Das sieht man daran, dass die EZB vergangene Woche jegliche weitere Kredite gesperrt hat, was, ganz nebenbei, womöglich gegen die Währungsunionsverträge verstößt. Die Botschaft war klar: "Wir können noch ganz anders." Insofern hat die Gläubigerseite überhaupt noch nicht umgeschaltet auf das reale Spiel, auf die Suche nach Kompromissen unter der Maßgabe von leben und leben lassen.

Ich denke, dass es auf der EU-Seite noch mal eine Trotzreaktion geben könnte, nach dem Motto: "Wenn ihr mit 61 Prozent mit "Nein" stimmt, dann zeigen wir euch noch mal richtig, wo der Hammer hängt." Die EZB hat da ja alle Möglichkeiten und sie hat ja bereits die griechischen Banken zu "Ferien" gezwungen.

Was würden Sie jetzt empfehlen? Wie sollte das Spiel weitergehen?

Es sind ja nur noch wenige Tage, bis wir in Griechenland einen kompletten Zusammenbruch und eine humanitären Katastrophe sehen werden. Da können nur noch Frau Merkel und Herr Obama helfen. US-Präsident Obama hat sicher bereits angerufen und deutlich gemacht: "Schlachtet nicht die Kuh, die ihr noch melken wollt. Und ich brauche Griechenland übrigens als Flugzeugträger in Richtung Naher Osten." Jede Bank weiß: "Wenn Du noch wenigstens einen Teil Deiner Kredite von einem notleidenden Unternehmen zurück haben willst, darfst Du es nicht ganz zerstören." Auch Staaten wie Argentinien haben Schuldenschnitte von 80, 90 Prozent erhalten, hier reden wir von 30 bis 40 Prozent.

Kehrt Varoufakis irgendwann zurück in die Politik?

Nein. Varoufakis wird sicherlich Berater der Athener Regierung bleiben. Er wird jetzt aber genug zu tun haben, die weltweiten Einladungen von Think Tanks und Universitäten anzunehmen. Damit ist er ausgelastet. Ich hoffe, dass meine European Association for Evolutionary Political Economy (EAEPE) die Erste ist, die ihn kriegt und das er an der Jahreskonferenz in Genua als Diskutant auf dem Podium teilnehmen wird. Er war ja jahrelang Mitglied der EAEPE. Bei diesen Auftritten kann er dann auch die Frustration der letzten Wochen und Monate abarbeiten.

Sie nehmen ihn also gerne wieder in den Kreis der Wissenschaftler auf?

(lacht) Definitiv! Herr Varoufakis ist ein charismatischer Mensch, keine Frage, aber er ist nicht der Dämon, als der er dargestellt wurde. Er hat eines der besten spieltheoretischen Lehrbücher geschrieben und er hat in den vergangenen Jahren sehr solide Papiere zur Währungsunion und zur Finanzkrise erstellt.

Also sehen wir ihn dann vielleicht eher mal bei Verleihung eines Wirtschaftsnobelpreises wieder?

Der Wirtschaftsnobelpreis ist ja sehr stark an die "Mainstreamer", an die neoliberalen und neoklassischen Ökonomen gebunden, den wird er wahrscheinlich nicht kriegen. Aber andere Preise sind durchaus drin.

In jedem Fall haben wir jetzt alle ein neues Bild von Wirtschaftsprofessoren, besonders von Spieltheoretikern. Haben Sie denn auch ein Motorrad?

(lacht) Nein. War immer mal ein Traum. Ist aber nie Realität geworden.

 
Neue Fronten in Griechenland-Krise: Norden und Osten drängen Athen zum Grexit

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In der Griechenland-Krise weht Athen aus der EU ein eisiger Wind entgegen. Die feindselige Stimmung kommt vor allem aus Nord- und Osteuropa. Die Osteuropäer entwickeln dabei ein neues Selbstbewusstsein.


Seit Jahren hat die CSU die Forderung nach einer Stimmrechtsgewichtung in der Europäischen Zentralbank wie ein Mantra vor sich her getragen: Statt der Stimmengleichheit von kleinen und großen Euro-Staaten müsse Deutschland mehr Einfluss haben, weil es für mehr Geld hafte. Hintergrund war das Gefühl, dass die "Südachse" aus Frankreich, Spanien, Portugal, Italien und Griechenland im Verbund mit Belgien oder Irland mutmaßlich ihre Linie im EZB-Rat durchdrücken konnte. Umso erstaunlicher ist die neue Frontlage in der Griechenland-Krise. Der Euro-Sondergipfel am Dienstag hat gezeigt, dass plötzlich das Lager der Haushaltssanierer die Oberhand in der Debatte hat und Deutschland sich in einer Mittellage unter den 19 Euro-Mitgliedern wiederfindet.

