Verbraucherrecht - Urteile usw. !

Oberverwaltungsgericht: Maskenpflicht im Wahllokal ist rechtens !

Auch Kritiker der staatlichen Corona-Maßnahmen müssen bei der Bundestagswahl an diesem Sonntag im Wahllokal eine Maske tragen.
Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen am Freitag klargestellt.

Münster - Das Gericht in Münster wies den Eilantrag eines Mannes aus Ennigerloh im Kreis Warendorf ab.
Der Antragsteller sieht durch die Maske sein allgemeines Wohlbefinden und seine Konzentration beeinträchtigt.
Außerdem wollte er mit dem Verweigern der Maske seine kritische Haltung gegenüber den staatlichen Corona-Maßnahmen ausdrücken, heißt es in einer Mitteilung des OVG.
Die Maskenpflicht verletze ihn in seinem Wahlrecht, so der Mann.
Dieser Sicht folgte das Gericht nicht.
Der Beschluss ist unanfechtbar (Az.: 13 B 1534/21.NE).

Die in der Coronaschutzverordnung des Landes NRW festgeschriebene Maskenpflicht im Wahllokal bei der Bundestagswahl sei eine verhältnismäßige Schutzmaßnahme zur Verhinderung von Corona-Infektionen, so das Gericht.
Die auf wenige Minuten begrenzte Maskenpflicht hindere keinen Wahlberechtigten an der Stimmabgabe.
Ausgenommen von der Pflicht sind nur Personen, die medizinische Gründe vorbringen können.


 
Überraschendes Urteil: Wann ein Bußgeld für Bedienung des Scheibenwischers droht !

Autofahrer dürfen elektronische Geräte wie ein Handy beim Fahren nicht in der Hand bedienen.
Doch was gilt für einen eingebauten Touchscreen, mit dem ein Scheibenwischer bedient wird?

Einen fest eingebauten berührungsempfindlichen Bildschirm im Auto dürfen Fahrer nur dann bedienen, wenn dies mit einem kurzen, den Straßen- und Wetterverhältnissen angepassten Blick zusammengeht.
Alles andere wird ähnlich wie ein Handyverstoß geahndet.
Dies gilt selbst dann, wenn das Berühren des Touchscreens die Steuerung von Fahrzeugfunktionen wie den Scheibenwischer betrifft.

Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe (Az.: 1 Rb 36 Ss 832/19), über das die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet.

Intervall-Steuerung nur per Menü
In dem Fall ging es um einen Autofahrer, der im Regen unterwegs war.
Die Scheibenwischer ließen sich hier am Lenkrad ein- und ausstellen.
Um aber die Intervalle zu erhöhen, musste der Mann die Untermenüs des fest in der Mittelkonsole eingebauten Touchscreens aufrufen. Das lenkte ihn so ab, dass er auf gerader Strecke von der Straße abkam.

Das Amtsgericht verurteilte den Mann daraufhin wegen verbotener Nutzung eines elektronischen Geräts zu 200 Euro Geldbuße und einem Monat Fahrverbot.
Dagegen wehrte sich der Mann, denn er wertete den Touchscreen als sicherheitstechnisches Bedienteil.

Touchscreen-Bedienung darf nicht ablenken
Doch das OLG Karlsruhe bestätigte das Amtsgerichtsurteil.
Für die Ablenkung macht es demnach keinen Unterschied, welcher Zweck mit dem elektronischen Gerät konkret verfolgt wird – sprich: Es muss nicht allein um Kommunikation oder Navigation gehen.

Da solch ein Bildschirm viele Funktionen hat, komme es auch nicht darauf an, ob der Scheibenwischer gesteuert werden sollte oder etwas anderes, entschied das OLG.
Solche Geräte dürften nur unter den Voraussetzungen der Straßenverkehrsordnung – also zum Beispiel über Sprachsteuerung oder Vorlesefunktion – genutzt werden oder aber nur verbunden mit einem kurzen, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepassten Blick.

