Der NSU Prozess !

270. Verhandlungstag: Die dubiose Rolle der Schlapphüte !

Schon der Auftritt eines Brandenburger Verfassungsschützers als Zeuge war merkwürdig.
Nun sagt die Nebenklage: Der Mann hat falsch ausgesagt.
Die Rolle des Verfassungsschutzes wird immer dubioser.
Opferanwälte vermuten, dass letztlich staatliche Stellen die Taten des NSU mit ermöglichten.

Mehrere Untersuchungsausschüsse im Bund und in den Ländern versuchen gegenwärtig Licht ins Dunkel rund um den NSU zu bringen.
Im Fokus stehen dabei auch mehr als vier Jahre nach dem Auffliegen der Terrorzelle weiterhin Deutschlands Verfassungsschützer.
Dieser Verhandlungstag im Prozess hat gezeigt: Zu Recht.
Dass der Brandenburger Verfassungsschutz nicht ausreichend kooperierte, als er 1998 Hinweise hatte, wer die untergetauchten Rechtsterroristen unterstützte, ist schon länger bekannt.
Einige Opferanwälte sind nun sicher: Den Verfassungsschützern in Potsdam war der Schutz eines V-Mannes wichtiger, als die Ergreifung von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe. Fazit der Nebenklage-Anwälte: Staatliche Stellen haben das Morden des NSU mit ermöglicht.
Ein eigentlich unglaublicher Vorwurf.
Im NSU-Prozess hat er nun niemanden überrascht.

Verfassungsschutz mauert
Auch dass der damals zuständige Quellenführer des Brandenburger Verfassungsschutzes als Zeuge im Verfahren bewusst die Unwahrheit gesagt und damit auf gut Deutsch schlicht gelogen haben soll, erscheint einem als Beobachter nach fast drei Jahren Prozess, sehr gut vorstellbar.
Wer sich mit dem NSU-Komplex auseinandersetzt, traut dem Verfassungsschutz in den Disziplinen Vertuschen und Verschleiern mittlerweile ziemlich viel zu.
In Thüringen wurde das NSU-Umfeld über den Spitzellohn für V-Mann Tino Brandt querfinanziert und in Hessen behinderte das Landesamt die Mordermittlungen im Fall Yozgat, bekam dafür noch grünes Licht vom dortigen Innenministerium.
Da passen die Vorwürfe gegen den Verfassungsschutz in Brandenburg ins Bild.
Genau wie andere Behörden vor ihnen mauern nun auch die zuständigen Stellen in Potsdam bei der Aufklärung, verweigern die Herausgabe von Akten an die Prozessbeteiligten.
Die Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern haben noch viel zu tun.


 
271. Verhandlungstag: Zschäpe lässt weitere Antworten verlesen !

Zum dritten Mal äußerte sich Beate Zschäpe heute in Form einer schriftlichen Erklärung.
Erneut beschrieb sie sich als Mitläuferin, die nur eine untergeordnete Rolle spielte.
Harte Fakten gab es nur wenige.


Bundesanwalt Herbert Diemer gab sich nach den erneuten Einlassungen von Beate Zschäpe betont zurückhaltend.
Viele harte Fakten zum Konfrontieren waren allerdings in den Antworten der Hauptangeklagten nicht enthalten.

Zschäpe "redet" zum dritten Mal
Zschäpe machte zum mittlerweile dritten Mal Angaben zur Sache.
Wieder nur schriftlich. Die Rolle des Vorlesers hatte diesmal ihr Wahlverteidiger Herrmann Borchert.
Was der dann gute zwanzig Minuten im Namen seiner Mandantin vortrug, lag inhaltlich auf der Linie der vorherigen Erklärungen.

Im untergetauchten Neonazitrio war Zschäpe, ihren eigenen Angaben zufolge, eher eine Mitläuferin, hatte eine untergeordnete Rolle.
Von Uwe Böhnhardt, mit dem sie nach ihren Schilderungen auch im Untergrund zusammen war und den sie liebte, sei sie zwischen 1998 und 2001 mehrfach geschlagen worden, ließ Zschäpe nun im Prozess verlesen.
Böhnhardt habe sie zum Beispiel verprügelt, als sie sich über eine offen herumliegende Pistole beschwerte oder weil sie einen Internetzugang in der Wohnung wollte.

Tatsächlich nichts gewusst?
In einer vorherigen Erklärung hatte Zschäpe eingeräumt, nach dem Auffliegen der Terrorzelle 2011 das Bekennervideo des NSU verschickt zu haben.
Dass es in dem Film auch um die von Mundlos und Böhnhardt begangenen Morde ging, will Zschäpe nicht gewusst haben.
Kann das stimmen?
Man weiß von Morden, soll einen Bekennerfilm verschicken und denkt dass es nur um die Raubüberfälle nicht aber um die Morde geht?
Nebenklageanwalt Walter Martinek zweifelt:


Welche Rolle spielte Andre E.?
So ging es vielen Zuhörern und auch das ist eine Parallele zu den vorherigen Zschäpe-Erklärungen.
Sie machte nun auch erneut Angaben zur Rolle des Mitangeklagten Andre E. Dass der Neonazi und seine Ehefrau das Trio in dessen Zwickauer Wohnung regelmäßig besuchten und es auch am Tag des Auffliegens des NSU noch ein Treffen zwischen Andre E. und Zschäpe gab, war schon bekannt.

Jetzt ließ Beate Zschäpe auch durch ihren Anwalt erklären, dass Andre E. und seine Frau wussten, dass sich das Trio durch Raubüberfälle finanzierte.
Von den Morden Anschlägen soll das Ehepaar aber keine Kenntnis gehabt haben.
Die Antworten Zschäpes könnten den Prozessbeteiligten vor allem interessante Schlussfolgerungen ermöglichen.

