Griechenland Grexit NEWS: Pokernacht in Brüssel: "Grexit auf Zeit" ist vom Tisch

Seibert zu Griechenlands Votum: "Die Bundesregierung bleibt gesprächsbereit"



Regierungssprecher Steffen Seibert tritt nach dem griechischen Referendum vor die Presse. Die Bundesregierung nehme das klare Nein-Votum zur Kenntnis und respektiere es. Doch eine Verhandlungsbasis über weiter Hilfskredite sei zurzeit nicht gegeben.

 
Reaktionen aus Paris, Rom, London: Franzosen betrachten Referendum als Fußtritt



Die Griechen entscheiden sich in einem Refrendum gegen weitere Sparauflagen. Ein Austritt des Landes aus der Eurozone wird damit immer wahrscheinlicher. Nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen europäischen Hauptstädten überschlagen sich die Reaktionen. Reporter aus Rom, Paris und London geben einen Eindruck vom europäischen Stimmungsbild.
 
Mit Stinkefinger und Motorrad: Varoufakis bleibt im kollektiven Gedächtnis



Um Konventionen schert er sich wenig: Griechenlands scheidender Finanzminister Yanis Varoufakis. Eine lange Amtszeit bleibt ihm nicht vergönnt, im Gedächtnis bleibt er trotzdem. Mit Motorrad und lässiger Kleidung mischte er den Politbetrieb auf und sorgte mit seinen Provokationen in Richtung Geldgeber für Schlagzeilen. Unvergessen bleibt vor allem ein vermeintlicher "Stinkefinger"-Auftritt.

 
Griechenland-Krise: Fresenius liefert nicht mehr alle Medikamente

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Fresenius beliefert Griechenland nur noch mit Medikamenten, zu denen es für die Patienten keine ausreichenden Alternativen gibt. Der Gesundheitskonzern reagiert damit auf die dramatische Finanzlage des Euro-Landes.


Der Gesundheitskonzern Fresenius hat wegen der angespannten Finanzlage Griechenlands den Verkauf einiger Medikamente in das südosteuropäische Land eingestellt. Standard-Produkte wie Kochsalz-Lösungen würden schon seit März nicht mehr nach Griechenland geliefert, sagte ein Sprecher des Dax-Unternehmens. Diese Produkte würden auch von mehreren griechischen Produzenten hergestellt - die Versorgung der Patienten vor Ort bleibe somit sichergestellt.

"Produkte, zu denen es für die Patienten keine ausreichenden Alternativen gibt, liefern wir weiter nach Griechenland - allerdings ausschließlich über einen griechischen Distributionspartner", fügte der Sprecher hinzu. Dadurch sei das Risiko für Fresenius geringer als bei einem direkten Verkauf an griechische Krankenhäuser und andere staatliche Einrichtungen.

Die deutschen Pharmakonzerne Merck, Boehringer Ingelheim und Bayer liefern ebenfalls weiter Medikamente nach Griechenland, wie Sprecher der Unternehmen betonten. Die Griechen haben die Sparanforderungen ihrer Geldgeber am Sonntag in einem Referendum deutlich zurückgewiesen, womit ein Ausscheiden des Landes aus dem Euro-Raum wahrscheinlicher wird. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat vor diesem Hintergrund ein "humanitäres Hilfsprogramm" gefordert, damit die Griechen weiterhin Zugang zu überlebenswichtigen Medikamenten haben.

Fresenius und andere Pharmakonzerne haben mit Griechenland bereits in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht. Anfang des Jahrzehnts beglich die griechische Regierung offene Rechnungen durch die Ausgabe von Anleihen. Im Rahmen des Schuldenschnitts 2012 mussten Fresenius und andere Unternehmen dann Teile ihrer Forderungen aufgeben. Zuletzt sei Fresenius für Lieferungen nach Griechenland regelmäßig bezahlt worden, aber meist mit beträchtlichem Verzug, sagte Konzernchef Ulf Schneider kürzlich. "Konkret heißt das so um die neun Monate."

