Der NSU Prozess !

344. Verhandlungstag: Und täglich grüßt das Murmeltier !

Kennen Sie die amerikanische Filmkommödie von 1993 mit Bill Murray?
Der lebt in einer Art Alptraum, sitzt quasi in einer Zeitschleife fest, und muss jeden Tag über dasselbe Ereignis berichten.

Zugegeben: Der NSU-Prozess in München ist nicht der Tag des Murmeltiers in der amerikanischen Kleinstadt Punxsutawney, den Wetteransager Phil Connors jeden Morgen aufs Neue durchleben muss.
Aber abgesehen von diesem Unterschied: Haben wir nicht alles, was heute in der Verhandlung stattgefunden hat, in den letzten Tagen nicht schon wiederholt erlebt?
Die Altverteidiger Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl beantragen, dass Gutachter Henning Saß endlich seine über 700 seitigen Notizen rausrücken soll, die er während der zurückliegenden 343 Prozesstage gemacht hat.
Und auf die er sein Gutachten stützt.
Heute sogar der Antrag, notfalls müssten die in Aachen lagernden Papiere sogar beschlagnahmt werden.

Der Senatsvorsitzende Manfred Götzl hat aber schon gestern, oder vorgestern, oder gar letzte Woche - egal , es ist ja immer das gleiche Ritual - klar gemacht, dass dies aus Sicht des Staatsschutzsenates rechtlich nicht geboten sei.
Doch argumentiert Wolfgang Heer.
Nur so könne man sehen, ob der Sachverständige alle notierten Beobachtungen auch in sein Gutachten habe einfließen lassen.
So geht das hin und her.
Dazwischen wie gestern, vorgestern, letzte Woche zwischen Antrag, Kopieren, Stellungnahme und Entscheidung über Gegendarstellung und Antrag immer wieder Unterbrechung der Hauptverhandlung.
Der Prozess kommt keinen Millimeter voran.

Wer erfährt im NSU-Prozess die Läuterung?
Die Pointe im Murmeltierfilm ist, dass Wetterreporter Conners quasi in die Zukunft schauen kann, weil er ja schon alles zigfach erlebt hat.
Und im Laufe des Films aus einem zynischen Exzentriker zu einem guten, geläuterten Mensch wird.
Der NSU-Prozess ist leider keine amerikanische Komödie, sondern die bittere Aufarbeitung einer beispiellosen Verbrechensserie in Deutschland.
Und wirklich in die Zukunft sehen, können wir leider auch nicht.
Aber, da bin ich mir ziemlich sicher: Die Verhandlung wird keinen der Prozessbeteiligten wirklich läutern.
Und noch eines steht fest: Morgen geht es weiter.
Würde mich sehr wundern, wenn der Streit um die Gutachternotizen nicht fortgesetzt würde.


 
345. Verhandlungstag: Zschäpe lässt Verteidiger auflaufen !

Am 345. Verhandlungstag wird der Bruch zwischen Beate Zschäpe und einem Teil ihrer Anwälte erneut überdeutlich.
Die Hauptangeklagte verweigert einem Antrag, den drei ihrer Pflichtverteidiger stellen wollen, die Zustimmung.

Welche Verteidigungsstrategie hat Beate Zschäpe?
Zumindest keine einheitliche.
Das wurde nun einmal mehr klar, als die Hauptangeklagte ihre drei sogenannten Altverteidiger Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl im Regen stehen liess.
Sie tat das, obwohl die drei schon seit Tagen versuchen im Interesse Zschäpes das psychiatrische Gutachten über die Hauptangeklagten in Frage zu stellen.

Die Einschätzungen des psychiatrischen Sachverständigen Henning Saß waren für Zschäpe juristisch verheerend ausgefallen.
Der Gutachter bezweifelt ihre Angaben , wonach sie von den NSU-Morden immer erst im Nachhinein erfuhr und die Taten eigentlich ablehnte.

Verteidiger versuchen Gutachten zu erschüttern
Zschäpes Verteidiger Heer, Stahl und Sturm wollen unbedingt, dass der Sachverständige Saß im Prozess seine handschriftlichen Notizen vorlegt, auf deren Basis er zu seinen Schlussfolgerungen über Zschäpe kam.
Saß weigert sich bisher und erhält dabei Rückendeckung vom Gericht.