Die größte Härte gegen Griechenlands Linksaußen-Regierung kam aus Nord- und Osteuropa. Früher hatten sich die kleinen Länder und selbst die Niederlande oder Finnland gerne hinter Deutschland versteckt. Die großen Schlachten um die Euro-Rettungspakete wurden zwischen Berlin und Paris geschlagen. Aber seit einigen Wochen ist das anders: Vor wichtigen Euro-Treffen kommen die härtesten Äußerungen von den Nord- und Osteuropäern. Als etwa der slowakische Finanzminister Peter Kazimir vor wenigen Tagen in Brüssel gefragt wurde, was er vom Auftritt des damaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis erwarte, antwortete er spöttisch: "Was schon? Dasselbe wie immer - Belehrungen."
Osteuropäer fühlen sich provoziert

Ein Grund für das veränderte Verhalten ist, dass die griechische Regierung die Nerven der Partner strapaziert. Selbst Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi flehte am Dienstag, das möge der letzte Sondergipfel gewesen sein - nun steht aber schon am Sonntag das nächste Treffen in Brüssel ins Haus. Die dauernden Krisentreffen wegen der Finanzprobleme eines Zehn-Millionen-Volkes sorgen für Verärgerung in der ganzen Euro-Zone. Aber gerade die Osteuropäer fühlen sich provoziert: Wenn Ministerpräsident Alexis Tsipras von der "Würde" redet, die durch eine Einmischung der Euro-Partner mit Füßen getreten werde, geraten etwa Balten oder Slowaken in Wallung. Sie haben Reformprogramme hinter sich, die der Bevölkerung harte Einsparungen zugemutet haben. Und von Athen aus über das Wesen der Demokratie belehrt zu werden, ist für diejenigen Völker schwer zu ertragen, die sich ihre Freiheit von der Sowjetunion erkämpft haben.

Ein zweiter Grund ist, dass die Osteuropäer in den EU-Strukturen angekommen sind: Die Ernennung des früheren polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk zum EU-Ratspräsidenten wurde erst belächelt. Westliche Medien beschäftigten sich mehr mit seinen Englisch-Kenntnissen als damit, dass er an einer mächtigen Position andere Ansichten als die Vertreter des "Alten Europas" einbringt. Spürbar ist das sowohl in der Russland- als auch der Euro-Politik. Denn Tusk hat sich mit auch in Berlin umstrittenen Entscheidungen als eigener Spieler etabliert.

Dazu kommt die Personalpolitik von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, die zwar umstritten ist, aber bemerkenswerte Effekte zeigt: Denn der Luxemburger hat etwa den Letten Valdis Dombrovskis zum stellvertretenden Kommissionspräsidenten für den Euro ernannt - und damit quasi zum Chef des französischen Finanzkommissars Pierre Moscovici. Anfangs wurde dies belächelt, weil der geltungsbewusste Sozialist aus Frankreich im internen Machtkampf als klarer Sieger galt. Aber mittlerweile genießt Moscovici nach Angaben von EU-Diplomaten keinen besonders guten Ruf mehr in Brüssel - und Juncker kann je nach Bedarf seine Macht zur Unterstützung des Letten oder des Franzosen lenken. Das scheint selbst die Ratsmitglieder in der Europäischen Zentralbank zu beflügeln. So meldete sich der Lette Ilmars Rimsevics am Dienstag zu Wort und meinte, die Griechen hätten sich am Sonntag aus dem Euro gestimmt.
Erstaunlicher Wandel

Ein weiterer Faktor ist, dass die Osteuropäer und Deutschland noch breitere Unterstützung haben: Auch etliche der klassischen "weichen" Länder sind plötzlich hart geworden, weil sie selbst schmerzhafte Reformen hinter sich haben. Dazu gehören Spanien und Portugal. Dort wächst die Verärgerung, dass die griechische Regierung Zugeständnisse verlangt, die ihnen selbst nie gewährt wurden. Bessere Bedingungen für Athen würden etwa in Spanien sofort die Frage aufwerfen, ob dies dort nicht auch möglich wäre. Das wäre Wasser auf den Mühlen der Oppositionspartei Podemos, die sich der linken Syriza-Regierung in Athen nahe fühlt.

