Wahlfälschung in Belarus ? Lukaschenko angeblich vorn - Proteste im ganzen Land !
Das Ergebnis der Wahl in Belarus fällt äußerst klar aus.
Doch Experten halten die Zahlen für erfunden.
Die Herausforderin von Machthaber Lukaschenko will die Niederlage deshalb nicht akzeptieren.
Die von Manipulationsvorwürfen überschattete Präsidentenwahl in Belarus (Weißrussland) soll Staatschef Alexander Lukaschenko staatlichen Nachwahlbefragungen zufolge haushoch gewonnen haben.
Den sogenannten Exit Polls zufolge holte er 79 Prozent der Stimmen, wie die Staatsagentur Belta am Sonntagabend meldete.
Die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja bekam demnach nur 6,8 Prozent der Stimmen.
Sie erkannte das Ergebnis am Abend nicht an.
Im ganzen Land gab es Proteste und Ausschreitungen
Unabhängige Nachwahlbefragungen im Ausland hatten zuvor ein ganz anderes Bild gezeichnet, wonach Tichanowskaja 71 Prozent geholt hat, Lukaschenko hingegen nur 10 Prozent.
Die Oppositionskandidatin bezeichnete das Ergebnis als "fern jeder Realität" und fügte hinzu: "Es kann keine Anerkennung eines solchen Wahlergebnisses geben."
In mehreren Städten kam es am späten Abend zu Protesten gegen Wahlfälschungen und Zusammenstößen mit der Polizei. In sozialen Netzwerken wurden Videos veröffentlicht, die etwa in der Hauptstadt Minsk zeigten, wie Polizisten auf Menschen einschlugen.
Wiederum andere Passanten attackierten daraufhin die Sicherheitskräfte, um eine Festnahme zu verhindern.
In Minsk setzten die Beamten Leuchtgranaten ein, um die Menschen zu vertreiben.
Präsidentenpalast abgesichert
Den Videos zufolge waren allein in der Hauptstadt schätzungsweise 10.000 Menschen im Zentrum unterwegs.
Autos hupten auf den Straßen.
Die Sicherheitskräfte sperrten viele Metro-Stationen ab.
Bürger berichteten, dass das Internet landesweit nicht funktionierte.
Hundertschaften wurden am Präsidentenpalast zusammengezogen.
Die Polizei nahm viele Demonstranten fest.
Eine genaue Zahl lag zunächst nicht vor.
Auch in anderen Städten des Landes gab es Proteste.
In der Stadt Baranawitschy, südwestlich von Minsk, zählten Beobachter bis zu 10.000 Demonstranten.
Die Polizei habe auch Tränengas eingesetzt.
In Brest im Westen der Ex-Sowjetrepublik gingen die Sicherheitskräfte ebenfalls hart gegen friedliche Demonstranten vor.
Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen kritisiert das Ergebnis der Abstimmung deutlich.
"Der Ausgang der Präsidentschaftswahl überrascht mich nicht.
Ob der Umgang mit Oppositionskandidaten, der Presse, Wahlbeobachtern oder Protestlern – schon im Vorfeld hat sich abgezeichnet, dass es sich nicht um eine freie und faire Wahl handeln wird", sagte Röttgen.
Es sei klar gewesen, dass Lukaschenko sich wieder zum Sieger ernennen werde.
"Das kennen wir von den vergangenen Wahlen in Belarus."
Oppositionskandidatin bot Lukaschenko die Stirn
Die Wahl am Sonntag fand in angespannter Atmosphäre statt. Beobachter gingen bereits im Vorfeld davon aus, dass Lukaschenko seine Wiederwahl für eine sechste Amtszeit sichergestellt haben wird.
Allerdings fühlte er sich durch die 37-jährige Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja, die in den Wochen vor der Wahl massiv an Zustimmung gewonnen hatte, offenkundig unter Druck gesetzt.
Am Sonntag erklärte Lukaschenko, er werde nicht die "Kontrolle über die Lage verlieren".
Um 19 Uhr MESZ schlossen die Wahllokale.
Viele der rund 6,8 Millionen Wahlberechtigten konnten wegen des großen Andrangs ihre Stimme bis dahin nicht mehr abgeben.
Wahlleiterin Lilija Jermoschina sagte am Abend, dass die Anzahl der Stimmzettel nicht ausreichte.
Niemand habe mit so einer hohen Beteiligung gerechnet, betonte sie.
Röttgen: "Innere Unruhen sind wahrscheinlich"
Schon am Nachmittag lag die Wahlbeteiligung bei 73,4 Prozent.
Vielerorts bildeten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen.
Die Wahlkommission sah darin eine "Provokation" und "Sabotage" der Opposition.
Internationale Beobachter waren bei der Abstimmung nicht zugelassen.