Zschäpe fällt Anwälten in den Rücken
Als die Zschäpe-Anwälte Heer, Stahl und Sturm nun einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht formulieren wollten und dafür um eine Pause baten, verweigerte Zschäpe dem Antrag ihre Zustimmung.
Die ist nach geltender Rechtsauffassung aber nötig.

Zschäpe juristisch schlecht beraten?
Zschäpe liess ihre drei ungeliebten Verteidiger, Heer, Stahl und Sturm, also auflaufen, obwohl es eigentlich in ihrem Interesse sein müsste, das Gutachten in Frage zu stellen.
Die Hauptangeklagte berät sich aber nur noch mit ihren zwei weiteren Verteidigern, Hermann Borchert und Mathias Grasel, die den Befangenheitsantrag offenbar für nicht notwendig halten.

Auch ihnen ist es bisher aber nicht gelungen, die Einschätzungen des psychiatrischen Gutachters in Zweifel zu ziehen und ihrer Mandantin droht, kurz vor Ende der Beweisaufnahme, eine Verurteilung wegen Mittäterschaft an den NSU-Taten.


 
346. Verhandlungstag: Eigentor der Zschäpe-Verteidgung !

Wie verhält sich Beate Zschäpe in ihrer Untersuchungshaft?
Um diese Frage könnte es demnächst im NSU-Prozess gehen.
Ihr Anwalt Hermann Borchert kündigte einen entsprechenden Beweisantrag an – und schoss nebenbei ein veritables Eigentor.

Noch immer läuft im NSU-Prozess die Befragung des Psychiaters Prof. Henning Saß, der ein forensisch-psychiatrisches Gutachten zu Beate Zschäpe erstellt hat.
Von diesem hängt es maßgeblich ab, ob das Gericht in seinem späteren Urteil eine besondere Schwere der Schuld feststellen oder im Anschluss an die Haft Sicherungsverwahrung anordnen wird.
Ob Beate Zschäpe also womöglich für immer hinter Gittern muss.

Justizbeamte als Zeugen?
Im Rahmen der Befragung des Zeugens meldete sich heute auch zum wiederholten Mal ihr Wunschverteidiger Herrmann Borchert zu Wort.
Er wollte von Saß unter anderem wissen, ob dieser denn auch Zschäpes Gefangenenakte aus der Untersuchungshaftanstalt München-Stadelheim für sein Gutachten ausgewertet habe.
Saß verneinte das.

Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl, gab Borchert schließlich bekannt, dass er bis Mittwochfrüh einen Beweisantrag vorbereiten wolle und seine Ausführungen deuten daraufhin, dass er wohl eine Bedienstete oder einen Bediensteten des Gefängnisses als Zeugen laden will – mutmaßlich um Zschäpes gute Führung in Untersuchungshaft zu belegen und sie somit als weitgehend harmlos und ungefährlich darzustellen.

Ein Manöver das nach hinten losgeht
Die Bemühungen, seine Mandantin zu entlasten wurden jedoch konterkariert von den folgenden Fragen des Verteidigers.
Borchert zitierte nämlich aus einem Gutachten des Münchner Psychiaters Norbert Nedopil, das bislang nicht in den Prozess eingebracht worden war.

Nedopil hatte Zschäpe im Frühjahr 2015 untersucht, als sie sich in einer schweren psychischen Krise befand und deshalb mehrfach Prozesstage abgesagt werden mussten.
Im Gegensatz zu Saß, dem Zschäpe jegliches Gespräch verweigerte, stand die Angeklagte damals Nedopil Rede und Antwort.
Auf Drängen ihrer Altverteidiger, mit denen sie sich mittlerweile überworfen hat, wurde das Gutachten bislang nicht im Prozess thematisiert.
Das tat nun heute ausgerechnet ihr Neuverteidiger Borchert.

Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer nutzte die Gelegenheit, beantragte eine Kopie des 17-seitigen Gutachtens, und zitierte anschließend fast schon genüsslich aus den Ausführungen Nedopils.
Sie belegen in vielem genau das belegen, was Prof. Saß bislang nur schlussfolgern konnte aus der Beobachtungen der Angeklagten.

Belastend ist es, die Fassade zu wahren
Etwa dass sie sich bewusst hinter ihrem Laptop versteckt, dass sie den Prozess zwar als große Belastung empfindet, aber damit nicht etwa meint, dass es für sie belastend sei, mit den schrecklichen Taten des NSU konfrontiert zu werden, sondern, dass sie ständig gezwungen sei die Fassade zu wahren.

