Der NSU Prozess !

332. Verhandlungstag: Zschäpe-Gutachten erneut verschoben !

Nach stundenlangem juristischen Gezerre muss das Gericht die Aussage des psychiatrischen Sachverständigen erneut verschieben.
Die Zschäpe-Verteidigung gewinnt so Zeit.

Der bundesweit renommierte Psychiater Henning Saß, der ein Gutachten über Beate Zschäpe erstellt hat und dieses nun im Prozess vorstellen sollte, wird im nächsten Jahr erneut anreisen müssen.
Das Gericht hat seine Befragung verschoben - mindestens bis zum 10. Januar, wenn das Verfahren fortgesetzt wird.
Die Zschäpe-Verteidigung hatte zunächst das methodische Vorgehen von Gutachter Saß heftig kritisiert und beantragt, ihn von seinen Aufgaben zu entbinden.
Das Gericht lehnte den Antrag allerdings ab.
Daraufhin stellten die Zschäpe-Anwälte eine Befangenheitsantrag gegen das Gericht.
Darüber muss nun ein anderer Senat entscheiden.

Vorläufiges Gutachten ist Desaster für Zschäpe
Hintergrund des Streits ist, dass das vorläufige Gutachten des Sachverständigen für Zschäpe einem juristischen Desaster gleich kommt.
Der Gutachter hält die Hauptangeklagte für voll schuldfähig und für ihn kommt im Falle einer Verurteilung Zschäpes sogar eine Sicherungsverwahrung in Frage.
Dann käme Zschäpe möglicherweise nie mehr frei.
Deshalb kämpfen die Zschäpe-Verteidiger nun verbissen gegen das Gutachten.
Für sie hat die Einschätzung des Experten die zentrale Schwäche, dass Saß mit Zschäpe nicht selbst gesprochen hat.
Das liegt allerdings daran, dass Zschäpe sich weigerte.
Das Gutachten ohne Befragung der Betroffenen erstellt werden, ist in Strafprozessen in Deutschland durchaus üblich.

Beweisaufnahme kurz vor dem Ende
Die Befragung des psychiatrischen Gutachters steht in Prozessen klassisch am Ende der Beweisaufnahme, die im NSU-Prozess voraussichtlich im Januar oder Februar nächsten Jahres abgeschlossen wird.
Dann würden die Plädoyers und schließlich - nach knapp vier Jahren - Urteile im Mammutverfahren folgen.
Zschäpe droht eine Verurteilung im Sinne der Anklage - wegen Mittäterschaft an allen NSU-Morden und Anschlägen.
Ihre eigene Schilderung, wonach sie die Taten ablehnte, erscheint vielen Prozessbeteiligten als überhaupt nicht glaubwürdig.


 
333. Verhandlungstag: Zschäpe bestätigt ungewollt Gutachter !

Nach zwei vergeblichen Anläufen wollte das Oberlandesgericht endlich das psychatrische Gutachten über Beate Zschäpe in den NSU-Prozess einführen.
Anträge ihrer Altverteidiger verhinderten dies erneut.
Doch indirekt machte die Hauptangeklagte die umstrittenen Ausführungen selbst zum Thema - mit einer überraschenden Erklärung.

Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hält sich nicht lange mit Formalien oder Höflichkeiten auf.
Keine besondere Begrüßung am ersten Prozesstag im neuen Jahr.
Als sei man erst gestern im großen Schwurgerichtssaal zusammen gesessen, beginnt er nach der Weihnachtspause diesen 333. Verhandlungstag.
Götzl ist anzumerken: Heute will er endlich den Sachverständigen Henning Saß hören, der sein psychatrisches Gutachten über Zschäpe in schriftlicher Form schon vor vielen Wochen abgeliefert hatte.
Im Dezember hatte der Staatsschutzsenat dessen Anhörung bereits eingeplant, verschiedene Anträge ihrer drei Altverteidiger ließen es nicht dazu kommen.
Und auch heute legten noch mal Anja Sturm und Wolfgang Heer nach.
Doch das bleibt nur eine Randnotiz.

Zschäpe ergreift die Iniative
Denn völlig überraschend bringt Zschäpe selbst das Gutachten in den Prozess ein: in Form einer Erklärung, die sie von ihrem Wahlverteidiger Mathias Grasel vortragen lässt.
Darin geht sie auf alle Punkte ein, die in dem psychiatrischen Gutachten besonders heikel für sie sind.
Denn der renommierte Forensiker schreibt auf über 170 Seiten, dass aus seiner Sicht kaum etwas gegen die These der Bundesanwaltschaft spricht: Zschäpe wäre demnach eine gleichberechtigte und aktive Mittäterin im untergetauchten NSU-Trio gewesen.
Für völlig unmöglich hält es der Psychiater zwar nicht, dass Zschäpe eine, wie sie selber mehrfach erklären ließ, Mitläuferin gewesen sei, die keinen Einfluss auf die Verbrechen des NSU hatte.
Wahrscheinlicher ist für Saß aber eine andere Version: Gestützt auf Akten, Zeugenaussagen und die Beobachtung von Zschäpe in dem Prozess schlussfolgert er, dass sie genau weiß, was sie will, dass sie keine Konflikte scheut, andere manipulieren kann und ihren Willen durchsetzt.
Also alles andere als die hilflose und abhängige Geliebte des brutalen Mörders Uwe Böhnhardt wäre, als die sich die Hauptangeklagte heute erneut darzustellen versucht.

