Keim-Wurst: Rückruf von mehr 1100 Wilke-Produkten !
Offenbar wusste ein Ministerium schon am 12. August von der Listerien-Belastung in Wilke-Wurst.
Dann ging offenbar alles sehr langsam.
Korbach/Twistetal. Wusste das hessische Umweltministerium bereits seit dem 12. August von dem Listerien-Verdacht beim Wursthersteller Wilke?
Und wenn ja: Warum herrschte bei dem Produzenten offenbar erst acht Tage später Klarheit?
Das Umweltministerium hatte sich am Montagnachmittag gegenüber der Verbraucherorganisation Foodwatch geäußert.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) habe das Ministerium demnach über eine Datenauswertung des Robert-Koch-Instituts informiert, wonach Wurstartikel der Firma Wilke „im Verdacht stehen, Listerien [zu] enthalten“, erklärte die Pressestelle des Ministeriums gegenüber Foodwatch.
Laut Foodwatch wurde dann erst am 20. August der für die Kontrolle der Firma Wilke zuständige Landkreis Waldeck-Frankenberg sowie das Regierungspräsidium Kassel darüber informiert.
Foodwatch wirft dem Ministerium nun vor, dass alles viel zu lange gedauert hat – vor allem, dass insgesamt sieben Wochen vergingen zwischen der ersten Information an das Ministerium und der Stilllegung der Produktion inklusive Rückruf der Produkte.
„Der katastrophalen Informationspolitik ist auch noch ein indiskutabel langsames Krisenmanagement vorausgegangen“, erklärte Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker.
Zudem steht die Frage im Raum, wieso nicht schneller bekannt wurde, welche Produkte betroffen sein könnten.
Das Portal „Lebensmittelwarnung“ hat erst am Montagabend, Tage nach den Todesfällen, eine List mit mehr als 1100 Produkten veröffentlicht, die zurückgerufen werden.
Darunter: Auch vegane und vegetarische Lebensmittel.
Das Umweltministerium hatte bereits eine Markenliste publiziert – allerdings enthielt die bei weitem nicht alle Produkte.
Listerien in Wilke-Wurst – das Wichtigste in Kürze:
In Wurstwaren der Firma Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren in Twistetal-Berndorf sind gefährliche Keime nachgewiesen worden
Die Waren werden mit zwei Todesfällen und 37 weiteren Krankheitsfällen in Verbindung gebracht
Der Betrieb wurde mittlerweile geschlossen, der Hersteller beantragte die Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens
Die Organisation Foodwatch wirft Wilke und den Behörden „schwere Versäumnisse“ beim Krisenmanagement vor
Offenbar lagen Wochen zwischen der ersten Info von belasteter Ware und Stilllegung der Produktion
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung
Wilke-Wurst: Auch Ikea beliefert – keine Liste der Betriebe veröffentlicht
Zuständige Behörden hatten zuerst wegen der Listerien-verseuchten Wilke-Wurst keine Notwendigkeit gesehen, alle belieferten Betriebe transparent zu machen.
Entsprechend wird nur Stück für Stück bekannt, wohin die keimbelasteten Würste möglicherweise geliefert wurden.
Den Angaben des hessischen Umweltministeriums zufolge haben den Behörden auch spätestens am 26. August 2019 „Lieferlisten über belieferte Händler der Firma Wilke“ vorgelegen.
Erst jetzt wurde auch bekannt, dass auch Ikea betroffen ist.
Über einen Großhändler hat die schwedische Möbelhauskette Wurst-Aufschnitt für Kunden- und Mitarbeiterrestaurants von diesem Hersteller erhalten, sagte eine Sprecherin des Möbelkonzerns am Montag.
Damit wurden entsprechende Angaben von der Verbraucherorganisation Foodwatch bestätigt.
Ikea war nach eigenen Angaben am Mittwoch durch den Großhändler über die Schließung von Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren GmbH informiert worden.
„Aus diesem Grund haben wir als Vorsichtsmaßnahme den Verkauf aller Produkte des Herstellers umgehend gestoppt“, sagte die Sprecherin.
Nicht betroffen sei das übrige Fleisch- und Wurstwaren-Sortiment aus dem Restaurant, dem Schwedenshop und dem Bistro.