Somit ist die Benutzung fest verbauter Geräte im Gegensatz zur Bedienung von elektronischen Geräten in der Hand zwar nicht grundsätzlich verboten.
Man darf sich aber nicht ablenken lassen.


 
BGH-Urteil zu Scheidung: Ex-Partner darf Rentenversicherung frei wählen !

Nach dem Ende einer Ehe gibt es nicht selten Streit ums Geld.
Ein Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt nun: Wer Unterhalt zahlt, kann nicht automatisch bestimmen, wie das Geld genau verwendet wird.

Wer von seinem Ex-Partner einen Altersvorsorgeunterhalt bezieht, muss die erhaltenen Beträge zwar entsprechend anlegen, laut einem am Montag veröffentlichten Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) ist es dabei aber durchaus zulässig, eine private Rentenversicherung abzuschließen (Az.: XII ZB 544/20).
Dass diese ein Kapitalwahlrecht vorsieht, steht dem nicht entgegen.

Steuerliche Belange des Unterhaltspflichtigen muss der Unterhaltsberechtigte bei der Auswahl seiner Altersvorsorge dabei nicht beachten.
Denn grundsätzlich müssen beide geschiedene Ehegatten ihre gesamte Einkommensteuerbelastung möglichst gering halten.

Ex-Mann zahlte Altersvorsorgeunterhalt
In dem verhandelten Fall hatte sich der Ehemann nach der Scheidung unter anderem zur Zahlung von Altersvorsorgeunterhalt verpflichtet.
Die ehemalige Ehefrau zahlt die entsprechenden Beträge in eine private Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht ein.

Die Frau erteilte ihrem früheren Ehemann außerdem die Zustimmung zur Durchführung des sogenannten begrenzten Realsplittings.
Bis zum Jahr 2016 ersetzte der Ehemann der Ehefrau, die selbst nur über geringe Einkünfte verfügt, jeweils auf entsprechende Aufforderung die gegen sie festgesetzten Einkommensteuerbeträge.

Die Ehefrau wollte nun den Ausgleich für das Jahr 2017 haben.
Der Ehemann wollte hingegen seinen Erstattungsbetrag für die Altersvorsorge zurück.
Seine Begründung: Die Ehefrau hätte durch eine steuerlich günstigere Anlage des gezahlten Altersvorsorgeunterhalts ihre Einkommensteuerpflicht vollständig vermeiden können.

Ehemann muss Nachteil ausgleichen
Vor Gericht hatte der Mann keinen Erfolg: Dem Unterhaltsberechtigten stehe die Wahl der Altersvorsorge grundsätzlich frei, befand der BGH.
Steuerliche Belange des Unterhaltspflichtigen habe der Unterhaltsberechtigte nicht zu beachten.
Denn gäbe es eine Pflicht zur steuergünstigsten Anlage, so würde das Recht auf freie Wahl der Altersvorsorge aufgeweicht.
Außerdem habe der Ehemann in diesem Fall bereits jahrelang den Nachteilsausgleich gezahlt und damit das Vertrauen begründet, dass er auf die Art der Anlage keinen Wert lege.

Zudem erziele der Mann aufgrund der Durchführung des Realsplittings einen steuerlichen Vorteil, der den Betrag des Nachteils der Frau übersteigt.
Die Ehefrau sei durch den Nachteilsausgleich so zu stellen, dass ihr der gezahlte Unterhalt ungeschmälert verbleibt.


 
Trunkenheitsfahrt auf Parkplatz: Ist die MPU rechtens ?

Mit hoher Promillezahl fährt ein Autofahrer auf einem Supermarktparkplatz.
Keine öffentliche Straße, sagt er, verweigert eine MPU-Maßnahme und verliert den Führerschein sofort - zu Recht?