Zschäpe versucht, Ungereimtheiten zu erklären
Weil Zschäpe und ihren Verteidigern offenbar selbst aufgefallen ist, dass beispielsweise die von ihr behauptete Wut auf Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach dem Nagelbombenanschlag in Köln und die unbeschwerten Urlaubsfotos der drei wenige Wochen danach nicht wirklich zusammenpassen, versucht sie das heute zu erklären - bevor Professor Saß überhaupt auf diesen Widerspruch hingewiesen hat.
Ihre Erklärung, sie sei eben in all den Jahren geübt darin gewesen, ihre wahren Gefühle zu verbergen und sie habe sich nur wegen ihrer Liebe zu Böhnhardt trotz der von ihr scharf verurteilten Tat für den Urlaub entschieden, wirkt aber auf die meisten Prozessbeteiligten und auch auf mich alles andere als glaubhaft.
Genauso wie ihre Behauptung, sie hätte auch in den emotionalsten Momenten des Prozesses nur deshalb geschwiegen, weil ihre Altverteidiger ihr dazu geraten hätten.
Etwa, als sie von der Mutter des ermordeten Halit Yozgat nach dem "Warum" gefragt wurde, sei ihr das, anders als es zu beobachten war, sehr nahe gegangen.
Und sie hätte gerne darauf geantwortet.
Was sie aber damals eigentlich hätte sagen wollen, verschweigt Zschäpe erneut.
Und weil ihre heutige Aussage damit so kühl und kalkuliert wirkt, fällt mir wieder der alte Juristenspruch ein: Kann man glauben, muss man aber nicht.

Zschäpe bestätigt indirekt den Gutachter
Das ist natürlich eine subjektive Bewertung, die in diesem Prozesstagebuch ausdrücklich erlaubt ist.
Genauso wie der folgende Gedanke.
Alles, was Beate Zschäpe heute vorgetragen hat, hätte sie auch nach der Einführung des Gutachtens in den Prozess anmerken können.
Darauf wollte sie aber nicht warten, sondern hat erneut das Heft des Handelns in die Hand genommen.
Hat sich also genau als eine solche Persönlichkeit präsentiert, die in ihr der Gutachter sieht.
Ob ihr und ihren Verteidigern bewusst war, dass sie damit dessen Einschätzung indirekt gerade zu noch einmal bestätigt haben?

Völlig unterschiedliche Verteidigungsansätze
Und indirekt wird durch diesen bereits um 14.00 Uhr beendeten Verhandlungstag dann noch eines deutlich.
Die drei Altverteidiger und die beiden neuen Vertrauenanwälte von Zschäpe verfolgen völlig unterschiedliche Strategien.
Während Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm Teile des Gutachten ablehnen, weil es auch ihre Kommunikation mit der Angeklagten auswertet, haben Hermann Borchert und Stahl in Zschäpes Erklärung die Anweisungen der Juristen an ihre Mandantin als Beleg dafür aufgeführt, wieso in dem Prozess so lange geschwiegen hat.
Gegensätzlicher geht es wirklich nicht!


 
334. Verhandlungstag: Ein sehr gelassener Gutachter !

Mit Fragen an einen Psychiater will die Wohlleben-Verteidigung Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Kronzeugen Carsten S. säen.
Der Gutachter jedoch lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

Norbert Leygraf ist einer der renommiertesten und erfahrensten Gerichtsgutachter der Republik.
Dem forensischen Psychiater eilt der Ruf voraus, im Zeugenstand auch bei kritischen und bohrenden Fragen immer gelassen zu bleiben.
Diesem Ruf wurde Leygraf nun im Prozess gerecht.
Die Wohlleben-Verteidiger Klemke, Schneiders und Nahrath bissen sich am Sachverständigen Leygraf die Zähne aus.

Wohlleben juristisch mit dem Rücken zur Wand
Leygraf hatte ein Gutachter über den Angeklagten Carsten S. erstellt, den Kronzeugen der Bundesanwaltschaft gegen den Mitangeklagten Ralf Wohlleben.
Carsten S. hatte vor Gericht erklärt, der Jenaer Ex-NPD-Funktionär Wohlleben habe die Beschaffung jener Ceska-Pistole in Auftrag gegeben und finanziert, mit der neun von zehn NSU-Morden begangen wurden.
Diese Aussage von Carsten S. steht weiterhin und wird Ralf Wohlleben voraussichtlich eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen einbringen und damit eine lange Zeit hinter Gittern.

Carsten S. erscheint weiter glaubwürdig
Um das abzuwenden, versuchen die Wohlleben Verteidiger alles, um den Kronzeugen gegen ihren Mandanten zu diskreditieren.
Sie stellten in den Raum, Carsten S. leide unter einer psychischen Erkrankung und sei paranoid.
Der Psychiater Leygraf allerdings erklärte nun, bei Carsten S. keinerlei Anhaltspunkte dafür entdeckt zu haben.
Er hatte S. daraufhin untersucht, ob eine sogenannte Reifeverzögerung bei ihm vorliegt.
Aus Sicht von Leygraf liegt sie vor.
Bei Carsten S. käme für das Gericht also eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht in Frage.
Die Wohlleben-Verteidiger scheiterten nun mit dem Versuch, dem Sachverständigen im Zeugenstand Äußerungen zu entlocken, die die Glaubwürdigkeit von Carsten S. in Frage stellen könnten.

