Mit DNA-Test überführt: Klaus R. - Der Killer, der aus der Vergangenheit kam !
Berlin - Als Klaus R. hört, dass ihn das Landgericht wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, schüttelt er den Kopf.
Der 61-Jährige trägt ein kurzärmliges weißes Hemd.
Auf seinem linken Unterarm prangen großflächige Tätowierungen.
Sie sehen aus wie ein Drache, vielleicht ist es auch eine Krake.
„Sie sind Onkel Degake“, sagt der Vorsitzende Richter Matthias Schertz in Richtung des Angeklagten.
Diesen Namen, möglicherweise inspiriert von den Tattoos, hatte ein kleiner, nicht einmal drei Jahre alter Junge dem Mann gegeben, der vor seinen Augen seine Mutter ermordet hatte.
Das war am 18. September vor 32 Jahren.
Ermittler fanden eine „Superspur“ am Kleid des Opfers
Auf R. kam man erst im vergangenen Jahr, nachdem forensische Genetiker die Kleidung der ermordeten Annegret W. auf DNA-Spuren untersucht hatten.
Dabei fanden sie „eine Superspur“ mit 600 Zellen an der Innenseite des geblümten Jersey-Kleides, das die 30-jährige Sozialhilfeempfängerin an ihrem Todestag getragen hatte.
Auch an dem weißen Pullover, mit dem sie getötet worden war, befand sich DNA von R.
Aber warum hatte der vorbestrafte Räuber und Vergewaltiger eine Frau ermordet, die selbst kaum Geld hatte und sexuell als sehr offen galt?
An dieser Stelle half der Angeklagte selbst dem Gericht: In der Untersuchungshaft hatte er sich mit seinem Zellennachbarn Olaf S. unterhalten.
R. erzählte, dass er Annegret über eine Anzeige kennengelernt, sich mehrmals mit ihr getroffen und Sex gehabt habe.
Doch dann verlangte sie Geld dafür.
Sie stritten darüber, auch am Tag der Tat.
Ob sie dabei telefonischen oder persönlichen Kontakt hatten, vermochte Olaf S. nicht genau zu sagen, als er zwei Polizeibeamten von dem Gespräch mit R. berichtete und den Richtern damit die Grundlage für ihr Urteil lieferte.
Dreijähriger wurde vor der Tat vor den Fernseher geparkt
An ihrem Todestag war Annegret W. gemeinsam mit ihrem Jüngsten Christian gegen 10.30 Uhr in ihre Wohnung zurückgekehrt.
Dort empfing sie R.
Christian kannte den „Onkel“ vom Sehen, seinen Namen muss ihm die Mutter absichtlich verschwiegen haben, argumentiert der Vorsitzende.
„Das wäre vielleicht gefährlich worden, wenn der Junge das ausgeplaudert hätte.“
Zumal der Lebensgefährte von W. bereits misstrauisch geworden war.
Die Erwachsenen tranken Bier, dann begaben sie sich ins Schlafzimmer.
Der knapp Dreijährige wurde vor dem Fernseher geparkt.
Als Annegret weiterhin auf einer Bezahlung für den Sex bestand, wurde R. aggressiv.
„So ein Ausbruch passt zur damaligen Persönlichkeit des Angeklagten“, sagt der Richter.
„Wenn es nicht nach ihm geht, wird er gewalttätig.“
Einmal, so hatte es seine ehemalige Lebensgefährtin im Prozess berichtet, habe R. in seiner Unbeherrschtheit so stark gegen eine Wand geschlagen, dass er sich einen Knochen brach.
R. sollte den Sex nicht mehr umsonst bekommen - da würgte er Annegret W.
Weil R. nicht einsah, dass er den Sex nicht mehr umsonst bekommen sollte, würgte er Annegret W.
Er verknotete die Ärmel ihres Pullovers fest in ihrem Nacken und dann noch einmal vorn am Hals.
Den vorderen Knoten stopfte er ihr tief in den Mund.
Sie starb an „einer Kompression der Halsweichteile“.
Weil der Mörder ganz sicher gehen wollte, holte er aus der Küche ein Tomatenmesser und stach es durch den Pullover in ihren Hals.
Die Rechtsmediziner zählten fünf Stiche.
Diese müssen im Beisein des kleinen Christian erfolgt sein, der später berichtete: „Onkel Degake hat Messer in Hals von Mama gemacht.“
Nach seiner Tat nahm der Mörder noch das Portemonnaie seines Opfers an sich.
Das Kind ließ er allein mit seiner toten Mutter zurück.
In einer von seinem Verteidiger verlesenen Einlassung hatte R. zugegeben, die Tote in einem Park kennengelernt zu haben.
Sie hätten sich mehrfach getroffen, das letzte Mal ein oder zwei Tage vor ihrem Tod.
Sie hätten niemals Sex miteinander gehabt, es gab nur Gespräche und ein „Techtelmechtel“.
„Zwei Dreißigjährige tätscheln rum wie zwei Teenager, das können Sie keinem erzählen“, sagt der Richter.
Auch die übrigen Argumente der Verteidigung zerpflückt er.
Das Sperma mit der Blutgruppe Null, das nicht das des Angeklagten sein konnte, aber im Mund der Toten und an ihrer Schambehaarung gefunden wurde?
Kam es von einem unbekannten Dritten?
Aber dann hätte der Kleine von zwei Männern berichtet.
Es muss von Annegrets Lebensgefährten stammen.
Und die Möglichkeit, dass sich der Mitgefangene seine belastenden Angaben nur ausgedacht hatte, um bei seiner eigenen Verurteilung besser wegzukommen?
Nein, meint das Gericht: Olaf S. hätte von seiner Aussage nicht profitiert, sondern sei im Gegenteil deswegen bedroht und verletzt worden.
Außerdem habe er zu viele Details angeführt, etwa die Freude des Angeklagten darüber, dass man seine DNA nicht am Messer und in der Scheide der Toten gefunden habe.
Sollte der Bundesgerichtshof bei der Überprüfung dieses Urteils keine Fehler entdecken, wird Klaus R. höchstwahrscheinlich das Schicksal seines zwei Jahre älteren Bruders Hansjoachim teilen.
Dieser war im Dezember 1988 der erste Deutsche, der mit Hilfe der DNA-Spuren-Analyse überführt wurde: Er hatte eine 21-Jährige vergewaltigt und erdrosselt.
Bereits im März 2013 war Hansjoachim R. in der Sicherungsverwahrung an Krebs gestorben.