Gleichberechtigt oder untergeordnet?
Stand sie in der Hierarchie des Trios wirklich ganz unten?
In ihren Antworten beschrieb sie zum Beispiel, wie Mundlos, Böhnhardt und sie selbst gemeinsam entschieden, den Freund Andre E. ins Vertrauen zu ziehen, ihm von den Überfällen zu berichten.
Das klingt eher nach einer gleichberechtigten als nach einer untergeordneten Rolle Zschäpes.

Opferanwalt Stephan Lucas.


Der Prozess wird morgen fortgesetzt und es könnte kein guter Tag für Zschäpe werden.
Thema: Eine DVD aus der letzten NSU-Wohnung.
Darauf zu sehen: Fernsehberichte über den Kölner Nagelbombenanschlag.
Einem aktuellen BKA-Bericht zufolge wurden die Aufzeichnungen manuell gemacht und zwar nur wenige Stunden nach der Explosion.
Das macht es unwahrscheinlich, dass Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos auf den Aufnahmeknopf drückten.
Bediente Zschäpe den Videorekorder?
Das lässt sich mit dem BKA-Bericht nicht zweifelsfrei belegen.


 
Kölner Nagelbombenanschlag erneut Thema im NSU-Prozess !

München - Im Münchner NSU-Prozess geht es heute erneut um den Kölner Nagelbombenanschlag vom Juni 2004.

Als Zeugin ist eine BKA-Ermittlerin der Einsatzgruppe Trio geladen.

Das Oberlandesgericht will außerdem Zeugen zu zwei Überfällen des NSU befragen.
Hauptangeklagte ist Beate Zschäpe.
Sie muss sich als mutmaßliche Mittäterin für alle NSU-Verbrechen verantworten.
Dazu gehören neben zwei Bombenanschlägen in Köln zehn überwiegend rassistisch motivierte Morde.


 
272. Verhandlungstag: Zeugen über Zeugen - wie lange noch?

Viele Zeugen im NSU-Prozess reisen viele Stunden nach München zum Prozess, um dann nur wenige Minuten befragt zu werden.
So ging es auch einem Mann, der einen Überfall der NSU-Terroristen beobachtet hatte.

Der Zeuge B. konnte sich nach 15 Jahren an viele Dinge nicht mehr erinnern.
Im Zeugenstand des NSU-Prozesses in München berichtete er: "Aus Richtung Max-Planck-Straße kam jemand gerannt.
Irgendjemand anderer rief: Überfall!
Da war der andere schon verschwunden."
An jenem Tag ging alles sehr schnell, und die meisten Erinnerungen B.‘s sind längst verblasst.

Vier Stunden Anreise für neun Minuten
Auch die heutige Befragung des Zeugen B. ging sehr schnell.
Nach neun Minuten hatte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl keine Fragen mehr, die anderen Prozessbeteiligten auch nicht. B. durfte wieder nach Hause fahren.
Vier Stunden Anreise für neun Minuten, in denen der 67-jährige Rede und Antwort stand: Das ist schon vielen Zeugen im NSU-Prozess passiert.
Die wichtigsten Fragen zu den zehn Morden des NSU sind inzwischen aufgearbeitet, die wichtigsten Zeugen wurden gehört.
Derzeit befindet sich das Verfahren vor dem Münchner Oberlandesgericht in der Endphase der Beweisaufnahme, es geht um die Aufarbeitung der weiteren Straftaten des NSU, also die zahlreichen Raubüberfälle von Mundlos und Böhnhardt auf Bank- und Postfilialen.

Zeuge B. hatte bereits einen Tag nach dem Überfall auf die Postfiliale in Eisenach bei der Polizei eine Aussage gemacht.
Doch um diese in die Hauptverhandlung, also das derzeit laufende Strafverfahren gegen Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte einzuführen, muss B. - wie die anderen Zeugen auch - seine Aussage vor Gericht wiederholen.
"Wann endlich?"

Beobachter fragen sich, wann im NSU-Prozess die Beweisaufnahme beendet sein wird.
Und es schwingt oft ein "wann endlich" mit, angesichts von bald 300 Verhandlungstagen.
Was kommt danach?
Die Plädoyers der Bundesanwaltschaft, der Verteidiger, der Nebenkläger.
Darin geht es um die jeweilige Bewertung von Schuld und Strafe.

Verhandlungstage bis Januar 2017
Und wann fällt das Urteil im NSU-Prozess?
Vor der Sommerpause?
Wohl kaum!
Im Herbst?
Vielleicht.
Ein Indiz, das aber nichts heißen muss, sind die weiteren Verhandlungstage.
Sie wurden festgelegt bis Ende Januar 2017!
Das Mammutverfahren hätte dann fast vier Jahre gedauert.
Neun Minuten sind nichts dagegen.





272 Verhandlungstag: Wer drückte auf "Record" ?

Zeichnete Beate Zschäpe im Juni 2004 Fernsehberichte über den Nagelbombenanschlag in Köln auf?
Das erscheint nach diesem Verhandlungstag zwar gut möglich, ist aber keinesfalls zweifelsfrei belegt.

