Justizpanne: Neonazi nutzte in Untersuchungshaft gleich mehrere Mobiltelefone !
Ein Rechtsextremist aus dem engsten Vertrauenskreis der Neonazi-Gruppe "Jungsturm" hat nach MDR THÜRINGEN-Informationen offenbar über Monate mit verbotenen Mobiltelefonen aus der U-Haft heraus telefoniert.
Dabei sollen auch entlastende Zeugenaussagen abgesprochen und die Einschüchterung von möglichen Belastungszeugen koordiniert worden sein.
In Untersuchungshaft sind eigene Mobiltelefone eigentlich streng verboten.
Genehmigte Telefonate und Besuche werden überwacht.
Zu groß ist die Gefahr, dass vor dem Verfahren Zeugenaussagen abgesprochen werden.
"Verdunklungsgefahr" heißt das im Justizjargon.
Genau das soll in großem Umfang im Fall eines Neonazis aus dem engsten Vertrauenskreis der Neonazi-Hooligan-Gruppe "Jungsturm" passiert sein.
Felix R. war bereits im Oktober 2019 unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung festgenommen worden.
Bis zum Prozessbeginn im April 2020 saß der bekannte Saalfelder Rechtsextremist in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tonna in Untersuchungshaft.
Nach MDR THÜRINGEN-Informationen soll R. während dieser Zeit mindestens drei illegal beschaffte Mobiltelefone und einen USB-Stick besessen haben.
Einschüchterung von Zeugen und Absprache von Aussagen
Immer wieder telefonierte er auch mit Mitgliedern der Neonazi-Hooligan-Gruppe "Jungsturm" darunter drei der vier Männer, die sich derzeit am Landgericht Gera wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Raub und gefährlicher Körperverletzung verantworten müssen.
Bei den Telefonaten sollen auch entlastende Zeugenaussagen abgesprochen und die Einschüchterung von möglichen Belastungszeugen koordiniert worden sein.
Felix R. selbst war bereits im Juli am Amtsgericht Rudolstadt zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt worden.
Im November 2020 verringerte das Landgericht Gera im Berufungsprozess die Strafe um sechs Monate auf zwei Jahre und zehn Monate.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Bereits im ersten Prozess gegen Felix R. war dessen Besitz eines einzelnen illegal eingeschleusten Mobiltelefons öffentlich geworden.
Das Ausmaß der Justizpanne war jedoch bisher unbekannt.
Staatsanwaltschaft beschwerte sich in der JVA
Nach MDR-Informationen wurden die Behörden offenbar bei mindestens einem der Handys erst durch Zufall im Zuge der Telefonüberwachung weiterer "Jungsturm"-Mitglieder auf das illegale Handy des Häftlings aufmerksam.
So beklagte die Staatanwaltschaft mehrfach unzureichende Sicherheitsmaßnahmen in der JVA.
In einem Schreiben vom April 2020 an die Haftanstalt heißt es, dass im Rahmen von Telefonüberwachungen reger Telefonkontakt des Häftlings mit anderen Personen festgestellt wurde.
Von mindestens drei Mobiltelefonen seien während der Haftzeit Einwirkungen und Einschüchterungen von Zeugen koordiniert worden.
Es bestehe der Verdacht, dass der Angeklagte solche Absprachen sogar bei genehmigten Telefonaten und Besuchen getätigt habe.
Weiter heißt es: "Daher besteht die begründete Vermutung, dass die von der Justizvollzugsanstalt getroffenen Maßnahmen zur Überwachung und erforderlichenfalls Verhinderung des Kontakts mit Dritten nicht ausreichen."
Sofern nicht in der Zwischenzeit ein Mobiltelefon eingezogen worden sei, "dürfte die Durchsuchung und Sicherstellung des Mobiltelefons zur Aufrechterhaltung der Anstaltsordnung indiziert sein."
"Verdunklungsmaßnahmen in bemerkenswertem Umfang"
In einem späteren Schreiben an Felix R.´s Verteidiger, spricht die Staatsanwaltschaft von "Verdunklungsmaßnahmen und Verstößen gegen die Anstaltsordnung in bemerkenswertem Umfang".
Offenbar sei die JVA Tonna - wie sicherlich auch jede andere JVA - im Rahmen der Standardbehandlung der Insassen nicht in der Lage, die vom Angeklagten ausgehende Verdunklungsgefahr effektiv auszuschließen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Anstalt mittlerweile ein Handy und einen USB-Stick bei R. sichergestellt.
Ein Sprecher des Justizministeriums sagte MDR THÜRINGEN, es komme immer wieder vor, dass Handys in JVA eingeschmuggelt würden beziehungsweise dies versucht würde.
"In dem von Ihnen genannten Fall zeigte der Mobifinder (ein Gerät zum Aufspüren versteckter Mobiltelefone, Anm. d. Redaktion) höhere Werte an.
Daraufhin erfolgten Zellendurchsuchungen und die Handys wurden sichergestellt.
Die Bediensteten handelten korrekt, so dass es keinen Anlass zu weiteren Maßnahmen ergibt."
Nichtsdestotrotz würden alle Abläufe und Sicherungsvorkehrungen permanent geprüft und gegebenenfalls angepasst.