Und Zschäpe schilderte gegenüber Psychiater Nedopil ausführlich, wie sie versucht, ihre Anwälte anzuleiten und zu kontrollieren – was dem Selbstbild Zschäpes, die sich in ihren schriftlichen Erklärungen vor Gericht als abhängig und unmündig dargestellt hat, diametral widerspricht.
Ein Manöver, das zur Entlastung Zschäps dienen sollte, hat sie nun also womöglich erst recht belastet.

Glücklose Verteidiger
Wenig erfolgreich hatten zuvor schon Zschäpes Altverteidiger agiert.
Schon seit Anfang Dezember haben diese versucht, mit diversen Anträgen und taktischen Manövern die Befragung von Prof. Saß zu verzögern.
Heute versuchten Sie seine wissenschaftliche Expertise in Zweifel zu ziehen.
Zunächst befragten sie den Sachverständigen intensiv zu den wissenschaftlichen Grundlagen seiner Untersuchung.

Immer wieder wollten Zschäpes Rechtsanwälte Wolfgang Stahl und Anja Sturm wissen, welche Kriterien der Psychiater für sein Gutachten angelegt hat, und wie er das getan hat – mit dem unterschwelligen Ziel, Zweifel an der Wissenschaftlichkeit des Gutachtens zu sähen.
Doch Professor Saß, einer der renommiertesten forensischen Sachverständigen überhaupt, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und antwortete stets souverän.


 
347. Verhandlungstag: Juristische Schachzüge mit rechtem Winkel !

Die Verteidigung des mutmaßlichen NSU-Waffenbeschaffers Ralph Wohlleben will den Prozess für Nazi-Propaganda nützen.
Doch das Oberlandesgericht hat dem heute einmal mehr einen Riegel vorgeschoben, indem es einen Beweisantrag abgelehnt hat.

Von den fünf Angeklagten im NSU-Prozess machen zwei keinen Hehl daraus, dass sie bis heute überzeugte Rechtsextremisten sind: André E., der gerne einschlägige Klamotten und Tätowierungen zur Schau stellt, und vor allem Ralph Wohlleben.

Mit der rechten Szene gut bekannt
er hat schon mit der Wahl seiner Advokaten gezeigt, wes Geistes Kind er ist: Allesamt sogenannte Szeneanwälte, eine war mal NPD-Funktionärin, ein anderer Chef der neonazistischen Wiking Jugend, die als Nachfolgeorganisation der Hitler-Jugend verbotenen wurde, und ein weiterer wurde bekannt als Sänger einer Neonaziband, die in ihren Texten Adolf Hitler feiert oder Atomraketen auf Israel fordert.

Der Schleier ist längst gefallen
So gesehen war es fast schon verwunderlich, dass sich die Wohlleben-Verteidigung bislang vergleichsweise gemäßigt zeigte, doch das ist seit einigen Monaten vorbei.
Inzwischen agiert man völlig ungeniert.
So wollten Wohllebens Anwälte unlängst ganz ernsthaft ein NPD-Bundesvorstandsmitglied als Zeuge laden lassen, um zu beweisen, dass der einstige Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess in seiner Haft im alliierten Kriegsverbrechergefängnis in Spandau ermordet worden sei – eine der vielen Verschwörungstheorien der Neonazi-Szene, die jeglicher Grundlage entbehrt.

Das Gericht lehnte dies ab. Kurz darauf beantragte die Wohlleben-Verteidigung dann, einen Demografie-Experten zu laden, der bekunden solle, das Deutsche Volk sterbe aus – auch das ein Mythos der braunen Szene.

Alte Thesen in neuem Bezug
Heute hat der Strafsenat auch diesen Beweisantrag abgelehnt, mit der Begründung, das Ganze sei für die Urteilsfindung unbedeutend.
So beruhigend und erwartbar diese Entscheidung auch ist, so gibt es dennoch zu denken, dass die Wohlleben-Verteidigung offenbar keinerlei Hemmungen mehr hat, offensichtliche Nazi-Propaganda in den Prozess einzubringen.
Und höchst bedenklich ist auch, dass solche Verschwörungstheorien außerhalb der Neonaziszene längst wieder Anklang finden.