Ein allgemein zugänglicher Supermarktparkplatz ist dem öffentlichen Verkehrsraum zuzuordnen.
Das gilt dann, wenn er für jeden oder eine größere Gruppe von Personen zugänglich und nutzbar ist.

Wer dort sein Auto alkoholisiert bewegt, kann sich nicht darauf berufen, auf privatem Grund und nicht im öffentlichen Straßenverkehr gefahren zu sein.
Das zeigt ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Az.: 11 CS 20.2867), auf das der ADAC hinweist.

Nachts um 1 Uhr fuhr ein Mann mit seinem Auto und 1,63 Promille Alkohol im Blut auf dem Gelände eines Supermarkts.
Eine Geldstrafe und neun Monate Fahrverbot waren die Folge.
Gegen das Fahrverbot legte der Mann Widerspruch ein, es wurde auf sechs Monate vermindert.

Die Behörde ordnet eine MPU an
Allerdings ordnete die Führerscheinbehörde nach Zugang der Akte wegen des hohen Promillewertes eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) an.
Der Mann verweigerte diese, woraufhin die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung entzogen wurde.
Dagegen folgte ein erneuter Widerspruch.
Das Argument: Das Gelände des Supermarkts wäre ein Privatgrundstück gewesen.
Die Sache ging vor Gericht.

Ohne Erfolg.
So war das Gericht der Ansicht, dass der Mann auch auf dem Parkplatz ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt hatte.
Denn dem sei der allgemein zugängliche Parkplatz zuzuordnen.
Ein Verkehrsraum ist dann öffentlich, wenn jeder oder aber zumindest eine allgemein bestimmte größere Personengruppe Zugang hat, weil das der Berechtigte ausdrücklich oder faktisch zugelassen hat.

Der Parkplatz als Verkehrsraum
Demnach war der Parkplatz, der zu einem Einkaufscenter gehörte, generell dem öffentlichen Verkehrsraum zuzuordnen - unabhängig von einer etwaigen sogenannten wegerechtlichen Widmung.
Aufgrund der festgestellten Promillezahl seien die Zweifel an der Fahreignung berechtigt und eine MPU erforderlich, hieß es.


 
Landesarbeitsgericht: Streik bei Asklepios-Kliniken zulässig !

Berlin - Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat den Antrag der Asklepios-Kliniken auf Untersagung des Streiks in ihren Brandenburger Kliniken zurückgewiesen (Beschluss vom 20. Oktober 2021, Az. 12 Ta 1310/21).
Das Unternehmen wollte erreichen, dass der Gewerkschaft Verdi Aufruf und Durchführung von Streiks untersagt werden, informierte das Gericht am Mittwoch über den Beschluss.

Für die Rechtmäßigkeit des Streiks sei es ausreichend, dass der erforderliche Notdienst tatsächlich sichergestellt werde.
Die Gewerkschaft sei in dem Zusammenhang zu Nachbesserungen aufgefordert worden, hieß es.

Am Donnerstag um 6 Uhr startet in dem Tarifstreit nach einer Urabstimmung ein sechstägiger Streik an den drei Asklepios-Kliniken in Brandenburg/Havel, Teupitz und Lübben sowie zehn Tageskliniken.
Verdi kritisiert, dass die Brandenburger Beschäftigten für die gleiche Arbeit teilweise bis zu 10 600 Euro weniger pro Jahr verdienten als die Kollegen an den Hamburger Standorten des Konzerns.
Die Gewerkschaft verlangt gleiche Konditionen.
Seit der jüngsten Verhandlungsrunde am 22. Juni traten Beschäftigte bisher an insgesamt zehn Tagen in Warnstreiks.


 
Urteil in Berlin: Wer zu viel Lärm macht, fliegt aus seiner Wohnung - DAS müssen Mieter jetzt wissen !