Mittlerweile gebe es einen neuen Lieferanten für Aufschnitt.
Wie die Keime immer wieder in die Wurst kamen, wurde zuletzt von Spezialisten des Landes Hessen untersucht.
Deren Bericht sei fertig und dem Landkreis Waldeck-Frankenberg zugeleitet worden, sagte ein Sprecher des Regierungspräsidiums Darmstadt am Montag.
NRW besonders betroffen – Ministerin kündigt stärkere Kontrollen an
Nordrhein-Westfalen kündigte an, in Folge des Skandals die vorsorglichen Kontrollen zu verstärken.
„Wir werden Schwerpunkt-Kontrollen bei den Unternehmen machen, die schon aufgefallen sind“, kündigte NRW-Verbraucherministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) am Montag in Düsseldorf an.
In Produkten des Herstellers Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren GmbH & Co. KG aus dem hessischen Twistetal waren mehrfach Listerienkeime nachgewiesen worden.
Fast alle Kreise in NRW seien davon betroffen, sagte die Ministerin.
„Wir können aber noch nicht genau sagen, ob alle Unternehmen in dem fraglichen Zeitraum beliefert worden sind.“
Die Ordnungsbehörden seien dabei, das abzuarbeiten.
Noch in dieser Woche sollten die genauen Kunden- und Abnahmelisten über das Landesumweltamt veröffentlicht werden, kündigte sie an
Wilke-Wurst unter anderem Namen verkauft – Offenlegung gefordert
Anders als die Behörden es zuerst darstellten, wurde Wurst von Wilke offenbar doch unter anderem Namen verkauft.
Die Organisation Foodwatch hatte einen Eil-Antrag zur Offenlegung gestellt.
Der Großhändler Metro teilte mit, dass unter den aussortierten Produkten der Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren GmbH auch Metro-Eigenmarken gewesen seien.
Die trugen aber nicht den Namen „Wilke“, sondern wurden unter der Marke „Aro“ vertrieben.
Metro betonte, auf eigene Initiative tätig geworden zu sein.
Bereits am Mittwoch habe man vor Eintreffen des Rückrufs alle Wilke-Produkte aus den Regalen genommen und die Kunden direkt informiert.
Metro nehme zudem bei Eigenmarken zusätzliche Stichproben.
Dabei sei Wilke in den vergangenen sechs Monaten nicht auffällig gewesen.
Insgesamt sind die Wilke-Produkte aber wohl weiträumig im Umlauf.
Wie das Verbraucherschutzministerium in Nordrhein-Westfalen mitteilte, seien in 48 der 53 Kreise und kreisfreien Städte in NRW Unternehmen bekannt, die Wilke-Produkte bezogen hätten.
Die deutschlandweiten Ausmaße sind noch unklar.
Keime in Wurst von Wilke: Noch mehr Rückrufe
In Produkten von Wilke wurden mehrfach Listerien-Keime nachgewiesen.
Behörden bringen zwei Todesfälle in Südhessen damit in Verbindung.
Diese werden derzeit vom Robert-Koch-Institut (RKI) untersucht.
Auch 37 Krankheitsfälle sollen im Zusammenhang den Keimen in der Wurst stehen.
Der Landkreis Waldeck-Frankenberg als Aufsichtsbehörde hatte am Mittwoch noch erklärt, es gebe keine Wilke-Waren unter anderem Namen.
Daher sei keine Liste der Produkte nötig, die aktuell weltweit zurückgerufen werden.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierte das.
Insolventer Hersteller Wilke belieferte auch Klinik
Obwohl alle Produkte zurückgerufen worden waren, sollen Patienten einer Kölner Klinik weiter Wilke-Wurst vorgesetzt bekommen haben.
Die Produkte hatten viele weitere Abnehmer.
Nach Informationen der Verbraucherorganisation Foodwatch hat die Reha-Einrichtung „UniReha“ des Universitätsklinikums Köln noch am 3. Oktober vom Rückruf betroffene Wurst zum Frühstück serviert.
Zurückgerufen worden waren die Wurstwaren aber bereits einen Tag zuvor.