Der Wandel ist erstaunlich und dürfte am Dienstagabend auch Tsipras beeindruckt haben. Ebenso wie Frankreichs Präsident Francois Hollande musste ihm Merkel angesichts der feindseligen Stimmung der Nord- und Osteuropäer fast mitfühlend erscheinen. Dombrovskis hatte schon vor dem Gipfel gesagt: "Wenn es kein Vertrauen im Raum und kein glaubwürdiges Angebot gibt, dann muss man über den Grexit diskutieren." Jedes triumphale Gefühl wegen des Referendums dürfte Tsipras deshalb in der Runde der 19 Euro-Staaten verloren haben. Am Ende sagte Merkel nüchtern, der Spielraum für den Griechen sei durch die Volksabstimmung offenbar nicht größer, sondern kleiner geworden.
 
Linke Podemos mit Stimmzuwachs: Griechenlands "Nein" hat Signalwirkung auf Spanien



Die Tragweite des griechischen "Nein" zu den Sparauflagen ihrer Geldgeber ist weit über die Landesgrenzen hinweg spürbar. Besonders für Spanien hat das Ergebnis Signalwirkung: Dort kämpft die linke Partei Podemos wie Syriza für eine lockerere Sparpolitik. In der Wählergunst ist sie so mit den etablierten Parteien fast gleichgezogen. Der spanische Premierminister Mariano Rajoy zeigt sich besorgt.
 
"Haben das Recht, Nein zu sagen": Union tut sich mit Griechen-Hilfe schwer

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Einem möglichen dritten Hilfspaket für Griechenland muss der Bundestag zustimmen. Doch dort ist die Stimmung alles anderes als euphorisch. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, heißt es sinngemäß.


Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfte es schwer haben, ein drittes Griechenland-Hilfspaket in ihrer Fraktion durchzusetzen, denn dort formiert sich Widerstand. "Die Griechen haben das Recht, Nein zu sagen, und jetzt haben wir das Recht, ebenfalls Nein zu sagen", sagte der stellvertretende Unionsfraktionschef Hans-Peter Friedrich (CSU) der "Rheinischen Post" mit Blick auf Athens Forderung nach einem dritten Hilfspaket. Er kenne keinen einzigen Kollegen in seiner Fraktion, der eine Basis für ein drittes Hilfspaket sehe, sagte Friedrich.

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl machte sich für einen Schuldenschnitt für Athen stark, um eine Grexit zu erleichtern. "Griechenland muss raus aus dem Euro", sagte Uhl der "Bild"-Zeitung. "Mit allem anderen tun wir den Griechen keinen Gefallen", fügte der CSU-Politiker hinzu. Er habe "erhebliche Zweifel, dass die Griechen ihre Schulden jemals zurückzahlen können oder wollen". Ein Schuldenerlass könne deshalb nur mit einem Grexit passieren. Merkel schloss einen Schuldenschnitt für Griechenland aus, da dies nach EU-Recht verboten sei.

Der Chef der Mittelstandsvereinigung der CDU, Carsten Linnemann, formulierte grundlegende Veränderungen als Bedingung für weitere Hilfen. "Ohne einen Strategiewechsel hin zu einer Staateninsolvenzordnung kann ich weiteren Hilfen nicht zustimmen", sagte Linnemann der "Rheinischen Post". Solange es keine politische Union gebe, brauche Europa eine Insolvenzordnung, in der es entweder um die Sanierung zahlungsunfähiger Staaten oder um deren Austritt aus der Währungsunion gehe.
Griechen müssen liefern

Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder hatten Griechenland am Mittwochabend ein drittes Hilfspaket in Aussicht gestellt. Kanzlerin Merkel sagte anschließend: "Wir brauchen jetzt ein drittes Hilfsprogramm." Es müsse langfristig angelegt an und über das hinausgehen, was bislang besprochen worden sei. "Im Grunde führen wir jetzt die Diskussion über ein drittes Hilfsprogramm", sagte die CDU-Chefin. Verhandlungen über ein weiteres Hilfsprogramm müsste jedoch auch der Bundestag zustimmen. Dies könnte in einer Sondersitzung geschehen. Aber Voraussetzung dafür wäre wohl, dass das griechische Parlament sich zuvor zu Reformen bekannt hat.
Ökonomen empfehlen den Schuldenschnitt

Fünf renommierte Ökonomen, darunter der frühere Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Heiner Flassbeck, und Experten aus Oxford und Harvard, riefen Merkel dennoch auf, einer wesentlichen Verringerung der griechischen Schuldenlast zuzustimmen. In einem offenen Brief, den das US-Magazin "The Nation" veröffentlichte, forderten sie eine Kurskorrektur der Gläubiger, "um ein weiteres Desaster zu verhindern".

Demgegenüber hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angekündigt: "Wir haben ein detailliertes 'Grexit'-Szenario erstellt." Griechenland müsse bis Freitagmorgen 8.30 Uhr liefern, davon hänge das weitere Engagement der EZB ab. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras kündigte bereits an, "die Krise endgültig lösen" zu wollen: Das Verfahren solle bis Ende der Woche abgeschlossen sein. Der neue griechische Vorschlag sei sozial gerecht und wirtschaftlich tragbar.

