Verbraucherrecht - Urteile usw. !

BGH-Urteil: Kunden können Kreditverträge noch nach Jahren kündigen !

Die Sparkassen sind über eine Fußnote in ihren Widerrufsbelehrungen gestolpert: Ein BGH-Urteil hat Hunderten Kunden die Kündigung von Kreditverträgen auch nach Jahren noch erlaubt.

Im jahrelangen Streit zwischen Banken und Kreditkunden um falsche Widerrufsbelehrungen haben die Geldhäuser eine Niederlage erlitten.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Donnerstag entschieden, dass Kunden noch nach Jahren ihre Kreditverträge kündigen können, sofern die Widerrufsbelehrung im Vertrag Fehler enthielt.
Die Sparkasse Nürnberg wurde dazu verurteilt, einen Darlehensvertrag aus dem Jahr 2008 rückabzuwickeln.
Die Grundsatzentscheidung vom Dienstag hat Auswirkungen auf zahlreiche Prozesse um den Widerruf von Altverträgen.

Denn mit dem am Dienstag verkündeten Urteil können nun hunderte Sparkassen-Kunden aus teuren Kreditverträgen aussteigen - allerdings nur, wenn sie diese vor dem 22. Juni 2016 widerrufen haben. (Az. XI ZR 564/15)

Die Kläger im Ausgangsfall hatten 2008 von der Sparkasse Nürnberg einen Verbraucherkredit über 50.000 Euro aufgenommen und ihn 2013 widerrufen, weil die Belehrung der Sparkasse zum Widerrufsrecht fehlerhaft gewesen sei.
Der Musterbelehrung der Sparkasse zufolge sollte die 14-tägige Widerrufsfrist „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ beginnen.
In einer zusätzlichen Fußnote hieß es zudem: „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“.
Der BGH erklärte diese von Sparkassen früher bundesweit genutzte Widerrufsbelehrung nun für irreführend, weil beim Kunden damit der Eindruck erweckt werden könne, dass die 14-tägige Frist je nach Umständen länger oder kürzer dauern kann.

Nach Angaben der auf solche Fälle spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei Werdermann von Rüden findet sich diese fehlerhafte Widerrufsbelehrung bundesweit in etwa 30.000 Kreditverträgen, die von Ende 2002 bis Ende 2008 mit Sparkassen abgeschlossen wurden.
Allerdings können nur noch einige hundert Verbraucher, die rechtzeitig geklagt haben, ihre teuren Kreditverträge rückabwickeln, weil das sogenannte ewige Widerrufsrecht, das bei fehlerhaften Belehrungen galt, vom Gesetzgeber zum 22. Juni 2016 abgeschafft wurde.


 
Streit um teure Einbauküche - BGH entscheidet zugunsten von Käufer !

Karlsruhe - Im Rechtsstreit um eine mangelhafte Designer-Küche hat der Bundesgerichtshof Verbraucher gestärkt: Wenn ein Käufer den Händler auffordert, unverzüglich die Mängel in einem begrenzten Zeitraum zu beseitigen, muss er keinen bestimmten Endtermin angeben.
Der BGH hob ein Urteil des Oberlandesgerichts München auf und verwies es an einen anderen Senat zurück.

Das OLG war der Ansicht gewesen, die Käufer hätten keine angemessene Frist zur Nachbesserung gesetzt.
Durch Mails und Gespräche der Küchen-Kunden sei die gesetzlich geforderte Fristsetzung für Schadenersatz erfüllt gewesen, so der BGH.


 
BGH erleichtert das Kündigen von Dating-Diensten !

Der BGH erleichtert es Kunden von Dating-Portalen und anderen Internetangeboten, kostenpflichtigen Abos zu kündigen.
Demnach reicht eine entsprechende E-Mail um den Vertrag zu beenden, wenn auch ansonsten alles elektronisch abgewickelt wurde.
Das Urteil hilft vor allem aktuellen Kunden solcher Portale, ab Oktober steht eine entsprechende Regelung dann auch im Gesetz.

Das mit der ganz großen Liebe im Internet ist oft vor allem eines: ein ganz großes Geschäft.
Einsame melden sich bei teilweise kostspieligen Single-Börsen an, in der Hoffnung dort einen Partner zu finden.
Die wirklich langfristige Beziehung gehen sie dann aber oft mit dem Betreiber der Webseite ein - und die ließ sich bisher oft nur schwer wieder lösen.

