Erbstreit: Tengelmann-Chef bietet Schwägerin 1,1 Milliarden !
Es ist ein Milliardenangebot, aber ist es auch eines, das man nicht ablehnen kann?
Der Tengelmann-Vorstandsvorsitzende Christian Haub will der Ehefrau seines seit zweieinhalb Jahren verschollenen Bruders Karl-Erivan dessen Unternehmensanteile abkaufen.
Dabei sei es auch um die Frage gegangen, welches Kaufangebot für ein Familienunternehmen wie Tengelmann heutzutage „noch wirtschaftlich vertretbar wäre“, sagte Haubs Anwalt Mark Binz. Tengelmann ist heute eine Obergesellschaft mit Mehrheitsbeteiligungen an der Baumarktkette Obi und dem Textildiscounter Kik.
Zudem hält das Unternehmen einen Minderheitsanteil an dem Einzelhandelsunternehmen Tedi, den restlichen Anteil an der Supermarktkette Netto hat Haub kürzlich an den Mehrheitsgesellschafter Edeka verkauft.
Ausgehend von einem Unternehmenswert, der von Wirtschaftsprüfern der KPMG vor der Corona-Krise auf 4 Milliarden Euro geschätzt wurde, stünden dem Kölner Stamm des Familienunternehmens rund um Karl-Erivans Ehefrau Katrin Haub seiner Rechnung nach 950 Millionen Euro zu.
Denn der Satzung des Unternehmens folgend bekommen die Gesellschafter im Falle einer Kündigung nur 70 Prozent des Wertes und diesen auch erst nach einer Wartezeit über sieben Jahresraten ausgezahlt.
Allein der Verzicht auf solche Fristen und Raten wäre aus Sicht des Anwalts schon ein Grund für ein Entgegenkommen der anderen Familienseite.
„Mit Rücksicht auf die familiären Beziehungen ist mein Mandant aber im Gegenteil bereit, diesen Betrag um 150 Millionen Euro auf 1,1 Milliarden Euro aufzustocken“, sagte Binz.
Erbschaftssteuer in dreistelliger Millionenhöhe droht
Dass dieses Angebot den Streit auflöst, ist indes nicht unmittelbar zu erwarten.
„Bisher liegt uns das Angebot nicht vor, wir kennen es nur aus den Medien“, sagte ein Sprecher von Katrin Haub auf Anfrage.
Zwei Jahre lang haben Christian Haub und der Kölner Familienstamm seines verschollenen Bruders Karl-Erivan ihre Meinungsverschiedenheiten im Gesellschafterkreis und über Tausende E-Mails ausgetragen.
Doch hat der Streit um das Erbe und die Zukunft des Familienkonzerns Tengelmann inzwischen eine Ebene erreicht, in der die Kontrahenten fast nur noch über Anwälte und Medien kommunizieren.
Das gegenseitige Misstrauen in der Familie reicht Jahre zurück, doch ist in der Familie seit dem mysteriösen Verschwinden des früheren Konzernchefs Karl-Erivan ein Kampf um die Bestimmung im Familienimperium und eine Erbschaftsteuerzahlung in dreistelliger Millionenhöhe entbrannt.
Karl-Erivan Haub war im April 2018 allein zu einer Trainingstour für ein Skibergsteigerrennen aufgebrochen und nie zurückgekehrt.
Eine Videokamera an der Bergstation „Klein Matterhorn“ hatte um 9.09 Uhr das letzte Bild des früheren Unternehmenschefs aufgezeichnet.
Das Unternehmen und die Familie hatten in zwei Trauerfeiern schon im Juni 2018 Abschied von Haub genommen.
Für tot erklärt wurde Karl-Erivan Haub bislang aber noch nicht.
Auch deshalb schwelt der Streit.
Angefacht wurde er durch den Antrag der Brüder Christian und Georg, ihren Bruder Karl-Erivan für tot zu erklären, den sie nicht nur persönlich, sondern auch im Namen der Tengelmann-Unternehmensgruppen gestellt haben.
„Unsägliches Verhalten“
Ziel des Antrags ist laut des Unternehmens, klare und stabile Verhältnisse im Gesellschafterkreis sowie Sicherheit für die Unternehmensgruppe und ihre 90000 Mitarbeiter zu erhalten.
Katrin Haub hatte diesen Vorstoß scharf kritisiert.
„Es ist sehr befremdlich, dass sich jemand Drittes anmaßt, solche Entscheidungen für unsere Familie treffen zu wollen“, ließ sie über ihren Sprecher mitteilen.
In dem 25 Seiten starken Antragsdokument, das der F.A.Z. vorliegt, greift Anwalt Binz die Ehefrau des früheren Unternehmenschefs allerdings auch scharf an.
So überziehe Katrin Haub als Abwesenheitspflegerin das Unternehmen schon seit vergangenem Sommer „mit immer neuen querulatorischen Auskunftsersuchen mit zum Teil völlig unrealistischer Fristsetzung (z. T. von Stunden!)“, schreibt Binz darin.
Das binde „erhebliche Ressourcen im Unternehmen“ und verursache „bereits jetzt enorme Kosten“.
Wie verfahren die Situation ist, zeigt auch folgende Passage aus dem Antrag beim Amtsgericht Köln, in der Anwalt Binz Katrin Haub ein „unsägliches Verhalten“ als „lästiger Gesellschafter“ vorwirft: Das diene nur dazu, „treuwidrig Druck auf den Antragsteller als Gesellschafter und Geschäftsführer auszuüben, ihn mürbe zu machen und einen Keil zwischen ihn und seinen Bruder Georg Haub zu treiben, um ihre unberechtigten monetären Forderungen durchzusetzen“, schreibt Binz.
Streit gibt es zudem über die Besetzung des Beirats, weshalb sich die Familienstämme auch schon vor Gericht getroffen haben.
Auf der kommenden Gesellschafterversammlung Ende Oktober wird es auch um die Neubesetzung dieses Gremiums gehen.
So läuft der Kampf unweigerlich auf seinen Höhepunkt zu.
Einig sind sich die verschiedenen Stämme einzig darin, dass es so nicht weitergehen kann.
Den Antrag von Katrin Haub, Unternehmensrücklagen von rund 1,9 Milliarden Euro aufzulösen und unter den Gesellschaftern aufzuteilen, um davon auch mögliche Erbschaftsteuern zu begleichen, hat Christian Haub abgelehnt, auch mit Hinweis auf die damit geschwächte Eigenkapitalquote des Unternehmens.
Auch in der Bewertung von Tengelmann liegen die Parteien weit auseinander, weshalb auch unterschiedliche Summen genannt werden, die als Erbschaftsteuer auf den Kölner Stamm zukommen könnten.
Binz rechnet mit dem neuen Angebot nun vor, dass selbst bei maximal 30 Prozent Erbschaftsteuer noch 770 Millionen Euro und zusammen mit dem geerbten Privatvermögen Karl-Erivans von mehr als 400 Millionen Euro mehr als 1 Milliarde verblieben.
Frau Haub wiederum hatte zuletzt bestritten, dass sie vor allem wegen der Steuerfrage dabei zögere, ihren Mann für tot erklären zu lassen.
„Den Antrag, den eigenen verschollenen Ehemann für tot erklären zu lassen, wird niemand leichten Herzens stellen.
Nicht ohne Grund räumt das Gesetz für die Stellung eines Antrags auf Todeserklärung eine Frist von zehn Jahren ein“, sagte sie.
„Steuerliche Gründe, wie von Christian Haubs Anwalt Mark Binz öffentlich behauptet, stehen dabei ganz sicherlich nicht im Vordergrund.“