 
Eine Amtszeit der scharfen Töne: Varoufakis' provokanteste Sprüche

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Yanis Varoufakis ist ein Provokateur - der griechische Finanzminister ist er nicht mehr. Trotzdem hat er es innerhalb von nur 260 Tagen geschafft, im kollektiven europäischen Gedächtnis zu bleiben. Und das liegt auch an seinen markigen Sprüchen. N-tv.de hat seine umstrittensten Statements zusammengefasst:

29. Januar: "Wir sind für einen bescheidenen Lebensstil", sagte Varoufakis bei seiner ersten Pressekonferenz als griechischer Finanzminister. "Wir glauben nicht, dass Entwicklung gleichbedeutend ist mit einer Zunahme von Porsche Cayenne in den engen Straßen unserer Städte, mit Müll an den Stränden und CO2 in der Atmosphäre."

5. Februar: "Wir sind uns nicht einmal einig, dass wir uns uneinig sind", sagte Varoufakis nach einem Treffen mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Berlin.

8. Februar: "Der Austritt Griechenlands aus dem Euro ist für uns keine Perspektive, ganz einfach weil wir denken, dass Europa zerbrechlich ist", sagte Varoufakis dem italienischen Rundfunksender RAI. "Es ist wie bei einem Kartenhaus: Wenn Sie die griechische Karte rausziehen, stürzten auch die anderen ein."

11. Februar: Für Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel fand Varoufakis im "Stern"-Interview überraschend lobende Worte: "Wolfgang Schäuble ist vermutlich der einzige europäische Politiker mit intellektueller Substanz", so der Grieche. "Angela Merkel ist die mit Abstand scharfsinnigste Politikerin in Europa."

25. Februar: Weniger freundlich dann diese Warnung an Schäuble und die anderen Euro-Finanzminister in der französischen Satirezeitung "Charlie Hebdo": "Wenn Ihr denkt, Ihr tut gut daran, fortschrittliche Regierungen wie unsere zur Strecke zu bringen, dann macht Euch auf das Schlimmste gefasst."

27. Februar: Eine Reformliste aus Athen war schwammig formuliert - und Varoufakis lobte sich und seine Regierung dafür. "Wir sind stolz auf das Niveau der Ungenauigkeit", sagte er dem griechischen Sender Antenna TV. Denn mit dieser "produktiven Ungenauigkeit" sei eine Zustimmung der Europartner leichter zu erreichen.

15. März: In der ARD-Sendung "Günther Jauch" sprach Varoufakis mit Blick auf die Finanznöte seines Landes von "unbedeutenden kleinen Liquiditätsproblemen". Noch am selben Tag reagierte er auf einen Bericht der "Bild"-Zeitung über seinen angeblich bevorstehenden Rücktritt: "Es ist eine Ehre, dass 'Bild' versucht, mir zu schaden", sagte er der griechischen Nachrichtenagentur ANA. "Je mehr sie es machen, umso besser schlafe ich nachts."

3. Juli: "Wir haben ein sehr schlechtes Regierungssystem in Europa", kritisierte Varoufakis im britischen Sender BBC. "Das ist keine gute Art, eine Währungsunion zu führen. Das ist eine Parodie. Es ist ein Theater der Fehler seit nunmehr fünf Jahren." Die EU-Sanierungsauflagen an Athen würden als "das größte Scheitern der Wirtschaftsgeschichte" in Erinnerung bleiben.

4. Juli: "Was sie mit Griechenland machen, hat einen Namen - Terrorismus", kritisierte Varoufakis die Gläubiger vor dem Referendum in der spanischen Zeitung "El Mundo". "Warum haben sie uns gezwungen, die Banken zu schließen? Um Angst unter den Leuten zu schüren. Und das Phänomen, Angst unter den Menschen zu verbreiten, nennt man Terrorismus."

6. Juli: Nach seinem Rücktritt schrieb Varoufakis auf seinem Internet-Blog, einige Mitglieder der Eurogruppe hätten ihm klar gemacht, dass sie ihn nicht mehr bei ihren Treffen haben wollten. "Ich werde die Abscheu der Gläubiger mit Stolz tragen."

 
Personalkarussel in Athen: Chefunterhändler Tsakalotos folgt Varoufakis

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Die griechischen Banken bleiben auch in den nächsten Tagen geschlossen. Neuer Finanzminister wird Euklides Tsakalotos. Er hat bereits Erfahrung als Athens Chefunterhändler in den Gesprächen mit den Kreditgebern.