Seit einigen Jahren geht der Bundesverband der Verbraucherzentralen deshalb vor Gericht gegen Kostenfallen bei Online-Partnerbörsen vor.
Mehrfach ist er gegen Klauseln vor Gericht gezogen, die den Kunden eine Kündigung der kostenpflichtigen Verträge schwer machen.
Nun hat erstmals der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden: Reine Onlinedienste dürfen nicht auf einer Kündigung per Brief bestehen, eine entsprechende E-Mail muss normalerweise ausreichen.

Im vorliegenden Fall ging es um das Portal Elitepartner, einen der bekannteren Spieler auf dem Onlinedating-Markt, in dem jährlich an die 200 Millionen Euro umgesetzt werden.
Nach den damals geltenden Geschäftsbedingungen mussten VIP- oder Premium-Mitglieder eine Kündigung des kostenpflichtigen Dienstes in "Schriftform" mitteilen, also mit eigenhändiger Unterschrift, zu übermitteln per Post oder Fax.
Eine Kündigung durch eine einfache Mail sollte dagegen unzulässig sein - "die elektronische Form ist ausgeschlossen", hieß es.

Einseitige Benachteiligung der Kunden
Die Verbraucherzentrale sah darin eine einseitige Benachteiligung der Kunden, weil die Partnervermittlung ansonsten komplett online abgewickelt werde, von der Bestätigung der Anmeldung über die Zusendung der Geschäftsbedingungen bis hin zur Bezahlung.
Elitepartner habe sich sogar selbst eine Kündigungsmöglichkeit per Mail vorbehalten, sagte Peter Wassermann, Anwalt der Verbraucherschützer.

Soll heißen: Der Kunde, der sich eigentlich in Herzensdingen binden wollte, ist durch die umständliche Schriftform womöglich länger an den Vertrag gekettet, als er möchte.
Denn wer nicht ordnungsgemäß kündigt, handelt sich eine Verlängerung des Vertrags ein.
Je nach Laufzeit verursacht dies Kosten von etwa 25 bis über 50 Euro monatlich.

Der BGH hat sich nun der Argumentation des Verbraucherverbandes angeschlossen.
Weil vom Vertragsschluss bis zur Abwicklung alles online ablaufe, werde der Kunde unangemessen benachteiligt, wenn er bei der Kündigung ein selbst unterschriebenes Schriftstück abschicken müsse, entschied der dritte Zivilsenat. (Az: III ZR 387/15)

Neueregelung ab Oktober im Gesetz
Damit ist klar: Eine schlichte Mail genügt, um sich von solchen Verträgen zu lösen.
Und zwar auch bei anderen Diensten, die solche Klauseln in ihren Geschäftsbedingungen haben.
Der Verbraucherverband hatte vor Jahren ein ähnliches Verfahren gegen das Dating-Portal eDates geführt und 2014 vor dem Oberlandesgericht München gewonnen.

Profitieren werden von dem Urteil vor allem aktuelle Kunden, die ihren Vertrag gern loswerden möchten oder sich bereits im Streit um die Wirksamkeit einer Kündigung befinden.
Denn am 1. Oktober tritt eine Gesetzesneuregelung in Kraft, die das Kündigen neu abgeschlossener Verträge einfacher macht - ganz im Sinne des BGH-Urteils: Dann reicht, nicht nur bei Dating-Diensten, generell eine einfache Mail.


 
Gestrandet auf Flug von Hamburg in den Urlaub !

Der Bundesgerichtshof (BGH) klärt heute, wann Flugreisenden wegen einer Verspätung Geld von der Airline zusteht.
Grundsätzlich haben Passagiere bei einem innereuropäischen Flug je nach Entfernung Anspruch auf 250 oder 400 Euro, wenn sie drei oder mehr Stunden zu spät ankommen.

Umstritten ist, ob das auch in dem Fall einer vierköpfigen Familie gilt.
Die Pauschalurlauber wollten von Hamburg über Gran Canaria nach Fuerteventura reisen.

Weil der erste Flieger 20 Minuten Verspätung hatte, verpassten sie ihren Anschluss mit einer anderen Airline und kamen 14 Stunden zu spät an.

Dafür wollen die Touristen insgesamt 1600 Euro Ausgleich.
In den Vorinstanzen hatten sie mit ihrer Klage keinen Erfolg: Der erste Flug sei nur leicht verspätet gewesen, auf die Koordination mit dem zweiten habe die Fluglinie keinen Einfluss gehabt.
(Az. X ZR 138/15)


 
Urteil: Fluggast muss für Entschädigung nicht zum Schalter !