In Mehrfamilienhäusern ist es zwar selten vollkommen ruhig.
Doch zu viel Lärm müssen Bewohnerinnen und Bewohner nun auch nicht ertragen.
Will heißen: Streiten die Nachbarn regelmäßig lautstark, knallen ständig ihre Türen und lassen permanent ihre Kinder nach 22 Uhr noch wild toben, müssen sie die Wohnung räumen.

Eine fristlose Kündigung ist in einem solchen Fall jedenfalls gerechtfertigt.
Das entschied das Landgericht Berlin (Az.: 65 S 104/21), wie die Zeitschrift „Das Grundeigentum“ (Heft 19/2021) des Eigentümerverbandes Haus & Grund Berlin berichtet.

Ständiger Lärm störte Nachbarn
Der Fall: Die Mieter waren wegen Ruhestörung bereits mehrfach vom Vermieter abgemahnt worden.
Grund hierfür waren regelmäßiges lautes Geschrei und Gebrüll, knallende Türen und wiederkehrender Kinderlärm zu Ruhezeiten.
Schließlich wurde der Mietvertrag fristlos gekündigt.

Die Mieter hielten dagegen: Ruhestörungen habe es zu keiner Zeit gegeben, erklärten sie.
Deshalb zogen sie aus der Wohnung auch nicht aus.
Daher erhob der Vermieter schließlich Räumungsklage, der vom Amtsgericht Neukölln nach einer Zeugenerhebung stattgegeben wurde.

Toleranzgebot gegenüber Kinderlärm hat Grenzen
Die Berufung vor dem Landgericht hatte keinen Erfolg: Die Mieter hätten ihre mietvertraglichen Pflichten verletzt, indem sie entgegen dem nachbarlichen Rücksichtnahmegebot erhebliche Lärmbelästigungen zu verschulden gehabt hätten.
Diese Belästigungen seien von Zeugen bestätigt worden, die Mieter hätten diese Aussagen nicht widerlegt.

Das Amtsgericht habe zudem berücksichtigt, dass Kinderlärm auch in Ruhezeiten nicht ausgeschlossen werden könne und auch durch gesetzliche Regelungen privilegiert sei.
Dieses dadurch zum Ausdruck gebrachte Toleranzgebot der Gesellschaft gegenüber Kinderlärm habe aber durchaus auch Grenzen.
Nämlich dann, wenn Erwachsene ihre Kinder während der nächtlichen Ruhezeiten nicht schlafen legten.


 
Corona-Maßnahmen an Schulen: BGH setzt Familienrichtern Grenzen !

Das eigene Kind per richterlichem Beschluss von der Maskenpflicht in der Schule befreien?
Geht nicht.
Zumindest nicht, wenn es sich um ein Familiengericht handelt.
Das stellt jetzt der Bundesgerichtshof klar.
Zwei solcher Fälle hatten im Frühjahr für Aufsehen gesorgt.

Familiengerichte sind grundsätzlich nicht befugt, Corona-Maßnahmen an Schulen außer Kraft zu setzen.
Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt grundsätzlich geklärt.

Familienrichter können demnach gegenüber schulischen Behörden prinzipiell keine Anordnungen zur Durchsetzung des Kindeswohls erlassen.
Die gerichtliche Kontrolle in diesem Bereich liege ausschließlich bei den Verwaltungsgerichten.

Die Frage war im Frühjahr in den Blickpunkt gerückt.
Ein Weimarer Familienrichter hatte zwei Schulkinder auf Antrag ihrer Eltern im Eilverfahren von der Maskenpflicht freigestellt.

Im oberbayerischen Weilheim hatte es einen ähnlichen Fall gegeben.
Beide Entscheidungen sorgten bundesweit für Schlagzeilen.
Gegen den Richter und die Richterin waren mehrere Anzeigen wegen Rechtsbeugung gestellt worden.

Dem Beschluss des BGH lag nun ein Fall zugrunde, den das Amtsgericht Wesel in seiner Funktion als Familiengericht in Karlsruhe vorgelegt hatte.
Dort wollte eine Mutter durchsetzen, dass sich ihre 15-jährige Tochter an ihrer Gesamtschule nicht mehr an Maskenpflicht, Abstandsgebote und Testpflichten halten muss.