Die Kriminalbeamtin Jeanette P. wollte es ganz genau wissen.
Die Ermittlerin des Bundeskriminalamts wertete in den vergangenen Monaten akribisch und mit vielen Nachforschungen eine DVD aus, die im November 2011 im Brandschutt in der Zwickauer Frühlingsstraße gefunden wurde - dort wo das untergetauchte Neonazi-Trio zuletzt lebte.
Auf der DVD sind mitgeschnittene Fernsehberichte, über den Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstrasse am 9. Juni 2004.
Aufgezeichnet wurden unter Anderem Berichte des WDR und von n-tv, die am Tag des Anschlags ausgestrahlt wurden.
Sie habe sich die DVD auch vor dem Hintergrund der Aussage von Beate Zschäpe im Prozess jetzt noch einmal angeschaut, erklärte Ermittlerin Jeanette P. nun als Zeugin.
Zschäpe hatte erklären lassen, von dem Kölner Anschlag im Vorfeld nichts gewusst zu haben.

Zschäpe-Aussage auf dem Prüfstand
Die ersten Fernsehberichte auf der DVD wurden den Ermittlungen der Zeugin zufolge bereits zwei Stunden nach dem Anschlag aufgezeichnet.
Da konnten die mutmaßlichen Bombenleger Mundlos und Böhnhardt noch nicht wieder in Zwickau sein, wo das Trio auch damals lebte.
War es also Zschäpe, die die Aufzeichnungen gemacht hat?
Das erscheint zwar gut möglich, lässt sich aber nicht zweifelsfrei belegen.

Die Voraussetzungen für einen Mitschnitt waren in der damaligen Wohnung des Trios gegeben, so Ermittlerin Jeanette P.
Der Videorekorder mit dem aufgezeichnet wurde, fehlt aber.
Ob die Mitschnitte also überhaupt in der Zwickauer Wohnung des Trios gemacht wurden, ist nicht klar.
Die Einlassungen seiner Mandantin vom Nagelbombenanschlag nicht im Vorfeld gewusst zu haben, seien durch die Aussagen der BKA-Beamtin nicht widerlegt, erklärte Zschäpe-Verteidiger Mathias Grasel im Prozess.
Dass Zschäpe die Fernsehberichte mitgeschnitten hat, ist für Grasel "nur eine von vielen theoretischen Möglichkeiten."

Wohlleben fordert Prozessaussetzung
Die geplante Vernehmung einer weiteren Polizistin als Zeugin führte wenig später zu einem Eklat.
Die Beamtin sollte zu einem T-Shirt aussagen, das in der Wohnung des Angeklagten Wohlleben gefunden wurde und dessen Aufdruck möglicherweise Rückschlüsse auf die politische Einstellung Wohllebens erlaubt.
Auf dem T-Shirt ist offenbar ein Bild des Konzentrationslagers Ausschwitz unter dem Aufdruck "Eisenbahnromantik" zu sehen.
Die Verteidiger Wohllebens widersprachen allerdings der Befragung der Polizisten und stellten Anträge auf Aussetzung des Prozesses sowie eine Abtrennung des Verfahrens gegen ihren Mandanten.

Die Wohlleben-Anwälte begründeten die Anträge damit, dass die Bundesanwaltschaft relevante Informationen zurückgehalten habe und mit der Einführung des T-Shirts in den Prozess versuche Stimmung gegen den Ex-NPD-Funktionär Wohlleben zu machen.
Die Bundesanwaltschaft wies das zurück.
Das Gericht muss nun über die Anträge entscheiden. Sie gelten als aussichtslos.

Der NSU-Prozess soll nach der Osterpause am 5. April fortgesetzt werden.


 
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TV-Kritik "Hart aber fair": NSU-Opferanwalt - "Alle diese Leute könnten noch leben" !

Zehn Jahre liegt der letzte Mord des rechtsextremen NSU zurück.
Seit drei Jahren läuft der Prozess gegen die Hauptverdächtige Beate Zschäpe und mutmaßliche Helfer in München.
Bei Frank Plasberg diskutierte eine interessant besetzte Runde, ob man die Morde des Terror-Trios hätte verhindern können?
Waren die Ermittler auf dem rechten Auge blind?

Das Thema NSU-Morde ist hochbrisant – gerade, weil viele Dinge immer noch nicht endgültig geklärt sind.
Bei "Hart aber fair" im Anschluss an den ARD-Film "Die Opfer - Vergesst mich nicht" gab es zwei Lesarten.
Die erste: Die Behörden ermittelten in alle Richtungen, nur leider ohne Ergebnis, da die Täter sehr professionell gearbeitet haben und es Ermittlungspannen gab.
Dieser Meinung war Günther Beckstein (CSU), in dessen Amtszeit als bayerischer Innenminister fünf NSU-Morde fallen.

Die zweite Lesart ist deutlich weniger schmeichelhaft für die Behörden: Das Terror-Trio konnte über Jahre hinweg unerkannt morden, weil die Ermittler nicht nur unfähig, sondern auch nicht willens waren, ernsthaft in Richtung Rechtsextremismus zu ermitteln.
Diese Meinung hat Thomas Bliwier, der die Familie des ermordeten Halit Yozgat im NSU-Prozess vertritt.
Der 2006 21 Jahre alte Yozgat war in Kassel in seinem Internetcafé erschossen worden, weshalb sich Bliwiers Kritik nicht immer an den damaligen bayerischen Innenminister Beckstein richtete.
Zündstoff hatten seine Aussagen trotzdem reichlich: Der Verfassungsschutz sei seit 1998 aktiv an der Gründung und Finanzierung des NSU beteiligt gewesen.
Und habe somit von Anfang an gewusst, was dort passiert.
Auch ein bayerischer Verfassungsschützer sei dabei gewesen.
Verschiedene Landesämter seien sogar konkret vor einem mordenden Trio gewarnt worden - noch während der Serie.
Hätte die Behörde solche Informationen rechtzeitig freigegeben, könnten "alle ermordeten Menschen noch leben."