Düsseldorf. Wem die Beförderung im Flugzeug trotz Buchung verweigert wird, der hat das Recht auf Entschädigung - auch wenn er nicht am Schalter erschienen ist.

Was passiert, wenn ein Fluggast mit bestätigter Buchung die Beförderung verweigert wird?
Ihm steht eine Entschädigung zu.

Er muss nicht extra am Abfertigungsschalter erscheinen, wenn ihm schon lange vor dem Flug von einem Airline-Mitarbeiter zu verstehen gegeben wurde, dass er nicht befördert werden wird.
Das entschied das Landgericht Düsseldorf in einem Berufungsverfahren (Az.: 22 S 79/15) und kippte damit die Entscheidung der Vorinstanz.

Über das Urteil berichtet die Deutsche Gesellschaft für Reiserecht in ihrer Zeitschrift "ReiseRecht aktuell".

Reine Förmelei
In dem verhandelten Fall wollte die Klägerin von Teneriffa zurück nach Düsseldorf fliegen.
Ihr war schon am Tag des Hinflugs am Schalter der Fluggesellschaft mitgeteilt worden, dass der Rückflug storniert worden sei.
Die Frau müsse sich selbst um eine alternative Rückreise bemühen, hieß es.
Doch die Klägerin hatte nachweislich eine bestätigte Buchung für Hin- und Rückflug, so das Gericht.

Demnach stand der Frau nach EU-Recht eine Entschädigung wegen des stornierten Fluges zu .
Weil sie aber am Rückreisetermin nicht mehr am Abfertigungsschalter erschien, verweigerte die Airline die Zahlung.
Zu Unrecht, entschied das Gericht.
Der Frau sei schon viele Tage vor dem Rückflug klar die Nicht-Beförderung in Aussicht gestellt worden.
Zu fordern, dass die Passagierin dennoch zum Schalter kommen müsse, sei "reine Förmelei".
Neben der Ausgleichszahlung erhielt die Klägerin auch die Kosten für den Ersatzflug nach Hause zurück


 
Wichtiges Urteil für Autokäufer !

Europa-Richter sprechen Machtwort zu Überführungskosten .

Schluss mit versteckten Kosten beim Autokauf: Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) (Az.: C-476/14) verpflichtet Autohersteller dazu, Überführungskosten für ein Fahrzeug in den Verkaufspreis mit einzurechnen, wenn der Kunde diese übernehmen muss.

Stein des Anstoßes war eine Werbeanzeige von Citroën Commerce, bei der diese Kosten in Höhe von 790 Euro lediglich in einer Fußnote am Rande angegeben waren.

Unlauterer Wettbewerb durch versteckte Überführungskosten
Das rief dann die Zentralvereinigung des Kfz-Gewerbes zur Aufrechterhaltung des lauteren Wettbewerbs (ZLW) auf den Plan, die im Anschluss mit zwei Klagen vor dem Landgericht Köln und dem Oberlandesgericht Köln erfolgreich war.

Beide stellten laut der Fachzeitschrift "kfz-Betrieb" fest, "dass die fragliche Werbung wegen der fehlenden Angabe des Endpreises gegen die Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und der Preisangaben-Verordnung (PAngV)" verstößt.

Verkaufspreis ohne gesonderte Kosten
Der von Citroën Commerce angerufene Bundesgerichtshof legte "wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Themas" den Sachverhalt dem EuGH vor.

Die Europarichter haben nun entschieden, dass Anzeigen in dieser Form verboten sind, da sie gegen die EU-Richtlinie 98/6/EG vom 16.12.1996 verstoßen.
Diese besagt, dass der Verkaufspreis zur Verbesserung der Verbraucherinformation beitragen müsse, damit Verbraucher die Preise von Erzeugnissen beurteilen und miteinander vergleichen können.

In dem Urteil heißt es: "Verlangt der Händler, dass der Verbraucher die Kosten der Überführung dieses Erzeugnisses vom Hersteller an diesen Händler trägt, und sind diese - im Übrigen feststehenden - Kosten infolgedessen obligatorisch vom Verbraucher zu tragen, stellen sie einen Bestandteil des Verkaufspreises im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6 dar."
Auf Basis der Hinweise des EuGH muss der BGH nun abschließend entscheiden.