Das Amtsgericht hatte das Verwaltungsgericht für zuständig gehalten, das Verwaltungsgericht das Amtsgericht - zur Klärung landete der Fall am BGH.
Dort wurden auch andere Verfahren parallel entschieden, die zur selben Frage anhängig waren.

Das Verfahren aus Wesel wird nicht mehr fortgesetzt, die BGH-Richter stellten es direkt ein.
Eine Verweisung an das eigentlich zuständige Verwaltungsgericht komme "wegen unüberwindbar verschiedener Prozessgrundsätze" nicht in Betracht.


 
Urteil des BGH: Großeltern unterhaltspflichtig für Enkel !

Wirkt sich das Einkommen der Großeltern auf die Unterhaltungszahlung für getrennt lebende Elternteile aus?
Ja, in bestimmten Fällen schon.
Das urteilt der Bundesgerichtshof.
Ein Fall aus Sachsen hatte den Stein ins Rollen gebracht.

Wenn die Großeltern ein gutes Einkommen haben, muss ein getrennt lebender Elternteil nicht über den angemessenen Selbstbehalt hinaus für seine Kinder Unterhalt zahlen.
In einem solchen Fall hat der Elternteil keine sogenannte gesteigerte Verpflichtung.
Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.

Ursächlich für das Urteil war ein Fall aus Sachsen.
Ein zweifacher Vater mit einem Einkommen von 1400 Euro zahlte für seine elfjährige Tochter hundert Euro monatlichen Unterhalt.
Das Bundesland Sachsen gab zusätzlich Unterhaltsvorschuss hinzu, den es vom Vater teilweise zurückverlangte.

Die Frage war, ob dieser nur den notwendigen Selbstbehalt von derzeit 1160 Euro monatlich oder den angemessenen Selbstbehalt für sich behalten darf.
Dieser liegt aktuell bei 1400 Euro.
Das Amtsgericht Leipzig gab dem Land Sachsen recht und verurteilte den Vater zur Zahlung.
Auf seine Beschwerde hin änderte das Oberlandesgericht Dresden das Urteil ab und wies den Antrag des Landes zurück.
Das Land zog daraufhin vor den BGH.

Der Vater verwies darauf, dass seine Eltern deutlich höhere Einkünfte hätten als er selbst, nämlich 3500 und 2200 Euro.
Der Bundesgerichtshof gab ihm nun Recht.
Die Unterhaltspflicht von Eltern wird nur erweitert, wenn es keine anderen zum Unterhalt verpflichteten Verwandten gibt.

Hier gebe es aber die Großeltern.
Diese müssten in Ausnahmefällen für ihre Enkelkinder aufkommen - allerdings stehe ihnen ein deutlich höherer angemessener Selbstbehalt zu, nämlich 2000 Euro plus die Hälfte des darüber liegenden Einkommens.


 
Urteil gegen Krankenkasse: Anspruch auf maßgefertigte Silikonprothese bei Fingerverlust !

Darmstadt - Menschen mit fehlenden Fingern oder Fingergliedern haben unter Umständen einen Anspruch auf eine maßgefertigte Silikonprothese.
Die gesetzliche Krankenversicherung müsse zahlen, wenn die Prothese eine erheblich verbesserte Funktion der Hand bewirke, teilte das Hessische Landessozialgericht zu einem schon im September ergangenen Urteil mit (Az.: L 8 KR 477/20).
Die Revision wurde nicht zugelassen.

In dem Fall hatte eine Arzthelferin geklagt, deren eine Hand seit der Geburt fehlgebildet ist.
Nach mehreren Operationen fehlt ein Finger komplett, drei weitere sind jeweils etwa zur Hälfte vorhanden.