"Polizisten müssen das als Hohn empfinden"
Beckstein verteidigte sich: 150 Polizisten hätten zu Hochzeiten an den Mordfällen ermittelt, sehr intensiv, auch am Wochenende.
"Die müssen es als Hohn empfinden, wenn man sie als Mittäter darstellt."
Für Annette Ramelsberger, Gerichtsreporterin im NSU-Prozess, führte nicht gezieltes Wegschauen zum Versagen der Aufklärer, sondern vielmehr Inkompetenz: Vor Gericht gab es "Verfassungsschützer aus Thüringen, die sagen, wir hatten doch unsere V-Leute im Griff."
Insgesamt gäbe es "viel Versagen, das nicht eingestanden wird."
Und eine Abwehrhaltung der Ermittler von damals.

Es waren interessante Einblicke in den Prozess.
Eine Klärung der Fakten, das wurde schnell klar, kann in einer Talkshow unmöglich gelingen - es gelingt ja noch nicht mal zufriedenstellend in dem viele Monate andauernden Gerichtsprozess.
Beckstein verteidigte sich fast schon kleinlaut, aber konsequent gegen die umfangreichen Vorwürfe von Opfer-Anwalt Bliwier.
Zum Beispiel gegen die Aussage, der hessische Verfassungsschutz-Mitarbeiter, der beim Mord in Kassel nachweislich vor Ort war, sei nach Meinung der Polizei entweder Mitwisser oder Täter.

Diese und ähnliche Vorwürfe seien "bewusst unwahr", so Beckstein.
Den besagten Mitarbeiter hätte man bei den Ermittlungen "gegrillt".

Witwe des Opfers konfrontiert
Aussage gegen Aussage also. Weiterführender war schon, dass Plasberg die verheerende Wirkung der falschen Ermittlungsrichtung auf das Umfeld der Opfer herausarbeitete: Dass die Witwe des ermordeten Enver Şimşek mit einer erfundenen Geliebten konfrontiert wurde, um ihr Informationen zu entlocken.
Das behauptet die Familie und das zeigt auch der ARD-Film.

Dass dieses Vorgehen sowohl rechtlich als auch moralisch verboten ist, darüber zeigte sich die Talk-Runde einig.

All das habe bei den Betroffenen und dem Umfeld zu Misstrauen geführt, sagte Meral Sahin, Vorsitzende der Interessengemeinschaft Keupstraße, dem Ort des Kölner Nagelbomben-Anschlags.
"Misstrauen gegenüber den Behörden, aber auch gegenüber den Nachbarn."
Eigentlich sei man im Viertel von einem rechtsextremen Hintergrund überzeugt gewesen.
Doch Gedanken, ob an der Mafia-Theorie der Polizei etwas dran sei, habe es dennoch gegeben.

Was tun, damit so etwas nicht wieder passiert – angesichts 372 vorbestrafter Rechtsextremer, die sich zurzeit erfolgreich vor der Polizei verstecken?
Sozialarbeiter Thomas Mücke, der mit jungen Nazis wie Islamisten zusammenarbeitet, sieht die einzige Chance in der Prävention.
"Eltern, die bei ihren Kindern etwas bemerken, sollten sich sofort Hilfe holen."
Mittlerweile gebe es zum Glück entsprechende Programme.
Hätte man das NSU-Trio rechtzeitig verhaftet, sagte er, hätte das insgesamt kaum geholfen.
"Die hätten sich im Regelfall im Gefängnis weiter radikalisiert."
Und dann vielleicht nach der Entlassung weiter gemordet.


 
Bericht: NSU-Terrorist Mundlos arbeitete in Firma von V-Mann !

Berlin - Der NSU-Terrorist Uwe Mundlos soll nach einem Medienbericht zeitgleich zum Beginn der Neonazi-Mordserie für die Firma eines Informanten des Verfassungsschutzes gearbeitet haben.

Mundlos sei unter einer Tarnidentität in den Jahren 2000 bis 2002 als Vorarbeiter eines Bauunternehmens im sächsischen Zwickau eingesetzt gewesen, berichtet ein Welt-Autorenteam um Stefan Aust in der ARD-Dokumentation Der NSU-Komplex.

Der Inhaber der Firma, der Neonazi Ralf Marschner, habe damals als Spitzel des Verfassungsschutzes berichtet.


 
273. Verhandlungstag: Anträge, Unterbrechungen und Fragen !

Eigentlich sollten im NSU-Prozess Führungsfiguren aus der Rotlicht- und Unterweltszene vernommen werden.
Doch dazu kam es nicht.
Die Verteidigung des mutmaßlichen Terrorhelfers Wohlleben stoppte den Prozess bis zur kommenden Woche.

Eigentlich war heute ein Zeuge aus der Rotlicht- und Unterweltszene im NSU-Prozess geladen, der zum Thema Bewaffnung von Neonazis in Jena befragt werden sollte.
Aber so weit kam es erst gar nicht.
Denn schon kurz nach dem Start der Verhandlung am Morgen begann ein juristisches Hickhack.
Grund: der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hatte einige Anträge der Verteidigung Wohlleben abgelehnt.
Die Anwälte des wegen Beihilfe zum Mord angeklagten Ralf Wohlleben hatten unter anderem die Einstellung des Verfahrens gegen ihren Mandanten sowie Einsicht in bestimmte Akten gefordert
Immer wieder kam es zu Unterbrechungen.