Gutachten über Zschäpe verzögert sich weiter
Norbert Leygrafs Kollege Henning Saß kam heute einmal mehr nicht dazu, sein Gutachten über Beate Zschäpe im Gerichtssaal vorzustellen.
Das Gericht muss zuvor noch über einen Antrag der Zschäpe-Verteidigung entscheiden.
Sie fordert eine Tonaufzeichnung der Befragung von Gutachter Saß.
Hintergrund: Die Zschäpe-Verteidiger Heer, Stahl und Sturm haben einen eigenen psychiatrischen Experten eingeschaltet, der aber aus terminlichen Gründen nicht an der Befragung von Henning Saß teilnehmen kann und möchten ihm die Tonaufnahmen später vorspielen bzw. eine Abschrift für ihn erstellen.
Das Gericht wird die Tonaufzeichnung aber voraussichtlich ablehnen.


 
335. Verhandlungstag: Anträge, Anträge, Anträge... !

Eigentlich sollte Professor Henning Saß bereits im vergangenen Dezember sein psychiatrisches Gutachten über Beate Zschäpe präsentieren.
Doch diverse Anträge diverser Verteidiger verhinderten das immer wieder.
Auch heute kam der Sachverständige nicht zu Wort.

Um den 335. Prozesstag zusammenzufassen, brauche ich nur drei Worte: Antrag, Erwiderung, Stellungnahme.
Zumindest gefühlt, also postfaktisch.
Tatsächlich passierte auch heute im Saal 101 des Münchner Oberlandesgerichtes einiges mehr.
Im Kern ging es dabei immer um das Ansinnen der Verteidigung von Beate Zschäpe, den Vortag eines psychiatrische Gutachtens über die Hauptangeklagte zu verhindern oder zu verzögern.

Dissoziale Persönlichkeit
Nach allem, was man schon weiß, kommt Beate Zschäpe in den Ausführungen von Henning Saß nicht besonders gut weg.
In einem vorläufigen Gutachten hält der Professor für forensische Psychiatrie Beate Zschäpe offensichtlich für voll schuldfähig und bescheinigt ihr eine dissoziale Persönlichkeit.
Zwar zählt letztlich nur der Vortrag des Sachverständigen im Prozess, und am Ende entscheidet ohnehin das Gericht alleine - aus gutachterlicher Sicht könnte Zschäpe aber genau das gewesen sein, was ihr die Anklage vorwirft: Eine aktive und gleichberechtigte Täterin bei den Verbrechen des NSU.

Kein Wunder also, dass die Verteidigung von Zschäpe mit dem Gutachter nicht zufrieden ist.
Und so warteten Prozessbeobachter und Journalisten auch heute vergeblich auf den Vortrag des Henning Saß.
Zwar hatten einige noch bis zum frühen Nachmittag die Hoffnung nicht ganz aufgegeben, als Richter Götzl dem Gutachter dann allerdings Hinweise zu den "Anforderungen für Prognose und Schuldfähigkeitsgutachten" mit auf den Weg gab, war klar: Heute wieder kein Gutachten.
Nun soll Professor Henning Saß am kommenden Dienstag sprechen, doch das Gefühl sagt, dass man das erst glauben sollte, wenn es wirklich losgeht.


 
336. Verhandlungstag: Zschäpe ist voll schuldfähig !

Laut einem Gutachten ist Beate Zschäpe voll schuldfähig ist.
Und auch eine Verurteilung mit anschließender Sicherungsverwahrung scheint nicht ausgeschlossen.

Für Beate Zschäpe ist das psychiatrische Gutachten vernichtend.
Der Sachverständige Henning Saß beschreibt sie als emotionsarm und egozentrisch.
Eine psychische Erkrankung oder Alkoholabhängigkeit kann er nicht erkennen - eher die Tendenz, die Verantwortung immer auf andere zu schieben und ihre Taten zu bagatellisieren.

Es dauert am 336. Verhandlungstag, bis der renommierte Sachverständige Henning Saß endlich zu Wort kommt.
Die Verhandlung wird mehrfach unterbrochen.
Der Grund: Die Altverteidiger von Beate Zschäpe fahren ihre letzten Geschütze auf, um die Aussage des Sachverständigen doch noch hinauszuzögern.
Zuletzt beantragten sie eine Tonbandaufzeichnung der Gutachter-Aussage.
Den Mitschnitt wollten sie einem anderen Sachverständigen vorlegen, der ein „methodenkritisches“ Gutachten anfertigen soll.
Das Gericht lehnte die Anträge der Verteidiger ab.

Gutachter muss langsam sprechen
Am Nachmittag ist es dann endlich soweit: Das bereits für Dezember angekündigte Gutachten von Henning Saß wird in den Prozess eingeführt.
Der Gutachter wird von Richter Manfred Götzl verpflichtet, langsam zu sprechen, damit Zschäpes Verteidiger mitschreiben können.
Auch die komplette Richterbank macht sich eifrig Notizen – das zeigt, wie wichtig die Einschätzungen des Sachverständigen für das Gericht sind.