Für die Essensausgabe ist nach Kenntnis von Foodwatch nicht das Uniklinikum, sondern ein Caterer verantwortlich.
Uniklinik Köln räumt Fehler ein – nicht rechtzeitig gehandelt
Das Universitätsklinikum hat inzwischen einen Fehler bei der Tochtergesellschaft eingeräumt.
„Aufgrund der Kurzfristigkeit und des Zeitpunktes der Information ist es im Zusammenhang mit unserer Tochtergesellschaft UniReha zu einem Fehler innerhalb der Speisenversorgung gekommen, so dass einigen Reha-Patienten dennoch Wurstware der Firma Wilke angeboten worden ist“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme der Uniklinik Köln.
Für Nachfragen, zu welchem Zeitpunkt und wie viele Reha-Patienten vom Rückruf betroffene Wurst des Herstellers Wilke noch erhalten haben, war die Uniklinik Köln am Freitagabend zunächst nicht zu erreichen.
Keime in Wilke-Wurst: Foodwatch sieht „handfesten Skandal“
Foodwatch forderte die zuständigen Behörden in Hessen am Sonntag ultimativ zur Veröffentlichung aller belieferten Betriebe auf.
„Es kann ja nicht sein, dass es eine Liste gibt, diese aber nicht veröffentlicht wird“, sagte ein Sprecher.
Schon am Samstag hatte ein Sprecher das Vorgehen in einer Mitteilung als einen „handfesten Skandal“ betitelt.
Mit einem Eil-Antrag vom Sonntag an den Landkreis Waldeck-Frankenberg, das Regierungspräsidium Darmstadt und das hessische Verbraucherschutzministerium will die Organisation eine Offenlegung binnen 48 Stunden.
Verstreiche diese Frist, wolle man die Veröffentlichung über ein Gericht durchsetzen.
Die Organisation sieht Gefahr im Verzug.
Es sei als äußerst wahrscheinlich zu betrachten, „dass sich vom Rückruf betroffene Produkte der Firma Wilke noch im Umlauf“ befänden, heißt es in dem Antrag.
Das nordhessische Unternehmen hat inzwischen Insolvenz beantragt.
Wilke war zuvor bereits von der zuständigen Behörde vorläufig geschlossen worden.
Tote nach Wurst-Verzehr auch in den Niederlanden
Auch in den Niederlanden soll es mehrere Todesfälle durch Bakterien in Wurstwaren gegeben haben.
Wie der niederländische Nachrichtensender RTL Nieuws unter Berufung auf das Nationale Institut für Volksgesundheit und Umwelt (RIVM) berichtet, seien drei Menschen nach dem Verzehr von Wurst der Firma Offerman gestorben und 20 weitere erkrankt.
Eine Frau soll zudem eine Fehlgeburt erlitten haben.
Offerman hatte am Samstag nach eigener Darstellung die gesamte Produktion der betroffenen Fabrik aus dem Handel genommen.
Bisher gibt es keine Beweise für einen Zusammenhang zum Fall Wilke in Deutschland, die niederländischen Produkte seien laut Aufsichtsbehörde für Nahrungsmittel nicht nach Deutschland exportiert worden.
Noch ist nicht geklärt, wie die Keime in die Wurst kamen.
Und auch, wie Kunden die Wurst identifizieren sollen, ist zum Teil unklar.
Wilke-Wurst auch in loser Form in Kantinen ausgegeben
„Alle im Unternehmen hergestellten Erzeugnisse mit sämtlichen Mindesthaltbarkeits- und Verbrauchsdaten“ seien zurückgerufen, gab die Firma Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren an.
Die betroffenen Waren seien durch das ovale Kennzeichen „DE EV 203 EG“ eindeutig zu identifizieren.
Die Artikel könnten gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgegeben werden.
Allerdings wurde die Wurst offenbar auch in loser Form, also ohne gekennzeichnete Verpackung, auf den Markt gebracht, zum Beispiel an Wursttheken oder in Kantinen.
Listerien in Wurst von Wilke: Experten suchen nach der Quellen
Die Keime waren einem Bericht der „Hessischen-Niedersächsischen Allgemeinen“ (HNA) zufolge in Pizzasalami und Brühwurstaufschnitt gefunden worden.