Schriftliche Fragen an Beate Zschäpe
Nach der Mittagspause wandte sich der Vorsitzende Richter direkt an die Hauptangeklagte: "An sie Frau Zschäpe habe ich noch einige Fragen."
Daraufhin diktierte Richter Götzl Zschäpes Verteidigern neun Fragen.
Darunter zum Beispiel, ob der Mitangeklagte im NSU-Prozess Holger G. von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt über die Taten informiert worden war.
Oder auch ob das Trio nach deren Untertauchen G. weiterhin getroffen hätten.
Die unter anderem wegen der Mittäterschaft an 10 Morden angeklagte Zschäpe beantwortet die Fragen des Gerichts bisher nur schriftlich.
Wann mit ihren Antworten zu rechnen ist, ist offen.
Die Verhandlung wird am kommenden Dienstag fortgesetzt.





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Zehn Jahre und keine Aufklärung !

Zwei Jahrestage überschatteten diesen Verhandlungstag im NSU-Prozess.
Zehn Jahre nach den Morden an Mehmet Kubasik und Halit Yozgat warten deren Angehörige weiter auf umfassende Aufklärung.

Die Angehörigen der Mordopfer kommen nur noch sehr selten in den Saal A 101 des Münchner Strafjustizzentrums.
Der Weg ist für die Meisten weit und das Verhalten von Beate Zschäpe empfinden sie als unerträglich.
Heute saßen gleich mehrere Opferangehörige wieder in den Sitzreihen der Nebenklage, nur ein paar Meter von Zschäpe entfernt.

Im Saal war auch Elif Kubasik. Zehn Jahre ist es nun her, dass ihr Mann Mehmet in seinem Kiosk in Dortmund erschossen wurde – am 4. April 2006.
Zwei Tage später schlugen die Mörder wieder zu. In Kassel erschossen sie Halit Yozgat in seinem Internetcafe.
Wenige Meter von dem Sterbenden entfernt, saß ein hessischer Verfassungsschützer.
Von dem Mord will er nichts mitbekommen haben.
Seine Zeugenauftritte im Prozess waren unglaubwürdig und der hessische Verfassungsschutz behinderte Jahre zuvor die Polizei bei der Suche nach den Yozgat-Mördern, stellte den eigenen Quellenschutz über die Mordermittlungen.

Viele Fragen weiter offen
Die Angehörigen von Halit Yozgat quält weiter die Frage nach der Rolle der Sicherheitsbehörden im Fall des Mordes an ihrem Sohn.
Genau wie die Familie von Mehmet Kubasik fragen sich auch die Yozgats und fragen sich auch Angehörige anderer NSU-Mordopfer: Gab es örtliche Neonazis, die dem NSU bei seinen Morden geholfen haben?
Der Prozess hat diese und andere Fragen nicht beantworten können, zum Teil waren sie auch nicht Gegenstand des Verfahrens.

Es geht nun seinem Ende entgegen und den Opferangehörigen bleibt nur die Hoffnung, dass es den Untersuchungsausschüssen in Bund und Ländern gelingt, aufzuklären was noch offen ist.
Man werde alles tun, um die Taten aufzuklären, versprach die Bundeskanzlerin den Opferfamilien.
Bisher wurde dieses Versprechen nicht erfüllt.


 
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274. Verhandlungstag: Erst großes Gähnen, dann neue Zeugen !

Großes Gähnen gibt es an diesem Verhandlungstag.
Zunächst wird ein Antrag der Anklage abgelehnt.
Darauf folgt sofort ein Befangenheitsantrag gegen das Gericht.
Am Ende lässt Richter Götzl neue Zeugen aufrufen.

Großes Gähnen und Ralf Marschner
Der 274. Verhandlungstag begann ziemlich zäh.
Das Gericht begründete noch einmal, warum es einen Antrag von Ralf Wohllebens Anwälten abgelehnt hat.
Wieder mal folgte eine Unterbrechung auf die andere.
Und am Ende stellte Wohllebens Verteidigung ein Befangenheitsantrag gegen das Gericht.
Der wievielte ist das jetzt schon?
Es waren auf jeden Fall viele.
Großes Gähnen auf der Pressetribüne.
Was Neues wäre mal schön.
Fast hätten wir schon zusammengepackt, da lässt Richter Götzl doch noch Zeugen aufrufen.

Opferanwälte wollen V-Mann hören
Es ist 16 Uhr. Das Gericht will die Hauptverhandlung gerade beenden.
Da meldet sich Opferanwalt Sebastian Scharmer.
„Ich hätte noch einen Beweisantrag von 23 Seiten.“
Götzl reagiert zögerlich.
Daraufhin Scharmer: „Jetzt sitzen wir schon mal zusammen.
Dafür sind wir ja da.“
Götzl nickt und lässt Scharmer verlesen.
Darauf haben hier eigentlich alle gewartet: Nach der ARD-Doku „Der NSU-Komplex“ will Nebenkläger Scharmer den ehemaligen V-Mann Ralf Marschner als Zeugen noch einmal laden lassen.

Wusste Verfassungsschutz vom Trio in Zwickau?
Laut Doku soll Marschner auch nach deren Untertauchen Kontakt zum NSU-Trio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gehabt haben.
Er soll Mundlos sogar beschäftigt haben, möglicherweise auch Zschäpe.
Laut Beweisantrag soll der Verfassungsschutz von Marschners Kontakt sowie vom Aufenthaltsort des Trios in Zwickau Kenntnis gehabt haben.
Das Gericht wird über den Antrag noch entscheiden.
Wie wird das ausgehen?
Stimmen die Vorwürfe?
Es bleibt spannend im NSU-Prozess – auch nach fast drei Jahren.