Henning Saß beschreibt zunächst, auf welche Quellen er sein Gutachten stützt – auf Zeugenaussagen, seine subjektiven Beobachtungen im Gerichtssaal; er habe reichlich Material obwohl er nicht persönlich mit Beate Zschäpe sprechen konnte.
Sie lehnte eine psychiatrische Untersuchung ab.
Das sei nicht ungewöhnlich, wenn es um die Frage einer Sicherungsverwahrung gehe, sagt der Gutachter.

Schuldfähig oder nicht?
Henning Saß wurde beauftragt, die Schuldfähigkeit und die Gefährlichkeit von Beate Zschäpe einzuschätzen.
Nach Angaben von Prozessbeteiligten kommt er in seinem vorläufigen Gutachten zu dem Schluss, dass Zschäpe voll schuldfähig ist.
Und auch eine Verurteilung mit anschließender Sicherungsverwahrung scheint nicht ausgeschlossen.

Es sieht nicht gut aus für Beate Zschäpe
„Vernichtend“ sei das Gutachten für die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, sagt Nebenklage-Anwalt Thomas Bliwier.
Saß beschreibt Zschäpe als emotionsarm, egozentrisch und wenig empathisch.
Sie neige dazu, „zu externalisieren“ – sprich, sie schiebt die Verantwortung gerne auf andere oder äußere Umstände ab.

Eine Tendenz, die auch in ihren eigenen Einlassungen erkennbar ist.
Diese hält Henning Saß aber für wenig glaubwürdig.
Die Formulierungen klingen in den Ohren des Gutachters „recht formal“ und es entstehe nicht der Eindruck einer authentischen Auseinandersetzung mit den Taten.
Er kann sie in seinem Gutachten also kaum verwerten.

Zschäpes Aussagen, die hauptsächlich von ihren Verteidigern verlesen wurden, stehen im Widerspruch zu zahlreichen Zeugenaussagen, in denen Beate Zschäpe als selbstbewusst und auch gegenüber Männern durchsetzungsstark beschrieben wurde.
Seine endgültige Bewertung wird Henning Saß am Mittwoch vortragen.


 
337. Verhandlungstag: Kein guter Tag für Zschäpe !

Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess ist nach Einschätzung des psychiatrischen Gutachters Henning Saß nicht nur voll schuldfähig, der Sachverständige hält Beate Zschäpe auch nach wie vor für gefährlich.

Professor Hennings Saß ist heute im Saal 101 des Münchner Oberlandesgerichtes die wichtigste Person.
Seine Einschätzungen könnten direkten Einfluss auf ein zukünftiges Urteil haben.
In seinem psychiatrischen Gutachten bescheinigt Saß Beate Zschäpe am Mittag die volle Schuldfähigkeit, einen Mangel an Empathie und antisoziale Tendenzen.
Saß zeichnet das Bild einer kämpferischen selbstbewussten Frau.

Opferanwältin Doris Dierbach sieht sich im Gespräch mit BR-Reportern in ihrer Ansicht bestätigt.


Mittäterin bei den zehn Morden von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos soll Beate Zschäpe laut Anklage gewesen sein.
Und der Gutachter hält sie immer noch für gefährlich.
Es bestehe ein hohes Risiko, dass Zschäpe in Freiheit erneut zu einer Täterin werden könnte - Anhaltspunkte für eine Verhaltensänderung seien derzeit nicht erkennbar.
Zschäpes Verteidiger wollten heute kein Interview zum Gutachten geben.
Andere Prozessbeteiligte sehen die Hauptangeklagte bereits für den Rest ihres Lebens hinter Gittern.


Das Gericht ist allerdings an die Einschätzung des psychiatrischen Gutachters nicht gebunden.
Die Richter könnten eine andere Auffassung vertreten.
Wahrscheinlich ist das aber nicht.


 
338. Verhandlungstag: Carsten S., der Kronzeuge !

Die letzten Verhandlungstage wurden durch das Gutachten über die Hauptangeklagte bestimmt, doch auch ein anderer Angeklagter wurde im NSU-Prozess bereits begutachtet und dieser hat, ganz anders als Beate Zschäpe, umfangreiche Angaben gemacht.

Wenn Kameras im Saal sind zieht Carsten S. eine Kapuze über und beugt den Kopf tief nach unten.
Der Szene-Aussteiger ist im Zeugenschutzprogramm, er muss offenbar um seine Sicherheit fürchten.
Er ist der Hauptbelastungszeuge gegen den Mitangeklagten Ralf Wohlleben.
S. gestand bereits zu Beginn des Verfahrens, die Ceska-Pistole gekauft und dem NSU überbracht zu haben – mit dieser Waffe sollen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos neun Menschen erschossen haben.

Der Auftrag für die Beschaffung sowie das Geld dafür seien von Ralf Wohlleben gekommen.
Dieser bestreitet den Vorwurf.
Dass Wohlleben allerdings trotz mehrfacher Anträge seiner Anwälte immer noch in Untersuchungshaft sitzt, könnte als Zeichen dafür gewertet werden, dass das Gericht die Schilderungen von S. als glaubwürdiger einstuft als die Angaben von Wohlleben.

