Kennzeichenfahndung Kesy im Fall Rebecca - darum ist die Polizei jetzt "stinksauer" !
Ein Renault Twingo ist der Schlüssel zum Fall Rebecca.
Die Staatsanwaltschaft in Berlin plauderte aus, wie die Polizei den Wagen aufspürte.
Ein Supergau für die künftige Fahndung, schäumen die Polizisten.
Mit einem Renault Twingo soll der Schwager von Rebecca Reusch am 18. und 19. Februar zwischen Berlin und Frankfurt an der Oder auf der Autobahn unterwegs gewesen sein.
Der himbeerrote Twingo ging der Polizei durch die automatische Kennzeichenfahndung ins Netz.
In Brandenburg wird das System Kesy seit 2010 benutzt.
Inzwischen sind elf Geräte im Einsatz.
Im Fall Rebecca wurde das Fahrzeug zwei Mal auf der Autobahn erfasst.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass nur der Verdächtige Zugriff auf das Fahrzeug hatte.
Die Polizei ist alles andere als glücklich, dass die Staatsanwaltschaft den Einsatz des Systems publik gemacht hatte.
Der Sprecher des Brandenburger Polizeipräsidiums, Torsten Herbst, sagte zum "Tagesspiegel": "Wir sind stinksauer, dass die Berliner Behörden Details zu der Anlage und zum Standort einfach ausposaunt haben.
Das macht uns die Fahndung nach Autodieben und anderen Straftätern nicht leichter."
Ausplaudern von Kesy-Fahndung - ein Supergau für künftige Fälle
Weiter sagt Herbst: "Niemand muss auch in einem solch dramatischen Fall wie der vermissten Rebecca anderen Straftätern sensible Ermittlungstechnik offenbaren.
Jetzt wissen alle zukünftigen Straftäter, wie sie sich verhalten müssen.
Sie werden es leichter haben, nicht gefasst zu werden."
Die Berliner Polizei-Berufsverband "Unabhängige" schlägt in die gleiche Kerbe: "Die Einsatztaktik der Polizei zu veröffentlichen, ist eigentlich der Supergau."
Daten Unbeteiligter werden gespeichert und ausgewertet
Das System ist extrem umstritten.
Genutzt werden darf es nur für die sogenannte Gefahrenabwehr.
Das heißt: Es darf nur nach Fahrzeugen in Zusammenhang mit einer Straftat gefahndet werden.
Etwa bei Flüchtigen nach einem Banküberfall.
Alle anderen Daten werden sofort gelöscht.
Eigentlich, aber nach dem Renault wurde zu dem Zeitpunkt gar nicht gefahndet.
In Brandenburg gibt es eine Besonderheit: Nach einem richterlichen Beschluss können diese Daten erneut ausgelesen und gesichtet werden.
So ein Vorgehen ist durch das Polizeigesetz Brandenburgs gedeckt, es bedeutet aber auch, dass die Daten überhaupt nicht wirklich gelöscht werden, sondern dass nur der Zugriff darauf gesperrt ist.
Problem an dem System: Die Fahrzeuge werden nur von hinten erfasst.
Der Fahrer ist auf den Aufnahmen nicht zu erkennen.
Kesy ist rechtlich umstritten
Die Polizei in Brandenburg ist vermutlich nicht nur "stinksauer", weil Verbrecher gewarnt würden, sondern weil derartige Maßnahmen rechtlich umstritten sind.
Erst im Dezember hatte das Bundesverfassungsgericht die Regelungen zur Kennzeichenerfassung in den Bundesländern Bayern, Hessen und Baden-Württemberg teilweise für verfassungswidrig erklärt.
Die Richter in Karlsruhe haben die Kennzeichenerfassung allerdings nicht grundsätzlich verboten.
Vielmehr muss der Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung verhältnismäßig sein.
Das Problem: Das Abspeichern der Daten von Unbeteiligten ist eigentlich nicht mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu vereinbaren.
Und genau aus diesem Pool hat die Polizei ihre Informationen im Fall Rebecca gewonnen.
Das Auto selbst wird Datenquelle
Der strenge Datenschutz in Deutschland macht die Polizeiarbeit nicht leichter.
In Ländern wie Großbritannien überwacht nicht nur der Staat die Straße, zahlreiche private Anlagen kommen hinzu.
Im Fall einer Straftat kann die Polizei sehr viel mehr Informationsquellen auswerten als hierzulande.
Statische Systeme wie Kesy haben nur einen begrenzten Nutzen.
Neuere, vernetzte Autos hinterlassen bei jeder Bewegung eine Datenspur, die im Prinzip ausgewertet werden kann.