Eine Untersuchung des Robert-Koch-Instituts (RKI) habe einen unmittelbaren Zusammenhang zu zwei Todesfällen – zwei ältere Menschen aus Hessen – ergeben.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Todesfälle mit Wilke-Produkten in Zusammenhang stünden, liege laut dem RKI-Gutachten bei 99,6 Prozent.
Laut örtlichen Behörden gibt es 37 weitere Krankheitsfälle, die möglicherweise mit den Wurstwaren der Firma im Zusammenhang stehen.
Laut RTL Nieuws nahmen mehrere Supermärkte und Großhändler in den Niederlanden Offerman-Fleisch aus dem Handel, so etwa Aldi, Jumbo und Sligro.
Kunden würden gebeten, gekauftes Fleisch nicht zu essen und ins Geschäft zurückzubringen.
„Fleischprodukte, die noch in den Regalen stehen, können sicher konsumiert werden“, heißt es in einer Erklärung der Supermarktkette Jumbo.
Welche Wurst genau betroffen ist, können Kunden hier nachlesen:
Liste der bei Jumbo zurückgerufenen Produkte
Liste der bei Aldi zurückgerufenen Produkte
Listeriose: Für wen die Infektionskrankheit gefährlich ist
Listerien sind in der Natur häufig vorkommende Bakterien.
Nur sehr wenige Menschen, die sie aufnehmen, erkranken an der sogenannten Listeriose.
Bei gesunden Erwachsenen verläuft die Infektionskrankheit meist unauffällig oder nimmt einen harmlosen Verlauf mit grippeähnlichen Symptomen mit Durchfall und Fieber.
Gefährlich, sogar lebensgefährlich ist die Infektion für Menschen mit geschwächten Abwehrkräften: Neugeborene, alte Menschen, Patienten mit chronischen Erkrankungen, Transplantierte und Schwangere.
Bei ihnen und bei Ungeborenen kann Listeriose zum Tod führen.
Foodwatch ruft Betroffene auf, sich zu melden
Nach den Todes- und Krankheitsfällen rief die Verbraucherorganisation Foodwatch Betroffene auf, sich zu melden.
Dies gelte für weitere Erkrankte ebenso wie für Angehörige, hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung.
Foodwatch wolle prüfen, ob in dem konkreten Fall Unternehmen und Behörden auch wirklich alles getan hätten, „um Erkrankungen zu vermeiden und die Menschen zu warnen“, hieß es.
Bisher gibt es keine Erkenntnisse, woher die Keime in den Wurstwaren stammen.
„Das ist das Problem“, sagt Hartmut Wecker, Sprecher des Landkreises Waldeck-Frankenberg.
Deshalb sei eine Arbeitsgruppe mit Spezialisten der Regierungspräsidien Kassel und Darmstadt im Betrieb gewesen, die nach der Quelle suchten.
Bereits am Dienstagabend war eine Rückrufaktion angeordnet worden.
Betroffen sind sämtliche Produkte mit Ausnahme von Vollkonserven.
Die Menge kann der Landkreis nicht abschätzen.
Es handele sich allerdings um einen sehr großen Betrieb, der in alle Bundesländer, aber auch weltweit geliefert habe.
„Nach unseren Erkenntnisse haben Altenheime und Krankenhäuser über Großhändler auch Produkte von Wilke bezogen.“
Keime in Wurstwaren: Veterinäramt beobachtet Betrieb seit Jahresanfang
Schon seit Anfang des Jahres begleite das örtliche Veterinäramt die Wurstfirma, heißt es in dem „HNA“-Bericht.
Nach Listerien-Funden in Hamburg und Baden-Württemberg sei man auf die Verunreinigungen aufmerksam geworden.
Unter anderem habe es danach eine Grundreinigung des Betriebs gegeben.
Dennoch habe man auch anschließend wiederholt Verunreinigungen in Produkten der Firma Wilke gefunden.
Die Quelle der Verunreinigungen habe bislang nicht ausgemacht werden können.
In Verdacht stehen die Schneidemaschinen der Firma, wo erneut Keime nachgewiesen werden konnten.
Das sei auch der Grund für die Schließung.