 
275. Verhandlungstag: Verbindungen ins kriminelle Rockermilieu ?

Im NSU-Prozess war heute ein Zeuge aus dem Rotlicht- und Unterweltmilieu Thüringens erneut geladen.
Es ging um Waffengeschäfte mit der rechten Szene Ende der 90er Jahre.
An Personen konnte sich das einstige Bandenmitglied erinnern, konkreter wurde er aber nicht.

Beispiel Enrico T. Ihn will der Zeuge gekannt haben, bezeichnete ihn sogar als seinen Freund.
"Er war sogenannter Soldat in unserer Bande.
Wenn es Probleme gab, wurde er eingesetzt", so der Zeuge in einer früheren Vernehmung.
Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass T. die Ceska-Pistole - mit der 9 der 10 NSU-Morde verübt worden sind - aus der Schweiz nach Deutschland gebracht haben soll.
Als der Vorsitzende Richter Götzl den Zeugen aber konkret nach T. und Waffenlieferungen fragte, wusste er nichts mehr.
Nach Beratung mit seinem Anwalt berief er sich schließlich auf sein Aussageverweigerungsrecht.
Er würde sich sonst selbst belasten. Anschließend beantworte er keine einzige Frage mehr.
Opferanwalt verlangt, weitere Zeugen zu befragen

Nach der Mittagspause stellte Opferanwalt Yavuz Narin noch einen Beweisantrag.
Er forderte weitere Zeugen zu befragen, um die Verbindung von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und möglicherweise auch Beate Zschäpe mit der rechtsextremen Szene und dem kriminellen Rockermilieu zu belegen.
Ein Zeuge könne sich erinnern, dass Uwe Mundlos in der Kneipe "Scharfe Ecke" mit Rockergruppen wie den Hells Angels Kontakt hatte.
Über den Antrag muss noch entschieden werden.
Die Verhandlung wird am Dienstag 19.4. mit der schriftlichen Beantwortung weiterer Fragen an die Hauptangeklagte Beate Zschäpe fortgesetzt.




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Ein Zeuge, der Angst hat auszusagen !

Zuhälter, Waffenschieber, Drogenhändler - das alles war Jens L. bereits in seinem Leben.
Als Zeuge im NSU-Prozess möchte er keine Angaben mehr machen.
Das sei ihm zu gefährlich.

Folgt man der Vita des Zeugen Jens L., dann hat er als Erwachsener unter Umständen mehr Jahre im Gefängnis verbracht als in Freiheit.
Ihm mit Beugehaft zu drohen, weil er als Zeuge im NSU-Prozess keine Angaben mehr machen will, dürfte ziemlich sinnlos sein.
Das hat heute - am 275.Verhandlungstag - auch der Vorsitzende Richter eingesehen, obwohl das Aussageverhalten des Zeugen mehr als provokativ war.

Wird der Zeuge bedroht?
Und vielleicht hat der Senatsvorsitzende auch ein Gespür dafür, dass der Mann auf dem Zeugenstuhl wirklich bedroht wird - von ehemaligen Bandenmitgliedern, mit denen er bis ins Jahr 2000 in Thüringen so ziemlich alles angestellt hat, was das Strafgesetzbuch hergibt.
Das räumt der dafür mehrfach veurteilte Zeuge auch ein.
Nur über mögliche Waffenlieferungen an das NSU-Trio will der Ex-Gangster nicht reden: "Ich habe eine vierjährige Tochter - das ist mir zu gefährlich!"
Die Frage, ob ihm tatsächlich ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß der Strafprozessordnung zusteht, will Richter Götzl nicht mehr diskutiert wissen.
Er lässt den Zeugen ziehen und wird nun wahrscheinlich Kriminalbeamte vernehmen lassen, die alle früheren Aussagen des Mannes protokolliert haben.

Nebenkläger-Anwalt verlangt, dass weitere Zeugen befragt werden
In diesem kriminellem Milieu Thüringens hat auch Yavuz Narin recherchiert.
Er vertritt als Anwalt der Nebenkläger eine der Opferfamilien in diesem Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht.
Und Narin legt nach: Er verlas heute einen mehr als zehn Seiten langen Beweisantrag.
Darin verlangt er die Befragung weiterer Zeugen aus der Unterwelt in Thüringen und aus der hessischen Rockerszene.

Nach seinen Nachforschungen gab es deutlich sichtbare Verbindungen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zu diesen Szenen.
Und er will beweisen, dass Andreas Temme, der erst unter Verdacht und dann in die Schlagzeilen geratene hessische Verfassungsschützer, die beiden Uwes gekannt haben könnte - was der ja vehemnt abstreitet.
Wie weit der Staatsschutzsenat bei der weiteren Beweisaufnahme diesem Antrag folgen will, werden wir in der kommenden Woche erfahren.
Der morgige Prozesstag fällt erst einnmal aus.
Bis es weitergeht, muss die Justiz gegen einen gestern gestellten Befangenheitsantrag der Verteidigung Wohlleben gegen das ganze Gericht entscheiden.


 
276. Verhandlungstag: Wie lang ist die Zielgerade ?

Dieser Verhandlungstag zeigt deutlich: Die Beweisaufnahme geht dem Ende entgegen.
Der Fragebedarf an die Hauptangeklagte Zschäpe scheint weitgehend erschöpft.
Der Prozess wird aber trotzdem noch eine ganze Weile dauern.

Die Tagesordnung war sowieso schon nicht lang.
Erst um 13 Uhr begann der 276. Verhandlungstag.
Das Gericht diktierte Zschäpe-Verteidiger Mathias Grasel zunächst weitere Fragen an seine Mandantin in den Block.
Es waren überwiegend Nachfragen zu Zschäpes Erklärungen in den vergangenen Monaten.
Viele Fragen waren es nicht.
Scheinbar ist der Fragebedarf an die Hauptangeklagte weitgehend erschöpft.

