Falsche Todesnachricht: Rentenversicherung erklärt Essenerin (72) irrtümlich für tot !
Essen. Für einige Zeit galt Karin M als tot: Die Rentenkasse hatte einen Fehler gemacht, die falsche Todesnachricht verbreitete sich automatisch weiter.
Karin M. (72) lag im Marienhospital in Essen, ein kurzes Atemholen zwischen Krebsdiagnose und bevorstehender Chemotherapie.
Da trat eine junge Ärztin an ihr Bett, sprach sie behutsam an: „Es tut mir leid - Ihre Krankenkasse hat sie für tot erklärt.“
Zum Glück ist die 72-Jährige mit Gleichmut und Humor gesegnet: „Erst habe ich gelacht.“
Nach und nach ging ihr auf, dass auch eine irrtümliche Todesnachricht Kreise zieht: Die Krankenkasse wollte ihre Behandlung nicht tragen, eine Rentenzahlung wurde gestoppt, ihr Konto gesperrt.
„Die Sache nahm kafkaeske Züge an.“
In der Woche bis zum Beginn der Chemo musste Karin M. sich selbst wieder offiziell zum Leben erwecken.
Ihre beiden Söhne riefen Behörden, Sparkasse, Rentenversicherer und Krankenkasse an.
Eine Sterbeurkunde hatte niemand gesehen; die gab es ja auch nicht.
Doch einmal in der Welt, hatte sich der fatale Fehler rasch verbreitet – per automatischer Datenübermittlung.
Ärztin versicherte: „Sie ist nicht tot, sie ist hier Patientin“
„Wir fordern keine Sterbeurkunde mehr an“, sagt etwa Andrea Hilberath, Sprecherin bei der Techniker Krankenkasse (TK).
Zumindest nicht, wenn die Mitteilung über den Tod eines Versicherten von der Rentenversicherung kommt.
Die gilt als zuverlässige Quelle, die ihre Informationen über ein gesichertes Datenübertragungssystem liefert.
Für Karin M. ging eine solche Meldung bei der Techniker Kasse ein, Sterbedatum sei 24. Juli 2017.
Folgerichtig teilte die Krankenkasse dem Marienhospital mit, dass man die Behandlung einer Toten nicht begleichen könne.
Auch wenn die junge Ärztin dort am Telefon versicherte: „Aber die Dame liegt doch hier bei uns.“
Andrea Hilberath bedauert den Irrtum sehr, doch die TK müsse sich auf die Angaben der Rentenversicherung verlassen.
Die Sparkasse sperrte vorsorglich das Konto
Ähnlich schildert Volker Schleede als Sprecher der Sparkasse Essen das Procedere in seinem Haus: „Sobald wir eine solche Meldung bekommen, haben wir klare Pflichten: So machen wir eine Meldung ans Finanzamt und sperren das Konto.“
Die Sparkasse erfuhr vom vermeintlichen Tod von Karin M. durch die Kirchliche Zusatzversorgungskasse Rheinland-Westfalen (KZVK), von der die 72-Jährige eine kleine Zusatzrente bezieht.
Diese forderte die KZVK von der Sparkasse zurück: Karin M. sei verstorben.
„Unser Mitarbeiter war sogar skeptisch, ob das stimmen kann, und rief lieber bei der KZVK an.
Doch die bestätigte den angeblichen Tod“, sagt Schleede.
Auch die KZVK hatte „auf dem Wege des elektronischen Meldeverfahrens“ von der Techniker Krankenkasse die Todeserklärung erhalten.
In solchen Fällen stelle man routinemäßig die Rentenzahlung ein und bitte um Rücküberweisung möglicher Überzahlungen, erklärt KZVK-Sprecher Axel Stach.
Eine Sterbeurkunde fordere man an, es könnten aber Wochen vergehen, bis die eintreffe.
Als die angeblich tote Karin M. am 7. September anrief, habe man die Rente sofort wieder angewiesen und der Seniorin das tiefste Bedauern ausgesprochen.
Ein Tippfehler hatte ihr Leben offiziell beendet
Unsere Recherche ergab, dass die Todeserklärung ursprünglich von der Deutschen Rentenversicherung kam: Am 8. August habe man in den Daten von Karin M. „fälschlicherweise die Eingabe eines Todesdatums vorgenommen“.
Ein schnöder Tippfehler: Statt der Versicherungsnummer einer tatsächlich verstorbenen Rentnerin wurde die Nummer von Karin M. eingetippt.
Menschliches Versagen.
Noch am selben Tag sei der Fehler erkannt und korrigiert worden.
Doch die Menschen bei der Rentenversicherung übersahen, dass die Maschinerie weiterlief: „Die Eingabe des Todestages hatte im Hintergrund eine maschinelle Mitteilung an die Krankenkasse ausgelöst.“
Und von der Krankenkasse aus verbreitete sich der Fehler vollautomatisch weiter.
Alle betroffenen Stellen haben den Fehler korrigiert und bedauern die Angelegenheit sehr.
Dass so wichtige Informationen ungeprüft und automatisiert verbreitet werden, findet Karin M. jedoch bedenklich.
Sie wundert sich auch, dass die Rentenversicherung keine Ombudsstelle hat, die ihr bei der Entwirrung der Sache zur Seite stand.
Sie hat früher selbst ehrenamtlich ältere Menschen im Krankenhaus betreut, viele von ihnen hilflos und allein.
„Ohne meine Söhne wäre ich auch aufgeschmissen gewesen.“