Die griechischen Banken sollen offenbar für mindestens zwei Tage bis Mittwochabend geschlossen bleiben. Wie zwei Regierungsvertreter sagten, wird die Regierung im Laufe des Tages ein Dekret beschließen, das die Zwangsschließung der Geldhäuser verlängert. Bankenvertreter sollen im Laufe des Tages vom Finanzminister über die Verlängerung der Bankenschließungen informiert werden.

Der Nachfolger im griechischen Finanzamt steht fest: Es übernimmt Euklides Tsakalotos. Dies erklärte das Präsidialamt in Athen. Tsakalotos war zuletzt Chefunterhändler in den Gesprächen mit den Gläubigern und löst damit Yanis Varoufakis ab, der kurz zuvor zurückgetreten war. Der 55-jährige Syriza-Politiker werde noch am Montagabend vereidigt, teilte die griechische Präsidentschaft in Athen mit. Bei den Verhandlungen mit den internationalen Gläubigern aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds über die griechischen Schulden hatte der Wirtschaftsprofessor zuletzt als "Koordinator" fungiert.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte dem Nachfolger Varoufakis' schwierige Zeiten vorausgesagt. Wer immer das werde, er werde in der "nicht einfachen" Situation sein, mit seinen Kollegen aus den anderen Euro-Länder eine Lösung im Schuldenstreit zu finden. Schäuble setzt darauf, dass der griechische Minister am Dienstag seinen Kollegen aus den anderen Euro-Ländern neue Vorschläge vorlegt. Noch könne er dazu aber nichts sagen. "Wir können einen Vorschlag nicht kommentieren, den wir nicht kennen, den wir (...) nicht bekommen haben", sagte er.

Varoufakis hatte als Grund für seinen Rücktritt genannt, dass er den Weg freimachen wolle für eine Verhandlungslösung mit der Euro-Zone und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). In den praktischen Verhandlungen mit den Geldgebern spielte Varoufakis schon seit Monaten keine entscheidende Rolle mehr. Er hatte vor allem mit heftigen Angriffen auf die Gläubiger von sich reden gemacht und diesen noch am Samstag "Terrorismus" und "Erpressung" vorgeworfen.

 
Schwan zum Umgang mit Syriza: "Die Spitze der Sozialdemokratie hat versagt"

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Die SPD-Politikerin Gesine Schwan geht mit der Bundesregierung hart ins Gericht: Schäuble habe Syriza von Anfang an scheitern lassen wollen. Sie spart auch nicht mit Kritik an der eigenen Partei - und fordert eine Umschuldung.


Gesine Schwan hat den SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel wegen seiner Äußerungen zur griechischen Schuldenkrise angegriffen. Gabriel hatte Montagmittag gesagt, eine Umschuldung des Krisenstaats sei nur am Ende des Reformprozesses denkbar, nicht zu Beginn. "Das ist doch völlig unsinnig", sagte Schwan am Montagabend in "Das Duell bei n-tv" (Thema: "Oxi – Tsipras jubelt, muss Merkel neu verhandeln?"), "diese Reformen sind nötig, um zugleich Investitionen zu ermöglichen. Wenn die Umschuldung am Ende kommt, kommen die Investitionen vorher nicht."

Sie könne sich nicht vorstellen, dass Gabriel einen solchen Vorschlag wirklich gemacht habe, so Schwan. "Vielleicht ist er falsch verstanden worden", mutmaßte sie.

Syriza "nicht bekloppt"

"Wir haben hier in Deutschland zum Teil kleinkarierte politische Positionen", sagte Schwan. Von Anfang an, so Schwans Vorwurf, habe die Bundesregierung versucht, die "Chaostruppe" Syriza zu diskreditieren. Diese Strategie sei mit dem "Nein" der griechischen Bevölkerung im Referendum am Sonntag gescheitert. "Man kann alles Mögliche über diese Regierung (die Syriza, Anmerkung der Redaktion) sagen, aber bekloppt sind die nicht", sagte Schwan. Auch hier kritisierte sie Parteichef Gabriel: Die Spitze der Sozialdemokratie habe im Umgang mit Syriza versagt, so Schwan.