 
Alleinerbe muss Auskunft geben !

Berlin. Beantragt ein Alleinerbe einen Erbschein, kann das Nachlassgericht ihn auffordern, alle gesetzlichen Erben zu benennen.
Ziel ist es, dass diese zum Antrag Stellung nehmen können.

Der Alleinerbe muss für das Gericht aber nicht die Adressen der gesetzlichen Erben ausfindig machen.
Das Gericht kann auch kein Zwangsgeld verhängen, wenn der Erbe bei der Suche nach der Anschrift nicht behilflich ist.

Das geht aus einem Beschluss des Oberlandesgerichtes Karlsruhe hervor (Az.: 11 W 41/16), teilt die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltverein mit.

Im konkreten Fall hatte eine Frau in ihrem Testament einen Sohn als Alleinerben eingesetzt.
Der Mann beantragte daraufhin den Erbschein.
Das Nachlassgericht forderte ihn auf, die Anschriften seiner beiden Geschwister mitzuteilen - dem kam der Mann nicht zeitnah nach.
Daraufhin verhängte das Nachlassgericht ein Zwangsgeld von 250 Euro.

Das Gesetz sehe in solchen Fällen jedoch kein Zwangsgeld vor, argumentieren die OLG-Richter.
Sie stellten klar, dass der Antragsteller eines Erbscheins das Nachlassgericht zwar unterstützen muss.
Allerdings gehöre nicht dazu, die Adressen der gesetzlichen Erben ausfindig zu machen.
Ein Zwangsgeld kann das Gericht aber verhängen, wenn jemand das Testament eines Verstorbenen nicht abliefert oder das Grundbuch nach einem Todesfall nicht berichtigt.


 
Sozialgericht urteilt: Zählt das Elterngeld als Einkommen ?

Kassel. Das Bundessozialgericht entscheidet heute, ob bei der Berechnung des Kinderzuschlags für Hartz-IV-Empfänger das Elterngeld als Einkommen zählt.

Im Fall einer Familie mit drei Kindern hatten das Sozialgericht Osnabrück und das Landessozialgericht Niedersachsen- Bremen zuvor geurteilt, dass es keinen Anspruch auf Kinderzuschlag gebe, weil mit der Zahlung von Elterngeld keine Bedürftigkeit mehr bestehe.

Die Familie hatte bis Ende 2010 den Kinderzuschlag erhalten.
Nach einer Novelle des Elterngeldgesetzes lehnte die Familienkasse die Zahlung ab Anfang 2011 aber ab, weil geregelt wurde, dass das Elterngeld angerechnet werden muss.

Die Familie argumentiert, das Mindestelterngeld in Höhe von 300 Euro sei keine Entgeltersatzleistung, sondern diene der Anerkennung der Erziehungs- und Betreuungsleistung. (Az: B 4 KG 2/14 R)


 
Klage abgelehnt: Elterngeld gilt für Hartz-IV-Empfänger weiterhin als Einkommen !

Es bleibt dabei: Auch bei Geringverdienern zählt Elterngeld als Einkommen.
Bei Hartz-IV-Empfängern wird es bei der Ermittlung des Kinderzuschlags verrechnet.
Ein Vater ist vor dem Bundessozialgericht (BSG) mit dem Versuch gescheitert, dies zu ändern.

Die Klage des Vaters wurde von den höchsten deutschen Sozialrichtern als unzulässig verworfen (B 4 AS 25/15 R).

Die gesetzlichen Anforderungen seien nicht erfüllt, sagte der Vorsitzende Richter in Kassel.

Auch vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen und dem Sozialgericht Lüneburg war der Mann erfolglos geblieben.
Die Regelungen zur Berücksichtigung des Elterngeldes als Einkommen seien mit höherrangigem Recht vereinbar, hatte das LSG geurteilt.

Kein Verstoß gegen Recht auf menschenwürdiges Existenzminimum
Auch bei Geringverdienern wird das Elterngeld bei der Berechnung des Kinderzuschlags als Einkommen angerechnet (Az: B 4 KG 2/14 R).

Wie das BSG entschied, verstößt die Regelung nicht gegen das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.

