305. Verhandlungstag: Im NSU-Prozess geht es jetzt ans Eingemachte !
Die Verteidigung von Ralf Wohlleben wird immer nervöser und die neue Strategie von Beate Zschäpe scheint auch nicht aufzugehen.
Vor allem für diese beiden Angeklagten könnte es im NSU-Prozess nach der Sommerpause sehr eng werden.
Immer wieder werden einem als Reporter vom NSU-Prozess folgende Fragen gestellt: Warum dauert das Ganze eigentlich so lange?
Ist das nicht eine Verschwendung von Steuergeldern? Kommt da am Ende überhaupt irgend etwas Gescheites heraus?
Nun geht das Verfahren tatsächlich schon in seine vierte Sommerpause - und dennoch muss der Reporter konstatieren: Bis auf einige Ausnahmen waren alle Tage, die er im Saal A 101 verbracht hat, relevant, interessant, manchmal erschütternd, manchmal auch spannend.
Auch heute, am 305. Verhandlungstag, als ein Großteil der Prozessbeteiligten und auch der Pressevertreter nur noch der Sommerpause entgegenfieberte und sich Zeugenvernehmung, Stellungnahmen, Beanstandungen, Erwiderungen etc. zogen und zogen, während sich die anfangs gut besetzten Zuschauerränge nach und nach leerten, muss gesagt werden: Es war wieder ein interessanter Tag.
Natürlich nervt manch scheinbar überflüssiger Schlagabtausch zwischen Verteidigern, Bundesanwälten, Nebenklägern oder dem Vorsitzenden Richter. Andererseits zeigt die Vehemenz, mit der diese geführt werden, auch, dass es im NSU-Prozess langsam ans Eingemachte geht - jedenfalls für die Angeklagten und hier ganz besonders für Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben.
Wohlleben-Verteidigung wird nervös
Wohllebens Verteidiger, die ja allesamt selbst entweder maßgeblich für die rechte Szene tätig sind oder zu ihr zählen, teilen längst immer wütender aus, sprechen von Manipulation, rechtswidrigem Verhalten, unfairem Verfahren usw.
Ein Grund dafür ist vermutlich: Inzwischen deutet einiges darauf hin, dass das Gericht im Falle Wohlleben der Bundesanwaltschaft weitgehend folgen wird, was auf einen Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord hinauslaufen würde.
Hat sich Zschäpe verrechnet?
Und bei Zschäpe zeigt sich immer deutlicher: Vermutlich war die Schweige-Strategie ihrer entmachteten Altverteidiger die bessere.
Ihre neue Strategie, das Schweigen zwar einerseits zu brechen, aber nur auf Fragen des Gerichts zu antworten und das auch nur schriftlich, droht ihr schon seit Monaten um die Ohren zu fliegen, was ihre Neuverteidiger bisher wohl nur mit immer neuen Verzögerungen verhindern konnten.
Besonders brenzlig ist es für Zschäpe, seit die Nebenkläger über 300 detaillierte Fragen an sie richteten.
Seit Wochen nun laviert ihre neue Verteidigung herum und verweigert jede klare Aussage darüber, ob Zschäpe antworten wird.
Denn auch ihnen dürfte klar sein: Egal, wie sich Zschäpe entscheiden wird, sie steckt in der Sackgasse.
Eine wahrheitsgetreue Antwort erhoffen zwar alle, könnte sie aber für immer ins Gefängnis bringen.
Mögliche Lügen könnten entlarvt werden.
Und verweigert sie die Antworten ganz, wird ihr das sicher nicht zum Guten ausgelegt - oder noch schlimmer: Richter Götzl könnte sich die Fragen der Nebenkläger zu eigen machen und sie seinerseits an die Angeklagte richten.
Was macht Zschäpe dann?
Keine Antworten auf entscheidende Fragen
Wie gesagt: Durchaus interessante und spannende Fragen, die da zuletzt im Saal A 101 erörtert wurden - und nach der Sommerpause weiter erörtert werden müssen.
Zwar ist inzwischen leider auch absehbar, dass der NSU-Prozess auf einige entscheidende Fragen keine Antworten liefern wird: etwa nach der Rolle des Staates - insbesondere des Verfassungsschutzes - oder nach dem Unterstützerumfeld in der Neonazi-Szene.
Und trotzdem ist das, was hier Prozesstag für Prozesstag verhandelt wird, relevant, nötig, sinnvoll.
Die NSU-Affäre ist so außergewöhnlich, so schwerwiegend und weitreichend, dass von Anfang an klar war: Es wird schwer, das Ganze überhaupt juristisch in den Griff zu kriegen.