Schwans Gesprächspartner Stephan-Andreas Casdorff mochte sich nicht so sehr über das Ergebnis des Referendums freuen. "Es kann nicht sein, dass zehn Millionen Griechen darüber bestimmen, was 300 Millionen Europäer zu denken haben", sagte der Chefredakteur des "Tagesspiegel". Wenn sich die griechische Regierung um Alexis Tsipras "nicht weiter auf Europa zubewegt und ein Angebot macht, dass die Eurogruppe nicht ablehnen kann, dann wird es einen Grexit geben", so Casdorff. Dies aber würde nicht weniger als eine "Bankrotterklärung für die politische Idee Europas" bedeuten.

Schwan setzte sich im letzten "Duell" vor der Sommerpause vehement für die Umschuldung Griechenlands ein. Das diese Schulden erst in Jahrzehnten bezahlt werden würden, focht die Politikberaterin nicht an: "Die Deutschen haben ihre letzte Rate der Schulden vom Ersten Weltkrieg in diesem Frühjahr gezahlt", sagte sie.

Merkels Zaudern

Casdorff gab zu Bedenken, dass sich Kanzlerin Angela Merkel in Fragen einer Umschuldung oder sogar eines Schuldenschnitts noch nie selbst positioniert habe, obwohl andere Regierungsmitglieder betonen, Griechenland dürfe nicht aus dem Schuldendienst entlassen werden. "Sie hat bisher noch nicht gesagt: Ich bin gegen einen Schuldenschnitt. Sie hat bisher noch nicht gesagt: Das geht alles nicht mehr. Sie hat gar nichts gesagt. Sie hat es sagen lassen", so Casdorff. Die Kanzlerin halte sich nach wie vor alle Optionen offen.
 
Griechenland vor dem Euro-Gipfel: Merkel und Hollande halten die Tür offen

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Bei der Suche nach einem Ausweg aus der Griechen-Krise gelten sie als wichtige Akteure. Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande zeigen sich vor dem Euro-Sondergipfel einig - sie wollen endlich von Tsipras hören, wie es weitergehen soll.


Deutschland und Frankreich machen der griechischen Regierung Druck bei der Suche nach einer Lösung für die Finanzkrise. Kanzlerin Angela Merkel und Staatschef François Hollande fordern von Athen rasche Vorschläge zum Umgang mit der Schuldenkrise. "Wir sagen sehr deutlich, dass die Tür für Gespräche offen bleibt", sagte Merkel im Élyséepalast. Beim Euro-Sondergipfel am morgigen Dienstag in Brüssel müsse der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras aber sagen, "wie es weitergehen soll" und "präzise" Vorschläge vorlegen. "Hierbei drängt die Zeit", mahnte Merkel.

Griechenland könne - wie bereits in der Vergangenheit - mit der Solidarität der Europäer rechnen, müsse aber zugleich seine "eigene Verantwortung" wahrnehmen, sagte die Kanzlerin weiter. Zugleich betonte sie, dass die Voraussetzungen für den Eintritt in Verhandlungen zu einem konkreten Hilfsprogramm-Programm "zur Zeit nicht gegeben" seien.

Hollande äußerte sich ähnlich wie Merkel. Er forderte von Tsipras "ernsthafte und glaubwürdige Vorschläge, damit dieser Wille, in der Eurozone zu bleiben, in einem langfristigen Programm zum Ausdruck kommt".
Banken bleiben bis Mittwoch zu

Die Europäische Zentralbank kündigte an, ungeachtet der angespannten Lage die Notkredite für griechische Banken vorerst nicht ausweiten zu wollen. Derweil bleiben die Banken des Krisenstaates für mindestens zwei weitere Tage bis Mittwochabend geschlossen. Wegen des schweren Liquiditätsproblems gelten seit vergangener Woche sogenannte Kapitalverkehrskontrollen. Pro Konto können täglich höchstens 60 Euro abgehoben werden.