Eine Familie aus dem Emsland hatte bis Ende 2010 den Kinderzuschlag erhalten, nach einer Novelle des Elterngeldgesetzes Anfang 2011 aber nicht mehr.
Das Sozialgericht Osnabrück und das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hatten entschieden, die Familie habe keinen Anspruch auf den Kinderzuschlag, weil mit der Zahlung von Elterngeld keine Bedürftigkeit mehr bestehe.
Das BSG wies die Revision der Familie gegen diese Urteile zurück.

Der Anwalt der Familie hatte argumentiert, das Mindestelterngeld in Höhe von 300 Euro sei keine Entgeltersatzleistung, sondern diene der Anerkennung der Erziehungs- und Betreuungsleistung.

Verfassungsbeschwerde zum Elterngeld-Stichtag gescheitert
Auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat sich bereits mit dem Elterngeld auseinandergesetzt.
Eine Verfassungsbeschwerde gegen die Stichtagsregelung zur Gewährung von Elterngeld war jedoch ebenso erfolglos wie die Beschwerde gegen das Elterngeld als sogenannte Einkommensersatzleistung.


 
Häftling erhält Schmerzensgeld wegen schlechter Luft im Gefängnis !

Für die tagelange Zwangsgemeinschaft mit zwei Kettenrauchern in einer Haftzelle in Stralsund ist einem ehemaligen Untersuchungsgefangenen ein Schmerzensgeld zugesprochen worden.
Dem Kläger reicht die Summe jedoch nicht.

Das Urteil sei bereits Anfang Mai verkündet worden, sagte eine Sprecherin des Landgerichtes Schwerin und bestätigte einen Bericht des Senders NDR 1 Radio MV.
Demnach soll der 56-Jährige für jeden der fünf Tage im Qualm 100 Euro Entschädigung bekommen, plus fünf Prozent Zinsen (Az. 4 O 165/15).

Damit war der Kläger allerdings nicht zufrieden.
Laut Gericht hat er das Urteil angefochten, so dass sich nun das Oberlandesgericht mit dem Fall des Gefängnis-Insassen befassen wird.

Erfolg mit Verfassungsbeschwerde
Der Betroffene hat dem NDR zufolge schon 2010 unmittelbar nach der Haft beim Landgericht Stralsund Beschwerde gegen die Unterbringung mit Rauchern eingelegt.
Die Richter dort, wie auch später das Oberlandesgericht in Rostock, wiesen diese aber ab.

Mit einer Verfassungsbeschwerde hatte der Mann dann aber Erfolg.
Die Richter in Karlsruhe entschieden nach NDR-Recherchen im Oktober 2012, dass die Unterbringung zusammen mit starken Rauchern die körperliche Unversehrtheit des Mannes verletzt habe und ein Eingriff in dessen Grundrechte gewesen sei (2 BvR/737/11).

Der gelernte Schlosser verbüßt den Angaben zufolge wegen versuchten Mordes derzeit eine sechseinhalbjährige Haftstrafe in der Vollzugsanstalt Bützow.
Seine Entlassung stehe im Oktober bevor.


 
Kündigung wegen Fettleibigkeit für 200-Kilo-Mann abgewendet !

Düsseldorf. Zu schwer für den Job als Gartenbauer?
Sein Chef erteilte einem fettleibigen Mitarbeiter die Kündigung.
Nun einigte man sich gütlich.

Ein vor kurzem noch 200 Kilogramm schwerer Arbeiter hat vor dem Landesarbeitsgericht in Düsseldorf seine Kündigung wegen Fettleibigkeit abwenden können.
Unternehmen und Arbeitnehmer vereinbarten einen Vergleich: Der Arbeiter muss sich bemühen, abzunehmen und das Unternehmen regelmäßig über sein Gewicht informieren.

Der Garten- und Kanalbaubetrieb hatte argumentiert, der Beschäftigte könne seine Arbeit wegen seiner Körperfülle nicht mehr vertragsgemäß leisten.
Weder gebe es passende Warnwesten noch Arbeitsschuhe oder Leitern im Betrieb, die für ein solches Gewicht zugelassen seien, argumentierte der Arbeitgeber
(Az.: 7 Sa 120/16).

Zuvor hatte der Mann erfolglos in einem Adipositaszentrum versucht, Gewicht zu verlieren.
Die Mediziner dort hätten gesagt, ohne eine Operation komme man in diesem Fall nicht weiter.