Es ging unter anderem um den Kontakt des untergetauchten Neonazi-Trios zum Mitangeklagten Holger G. und um die von Zschäpe angemietete Garage, in der im Januar 1998 Rohrbomben gefunden wurden.
Die schriftlichen Antworten Zschäpes werden auch in diesem Fall wieder von ihren Verteidigern im Prozess verlesen werden - voraussichtlich an einem der nächsten Verhandlungstage.

Verlesung von Verfassungsschutzberichten
Nach den neuen Fragen an Zschäpe wurden Berichte verschiedener Verfassungsschutzbehörden zu den Angeklagten im NSU-Prozess und zu ihrem rechtsextremen Umfeld verlesen.
Die Informationen sind bereits bekannt.
Wenn man sie als Prozessbeobachter allerdings so zusammengefasst über mehrere Stunden hört, wird überdeutlich, wie dicht der Verfassungsschutz an dem untergetauchten Neonazitrio dran war und wie leicht es hätte sein müssen, die Drei zu fassen.

Drei Jahre NSU-Prozess
In gut zwei Wochen jährt sich der Beginn des Mammutverfahrens zum dritten Mal.
Einen vierten Jahrestag wird es wohl nicht geben.
Möglicherweise werden zwar noch neue Zeugen geladen - zum Beispiel um die Rolle des ehemaligen Zwickauer Neonazis und V-Manns Ralf Marschner zu klären.
Insgesamt aber scheint die Beweisaufnahme weitgehend abgeschlossen.

Schon seit Wochen verhandelt das Oberlandesgericht München im NSU-Prozess überwiegend nur noch halbtags.
Das Verfahren wird sich aber sicher noch weit in den Herbst hinein hinziehen.
Allein die Plädoyers von Bundesanwaltschaft, Verteidigung und zahlreichen Nebenklägern werden insgesamt voraussichtlich mehrere Monate andauern.


 
277. Verhandlungstag: Will die Bundesanwaltschaft den Verfassungsschutz schützen ?

Soll ein ehemaliger V-Mann als Zeuge geladen werden, der laut ARD-Recherchen den untergetauchten Uwe Mundlos in seiner Baufirma beschäftigt hat?
Darüber haben heute Nebenklageanwälte und Bundesanwaltschaft heftig gestritten.

Grund für den heftigen Schlagabtausch: Der Beweisantrag vieler Nebenkläger, den ehemaligen V-Mann Ralf M. als Zeugen zu laden:



Arbeitete Uwe Mundlos in seiner Zeit im Untergrund bei einem V-Mann?

In der ARD-Dokumentation "Der NSU-Komplex" hatte vor wenigen Tagen ein Mann erklärt, dass Ralf M. in den Jahren 2002 bis 2002 den untergetauchten Uwe Mundlos in seiner Baufirma in Zwickau beschäftigt habe.
Zu einer Zeit, als der NSU seine Mordtaten beging.
Viele Nebenkläger haben seit langem unterstellt, dass das untergetauchte Trio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe lokale Helfer hatte, die sie bei ihren Verbrechen unterstützten.
Ein solcher Helfer könnte der V-Mann mit Decknamen "Primus" gewesen sein, der für den Verfassungsschutz tätig gewesen sein soll.
Doch Bundesanwalt Herbert Diemer hat sich heute dagegen ausgesprochen, Ralf M. als Zeugen zu laden.

Warum die Bundesanwaltschaft den Zeugen nicht laden will
Er begründete sein Nein damit, dass die Aussagen des Mannes für die Beurteilung der Schuld der Hauptangeklagten Zschäpe und ihrer vier mitangeklagten mutmaßlichen Unterstützer keine Rolle spielten.
Das gelte auch für den Fall, dass Mundlos tatsächlich von Primus beschäftigt worden sei, weil damit noch kein Zusammenhang mit den angeklagten Taten bewiesen werde.
Zu Zschäpes angeblicher Mitarbeit in einem Szeneladen des Zeugen in Zwickau sagte Diemer, darüber gebe es außer Gerüchten keine belastbaren Hinweise.

Opferanwälte empört
Argumente, die die Nebenklagevertreter empören.

Und sein Kollege Eberhard Reinecke ergänzt, dass die Aussage des ehemaligen V-Mannes auch wichtig sein könnte, um die Glaubwürdigkeit der Einlassung der Hauptangeklagten Zschäpe zu überprüfen.
Die hatte nämlich nichts von der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit von ihr und Mundlos für den V-Mann Primus erwähnt.

Das Gericht muss jetzt entscheiden
Argumente, die viel für sich haben.
Demnächst muss das Gericht über diesen Antrag entscheiden.
Folgt es der Bundesanwaltschaft, wäre das weiteres Wasser auf die Mühlen der Verschwörungstheoretiker.
Die mutmaßen schon lange, dass die Bundesanwaltschaft nicht alle Karten auf den Tisch gelegt hat.
Deren Argument, die Ladung des Zeugen Ralf M. verzögere das Verfahren, weil es im Ausland lebe, überzeugt im übrigen am allerwenigsten.
Seit Wochen sind nahezu alle Verhandlungstage bereits mittags zu Ende.
Auch der heutige dauerte gerademal zwei Stunden.
Zeit, um den Zeugen Primus zu hören ohne den Prozess zu verlängern, gäbe es also genug.
Danach könnte man dann auch auf sicherer Grundlage beurteilen, wer Recht hat: die Bundesanwaltschaft oder die Nebenkläger.