In Athen sagte Varoufakis zu seinem Rücktritt, dieser Schritt könne Tsipras vielleicht helfen, eine Vereinbarung mit den Geldgebern zu erzielen. "Aus diesem Grund verlasse ich das Finanzministerium heute." Am Abend wurde der bisherige Vize-Außenminister Euklides Tsakalotos als neuer Finanzminister benannt. Tsakalotos hatte seit April auf griechischer Seite die Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern geführt. Bei der Volksabstimmung über die Sparvorgaben der Gläubiger hatten am Sonntag 61,31 Prozent der Wähler mit "Nein" und 38,69 Prozent mit "Ja" votiert. Tspiras verlangte nach diesem Ergebnis Zugeständnisse der Gläubiger. Er betonte in einer Fernsehansprache aber auch, sein Land sei zu Reformen bereit.
Hoffnung auch in Paris, Rom und Wien

Nach Ansicht der Bundesregierung muss nun erkundet werden, wie den griechischen Bürgern zu helfen wäre. "Bei alledem wird es sehr darauf ankommen, welche Vorschläge die griechische Regierung auf den Tisch legt", sagte Merkels Sprecher Steffen Seibert. Auch die Regierungen in Paris, Rom und Wien sowie die Euro-Finanzminister insgesamt forderten von Athen frische Ansätze zur Lösung der Krise.

Der französische Ressortchef Michel Sapin signalisierte Bereitschaft, über eine Verminderung der griechischen Schuldenlast zu verhandeln. Der deutsche Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel verlangte mehr Bewegung von Athen. "Wenn Griechenland im Euro bleiben will, muss die griechische Regierung schnell ein substanzielles Angebot machen, das über ihre bisherige Bereitschaft hinausgeht", forderte Gabriel in Berlin.

Der slowakische Finanzminister Peter Kazimir warnte davor, dass Athen aufgrund des Referendums nun "leichter an Geld komme". Auch Estland, Lettland und Litauen äußerten sich kritisch. Fünf Stunden vor dem Sondergipfel in Brüssel sollen sich dort auch die Euro-Finanzminister treffen. Sie können die EU-Kommission beauftragen, mit Athen über ein neues Hilfsprogramm zu verhandeln.

"Falls alle Seiten ernsthaft arbeiten, ist es möglich, eine Lösung in dieser sehr komplizierten Lage zu finden", sagte der für den Euro verantwortliche Kommissionsvizechef Valdis Dombrovskis in Brüssel. Der Euro machte am Tag nach dem griechischen Referendum erste Kursverluste rasch und fast vollständig wieder wett.

 
Griechische Banken länger zu: EZB verlängert Notfall-Hilfen

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Die Europäische Zentralbank (EZB) hält die Notkredite für griechische Banken auf dem aktuellen Stand von knapp 90 Milliarden Euro. Derweil bleiben die Banken im Krisenstaat mindestens bis Mittwochabend weiter geschlossen.


Die Europäische Zentralbank (EZB) hält auch nach dem "Nein" der Griechen zu den jüngsten Rettungsangeboten der Gläubiger die Notfall-Hilfen an Hellas-Geldhäuser vorerst aufrecht. Der EZB-Rat beließ allerdings die Obergrenze für die sogenannten ELA-Notkredite auf dem Niveau vom 26. Juni, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte.

Insidern zufolge liegt der Rahmen für die Liquiditätshilfen damit weiterhin bei knapp 90 Milliarden Euro. Ohne die ELA-Kredite droht den Instituten das Geld auszugehen, da Unternehmen und Privatleute wegen der Unsicherheit, ob das Land im Euro bleiben kann, massiv ihre Konten leergeräumt haben.

Der EZB-Rat beschloss zudem, den Sicherheitsabschlag auf die Pfänder anzupassen, die die Institute für den Erhalt der Notkredite einsetzen. Einzelheiten dazu teilten die Währungshüter nicht mit. "Die finanzielle Situation der hellenischen Republik hat Auswirkungen auf die griechischen Banken, denn die Pfänder, die sie für ELA einsetzen, bestehen in erheblichem Ausmaß auf staatsgebundenen Titeln", so die EZB.

ELA-Hilfen werden gegen Sicherheiten von der Athener Notenbank vergeben - über die Gewährung beschließt aber der EZB-Rat. Die EZB teilte zudem mit, die Lage an den Finanzmärkten genau zu beobachten. Der EZB-Rat sei entschlossen, alle Instrumente innerhalb seines Mandats einzusetzen.
Banken bleiben länger geschlossen

Derweil bleiben die Banken im Krisenstaat mindestens bis Mittwochabend weiter geschlossen. Wie die Präsidentin des Bankenverbandes, Louka Katseli, mitteilte, wurde die seit gut einer Woche geltende Regelung um zwei Tage verlängert. Dies habe der Rechnungshof auf einer Sitzung unter dem Vorsitz des stellvertretenden Finanzministers Dimitris Mardas beschlossen.