Dass das deutsche Volk bald den „Volkstod“ erleide, dass eine „Umvolkung“ stattfinde, ein gezielt geplanter „großer Austausch“ der Bevölkerung, solche Thesen werden längst nicht mehr nur von der NPD verbreitet, sondern auch auf Pegida-Demonstrationen und in AfD-Kreisen.
Selbst einzelne CDU-Politikern fabulieren inzwischen davon.

Das veränderte Verhalten der Wohlleben-Verteidigung, die Schamlosigkeit mit der sie inzwischen rechtsextreme Thesen in den Prozess einbringt, könnte man also auch als einen Verweis darauf deuten, dass sich die Verhältnisse auch außerhalb des hermetisch abgeschlossenen Saales A 101 im Münchner Justizgebäude bedenklich nach rechtsaußen verschoben haben.


 
348. Verhandlungstag: Zschäpe will mit Psychiater sprechen !

Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe will ein "vertrauliches ärztliches Gespräch" mit einem Psychiater aus Freiburg führen.
Ihr Verteidiger hat eine entsprechende Besuchserlaubnis in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim beantragt.
Ob Zschäpe sich untersuchen lassen will, ist allerdings offen.

Ein kurzer Prozesstag ohne besondere Vorkommnisse in der Hauptverhandlung, umso spannender, was am Rande der Verhandlung bekannt wurde: Beate Zschäpe will sich nun offenbar doch noch psychiatrisch untersuchen lassen.

Der Psychiater ihrer Wahl
Seit Wochen steht im NSU-Prozess die Psyche der Hauptangeklagten im Fokus: Hat Beate Zschäpe einen Hang zu Gewalt und Straftaten?
Ist sie nach wie vor gefährlich?
Diese Fragen soll der forensische Gutachter Henning Saß klären.

Allerdings stützt sich seine Expertise nur auf Beobachtungen und Akten, denn Zschäpe weigerte sich, mit Saß zu sprechen.
Nun hat sie dem Gericht überraschend signalisiert, dass sie eventuell doch bereit wäre, sich untersuchen zu lassen – allerdings nicht von Saß, sondern von dem Freiburger Psychiater Joachim Bauer.

Zschäpes Anwalt Mathias Grasel beantragte heute eine Dauerbesuchserlaubnis für Bauer in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim, wo Zschäpe einsitzt.
Allerdings scheint nicht sicher zu sein, dass Zschäpe ihm auch tatsächlich Rede und Antwort stehen wird.
Offenbar will sie Bauer erst einmal kennenlernen und sich dann "gegebenenfalls" – wie es in dem Antrag heißt – von ihm untersuchen lassen.
Bauer wollte auf BR-Anfrage keinen Kommentar dazu abgeben, ob er beabsichtigt, mit Zschäpe in Kontakt zu treten.

Kein Zweifel an der Schuldfähigkeit
Nach Auffassung von Prozessbeteiligten kann der Vorsitzende Richter Manfred Götzl dem Antrag wohl seine Zustimmung nicht verweigern, allerdings ist völlig unklar, inwiefern die Angelegenheit tatsächlich Auswirkungen auf den NSU-Prozess hat.
Und ob die Untersuchung eines anderen Psychiaters tatsächlich auch andere Ergebnisse erbringt.

Der gerichtlich beauftragte Sachverständige Saß jedenfalls hat Beate Zschäpe kein gutes Zeugnis ausgestellt: Sie weise Verantwortung stets von sich, sei manipulativ und im Übrigen voll schuldfähig.


 
349. Verhandlungstag: Gericht führt neue Zschäpe-Verteidiger vor !

Wie verhält sich Beate Zschäpe in ihrer Untersuchungshaft?
Um diese Frage geht es morgen im NSU-Prozess.
Das Gericht hat kurzfristig eine Abteilungsleiterin der JVA Stadelheim geladen und kam damit einem Antrag von Zschäpes Verteidigern zuvor.

Das Gericht lud die Zeugin überraschend und sorgte damit für eine peinliche Schlappe für die Verteidigung von Beate Zschäpe.
Ihr Verteidiger Mattias Grasel hatte davor nicht sagen können, wann er einen entsprechenden Beweisantrag stellen würde.
Der Beweisantrag war bereits letzte Woche von der Zschäpe-Verteidigung angekündigt worden, war aber nach Aussage von Grasel aus "organisatorischen Gründen" bisher nicht möglich.

