Spidermann beschreibt vor Gericht wie er Kunstwerke aus Pariser Museum raubte !
„Bah, das war Maloche für mich“
Die Alarmanlage war defekt und das Sicherheitspersonal nicht da.
„Spiderman“ Vjeran Tomic beschreibt im Pariser Justizpalast, wie einfach er fünf Meisterwerke raubte.
Vjeran Tomic sagt vor Gericht, er sei „überrascht“ gewesen, dass sein nächtlicher Einbruch „in den Schlagzeilen“ gestanden habe.
Dabei erfährt am Freitag im Pariser Justizpalast ein Jahrhundertraub sein juristisches Nachspiel: In der Nacht des 20. Mai 2010 wurden fünf Meisterwerke von Picasso, Matisse, Braque, Modigliani und Léger aus dem Pariser Museum „Musée d’Art Moderne“ entwendet. Der geschätzte Wert der eigentlich unbezahlbaren Kunstschätze beläuft sich auf mehr als 100 Millionen Euro. Doch der geständige Täter Tomic tritt im Gerichtssaal auf, als müsse er die Banalität dieses außergewöhnlichen Kunstraubes beweisen.
Es sei alles ganz leicht gewesen, sagt er: Er habe eine Scheibe eingeworfen, ein Schloss aufgebrochen und dann die Bilder mit einem Cutter aus den Rahmen gelöst.
Nachtwächter gab es keine, die Alarmanlage sei defekt gewesen, „da hatte ich nichts zu befürchten“.
Das will Tomic bei vorherigen Besuchen im Museum schon überprüft haben.
„Da habe ich meine Eintrittskarte bezahlt“, sagt er vor Gericht.
Es sei so gut gelaufen, dass er nicht nur seinen „Auftrag“ erfüllt habe, einen Modigliani und einen Léger „zu besorgen“.
Presse taufte ihn „Spidermann“
Vorgeblich wollte ein Kunsthändler ihm den Modigliani für 40000 Euro abkaufen, er brauche ihn für einen Sammler.
Der besagte Kunsthändler, als Hehler der Polizei einschlägig bekannt, Jean-Michel Corvez, steht ebenfalls vor Gericht.
„Ich habe nur Werke erworben, die ich weiter vermitteln konnte“, sagt er dem Richter.
Tomic nahm in der Mai-Nacht auch einen Matisse, einen Picasso und einen Braque mit und verlud sie in seinen Renault Espace, den er am Seine-Ufer gegenüber des Eiffelturms geparkt hatte.
Ob er sich der Bedeutung der Maler und ihrer Werke bewusst sei, will der Richter von ihm wissen.
„Bah, das war Maloche für mich“, erwidert der Angeklagte.
Tomic hat ein langes Vorstrafenregister, 13 Mal ist er schon wegen Einbrüchen verurteilt worden.
Die Presse hat ihn „Spiderman“ getauft.
Tomic rühmte sich nach einem Saufgelage mit Freunden im November 2010, der „Spiderman“ aus dem Musée d’Art Moderne zu sein.
Einer seiner Saufkumpane gab der Kriminalpolizei daraufhin einen anonymen Hinweis.
So kam die Polizei dem Kunsträuber auf die Spur.
Am 14. Mai 2011 wurde Vjeran Tomic festgenommen.
Die Werke hingegen blieben unauffindbar.
Sicherheitsmängel waren bekannt
Die Gerichtsverhandlung wirft vor allem ein Schlaglicht auf die Fahrlässigkeit und den Schlendrian, die in dem Kunstmuseum herrschten.
Obwohl das Museum wegen Renovierungsarbeiten zwischen 2004 und 2006 geschlossen war, blieben die Sicherheitsvorkehrungen offensichtlich unzureichend.
Die Videoüberwachung in den Sälen funktionierte schon seit März 2010 nicht mehr.
Auch die Alarmanlage war defekt.
Zudem gab es Ärger mit dem Wachpersonal, das gewerkschaftlich organisiert und deshalb nur eine eingeschränkte Verfügbarkeit in der Nacht durchgesetzt hatte.
Die Ermittler bestätigten „erhebliche Sicherheitsmängel“.
Personelle Konsequenzen wurden nach dem Einbruch weder in der zuständigen Aufsichtsbehörde im Rathaus in Paris noch bei der Museumsverwaltung gezogen.
Museumsdirektor Fabrice Hergott nannte den Einbruch „einen Horror“.
Dabei blieb es.
Gestohlene Werke bleiben verschwunden
Die Behörden riefen die Wächter in dem Museum lediglich auf, nach dem Millionendiebstahl noch wachsamer zu sein.
Erst kürzlich gab die Stadtverwaltung bekannt, demnächst zehn Millionen Euro für dringend notwendige Modernisierungsarbeiten zur Verfügung stellen zu wollen.
Im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, kurz MAM genannt, dem Städtischen Museum für Moderne Kunst, werden 8000 Werke des 20. Jahrhunderts gezeigt.
Der Verlust der fünf Werke wiegt schwer.
Verschwunden bleiben Pablo Picassos „Le pigeon aux petits pois“ („Taube mit grünen Erbsen“, 1912), Henri Matisses „La Pastorale“ („Pastoral“, 1905), Amedeo Modiglianis „La femme à l’éventail“ („Frau mit Fächer – Lunia Czechowska“, 1919), Georges Braques „L’olivier près de l’Estaque“ („Der Olivenbaum bei L’Estaque“, 1907) sowie Fernand Légers „Nature morte aux chandeliers“ („Stilleben mit Kerzen“, 1922).
Die Bilder zählten zur ständigen Ausstellung des Museums, einer der wichtigsten Sammlungen zeitgenössischer Kunst in Europa.
Über den Verbleib der Werke wird nur gemutmaßt.
Der angeklagte Kunsthändler Corvez will sie einem befreundeten Uhrmacher, Yonathan Birn, weitervermittelt haben.
Birn, der ebenfalls vor Gericht steht, soll Kontakte in Israel geknüpft haben, um die Kunstwerke zu verkaufen.
Solange lagerte er sie bei sich in seinem Uhrmacherladen.
Birn behauptet, er habe die Bilder nicht verkaufen können, deshalb habe er sie zerschmettert und „in den Mülleimer geworfen“.
„Es tut mir leid“, sagt er vor Gericht und bricht in Tränen aus.