Danach dürfen die Griechen weiterhin maximal 60 Euro am Tag an den Geldautomaten von ihren Konten abheben. Die bisher geltenden Kapitalverkehrskontrollen waren Anfang voriger Woche in Kraft getreten und sollten am Montagabend auslaufen. Überweisungen ins Ausland sind nur nach einer Genehmigung der Zentralbank möglich. Rentner, die keine Bankkarten haben, können in der Woche höchstens 120 Euro abheben. Ausländische Touristen sind von den Einschränkungen nicht betroffen.

Die griechische Regierung hatte die Kapitalverkehrskontrollen eingeführt, nachdem die Bankkunden aufgrund der unsicheren Finanzlage Milliardenbeträge von ihren Konten abgehoben und damit die Liquidität der Geldhäuser praktisch erschöpft hatten. Die griechischen Banken können Auszahlungen nur vornehmen, da sie Notkredite von der EZB erhalten.
 
Nach dem Referendum: "Griechenland hat sich nicht kaputt gespart"

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Wie geht es weiter mit Griechenland? Unionsfraktionsvize Ralph Brinkhaus sieht nun die griechische Regierung am Zug. Im Interview mit n-tv.de sagt er: Einen Referendums-Rabatt gibt es für die Griechen nicht.

n-tv.de: Wie bewerten Sie das Nein der Griechen beim Referendum?


Ralph Brinkhaus: Wir hätten ein knapperes Rennen erwartet, aber die Abstimmung ist sehr eindeutig ausgefallen. Das Problem ist damit nur größer geworden. Bei Griechenland galt für uns immer: Hilfe gegen Reformen. Nicht als Selbstzweck, sondern weil wir glauben, dass Griechenland sich nur so nachhaltig erholen kann. Sonst wäre jede Hilfe ein Fass ohne Boden.

In der Union gab es zuletzt schon sehr viele Abgeordnete, die die Finanzhilfen für Griechenland kritisiert haben. Wie ist die Stimmung in der Fraktion nach dem Referendum?

Die Stimmung ist nicht anders als vorher. Die Entscheidung der griechischen Regierung, aus dem zweiten Hilfspaket auszusteigen, ist ja bereits gefallen. Jeder weiß: Alles, was jetzt kommt, muss völlig neu aufgesetzt werden. Selbst die Verhandlungen über einen ESM-Antrag müssten vom Bundestag genehmigt werden.

Wie muss die EU auf das Ergebnis des Referendums reagieren?

Der Ball liegt bei Griechenland. Es gab immer das Angebot, gegen Reformen weitere Hilfen zu bekommen. Das ist abgelehnt worden. Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem Griechenland entscheiden muss, was es will. Wenn die griechische Regierung nicht bereit ist, Reformmaßnahmen auf den Weg zu bringen, gibt es keine weiteren Hilfspakete.


Was muss die griechische Regierung jetzt machen?

Die Griechen müssen in Vorleistung gehen und Vertrauen aufbauen. Das geht nur, indem sie liefern. Es macht überhaupt keinen Sinn, nur auf der Basis von Versprechen zu verhandeln. Selbst von den Reformen, die die griechische Regierung in Brüssel akzeptiert hätte, ist bisher nichts umgesetzt worden. Die Regierung Tsipras sollte jetzt damit beginnen, ihr Steuersystem und ihre Verwaltungsstrukturen zu verbessern sowie den Militäretat zu kürzen. Wenn sie das Pensionssystem nicht reformieren will, muss sie Alternativen aufzeigen. Stattdessen erklärt die griechische Regierung aber immer nur, was sie nicht machen will. Letztlich fordert sie damit von der EU: Ihr müsst mit der Sparpolitik aufhören und uns das Geld geben, damit wir unser altes Leben weiterleben können.

Kann man einen Staat, der sich schon so kaputt gespart hat, zu noch schärferen Sparmaßnahmen zwingen?