Körperfülle betreffe auch Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Am Pritschenwagen sei eine Fußraste unter dem Gewicht des Beschäftigten abgebrochen, argumentierte der Betrieb weiter.
Der Mann passe auch nicht mehr in die Gräben, die er ausheben müsse.
Und wenn er doch drin sei, komme er allein nicht mehr heraus.
Am Steuer des Firmenwagens sei er eine Gefahr, weil das Lenkrad an seinem Körper hängenbleibe.
Er könne nur noch als Handlanger eingesetzt werden.

„Wenn er über ein frisch verlegte Straßenpflaster läuft, verschiebt sich das.
Vor allem das Bücken ist bei ihm ein Problem.“
Seine Körperfülle betreffe auch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers: „Darf ich ihn in seinem Zustand in praller Sonne zu harter körperlicher Arbeit einsetzen?“

Nach 30 Jahren im Betrieb hatte der Arbeitgeber dem 49-Jährigen gekündigt.
Der 1,94 Meter große Arbeiter hatte argumentiert, er könne die geforderten Arbeiten in dem Gartenbaubetrieb leisten.
Er benötige lediglich – wie seine Kollegen – eine Leiter, um aus den Gräben herauszukommen.

Mann wiegt nur noch 188 Kilogramm
Richterin Hannelore Paßlick wies darauf hin, dass viel von der Prognose abhänge.
Sei diese negativ, sei dem Unternehmen kaum zuzumuten, den Mann noch 18 Jahre bis zur Rente zu beschäftigen: „Eine dauerhafte Erkrankung ist letztlich ein Problem des Arbeitnehmers.“
Notfalls müsse ein Gutachter klären, ob er eingesetzt werden könne.
Eine Magenverkleinerung wolle sie aber nicht vorschreiben.

Das Bundesarbeitsgericht habe bislang nur einmal zum Thema Adipositas (Fettleibigkeit) Recht gesprochen: 2010 verlor ein Bademeister seinen Job, weil er keine Menschen mehr aus dem Schwimmbecken retten konnte.
Rechtlich müsse man sich in diesem Fall eher an den Vorgaben für Alkoholiker orientieren.
Da sei eine mehrmonatige Entziehungskur hinzunehmen.

Inzwischen wiege sein Mandant nach sieben Wochen Kur nur noch 188 Kilogramm, erklärte sein Anwalt Martin Lauppe-Assmann.
„Er hat den guten Willen abzunehmen.“


 
"Scheinbewerber" dürfen nicht auf Entschädigung hoffen !

Sogenannte "Scheinbewerber" können sich im Fall einer Ablehnung nicht auf Antidiskriminierungs-Regeln berufen.
Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden.

Der Schutz vor Benachteiligung wegen Religion, Weltanschauung, Alter, Geschlecht oder sexueller Orientierung im Berufsleben sei nur für ernsthafte Bewerber gedacht, befanden die Luxemburger Richter (Rechtssache C-423/15).

Jurist verlangte über 17.000 Euro Entschädigung
Für den Juristen K. sieht es damit schlecht aus.
Er hatte sich 2009 für eine Nachwuchs-Stelle bei einer deutschen Versicherung beworben.
Als Voraussetzung nannte diese unter anderem einen zeitnahen Hochschulabschluss.

K. gab unter anderem an, er verfüge als Rechtsanwalt und ehemals leitender Angestellter über Führungserfahrung.
Er wurde abgelehnt und verlangte von der Versicherung zunächst 14.000 Euro wegen vermeintlicher Altersdiskriminierung.
Als er erfuhr, dass die Versicherung die vier fraglichen Stellen ausschließlich mit Frauen besetzt hatte, obwohl es ungefähr gleich viele männliche und weibliche Bewerber gegeben hatte, verlangte er eine weitere Entschädigung von 3500 Euro wegen Diskriminierung aufgrund seines Geschlechts.

Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass der Jurist sich nur bewarb, um abgelehnt zu werden und eine Entschädigung einfordern zu können.
Der EuGH überprüft diese Einschätzung nicht selbst, hilft dem Erfurter Gericht mit dem aktuellen Urteil nun aber mit der Auslegung von EU-Recht.
Den konkreten Fall müssen die Erfurter Richter selbst entscheiden.

Die Arbeitsrechtsexpertin Ina-Kristin Hubert von der Hamburger Kanzlei Rödl & Partner sieht in der Entscheidung einen Schutz vor Missbrauch des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) als "Geschäftsmodell für Entschädigungsklagen".
Mit dem AGG hat Deutschland die relevanten EU-Vorgaben umgesetzt.


 
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