Die Aussage der Abteilungsleiterin soll belegen, dass gegen Zschäpe keine Disziplinarmaßnahmen verhängt worden sind.
Zschäpes Verteidiger wollen damit das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Henning Saß teilweise entkräften, vor allem dessen Einschätzung dass von Zschäpe weiter eine Gefahr ausgehe.

Zweifel an Aussagen von Beate Zschäpe
Zusätzlich belastet werden könnte Beate Zschäpe durch einen Beweisantrag, den mehrere Nebenkläger gestellt haben.
Nebenklage-Anwalt Eberhard Reinicke beantragte mehrere Pressevertreter als Zeugen zu laden.

Es geht dabei um den Anschlag auf ein iranisches Lebensmittelgeschäft in der Kölner Probsteigasse im Jahr 2001, bei dem ein Mädchen schwer verletzt wurde.
Die Presse hatte damals nicht bundesweit berichtet.
Nach Aussagen von Pressevertretern hatte der Bombenanschlag damals keine bundesweite Bedeutung und wurde darum auch nicht in Thüringer Medien aufgegriffen.
Beate Zschäpe hatte aber in ihrer schriftlichen Aussage behauptet, sie haben von dem Vorfall aus der Presse erfahren.

Entlastung für Angeklagten Carsten S.
Der heute 37-jährige Carsten S. hat gute Chancen, im NSU-Prozess nach Jugendstrafrecht behandelt zu werden.
Er gehe davon aus, dass Carsten S. zum Tatzeitpunkt "in seiner sittlichen, geistigen und seelischen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand", sagte ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe Düsseldorf am Vormittag aus.

Carsten S. muss wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen verantworten.
Er soll im Alter von 20 Jahren die wichtigste Mordwaffe des NSU besorgt haben.
Carsten S., einst in führenden Positionen der NPD und der JN in Jena tätig, stieg im Jahr 2000 aus der rechten Szene aus und bekannte sich zu seiner Homosexualität.
Er ist der einzige der fünf Angeklagten im NSU-Prozess, der umfassend ausgesagt und sich damit selbst schwer belastet hat.


 
350. Verhandlungstag: Zschäpe und der Facebook-Freund !

Beate Zschäpe, Hauptangeklagte im NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht hat einen Verehrer.
Er schickt ihr regelmäßig 100 oder 200 Euro auf ihr Häftlingskonto in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stadelheim.

Besuchen darf der Mann seine verehrte Beate aber nicht.
Das hat sie ausdrücklich verboten.
Stattdessen schmachtet der unerbetene Verehrer nun auf Facebook und baut dort Collagen mit Rosen und dem Bild der Inhaftierten.
Das alles wissen wir, seit heute eine Abteilungsleiterin aus der Haftanstalt München Stadelheim als Zeugin ausgesagt hat.
Befragt wurde sie nach den sozialen Kontakten von Zschäpe im Gefängnis und mit Personen außerhalb der Haftanstalt.
Und da trat eben auch jener Enrico K. ans Tageslicht, dessen Facebook-Profil ein wirres Sammelsurium von Neonazi-Parolen zu bieten hat.
Für die Anwälte der Nebenkläger im NSU-Verfahren ist dies ein klarer Beweis dafür, dass sich die Hauptangeklagte eben doch nicht von der Neonazi-Szene und deren Gedankengut losgesagt hat.

Zeugin: Zschäpe in der Haft kooperativ
Belege dafür, dass Zschäpe in der Haft ihr Image als Rechtsextremistin pflege, gibt es nach Darstellung der Justizbeamtin aus der Frauenabteilung aber nicht.
Natürlich habe sie aufgrund der zahlreichen Presseveröffentlichungen eine Art "Promistatus" im Gefängnis und sei eben auch - der langen Haftzeit geschuldet - eine "außergewöhliche Gefangene".
Im Umgang mit den Beamtinnen und anderen Mitarbeitern der JVA - so die Zeugenaussage - sei Zschäpe aber stets höflich und kooperativ.
Ärger habe es mit ihr nicht gegeben - allenfalls unterschiedliche Meinungen darüber, wie viele private Gegenstände sie in ihrem Haftraum aufbewahren dürfe.
Das - so die Beamtin - habe mit den Kontrollen der Zellen zu tun, was Zschäpe dann auch eingesehen habe.