Jugendstrafrecht für Carsten S.
Im Gegensatz zu Beate Zschäpe hat Carsten S. mit seinem Gutachter gesprochen.
Der Psychiater Norbert Leygraf beschreibt ihn als ängstlichen und zurückhaltenden Menschen.
Zeugen, die S. als Mitglied der Rechten Szene kannten, beschrieben ihn dagegen auch als charismatische Führungsfigur.
Wie passt das zusammen?

S. hat Anfang der 2000er mit der Szene gebrochen und ist ausgestiegen.
Er ist homosexuell und konnte dies mit der Gesinnung seiner damaligen Neonazi-Freunde nicht mehr in Einklang bringen.
Er war danach lange Zeit in Behandlung, machte eine Psychotherapie.
Auch die Beschaffung der Tatwaffe bereue er sehr, S. entschuldigte sich bei den Angehörigen der Opfer.
Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zum Mord in neun Fällen vor, hält seine Aussagen aber auch für glaubwürdig.
Wegen fehlender Reife ist bei Carsten S. das Jugendstrafrecht anzuwenden, schlussfolgert der Gutachter Norbert Leygraf.


 
339. Verhandlungstag: Gegen die Wand gelaufen !

Ein guter Strafverteidiger sollte neben den Gesetzen auch sämtliche strategischen Schachzüge beherrschen.
Doch was sich heute vor dem Oberlandesgericht München abspielte, war schlicht nicht nachvollziehbar.
Beate Zschäpes Wahlverteidiger Hermann Borchert versuchte den psychiatrischen Gutachter zu zerlegen - und scheiterte kläglich.

Schweigen ist Gold. Diese Strategie hatten Zschäpes Alt-Verteidiger für ihre Mandantin als die Beste erwogen.
Offenbar nicht zu unrecht.
Die neuen Anwälte der Hauptangeklagten im NSU-Verfahren rieten ihr, sich schriftlich auf Fragen des Senats einzulassen.
So ist es dann auch mehrfach geschehen.
Immer wieder hatten sich die neuen Verteidiger Zeit ausbedungen, um die Antworten gemeinsam mit ihrer Mandantin auszuarbeiten.
Zschäpe verzichtete zwar darauf, die Antworten mündlich vorzutragen, sondern überließ das ihren beiden Wahlverteidigern.
Der Inhalt wird aber ihr zugeordnet - schließlich hat sie der Vorsitzende Richter jedes Mal danach gefragt, ob die Einlassungen tatsächlich in ihrem Sinne seien.
Zschäpe hatte dies stets mit einem Nicken oder einem "Ja!" beschieden.

Der psychiatrische Gutachter Henning Saß hat die Formulierungen und die genaue Wortwahl also der Angeklagten zugeschrieben.
In seinem Gutachten kommt er zu dem Schluss, dass die Angeklagte die Fragen "sachlich" und "nüchtern" beantwortet habe.
Heute will Zschäpes Verteidiger immer wieder wissen, wie denn die Antworten hätten formuliert sein sollen, um nicht als "sachlich" und "nüchtern" beurteilt zu werden.
Es wirkt wie das Ersuchen um eine Deutsch-Nachhilfestunde in der 5. Klasse Gymnasium.

Auch klügere Strategie wäre wohl gescheitert
Immer wieder startete Borchert Versuche, den Sachverständigen in Spekulationen zu verwickeln.
Mehrfach wollte der Anwalt Widersprüche in dem Gutachten gefunden haben.
Über Stunden hat er probiert, den Universitätsprofessor aufs Glatteis zu führen.
Es blieb bei Versuchen.
Saß erläuterte gebetsmühlenartig, dass sich seine Beurteilung auf seine langjährige, berufliche Erfahrung stütze und man in vielen Punkten auch zu anderen Schlüssen kommen könnte.
Er ließ sich nicht dazu hinreißen, seiner eigenen Bewertung eine alleinige Allwissenheit zu attestieren.

Zschäpe zu verteidigen, ist sicherlich keine einfache Aufgabe.
Und den vom Gericht bestellten Gutachter zerlegen zu wollen, ist legitim.
Doch das hätte man klüger und strategischer anstellen müssen.
Die Erfolgsaussichten wären dennoch sehr gering gewesen.




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Tageszusammenfassung, 339. Tag !
Zschäpe meldet sich zum zweiten Mal zu Wort

Das Gezerre um das psychiatrisch-forensische Gutachten über die Hauptangeklagten geht weiter.
Heute hat Beate Zschäpe sich dazu sogar selbst eingelassen.

Es ist das zweite Mal in fast vier Jahren das die Hauptangeklagte Beate Zschäpe sich im NSU-Prozess persönlich zu Wort meldet.
Zwei Sätze nur, in denen es um einem Brief geht, den sie aus dem Gefängnis an einen anderen inhaftierten Neonazi geschrieben hat.
Was Zschäpe konkret sagt, ist vergleichsweise unbedeutend, dass sie sich aber überhaupt einlässt, dass sie selbst das Wort ergreift, zeigt deutlich, dass es für sie im NSU-Prozess derzeit um sehr viel, wenn nicht sogar alles geht.