Griechenland hat sich nicht kaputt gespart. Die wirtschaftliche Bilanz der Regierung Samaras war zwar nicht gut, aber auch nicht so schlecht. Es gab Verbesserungen im Bereich der Primärüberschüsse und im Bereich des Außenhandelsdefizites. Doch dieser Kurs ist abgebrochen worden, und die Regierung Tsipras hat sogar einige Dinge zurückgedreht: Die Beschäftigung im öffentlichen Dienst ist erhöht worden, Fernsehsender wurden wieder eröffnet. Auch beim Eintreiben von Steuern besteht allein angesichts von 70 Milliarden Euro ausstehender Steuerzahlungen noch erheblicher Spielraum.

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis ist heute Morgen zurückgetreten. Hilft das in dieser vertrackten Lage?

Es steht mir nicht zu, zu beurteilen, wen die Griechen in ihrer Regierung haben sollten. Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Varoufakis in den vergangenen fünf Monaten mehr Zeit damit verbracht hätte, die griechische Steuerverwaltung zu verbessern, statt Interviews zu geben. Der Rücktritt ist seine Entscheidung. An der Sache wird das nichts ändern. Für die Griechen gibt es infolge des Referendums keinen Rabatt. Das Nein kann auch nicht heißen, dass die EU sich weiter bewegen muss. Schließlich muss sich jeder der 28 EU-Staaten beziehungsweise der 19 Staaten der Eurozone an die Regeln halten und kann nicht vollständig infrage stellen, was die Vorgängerregierungen auf den Weg gebracht haben.

Wie könnte ein geordneter Übergang für Griechenland aussehen?

Darüber will ich gar nicht spekulieren. Griechenland ist Euroland. Die griechische Regierung hat auch erklärt, dass sie im Euro bleiben möchte. Das hat auch das Referendum nicht infrage gestellt, ganz im Gegenteil. Daher stellt sich für mich erstmal die Frage: Was passiert mit den Banken und wie verhindert man, dass zu viel Bargeld abgehoben wird? Hier ist die EZB in ihrer Aufsichtsfunktion gefragt.

Wie groß ist die Ansteckungsgefahr für die Eurozone?

Eines muss man bedenken: Wir reden bei Griechenland über zwei Prozent der Wirtschaftsleistung der Eurozone. Es gibt viele Probleme, die für die Zukunft der EU wichtiger sind: Fragen der inneren und äußeren Sicherheit, Flüchtlinge, Klimawandel. Wir haben uns in letzter Zeit zu viel mit Griechenland beschäftigt. Jetzt ist es an der Zeit, dass wir uns wieder den drängenderen Fragen der europäischen Zukunft zuwenden.

 
"Man sollte Austritt ermöglichen": Wirtschaftsexperten zeichnen düsteres Bild für Griechenland


Es steht schlecht um Griechenland: Der Grexit naht, die Wirtschaft des Landes steht vor einer tiefen Depression und dem Bankensystem droht der Kollaps. Schwere Zeiten stehen der Eurozone bevor. Der Widerstand der deutschen Wirtschaft gegen weitere Zugeständnisse an die griechische Regierung wächst.

 
Sechs Dinge, gelernt in Griechenland: Varoufakis reitet und Rentner bangen

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Während ein zurückgetretener Finanzminister davonbraust, fürchten Rentner um ihr Erspartes. Auf dem Platz des Weinens feiern glückliche Menschen ihr "Nein". Griechenland ist voller Widersprüche.

1. Varoufakis ist tatsächlich ein Rockstar

Das muss man Yanis Varoufakis lassen: Er weiß sich in Szene zu setzen. Vor dem Finanzministerium warten Dutzende Journalisten und Passanten. Inmitten dieses Rummels werde Varoufakis nach seinem Rücktritt ein Statement abgeben, heißt es. Vor dem Eingang parkt ein blauer Mercedes-Dienstwagen, schon in die Jahre gekommen. Und darin wird er davonfahren?

Von wegen. Varoufakis verlässt das Finanzministerium durch den Hinterausgang. Fotografen, Kameraleute und Reporter sprinten los, umlagern ihn. Varoufakis schwingt sich auf seine Yamaha, setzt den Helm auf, gibt Gas und braust mit einer Frau auf dem Rücksitz davon. Und verschwindet in Richtung Horizont. Nur der Sonnenuntergang fehlt.

2. Ein klares Nein kann glücklich machen

Es ist einfach, alles besser zu wissen. Und es ist einfach, den anderen stets zu sagen, dass sie sich irrten; dass sie Leuten vertrauen, die gar nicht aus eigener Kraft halten können, was sie versprochen haben - Leuten wie Ministerpräsident Alexis Tsipras.