Gutachter: Kooperatives Verhalten ist im Untergrund erlernte Anpassung
Ob Zschäpes angepasstes Verhalten in der Justizvollzugsanstalt etwas mit "Camouflage" zu tun habe, wollte das Gericht später von dem psychatrischen Gutachter Henning Saß wissen. In all den Jahren im Untergrund - so der Sachverständige - habe Zschäpe gelernt, sich anzupassen und zu verstecken.
Das sei es nichts Außergewöhnliches, wenn jemand in der Haft ein ähnliches Verhalten an den Tag lege.
Weitere Schlüsse wollte der Gutachter aus den Schilderungen aber nicht ziehen.
Seine Vernehmung wurde nun am heutigen 350. Prozesstag abgeschlossen.
Was vor allem von seinem Gutachten bleibt, ist die zentrale Boschaft des Sachverständigen: Er hält Bate Zschäpe für voll schuldfähig.


 
351. Verhandlungstag: Der Richter drückt aufs Tempo !

Zäh war es zuletzt in diesem Megaprozess, der jedes Maß und jeden Zeitrahmen zu verlieren schien.
351 Verhandlungstage bzw. fast vier Jahre läuft schon das Strafverfahren gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte.
Und kein Ende war in Sicht - bis heute.

Heute nun gab es unmissverständliche Hinweise darauf, dass die lange Etappe der Beweisaufnahme schon bald zu Ende geht und die Plädoyers bevorstehen.
Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl drückt aufs Tempo: Er lehnte "nach geheimer Beratung" sechs Beweisanträge ab und kündigte an, dass Verteidigung, Bundesanwaltschaft und Nebenklage-Anwälte nur noch bis zum 14. März Zeit haben, weitere Beweisanträge zu stellen.
"Eine Woche ist ausreichend", so argumentiert Götzl.
Er drohte den Verfahrensbeteiligten sogar, dass Anträge, die nach dem 14. März gestellt werden, wegen Verschleppung abgelehnt werden könnten.

"Frist viel zu knapp"
Plötzlich macht sich Nervosität breit. Teils laut, teils leise beklagen sich verschiedene Prozessbeteiligte, es bleibe nicht mehr genug Zeit, die Begründungen der heute von Götzl abgelehnten Anträge durchzuarbeiten und gleichzeitig weitere Anträge zu stellen.
Der Verteidiger des Angeklagten Ralf Wohlleben, Olaf Klemke, verlangte eine Unterbrechung der Verhandlung bis morgen 13 Uhr, schließlich sei es ihm nicht zuzumuten, bis heute um Mitternacht zu arbeiten und morgen schon wieder ab 6 Uhr.
Klemke räumte ein, die Frist bis zum 14. März bringe seine Kollegin Schneiders und ihn in Zeitnot.
Kritik am Senat kommt auch von der Nebenklage: die von Götzl gestellte Frist sei viel zu knapp.

Plädoyers beginnen vielleicht schon nach Ostern
Zudem wird für morgen von Seiten der Verteidigung mit neuen Befangenheitsanträgen gegen die Richter gerechnet.
Unterm Strich ist aber wahrscheinlich, dass bis Ende März alle noch zu stellenden Anträge abgearbeitet sein dürften.
Nach den Osterferien könnte dann die abschließende Phase im NSU-Prozess beginnen: die Plädoyers.
Verfahrensbeteiligte können sich deshalb vorstellen, dass das Urteil gegen Beate Zschäpe und die vier mutmaßlichen Unterstützer doch noch im Juli fällt.


 
352. Verhandlungstag: Alles hat ein Ende ....!

… auch der NSU-Prozess.
Seit knapp vier Jahren wird verhandelt, 352 Mal sind die Prozessbeteiligten zusammengetreten.
Offenbar war das Einigen noch nicht oft genug.
Seitdem der Vorsitzende Richter das Ende der Beweisaufnahme mit einem konkreten Datum verknüpft hat, ist eine hohe Aktivität ins Geschehen zurückgekehrt.

Über ein Dutzend Verteidiger, drei Ankläger und mehr als 100 Nebenklagevertreter.
Viele Superlative, die die Größe und den Umfang dieses Verfahrens beschreiben, sind längst abgenutzt.
Doch für den Senat ist und bleibt dieser Prozess eine gewaltige Herausforderung.
Die vielen Beteiligten und deren Interessen immer wieder – zumindest strafprozessual betrachtet – unter einen Hut zu bringen, gleicht manchmal einem Sack Flöhe hüten.

