Zschäpe bekennt im NSU-Prozess "moralische Schuld" an Morden !
München. Beate Zschäpe will kein Gründungsmitglied der Terrororganisation NSU gewesen sein.
Das ließ sie ihren Anwalt in einer langen Erklärung verlesen.
Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, hat alle in der Anklageschrift aufgezählten mutmaßlichen Verbrechen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bestätigt.
Eine Vorbereitung der Taten oder eine Beteiligung daran stritt sie aber ab.
Von den Morden und Sprengstoffanschlägen habe sie immer erst im Nachhinein erfahren.
Allein von den Banküberfällen habe sie in Teilen vorher etwas gewusst.
Die Bundesanwaltschaft wirft ihr die Mittäterschaft an allen Straftaten vor.
In der Erklärung, die ihr Verteidiger Mathias Grasel am Mittwoch in der Hauptverhandlung verlas, nannte Zschäpe auch das angebliche Motiv von Mundlos und Böhnhardt für die Ermordung der Polizistin Michele Kiesewetter im Jahr 2007.
Es sei allein darum gegangen, sich Waffen zu besorgen.
Zschäpe will kein NSU-Mitglied gewesen sein
Gleichzeitig wies Zschäpe aber einen weiteren Kern der Anklage zurück.
„Die erhobenen Vorwürfe entbehren einer sachlichen Grundlage“, ließ sie über ihren Anwalt mitteilen.
„Es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass ich ein Gründungsmitglied des NSU gewesen sein soll.“
Es habe „überhaupt keine Gründung“ stattgefunden.
Der Begriff NSU sei „allein die Idee des Uwe Mundlos“ gewesen.
„Nie hat es Absprache gegeben, dass man eine Gruppe war.
Ich habe mich weder damals noch heute als Mitglied einer solchen Bewegung gesehen.“
Zschäpe räumte ein, die letzte gemeinsame Wohnung in Zwickau am 4. November 2011 in Brand gesetzt zu haben.
Allerdings sei durch sie nicht der Tod anderer Menschen billigend in Kauf genommen worden.
So habe sie versucht, die 89-jährige Nachbarin zu warnen und gewusst, dass die beiden Handwerker, die gerade im Haus Arbeiten durchführten, das Haus verlassen hatten.
Damit versuchte Zschäpe den Vorwurf der mehrfachen versuchten Mordes zu entkräften.
"Ich fühle mich moralisch schuldig"
Die Angeklagte sagte, sie habe sich in den Jahres des Untergrunds in einem „emotionalen Dilemma“ befunden.
So hätten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mit Selbstmord für den Fall gedroht, dass sie sich stellen würde.
Zudem habe sie eine mehrjährige Haftstrafe befürchtet.
Gleichzeitig habe sie Böhnhardt geliebt.
Am Ende der Erklärung heißt es: „Ich fühle mich moralisch schuldig, zehn Mordanschläge und Sprengstoffanschläge nicht verhindert zu haben.“
Und weiter: „Ich entschuldige mich aufrichtig bei allen Opfern und den Angehörigen der Opfer für die von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangenen Straftaten.“
Zschäpes Erklärung in der Chronik:
Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe hat in dem Prozess gegen die Terror-Zelle NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) über zweieinhalb Jahre geschwiegen.
Am Mittwoch will sie zu den Vorwürfen gegen sie Stellung nehmen.
Zschäpe wird die Beteiligung an zehn Morden vorgeworfen.
Als sie von dem ersten Mord im Jahr 2000 erfahren hatte, habe sie sich stellen wollen.
In der Stellungnahme heißt es: "Ich hatte mit den Morden nichts zu tun."
Zschäpe will niemals Mitglied der Terrororganisation NSU gewesen sein.
Zschäpe gesteht, die Wohnung von Mundlos und Böhnhardt in Brand gesetzt und damit Beweise vernichtet zu haben.
Das sei der letzte Wille der beiden Männer gewesen.
Im Gericht lässt die 40-Jährige eine 50-seitige Stellungnahme durch ihren Anwalt Mathias Grasel verlesen.
Fragen des Gerichtes oder der Kläger wird Zschäpe wohl nur schriftlich beantworten.
Chronologie: Beate Zschäpe und der NSU-Prozess
Die rechtsextreme Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) soll von 2000 bis 2007 zehn Menschen ermordet haben.
Beate Zschäpe steht seit Mai 2013 als Hauptangeklagte vor Gericht. Ein Rückblick:
4. November 2011:
Nach einem missglückten Banküberfall werden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt tot in einem ausgebrannten Wohnmobil in Thüringen gefunden.
Bei ihnen sind die Waffen zweier Polizisten, die 2007 in Heilbronn getötet beziehungsweise schwer verletzt wurden.
8. November 2011:
Beate Zschäpe stellt sich der Polizei in Jena.