Wer am späten Samstagabend bei der Syriza-Party auf der Plateia Klafthmonos im Zentrum Athens vorbeigeschaut hat, der hat glückliche Menschen gesehen. Und das ausgerechnet an einem Ort, der ins Deutsche übersetzt Platz des Weinens, des Klagens heißt. Sie waren jung, laut, fröhlich und zuversichtlich. Sie klatschten zur Musik, sie tanzten und sie feierten, dass sie Nein gesagt hatten zu dem, was sie Spardiktat nennen. In vielen Gesprächen haben sie das immer wieder betont, wie wichtig ihnen das ist, davon gesprochen, stolz darauf zu sein, den Gläubigern die Stirn geboten zu haben. Wer mag da entgegnen, dass sich dies schnell als ein Triumph des Augenblicks erweisen könnte?

3. Empathie ist kein deutsches Wort

Kurz nach neun Uhr an einem Sommermorgen in Süden Athens. Ein alter, nach vorn gebeugter Mann geht langsam mit kleinen Schritten vorüber. Seinen Blick hat er fest auf die drei Geldscheine gerichtet, die er in seinen faltigen Händen hält. Er zittert ein wenig. Zwei Fünfziger ein Zwanziger. Das muss für eine Woche reichen, mehr dürfen Rentner nicht abheben. Vor der Bankfiliale drängen sich alte Leute, einige umklammern ihr blaues Sparbuch ganz fest. Fassungslosigkeit in ihren Gesichtern. Das macht einen unsagbar traurig.

4. Die Griechen sind ein stolzes Völkchen

Wie oft haben wir das in den vergangenen Wochen gehört? Wir wissen es nicht. Wer mit einer Griechin oder einem Griechen über sein Land spricht, der merkt schnell, dass sie und er es mögen - bis sie es dann auch explizit sagen. "Wir sind stolz auf unser Land. Und wir sind stolz, Griechen zu sein." Dabei haben sie kein Problem damit, zuzugeben, dass in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel schiefgelaufen ist; der eine mehr, der andere weniger. Das sagen sie zumindest.

Was sie aber nicht haben können ist das Gefühl, nicht ernst genommen, gegängelt und bevormundet zu werden. Wer nach Gründen sucht, warum das Plebiszit am Sonntag so deutlich zugunsten der Neinsager ausgefallen ist, der könnte einen darin finden, dass die Griechen ein verdammt stolzes Völkchen sind.

5. Griechenland ist Teil Europas

"Dieser Kontinent hat seinen Namen von uns", sagt eine Demonstrantin auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament. Sie will bei dem Referendum mit "Nein" stimmen - wie die große Mehrheit der Griechen das dann auch machen wird. Das sei kein Bekenntnis gegen Europa. "Wir gehören aber zusammen", ruft sie.

Egal, ob Gegner oder Anhänger des Regierungskurses: Die Griechen sehen sich als Teil Europas. Ihr Land, das die Kultur dieses Kontinents so stark geprägt hat, steht innerhalb Europas isoliert da. Das ist bizarr.

6. Es gibt eine absurde Seite der Krise

Das, was gerade in Griechenland passiert, ist nicht lustig. Aber absurd ist es bisweilen schon. Der öffentliche Nahverkehr in Athen zum Beispiel funktioniert noch. Weil die Griechen aber kaum noch Geld haben, dürfen sie fahren, ohne dafür zu bezahlen. Freundlicherweise gilt das auch für die Touristen.

Nun gibt es - wo sollen sie auch hin? - am Flughafen, an einigen Bushaltestellen und in den U-Bahnhöfen Schalter, an denen es Fahrkarten gibt. Das ist nichts originär Griechisches, obwohl sie es wie so vieles andere - Demokratie! Philosophie! Mathematik! Mit-Otto-Rehhagel-Fußball-Europameister-werden! - bestimmt erfunden haben. Nun sitzen seit jeher Menschen an diesen Schaltern, die die Tickets verkaufen. Und tun es immer noch - nur, dass sie keine mehr verkaufen, weil alles umsonst ist.

Also sitzen sie dort und sagen jedem, der es wissen will, dass niemand sie braucht, weil es für sie nichts mehr zu tun gibt.


 
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