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Bundesanwaltschaft will V-Mann nicht als Zeugen befragen lassen !

Haben Uwe Mundlos und Beate Zschäpe für einen Neonazi gearbeitet, der auch V-Mann war?
Die Bundesanwaltschaft hält Zeugenbefragungen dazu im NSU-Prozess für nicht relevant.

Der Zeuge in der ARD-Dokumentation "Der NSU-Komplex" war sich sicher: Der Rechtsterrorist Uwe Mundlos habe während seiner Zeit im Untergrund in der Baufirma eines Zwickauer Neonazis gearbeitet, erklärte der Zeuge, der damals Geschäftspartner der Firma war.

Brisant daran: Der Firmenbesitzer Ralf Marschner war damals auch V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
In einem Zwickauer Szeneladen, der ebenfalls Marschner gehörte, soll einer bereits bekannten Zeugenaussage zufolge auch Beate Zschäpe tätig gewesen sein.

"Außer Gerüchten liegt nichts vor"
Mehrere Opferanwälte im NSU-Prozess beantragten in der vergangenen Woche nun Ex-V-Mann Marschner als Zeugen zu laden. Doch ob es dazu kommt, ist unklar. Die Bundesanwaltschaft zumindest hält die Befragung für nicht relevant und erklärte heute, der Antrag sei abzulehnen. Die Tatsachen, die bewiesen werden sollten, seien für die Aufklärung, der im NSU-Prozess angeklagten Straftaten, ohne tatsächliche Bedeutung betonte Bundesanwalt Herbert Diemer. Es gäbe keine belastbaren Erkenntnisse für eine Beschäftigung von Uwe Mundlos oder Beate Zschäpe in den Firmen von Ralf Marschner, sagte Diemer. "Außer Gerüchten liegt nichts vor", erklärte der Bundesanwalt mit Blick darauf, dass die Firma von V-Mann-Marschner Autos angemietet hatte, als einer der Morde verübt wurde, die dem NSU zugerechnet werden.

Opferanwälte empört
Mehrere Nebenklageanwälte widersprachen der Sichtweise der Bundesanwaltschaft.
Sie halten die Vernehmung von Marschner für zwingend notwendig.
Darauf zu verzichten sei für ihn nicht nachvollziehbar erklärte Anwalt Sebastian Scharmer, der die Tochter des ermordeten Dortmunder Kioskbetreibers Kubasik als Nebenklägerin im Prozess vertritt.
Die Befragung des Ex-V-Manns als Zeuge ist für Scharmer nötig, um zum Beispiel die Finanzierung des NSU im Untergrund aufzuklären.
Scharmers Kollege Alexander Hoffmann erklärte, wenn Marschner nicht als Zeuge vernommen werde, käme das der Aufkündigung des Aufklärungsversprechens gleich.
Dieses Versprechen hatte Bundeskanzlerin Merkel den Angehörigen der NSU-Opfer gegeben.
Dass die Bundesanwaltschaft sich gegen die Zeugenladung des ehemaligen Verfassungsschutz-Informanten Marschner stellt, bezeichnete Nebenklageanwalt Hoffmann als "empörend".
Er warf der Karlsruher Anklagebehörde vor zu blocken, um den Verfassungsschutz zu schützen.
Ob Marschner als Zeuge geladen wird, muss nun das Gericht entscheiden.


 
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Wie lange genau der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München noch dauern wird, ist unklar.
Absehbar aber ist, um was er sich nicht mehr kümmern wird.

Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten brauchte nur wenige Minuten.
Der Beweisantrag der Nebenklage, Verfassungsschützer aus Brandenburg zu vernehmen, sei abzulehnen, erklärte Weingarten - wegen Bedeutungslosigkeit und mangels Aufklärungsbedürftigkeit.

Das Gericht wird dieser Einschätzung der Bundesanwaltschaft wahrscheinlich folgen und damit wird die Rolle der Brandenburger Verfassungsschützer bei der Suche nach dem untergetauchten Neonazi-Trio im Prozess nicht mehr näher beleuchtet werden.
Zur Erinnerung: Der V-Mann "Piatto" hatte den Verfassungsschutz über mögliche Unterstützer der per Haftbefehl gesuchten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe informiert.
Brandenburgs Verfassungsschützer aber stellten den Quellenschutz offenbar über die Kooperation mit den Fahndern, die nach dem Trio suchten.
Die Anwälte der Familie des NSU-Opfers Halit Yozgat wollten nun Vertreter des Verfassungsschutzes im Prozess befragen.
Das Gericht muss über den entsprechenden Antrag entscheiden und wird ihn möglicherweise mit der Begründung ablehnen, dass kein ausreichender Zusammenhang mit den im NSU-Prozess angeklagten Straftaten besteht.

Viele Fragen weiter offen
Die Rolle der Verfassungsschutzbehörden und ihrer V-Leute und die mögliche Existenz weiterer NSU-Unterstützer - hier sind weiter viele Fragen offen, der Prozess aber wird sie nicht mehr klären.
Das sei Aufgabe der Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, hört man dazu häufig aus Justizkreisen.
Doch ob überhaupt und wenn ja wie umfangreich sich die Untersuchungsausschüsse mit den offenen Punkten befassen werden, ist unklar.
Zu befürchten ist, dass nach einem Prozessende in München auch die weitere Aufklärungsarbeit sukzessive zum Erliegen kommen wird.
Dann wäre eingetreten, was viele Angehörige der NSU-Opfer ohnehin schon lange befürchten: Das Aufklärungsversprechen, das ihnen die Kanzlerin einst gab, wäre unerfüllt geblieben.


 
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