Stundenlange Wortgefechte
Fast den ganzen Verhandlungstag versuchte Zschäpes neuer Wahlverteidiger Hermann Borchert heute, das psychiatrisch-forensische Gutachten von Professor Henning Saß auseinanderzunehmen – denn der Sachverständige bescheinigt Zschäpe volle Schuldfähigkeit und zieht auch eine mögliche Wiederholungsgefahr in Betracht.
Das Gutachten könnte die Grundlage dafür sein, dass Beate Zschäpe nicht nur zu einer hohen Haftstrafe verurteilt, sondern anschließend sogar in Sicherungsverwahrung genommen wird – dass sie also tatsächlich lebenslang eingesperrt werden könnte.

Um das zu verhindern, hat Zschäpe heute sogar selbst gesprochen.
Ihr Anwalt Borchert versuchte zudem die Selbstdarstellung seiner Mandantin zu untermauern, wonach sie keinesfalls emotionslos sei.
Vielmehr sei sie von ihren Altverteidigern Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl dazu angehalten worden, vor Gericht keine Aussage zu machen und keine Gefühlsregungen zu zeigen.
Außerdem insistierte Borchert darauf, dass Beate Zschäpe sich glaubhaft vom Rechtsextremismus distanziert habe.
Trotz stundenlanger Debatten, die teils in Wortklaubereien ausarteten, gelang es der Zschäpe-Verteidigung jedoch nicht, die Aussagen, die Saß in seinem Gutachten gemacht hat, zu erschüttern.
Am Nachmittag wurde die Befragung des Sachverständigen unterbrochen, morgen haben dann Zschäpes Alt-Verteidiger Sturm, Stahl und Heer die Möglichkeit, ihre Fragen zu stellen.


 
340. Verhandlungstag: Nazipropaganda im Gerichtssaal !

Die Zschäpe-Verteidigung versucht weiter, das psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Professor Henning Saß anzugreifen – und setzt vor allem auf Verzögerung.
Doch heute standen auch die Mitangeklagten Carsten S. und Ralf Wohlleben im Fokus.

Gestern hatte bereits Zschäpes Wahlverteidiger Hermann Borchert versucht, zentrale Aussagen des Gutachtens infrage zu stellen.
Und sogar die Angeklagte selbst hatte sich dabei zu Wort gemeldet.
Heute Vormittag waren nun ihre sogenannten Alt-Verteidiger an der Reihe, von denen sich Zschäpe mittlerweile weitgehend distanziert hat.

Und die Fragetechnik von Rechtsanwältin Anja Sturm machte von Anfang an deutlich, dass es ihnen vor allem um Verzögerung geht.
Substantielle Fragen waren die Ausnahme, meist erschöpften sich die Ausführungen Sturms darin, dass sie wissen wollte, wie sich denn der Sachverständige in die Akten eingearbeitet habe, worauf dieser teils durchaus sarkastische Antworten lieferte wie: "Durch Lesen."

Streit ums Fragerecht
Die Zschäpe-Verteidiger wollen zudem erreichen, dass der Gutachter seine persönlichen Notizen offenlegt.
Da er das ausgeschlossen hat, wollen sie ihn nun dazu verpflichten, dass er diese Unterlagen (knapp 800 Seiten handschriftliche Notizen) in den Prozess mitbringt, um dann die Verhandlungstage "von Tag eins an" durchzugehen.

Nachdem der vorsitzende Richter Manfred Götzl zunächst Anstalten machte, darauf einzugehen, intervenierte schließlich die Bundesanwaltschaft sowie mehrere Nebenkläger.
"Es ist vom Fragerecht der Verteidigung nicht umfasst, einen Zeugen oder Sachverständigen mit Hausaufgaben nach Hause zu schicken", so Bundesanwalt Jochen Weingarten.
Noch hat der Senat jedoch nicht entschieden, wie er mit der Angelegenheit umgeht.

Wie bestimmend war Beate Zschäpe?
Auch ob das Oberlandesgericht eine Beweisanregung des Nebenklagevertreters Yazuf Narin aufnimmt, ist noch nicht entschieden.
Narin würde gerne einen Zeugen laden lassen, der offenbar im Jahr 2011 per Mail und Skype Kontakt zu Uwe Mundlos unterhalten hat, vor allem, um sich über Computerspiele auszutauschen.
Mundlos firmierte offenbar unter dem Alias-Namen Max Burkhardt.
Nach Angaben des Zeugen wurde ihm das Skypen mit dem Zeugen jedoch schließlich von seiner Freundin verboten.
Narin schlussfolgert, dass es sich bei dieser Freundin um Beate Zschäpe gehandelt haben muss und dass diese offenbar direkten Einfluss auf die persönliche Kommunikation von Mundlos genommen habe.
Dies decke sich nicht mit dem Selbstbild Zschäpes als unterwürfige Persönlichkeit.

Am frühen Vormittag hatten zudem ein Staatsschutzbeamter der Kriminalpolizei Jena ausgesagt.
Er sollte eigentlich über Ralf Wohllebens Aktivitäten in der Neonaziszene aussagen, war dazu allerdings genauso wenig in der Lage wie zwei seiner Kollegen, die gestern geladen waren.

Die Reifeverzögerungen des Carsten S.
Am Nachmittag sagte dann erneut der Essener Forensiker Norbert Leygraf zur Persönlichkeit des Angeklagten Carsten S. aus, des mutmaßlichen Waffenlieferanten des NSU.
Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob dieser in der Entwicklung seiner Persönlichkeit zurückgeblieben war, als er seine Taten beging.
Davon ist abhängig, ob Carsten S. nach Jugendstrafrecht behandelt wird und damit mit einer geringeren Strafe rechnen kann.
Gutachter Leygraf bescheinigte ihm heute erneut zumindest Reifeverzögerungen in Teilen seiner Persönlichkeit.