Die Finanzminister der Euro-Zone wollen EU-Vertretern zufolge an diesem Samstag über die griechischen Reformvorschläge beraten, die bis dahin vorliegen sollen.
 
Grexit-Szenario steht: Griechenland bleiben noch fünf Tage

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Noch bis Sonntag bekommt Griechenland Zeit, seine europäischen Geldgeber von neuen Hilfen zu überzeugen. Steht dann keine Einigung, droht der "Grexit". Ein Sondergipfel am Sonntag soll die Lösung bringen.

Für einen Kompromiss im Streit über die griechische Schuldenkrise bekommt Athen von seinen europäischen Partnern nur noch fünf Tage Zeit. "Die endgültige Frist endet diese Woche", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk nach knapp vierstündigen Gipfelberatungen am Dienstag in Brüssel.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte einen Sondergipfel aller 28 EU-Mitgliedstaaten für Sonntag an. Für den Fall, dass auch dieser keine Lösung bringt, wird in den Brüsseler Institutionen offenbar schon ein "Grexit"-Szenario durchgespielt. Die Europartner erwarten nach Worten Merkels, dass die griechische Regierung bis spätestens Donnerstag Vorschläge macht, wie genau ein Hilfsprogramm des Euro-Rettungsschirms ESM aussehen könne. Bisher seien die Voraussetzungen für die Aufnahme von Verhandlungen über ein solches Rettungsprogramm nicht gegeben.

Die EU-Kommission ist nach Angaben ihres Präsidenten auf alle Szenarien vorbereitet. "Wir haben ein Grexit-Szenario im Detail ausgearbeitet", sagte Juncker. "Wir haben ein Szenario, was die humanitäre Hilfe angeht. Und wir haben ein Szenario - und das ist auch mein Lieblingsplan - mit dem wir dem Problem Herr werden könnten und Griechenland im Euro-Währungsgebiet bleibt." Juncker betonte, er sei gegen ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro. Allerdings müsse Athen dafür Reformen zusagen und umsetzen.

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras habe sich verpflichtet, einen neuen Antrag auf ESM-Hilfen zu stellen, sagte der polnische EU-Ratspräsident und Gipfelchef Donald Tusk. Dieses Ersuchen würden die anderen Euro-Staaten dann "dringlich prüfen". Einen von Athen verlangten erneuten Schuldenerlass lehnen die Euro-Staaten bisher mehrheitlich ab.
"Schwarzes Szenario" denkbar

Damit Griechenland nicht schon im Juli unter seiner Schuldenlast zusammenbricht, ist laut EU-Diplomaten ein Überbrückungskredit im Gespräch. Dieser könnte die Zeit bis zu einem dritten Hilfspaket überbrücken. Ein Betrag hierfür sei bisher nicht bekannt, hieß es. Eine Brückenfinanzierung habe beim EU-Sondergipfel aber so gut wie keine Rolle gespielt, sagte Merkel nach dem Gipfel. Es müsse zuerst eine längerfristige Perspektive geben, bevor man bereit sei, über kurzfristige Mechanismen zu reden.

Das zweite und bislang letzte Hilfsprogramm ist Ende Juni ausgelaufen, nicht abgerufene Milliardenhilfen verfielen. Die Athener Regierung wolle bis Donnerstag detaillierte Reformvorschläge machen, sagte Tusk. Diese wären als Gegenleistung für mögliche Finanzhilfen zu verstehen. Konkrete Reform- und Sparzusagen gelten als unabdingbare Voraussetzung für Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm.

Tusk zufolge ist auch humanitäre Hilfe für notleidende Menschen in dem Krisenland denkbar. "Für uns ist es wichtig, die Meinung der (EU-)Kollegen über eine mögliche humanitäre Hilfe für Griechenland zu hören, wenn sie denn notwendig werden sollte", sagte er. Ein sogenanntes "schwarzes Szenario", also den Austritt Griechenlands aus der Eurozone, schloss Tusk in seiner Beschreibung der Lage nicht aus.

Dem Vernehmen nach hatte Tsipras den Staats- und Regierungschefs in Brüssel Vorschläge präsentiert, die auf Plänen der Geldgeber von Ende Juni aufbauen. Dazu gehören eine Renten- und Mehrwertsteuerreform sowie eine Luxussteuer. Tsipras wolle "die Krise endgültig lösen". Der griechische Vorschlag sei sozial gerecht und wirtschaftlich tragbar.

 
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