Die Republik schaut – wenn auch mitunter gelangweilt ob der Länge des Verfahrens – nach München.
Oberstes Ziel für die Richter ist es, ein revisionssicheres Urteil zu sprechen.
Sonst droht das Verfahren neu aufgerollt zu werden.
Doch wie schließt man nun die Beweisaufnahme, um den Weg frei zu machen für die Plädoyers?
Es hat den Anschein, dass nicht nur die Prozessführung, sondern auch die Beendigung des Verfahrens sich als hochkomplex gestalten.

Eine Prozessroutine für einen Prozess ohne Routine
Gestern hatte Manfred Götzl angekündigt, etwaige Beweisanträge nur noch bis nächsten Dienstag zuzulassen – auf manche Prozessbeteiligte wirkte das ganz offensichtlich wie ein Schock. 46 Monate Verhandlungen sind eine lange Zeit, man hat sich an die Gegebenheiten und den Rhythmus gewöhnt, das Verfahren ist Teil des Berufsalltags geworden.
Doch auch dieser Prozess wird zu Ende gehen.
Und gerade die Juristen im Schwurgerichtssaal 101 wissen das ganz genau.
Umso erstaunlicher das Verhalten – gerade auf der Verteidigerbank.

Es hat den Anschein, als ob die Anwälte erwischt worden wären bei etwas, das sie bislang versäumt haben.
Auf Götzls gestrige Ankündigung kam heute prompt die Quittung.
Patsch!
Die Verteidigung von Ralf Wohlleben lehnt zum wiederholten Mal die Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.
Patsch!
Auch die Verteidigung von Beate Zschäpe kündigt einen solchen Befangenheitsantrag an.
Der Senat hat zwar – wegen des Beschleunigungsgrundsatzes - beschlossen, weiter zu verhandeln.
Doch Götzl hatte heute zu Prozessbeginn eigentlich angekündigt, seine Frist verschieben zu wollen.
Wohin? Das weiß nur er.

Nach dem Befangenheitsantrag äußerte er sich nicht mehr zu dem Vorhaben.
Dieser Prozess wird zu Ende gehen.
Der Vorsitzende Richter hat mit der kurzen Frist einen Art Weckruf ausgelöst.
Jetzt wird mit Hilfe der Strafprozessordnung protestiert und lamentiert.
Am Ende wird die Frist wahrscheinlich verlängert und auch diejenigen, die es sich allzu bequem im Verhandlungssaal eingerichtet haben, werden dazu übergehen ihre Plädoyers zu verfassen.
Und Manfred Götzl hat seine Beweisaufnahme im Kasten und damit ein bedeutendes Etappenziel erreicht.
Es geht – Stück für Stück – zu Ende.


 
353. Verhandlungstag: Eine Frist und ihre Folgen !

Mit dem überfallartigen Verkünden eines baldigen Endes der Beweisaufnahme überraschte das Gericht die anderen Prozessbeteiligten.
Aber war Richter Götzls vermeintlicher Coup auch ein kluger Schachzug?

Manfred Götzl kann Contenance.
Äußerlich blieb der Vorsitzende Richter völlig gelassen, als Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Heer einen Befangenheitsantrag seiner Mandantin gegen Götzl vortrug.
Das Ablehnungsgesuch war auch keine Überraschung, und Befangenheitsanträge wie dieser sind beim NSU-Prozess mittlerweile Alltag.
Die Formulierungen aber, mit denen Verteidiger Heer - rund eine Stunde lang - das Ablehnungsgesuch begründete, könnten Richter Götzl durchaus geärgert haben.

Heftige Vorwürfe gegen Götzl
Denn Heer unterstellte Götzl, die Verhandlung "grob rechtsfehlerhaft" ausführen zu wollen.
Seine Mandantin, erläuterte Wolfgang Heer, müsse "befürchten, dass der abgelehnte Vorsitzende seine mangelhafte Verfahrensplanung mittels der Fristsetzung zu kaschieren versucht."
Rechtsfehlerhafte Verhandlungsführung?
Mangelhafte Verfahrensplanung?
Das sind starke Vorwürfe an die Adresse eines Richters, der großen Wert auf eine korrekte Führung des Mammutprozesses legt.