Verschwörungstheorien der rechtsextremen Szene
Unterdessen nutzte die Verteidigung des Angeklagten Ralf Wohlleben den NSU-Prozess heute einmal mehr unverhohlen für Nazi-Propaganda.
Sie beantragte die Befragung eines Demoskopen im Gerichtssaal, um zu beweisen, dass den Deutschen angeblich der Volkstod drohe.
Unlängst erst hatte die Wohlleben-Verteidigung beweisen wollen, dass der Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess von den Alliierten im Gefängnis ermordet worden sei – auch das eine typische Verschwörungstheorie der rechtsextremen Szene.

Nebenklage-Anwalt Mehmet Daimagüler bezeichnete die Ausführung denn auch als "Nazijargon".
Sollte es noch irgendeinen Zweifel an der ideologischen Einstellung des Angeklagten Wohlleben gegeben haben, so seien diese nun beseitigt.


 
341. Verhandlungstag: Tauziehen um Gutachter geht weiter !

Auch heute musste die Hauptangeklagte mehrere Tiefschläge einstecken.
Gegen den Willen ihrer Verteidigung fuhr der Senat mit der Befragung ihres psychiatrischen Gutachters Henning Saß fort, der Beate Zschäpe erneut als manipulativ schilderte.
Und dann setzten ihr auch noch die Nebenkläger mit einem Beweisantrag zu.

Die Zschäpe-Verteidigung versucht seit Wochen, Saß' psychiatrisches Gutachten zu verhindern, zu verzögern und anzugreifen - denn es ist entscheidend dafür, ob Zschäpe am Ende nicht nur zu einer hohen Haftstrafe, sondern eventuell auch zu einer anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt wird.

Am Dienstag hatte bereits Zschäpes Wahlverteidiger Hermann Borchert versucht, zentrale Aussagen des Gutachtens infrage zu stellen, wobei sich sogar die Angeklagte selbst zu Wort gemeldet hatte.
Am Mittwoch wollten ihre anderen Anwälte erreichen, dass der Gutachter seine persönlichen Notizen offenlegt bzw. zum Prozess mitbringt, um anhand dieser Tag für Tag des inzwischen fast vier Jahre dauernden Prozesses durchzugehen.
Bis dahin, so die Forderung der Verteidiger, müsse die Befragung von Saß ausgesetzt werden.

Der Vorsitzende Richter Manfred Richter fuhr am Donnerstag jedoch einfach mit der Befragung fort und ließ sich auch durch den Protest der Zschäpe-Anwälte nicht beirren.

Saß ging daraufhin ausführlich auf die Beobachtungen ein, die er in fast vier Jahren Prozess von der Hauptangeklagten und ihren Gemütslagen gemacht hat.
Diese reichten von verschlossen, angespannt und resigniert über freundlich, zugewandt und aufmerkam bis hin zu durchsetzungsfähig, kämpferisch und manipulativ.

Hat Zschäpe gelogen?
Die Nebenklage schickte sich am Nachmittag an, ein weiteres Detail aus Zschäpes Einlassungen zu widerlegen.
Die Hauptangeklagte hatte in ihrer schriftlichen Erklärung ausgesagt, dass sie am 26.Januar 1998 - dem Tag des Untertauchens des Trios - von ihrem Freund Uwe Böhnhardt den Auftrag bekommen habe, eine angemietete Garage anzuzünden, die den dreien als Bombenwerkstatt und Lager für Propaganda-Material diente.
Laut Zschäpe habe sie die Tat jedoch nicht ausgeführt, da sich Unbeteiligte in der Nähe der Garage aufgehalten hätten, die gefährdet worden wären.
Die Nebenklage will nun jedoch beweisen, dass zu diesem Zeitpunkt bereits Polizei und Feuerwehr vor Ort war - Zschäpe also die Unwahrheit gesagt hat.

Chefsache Wohlleben
Bereits am Vormittag hatte zudem ein Staatsschutzbeamter der Jenaer Polizei ausgesagt und dabei ein interessantes Detail ausgeplaudert.
Er könne über die früheren Aktivitäten des Angeklagten Ralf Wohlleben nichts aussagen, so der Beamte, denn um diesen habe sich ausschließlich der Leiter der Jenaer Kripo kümmern dürfen: "Wohlleben war Chefsache."
Eine Aussage, die einen Nebenklage-Vertreter zu der Nachfrage veranlasste, inwiefern denn dabei auch das Landesamt für Verfassungsschutz eingebunden gewesen sei.

Der langjährige Neonazi-Aktivist Wohlleben wollte den dabei mitschwingenden Verdacht, er habe mit staatlichen Stellen zusammengearbeitet, auf keinen Fall auf sich sitzen lassen und stellte noch am Nachmittag einen Antrag, um zu beweisen, dass er nicht Chefsache gewesen sei.
Außerdem stellte die Wohlleben-Verteidigung einen Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen Norbert Leygraf, der den Mitangeklagten Carsten S. begutachtet hat. Leygraf sei nicht objektiv, so die Wohlleben-Verteidigung.
Denn er sei davon ausgegangen, dass die Mitglieder der Neonazi-Organisationen Kameradschaft Jena und Thüringer Heimatschutz rechtsextrem gewesen seien.
Bereits gestern hatten Wohllebens Anwälte den NSU-Prozess zum wiederholten Male unverhohlen für Nazi-Propaganda genutzt. so hatten sie die Befragung eines Demoskopen beantragt, um zu beweisen, dass den Deutschen angeblich der "Volkstod" drohe.
Zahlreiche anwesende Opferanwälte verließen daraufhin aus Protest den Saal.