Schon die vergangenen vier Urnengänge in der ehemaligen Sowjetrepublik wurden wegen Betrugs und Einschüchterungen von unabhängigen Beobachtern nicht anerkannt.
Röttgen erwartet unruhige Zeiten in Belarus.
Fragwürdige Ergebnisse habe es schon früher gegeben, sagte er.
"Diese Wahl unterscheidet sich jedoch von den bisherigen: Noch nie zuvor hat es die Opposition geschafft, so geeint, laut und stark aufzutreten.
Das zeigt, wie groß das Aufbegehren nach Veränderung und die Unzufriedenheit in dem Land ist."
Die weitere Entwicklung hänge nun davon ab, "wie repressiv Lukaschenko mit der Opposition vorgehen und wie widerstandsfähig und beharrlich diese wiederum bleiben wird.
Innere Unruhen sind wahrscheinlich."
Lukaschenko müsse klar sein, dass weder die Verhinderung fairer Wahlen noch die Unterdrückung von Meinungen zur Verbesserung der Beziehungen zur EU beitragen würden.
Erneut Wahlfälschungen befürchtet
Experten gingen bereits davon aus, dass Lukaschenko auch dieses Mal seinen Sieg mit Hilfe von Wahlfälschungen sichern wird.
Zumal eine Rekordzahl von 41,7 Prozent der Wahlberechtigten nach Angaben der Wahlkommission von der Möglichkeit Gebrauch machten, schon Tage vorher ihre Stimmen abzugeben – und damit genügend Zeit für Manipulationen blieb.
Doch mit ihrer Kandidatur hatte Tichanowskaja den 65-jährigen Lukaschenko vor unerwartete Herausforderungen gestellt.
Die 37-jährige Englischlehrerin und Übersetzerin trat an, nachdem ihr Mann, der bekannte Blogger Sergej Tichanowski, inhaftiert und von der Wahl ausgeschlossen wurde.
Sie wollte im Falle ihres Wahlsiegs neue, freie Wahlen ansetzen, an denen auch Kandidaten wie ihr Mann teilnehmen können, die inhaftiert oder nicht zugelassen wurden.
Bei ihrer Stimmabgabe in der Hauptstadt Minsk äußerte Tichanowskaja noch die Hoffnung auf eine faire Wahl.
"Ich möchte wirklich, dass die Wahlen ehrlich sind.
Wenn die Behörden nichts zu befürchten haben und alle Menschen für Alexander Lukaschenko sind, werden wir damit einverstanden sein", sagte sie.
Weiße Armbänder als Zeichen der Opposition
Tichanowskaja hatte ihre Anhänger aufgerufen, nicht von der vorzeitigen Stimmabgabe Gebrauch zu machen, sondern erst am Sonntag zu wählen, um Wahlfälschungen zu erschweren.
Die Leiterin der Wahlkommission, Lidia Ermotschina, warf den "Protestwählern" vor, die Wahlkabinen absichtlich lange zu besetzen.
Deshalb hätten sich lange Schlangen gebildet, sagte sie dem belarussischen Fernsehen.
Viele der Wähler trugen weiße Armbänder – das Erkennungszeichen der Anhänger Tichanowskajas.
26 Jahre Lukaschenko seien eine "sehr lange Zeit, wir brauchen frisches Blut", sagte eine 33-jährige Geschäftsfrau und fügte hinzu: "Ich habe für Tichanowskaja gestimmt."
Obwohl die Behörden vor der Wahl massiv gegen die Opposition vorgingen, hatten Zehntausende an den Wahlkampfveranstaltungen der Oppositionskandidatin teilgenommen.
Sicherheitskräfte verbarrikadieren Regierungsgebäude
Zum Wahltag verschärften die Behörden die Sicherheitsvorkehrungen massiv.
In ganz Minsk waren Polizeipatrouillen zu sehen, Regierungsgebäude wurden mit Metallbarrieren abgeriegelt.
Augenzeugen berichteten der Nachrichtenagentur AFP von gepanzerten Fahrzeugen und bewaffneten Soldaten an wichtigen Zufahrtsstraßen.
Einwohner berichteten von Problemen, auf die Internetseiten unabhängiger Medien zuzugreifen.
Die Video-Plattform YouTube, verschlüsselte Messengerdienste wie Telegram und VPN-Verbindungen waren stark verlangsamt.
Bereits am Vortag war Tichanowskajas Wahlkampfleiterin Maria Moros festgenommen worden.
Der Grund für die Festnahme war demnach zunächst unklar.
Am Samstagabend wurde außerdem Tichanowskajas Mitstreiterin Maria Kolesnikowa kurzzeitig festgenommen.
Eine weitere politische Verbündete Tichanowskajas, Weronika Zepkalo, flüchtete am Sonntag vorsichtshalber nach Russland.