11. November 2011:
Zum Polizistenmord von Heilbronn übernimmt die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen.
Es gibt offenbar Verbindungen zu weiteren Morden.
13. November 2011:
Der Bundesgerichtshof erlässt Haftbefehl gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Zschäpe.
8. November 2012:
Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen sie.
6. Mai 2013:
In München beginnt der Prozess. Hauptangeklagte ist Beate Zschäpe.
22. August 2013:
Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages legt seinen Abschlussbericht vor.
Er wirft den Sicherheitsbehörden schwere Versäumnisse bei den Ermittlungen gegen die Terrorzelle vor.
21. August 2014:
Ein Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags kommt zu der Einschätzung, dass die Mordserie hätte verhindert werden können, wenn die Ermittlungsbehörden nicht so gravierende Fehler begangen hätten.
6. Juli 2015:
Das Oberlandesgericht München ordnet Zschäpe auf eigenen Wunsch den Anwalt Mathias Grasel als vierten Pflichtverteidiger bei.
31. Juli 2015:
Zschäpe scheitert zum dritten Mal mit ihrem Ansinnen, ihre ursprünglichen Verteidiger loszuwerden.
10. November 2015:
Die eigentlich für den 11. November angekündigte Aussage von Zschäpe, die bisher im Prozess geschwiegen hat, wird verschoben.
Neben Grasel wird der Münchner Anwalt Hermann Borchert Zschäpe als Wahlverteidiger an bestimmten Tagen im Prozess vertreten.
11. November 2015:
Der Bundestag beschließt einen neuen NSU-Untersuchungsausschuss.
24. November 2015:
Nachdem ein Befangenheitsantrag des Mitangeklagten Ralf Wohlleben gegen alle Richter gescheitert ist, lehnt das Gericht den erneuten Antrag von Zschäpes drei Alt-Verteidigern ab, von ihren Pflichtmandaten entbunden zu werden.
Sie waren bereits im Juli mit einem solchen Ansinnen gescheitert.
29. November 2015:
Auch Ralf Wohlleben will aussagen, kündigen seine Anwälte an.
9. Dezember 2015:
Zschäpe will ihr Schweigen im Prozess erstmals brechen, Fragen des Gerichts allerdings nur schriftlich beantworten.
Hintergrund: Das ist Beate Zschäpe
Beate Zschäpe ist ein Kind der untergegangenen DDR. Geboren wurde sie am 2. Januar 1975 in Jena. Ihre Mutter studierte zu dieser Zeit in Bukarest Zahnmedizin und war über den Jahreswechsel zu Besuch in der Heimat.
Ihren Vater, nach Angabe der Mutter ein Studienkollege in Rumänien, lernte Zschäpe nie kennen.
Den größten Teil ihrer Kindheit verbrachte sie bei ihrer Großmutter.
Sie sei ein "Omakind", sagte die mutmaßliche Rechtsterroristin über sich in einer Polizeivernehmung.
Als Jugendliche gehörte sie einer Clique an, die politisch eher links eingestellt gewesen sein soll.
Aber spätestens, als sie Uwe Mundlos kennenlernte, orientierte sie sich nach rechtsaußen.
Anfang der 1990er-Jahre gehörte sie zusammen mit Mundlos, Uwe Böhnhardt und anderen Neonazis zur "Kameradschaft Jena".
Verbürgt ist, dass sie eine Demonstration "zur Bewahrung Thüringer Identität" anmeldete.
Sie geriet auch unter Verdacht, an ersten kriminellen Aktionen beteiligt gewesen zu sein.
Dazu gehörten Bombenattrappen oder das Aufhängen einer Puppe mit Judenstern an einer Autobahnbrücke.
Untergetaucht ab Januar 1998
Im Januar 1998 tauchte sie zusammen mit Mundlos und Böhnhardt in den Untergrund ab.
Angeblich soll sie schon wenig später die Rückkehr in die Legalität geplant haben.
Verhandlungen eines von "Kameraden" beauftragten Anwalts mit der Staatsanwaltschaft scheiterten aber.
Im Jahr 2000 sollen Mundlos und Böhnhardt den ersten von insgesamt zehn Morden verübt haben.
Zschäpes Rolle dabei konnte bisher nur aus Indizien hergeleitet werden, etwa aus Ausspähnotizen und Zeitungsausschnitten, die in den Hinterlassenschaften des NSU gefunden wurden.
Am 4. November 2011 flog der NSU dann auf, nachdem die beiden Männer nach einem Banküberfall in Eisenach entdeckt wurden.
Sie sollen sich in einem Wohnmobil das Leben genommen haben.
Zschäpe setzte mit Benzin die Zwickauer Wohnung in Brand.
Anschließend war sie vier Tage auf der Flucht, bevor sie sich in Jena der Polizei stellte.