 
342. Verhandlungstag: Dieser Brandschutt !

Seit Wochen suchen die Richter des NSU-Verfahrens eine Antwort darauf, ob Beate Zschäpe im Mai 2000 vor der Synagoge an der Berliner Rykestraße von einem Wachmann gesehen wurde oder nicht.
Der Strafsenat hat deshalb Anfang Dezember 2016 dem BKA einen Ermittlungsauftrag übersandt.
Die Antwort gibt zu denken.

Seit der Auswertung des Brandschutts der Zwickauer Frühlingsstraße - dem letzten Versteck des mutmaßlichen NSU-Trios - existiert die vom BKA angefertigte, zusammenfassende, sogenannte "10.000er-Liste!.
Darin enthalten sind mögliche Anschlagsziele des NSU, wie zum Beispiel islamische Kulturvereine, Einrichtungen politischer Parteien, aber auch jüdische Vereine, Schulen und Synagogen.
Richter Götzl wollte es - in dem bereits seit über dreieinhalb Jahre andauernden Verfahren - jetzt genauer wissen.
Welche jüdischen Einrichtungen hat der NSU aufgelistet?
Welche Adressen haben die Ermittler im Brandschutt gefunden?
Ist die Rykestraße dabei?

Sie ist dabei.
Die Auswertung des BKA hat nicht lange auf sich warten lassen.
Zwei Wochen nach dem Ermittlungsauftrag lautet die Antwort: Im Brandschutt hat man 233 Adressen gefunden, darunter auch die Berliner Synagoge.
Damit ist ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem NSU und der Adresse hergestellt.
Wie das Gericht die Zeugenaussage des Berliner Wachmanns, der Zschäpe an dem Objekt wiedererkannt haben will, wertet, wird sich erst bei der Urteilsverkündung herausstellen.
Immerhin hat der Senat in der Sache aber weiterermitteln lassen.


 
343. Verhandlungstag: Viel Streit, wenig Inhalt !

Eigentlich war der ganze Tag für die Befragung des Psychiaters Henning Saß zu seinem Gutachten über Beate Zschäpe vorgesehen.
Doch statt Fragen gab es heute überwiegend Streit.

Muss das Gericht den Gutachter auf Verlangen der Verteidigung dazu auffordern, seine handschriftlichen Notizen zur Hauptverhandlung mitzunehmen?
Ja, sagen Zschäpes Altverteidiger Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl.
Sie wollten heute vom Sachverständigen wissen, was er sich am ersten Verhandlungstag notiert hat.
Saß konnte und wollte diese Frage nicht beantworten, ohne seine Notizen, die in seinem Büro in Aachen liegen, ginge das aber ohnehin nicht.
Schließlich habe er aber alle relevanten Überlegungen, die in sein Gutachten eingeflossen seien, dargelegt.

Verteidigung will Gutachten entkräften
Saß stuft in seinem Gutachten Zschäpe als voll schuldfähig ein und das versuchen die Verteidiger mit allen Mitteln zu entkräften.
Sie wollen ein eigenes Gegengutachten anfertigen lassen und dazu brauchen sie so viele Informationen wie möglich über das von Saß.
Dazu gehören laut Sturm vor allem auch jene Gedanken dazu, die sich der Psychiater am ersten Verhandlungstag notiert hat.

Gelächter im Gerichtsaal - Richter stinksauer
Sturm fragt Saß mehrfach das gleiche, wird von Richter Manfred Götzl zurechtgewiesen und stellt dann einen Antrag an das Gericht, den Gutachter anzuweisen, seine Notizen in die Verhandlung mitzunehmen.
Götzl lehnt dies ab und es folgen mehrere Wortgefechte zwischen der Verteidigung, dem Gericht und der Bundesanwaltschaft, die auf Götzls Seite ist.
"Da könnte ich hier ja jetzt aus der Hose springen", regt sich Wolfgang Stahl auf, "ohne seine Notizen kann der Sachverständige die Fragen der Verteidigung nicht beantworten".
Als dann zum wiederholten Male eine Unterbrechung gefordert wird, hört man ein lautes Lachen auf der Zuschauertribüne.
"Was soll das jetzt?", schreit Richter Götzl, "hier herrscht Ruhe!" - so in Rage hat man den Vorsitzenden länger nicht mehr erleben können.
Er wirft Wolfgang Stahl vor, die Stimmung im Saal mit seiner flapsigen Ausdrucksweise angestachelt zu haben.
Der Tag endet schließlich damit, dass die Verteidiger Götzls Entscheidung, den Sachverständigen eben nicht anzuweisen seine Notizen mitzubringen, beanstanden.

Henning Saß ist für morgen wieder geladen, der Streit von heute wird wohl noch in eine nächste Runde gehen.


 
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