Fristsetzung gleicht Kampfansage
Als Götzl am vergangenen Dienstag verkündete, die Prozessbeteiligten hätten noch eine Woche Zeit um Beweisanträge zu stellen, hat er Teile der Verteidigung sicherlich geschockt.
Er hat sie aber auch verärgert.
Der Vorsitzende Richter weiss, dass die Zschäpe-Verteidigung mit der Befragung von zwei Psychiatern im Prozess das psychiatrische Gerichtsgutachten in Frage stellen will.
Das war nämlich für die Hauptangeklagte juristisch verheerend ausgefallen.
Für die Verteidiger kam die überraschende Verkündung einer derart knappen Frist daher einer Kampfansage gleich, auf die sie nun entsprechend reagiert haben.
Da half es auch nicht mehr, dass Götzl zwischenzeitlich ankündigte, die Frist verlängern zu wollen, ohne konkreter zu werden.

Eher Eigentor als Coup?
Sowohl Beate Zschäpe als auch Ralf Wohlleben haben also erneut Befangenheitsanträge gestellt.
Deren Erfolgsaussichten tendieren gegen Null.
Das Klima zwischen dem Senat und Teilen der Verteidigung ist aber vergifteter als zuvor.
Ob Manfred Götzls überraschende Fristsetzung den Abschluss der Beweisaufnahme wirklich beschleunigt hat, ist äußerst fraglich.


 
Zschäpe-Pflichtverteidiger beantragen Abberufung !

München - Drei der vier Pflichtverteidiger der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe haben die Entlassung aus dem NSU-Prozess beantragt.
Eine Fortsetzung ihrer Tätigkeit in dem Verfahren sei für sie auch in persönlicher Hinsicht nicht mehr zumutbar, schrieben die Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm.

Sie reagierten damit auf einen Brief Zschäpes an das Gericht, in dem sie sich von mehreren Befangenheitsanträgen distanzierte, die die Anwälte in ihrem Namen gestellt hatten.


 
354. Verhandlungstag: Noch immer Stillstand !

Sechs Befangenheitsanträge gegen das Gericht wurden heute abgelehnt.
Trotzdem ging es inhaltlich kaum voran.
Und auch der allgemein erwartete Showdown zwischen Alt- und Neuverteidigern der Hauptangeklagten Beate Zschäpe fand nicht statt.

Eigentlich wollte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl aufs Tempo drücken, als er Anfang März erklärte, für neue Beweisanträge bliebe nur noch eine Woche Zeit.
Diese Ankündigung löste eine Flut von Befangenheitsanträgen aus - weshalb mehrere Verhandlungstage abgesetzt werden mussten.
Heute morgen ließ das Gericht Bescheide verteilen, wonach alle Anträge abgelehnt seien.
Richtig weiterverhandeln konnte der Staatsschutzsenat dennoch nicht.
Die Wohlleben-Verteidigung kündigte umgehend ein neues Ablehnungsgesuch an - und forderte Zeit für dessen Ausarbeitung.
Götzl blieb nichts anderes übrig, als schon vor der Mittagspause nach längeren Unterbrechungen den Prozess auf morgen zu vertagen.

Zschäpes Alt-Verteidiger wollen nicht mehr
Damit kam es auch nicht zum allgemein erwarteten Schlagabtausch zwischen den sogenannten Alt-Verteidigern von Zschäpe, den Anwälten Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm und ihren beiden Kollegen Mathias Grasel und Hermann Borchert, die allein seit eineinhalb Jahren das Vertrauen der Hauptangeklagten genießen.
Es sei ihnen "auch in persönlicher Hinsicht nicht mehr zumutbar", Zschäpe zu verteidigen, schrieben Heer, Stahl und Sturm am Sonntag dem Gericht.

Nicht zum ersten Mal wollen die drei Juristen aus der Pflichtverteidigerrolle entlassen werden.
Diesmal ärgert sie, das Zschäpe mehrere von den drei Anwälten gestellte Befangenheitsanträge zurücknehmen ließ, die zuvor von ihren Vertrauensanwälten Grasel und Borchert abgesegnet worden sein sollen.
Wenn das Gericht sich heute mit diesem Antrag befasst hätte, wären wohl Alt- und Neuverteidiger auf offener Bühne aufeinandergetroffen.
Seit langem haben beide Lager völlig unterschiedliche Auffassungen, welches die richtige Verteidigungsstrategie ist.
Heer, Stahl und Sturm waren und sind der Überzeugung, dass Zschäpe am besten nichts gesagt hätte.
Grasel und Borchert vertreten die gegenteilige Ansicht, unter ihrer Beratung hat die Hauptangeklagte inzwischen mehrere Erklärungen abgegeben.


 
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