Und deshalb dauert der Prozess eben so lange.
Und das ist auch keine Steuerverschwendung, sondern muss es uns einfach wert sein.
Und ob da etwas Gescheites dabei herauskommt, das werden wir am Ende sehen - wann immer das sein mag.
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Tageszusammenfassung, 305. Tag, NSU-Prozess droht Endlos-Schleife
Das Mammutverfahren um die Morde des NSU-Trios könnte in einer prozessualen Endlos-Schleife enden.
Diese Befürchtung äußerten am 305. Verhandlungstag Vertreter der Bundesanwaltschaft. Anlass: eine stundenlange Debatte um die Zulässigkeit von rund 50 Fragen an die Hauptangeklagte Beate Zschäpe.
Ob Zschäpe überhaupt gewillt ist, diese Fragen zu beantworten, spielte dabei gar keine Rolle.
Die 41-Jährige saß - wie schon an den 304 Tagen zuvor - stumm und regungslos auf der Anklagebank.
Die Befragung eines bereits pensionierten Kriminalbeamten aus Jena zur politischen Einstellung des Angeklagten Ralf Wohlleben und zu seiner Stellung in rechten Szene Thüringens brachte erwartungsgemäß keine neuen Erkenntnisse.
Der Pensionär, dessen Befragung Wohllebens Anwälte gefordert hatten, war beim Staatsschutz der Polizei in Jena jahrelang auf die Neonazi-Szene angesetzt.
Wohlleben, Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt waren für ihn Personen, die immer wieder dort auftauchten, wo in den neuen Bundesländern zu rechten Demos aufgerufen wurde oder im Umfeld rechtsextremer Straftäter.
Die NPD spielte in seiner Aussage heute ebenso eine Rolle wie die "Kameradschaft Jena" und der "Thüringer Heimatschutz", der als NSU-Keimzelle gilt.
Ex-Polizist belastet Wohlleben nicht
In dieser Szene habe es Wohlleben, so der Ex-Polizist, immer wieder geschafft, andere Rechte vorzuschicken, wenn es galt, Veranstaltungen anzumelden oder zu umstrittenen Aktionen aufzurufen.
Am Ende seiner drei Stunden dauernden Befragung gab er dann zu Protokoll, was Wohllebens Anwälte hören wollten.
Bei allen Ermittlungen, so der Zeuge, sei nie dokumentiert wurden, dass Wohlleben zu Gewalt aufgerufen habe.
Dass bei der Durchsuchung seiner Wohnung ein Schlafanzug mit dem Schriftzug "Eisenbahnromantik" und einem Bild der Gleise am Tor zum ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz sichergestellt wurde, kam zwar zur Sprache, ging im Chaos des 305. Verhandlungstags aber ziemlich unter.
Katalog von Fragen an Zschäpe
Welche Fragen die Opferanwälte nun in drei Wochen tatsächlich an die Hauptangeklagte richten dürfen, wurde nicht mehr geklärt.
Die drei Anwälte aus der ursprüngliche Riege der Zschäpe-Verteidiger hatten ja bereits am 304. Verhandlungstag rund 50 schriftlich eingereichte Fragen als unzulässig oder im Sinne der Anklageschrift unerheblich beanstandet.
Am 305. Verhandlungstag nun brachten die Fragesteller der Nebenklage ihre Gegenvorstellungen ein und auch die Vertreter der Bundesanwaltschaft.
Statt sich bis zum Ende der Sommerpause erholen zu können, werden die Richter erst einmal beraten müssen, welche Fragen sie nun zulassen mögen - und welche nicht. Völlig unerheblich ist dabei, ob Zschäpe bereit ist, auch nur eine dieser Fragen zu beantworten.
Und das hängt von der Einschätzung ihres neuen Anwalts des Vertrauens, Hermann Borchert, ab, der nur gelegentlich dem Verfahren beiwohnt.
Und ohne ihn will die Hauptangeklagte nun gar nichts sagen.
Mit ihm allerdings auch nicht.
Denn wie in den letzten Runden sollen alle Fragen nur schriftlich beantwortet werden.
"Teilschweigen" der Hauptangeklagten
Sebastian Scharmer, einen der besonders aktiven Nebenklageanwälte, veranlasste dies zu der Feststellung, er habe seine Fragen gestellt und Zschäpe habe darauf nicht geantwortet.
Teilschweigen nannte Scharmer dies - eine Haltung, die sicher nicht zu Gunsten der Hauptangeklagten gewertet werden dürfe.