Griechenland Grexit NEWS: Pokernacht in Brüssel: "Grexit auf Zeit" ist vom Tisch

Griechenland-Poker: Merkel will nicht die hässliche Deutsche sein

Böse Deutsche, zerstrittenes Europa: Nach den Verhandlungen bemüht sich die Kanzlerin um Schadensbegrenzung. Ein anderer steht ein bisschen als Depp da.


Steffen Seibert hat es nicht verstanden. "Eine Ermutigung?", fragt er, kneift die Augen zusammen und guckt, als würde er jeden Moment auch noch "hä?" sagen. Eine Demütigung, hilft ihm die neben ihm sitzende Sprecherin des Auswärtigen Amtes auf die Sprünge. "Die Rede ist von einer Demütigung Griechenlands", das hatte eine ausländische Journalistin zuvor gesagt und das deutsche Auftreten beim Krisengipfel in Brüssel gemeint. Und Seibert? Der sagt schließlich gewohnt nüchtern: "Ich teile diese Einschätzung nicht. Es gibt keinen Grund für so eine Wertung."

An dem Tag, an dem sich die Eurostaaten und die griechische Regierung auf ein neues Hilfspaket verständigt haben, ist der Regierungssprecher von Kanzlerin Angela Merkel bemüht. Darum, den Verhandlungen einen anderen Spin zu verpassen, einen freundlicheren als den der fiesen oder gar hässlichen Deutschen. So will Merkel natürlich nicht dastehen.

Aber das ist an diesem Tag nicht so einfach. "Deutschland reißt Europa weit auseinander", titelt eine griechische Zeitung. Auch in anderen Ländern ist die Kritik an dem scharfen Griechenland-Kurs der Bundesregierung groß. Der Grünen-Politiker Reinhard Bütikhofer sagt bei Phoenix: "Der herzlose, herrische Deutsche hat wieder ein Gesicht." Das Interview ist schon beendet, da fügt er hinzu: "Ich bin böse, sehr böse." Immer wieder erklingt der Vorwurf, die Kanzlerin und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble wollten Griechenland aus der Eurozone drängen und zwängt dem Land ein zu hartes Spardiktat auf.

Seibert versucht in der Regierungspressekonferenz alles, um solche Interpretationen zu zerstreuen. Ob die Kanzlerin besorgt sei über das schlechte Bild, fragt eine Journalistin. "Ich werde mich nicht mit einzelnen Schlagzeilen auseinandersetzen", sagt Seibert. Die Bundesregierung handele aus europäischer Überzeugung und in europäischer Verantwortung. "In dieser schwierigen Situation eine Einigung für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone zu finden, das ist eine gute Sache." Dadurch sei es gelungen, die Grundprinzipien zu stärken, die die Eurozone einten. Die 19 Staaten der Eurogruppe hätten gemeinsam eine Einigung erzielt. "Deutschland hat an keiner Stelle alleine dagestanden", betont er.

Alles im grünen Bereich?

Auch mit dem umstrittenen Grexit-Papier von Finanzminister Schäuble wird Seibert konfrontiert. Das Papier sei immer nur eine Alternative für den Fall einer Nicht-Einigung gewesen und nur dann, wenn Griechenland von sich aus den Wunsch geäußert hätte, entgegnet er. "Es war weder unsere Priorität, noch ist es dazu gekommen", sagt Seibert.

Die Kanzlerin war ihm zufolge eingeweiht in die Existenz des Papiers, Vizekanzler Sigmar Gabriel nicht. Das Vorgehen sei nicht mit dem Bundeswirtschaftsministerium abgesprochen gewesen, bestätigt Sprecherin Tanja Alemany. Wie es sein kann, dass die Kanzlerin informiert war und Gabriel nicht, will Seibert trotz mehrfachen Nachfragens nicht verraten.

Als die Sprache später wieder auf das Thema kommt, fasst der Regierungssprecher sich an sein Gesicht, als wolle er verstecken, dass er genervt ist. Gabriel steht am Ende blöd da, dieser Eindruck bleibt. "Was der Minister gestern meinte, meint er auch heute noch", sagt seine Sprecherin Alemany, was für vereinzelte Lacher bei den Journalisten sorgt.

Doch Unklarheit bleibt: Noch in der vergangenen Woche hatten Bundestagsabgeordnete eine Anfrage an das Finanzministerium gestellt, ob es einen Plan für den Grexit gäbe. Ein Sprecher verneinte. Dann zirkulierte in Brüssel schließlich Schäubles Grexit-Papier. Wie das sein kann? Friederike Tiesenhausen, Sprecherin des Finanzministeriums, erklärt: Das Papier Schäubles sei dem Bundestag am Sonntag zugeleitet worden, gemäß den gesetzlichen Vorschriften. "Es war kein Verhandlungsdokument in dem Sinne, daher gab es keine Pflicht zur Vorabveröffentlichung."

Also alles im grünen Bereich? Das Ministerium will daran keine Zweifel sehen. Als dann noch die Sprache auf mögliche Risse im deutsch-französischen Verhältnis kommt, widerspricht Seibert erneut. Beide Seiten spielten unterschiedliche Rollen, verfolgten aber das gleiche Ziel eines geeinten Europas. "Es gibt keinen Grund für diese Bewertung."

 
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