Ihr wurde eine rund 17 500 Euro teure Prothese ärztlich verordnet.
Die Krankenkasse lehnte die Übernahme der Kosten jedoch ab, da keine medizinische Notwendigkeit bestehe.
Dagegen klagte die Frau - und das Gericht gab ihr recht: Mit der Prothese könne sie zum Beispiel besser greifen und am Computer arbeiten, hieß es in der Entscheidung.
Die Kasse muss der Frau die Prothese bezahlen.


 
Urteil: Notar kann Geschäftsfähigkeit nicht immer einschätzen !

Hamm - Notare können nicht immer zweifelsfrei entscheiden, ob eine Person wirklich geschäftsfähig ist.
Daher kann ein notariell beurkundeter Erbvertrag mit einem Demenzkranken im Nachhinein auch für nichtig erklärt werden.

Das entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Az.: 10 U 5/20), wie die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet.
Ob eine Person geschäftsunfähig ist, kann oft erst postmortal durch einen sachkundigen Gutachter festgestellt werden.

Erbverzicht wurde aufgehoben

Der Fall: Ein Mann macht gegen seinen Halbbruder, der den gemeinsamen Vater allein beerbt hat, Pflichtteilsansprüche geltend.
Dieser verweigert die Zahlung, da der Vater mit seinem enterbten Sohn 1996 einen notariellen Vertrag geschlossen habe, in dem der Mann auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet habe.
Der enterbte Sohn ist der Ansicht, dieser Vertrag sei durch Aufhebungsvertrag vom 2009 gegenstandslos.

Der Erbe hält dem entgegen, der Vater sei zu diesem Zeitpunkt bereits an einer mittelschweren Demenz erkrankt und in der Folge geschäftsunfähig gewesen.
Der enterbte Sohn hält den 2009 beurkundeten Vertrag für rechtswirksam.
Es gelte die Vermutung der Geschäftsfähigkeit des Erblassers, da der beurkundende Notar sich von dieser überzeugt habe.
Hätte er Zweifel gehabt, hätte er eine Beurkundung nicht vornehmen dürfen.

Notar fehlt medizinisches Fachwissen

Das Urteil: Dem enterbten Bruder stehe kein Pflichtteilsanspruch zu; denn dieser sei 2009 nicht wirksam aufgehoben worden.
Zu diesem Zeitpunkt sei der damals bereits 86-jährige Erblasser nicht mehr geschäftsfähig gewesen, mit der Folge, dass der Aufhebungsvertrag nichtig ist.
Die Geschäftsunfähigkeit konnte ein Gutachter für 2009 klar nachweisen.
Dies genügte den Richtern.

Der enterbte Sohn habe nicht dargelegt, auf welche Art und Weise sich der Notar vor oder bei der Beurkundung von der Geschäftsfähigkeit des Erblassers überzeugt haben soll.
Es finde sich dazu kein Vermerk.
Im Übrigen verfüge ein Notar aber als Jurist nicht über das notwendige medizinische Fachwissen, um das Ausmaß einer Demenzerkrankung und damit eine noch vorhandene Geschäftsfähigkeit einschätzen zu können.


 
BGH-Urteil: Diesel-Besitzer können nicht einfach vom Kauf zurücktreten !

Karlsruhe - Wer einen vom VW-Abgasskandal betroffenen Diesel neu gekauft hat, kann nicht einfach so vom Kaufvertrag zurücktreten und vom Händler das Geld zurückverlangen.
Das teilte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe zu einem verkündeten Urteil mit. (Az. VIII ZR 111/20)

In dem Fall geht es um einen Mann, der nicht - wie die allermeisten Diesel-Kläger - Volkswagen als Hersteller auf Schadenersatz verklagt hat.
Er will stattdessen erreichen, dass sein Autohändler das kurz vor Auffliegen des Dieselskandals gekaufte Fahrzeug zurücknehmen und ihm einen Großteil des Kaufpreises erstatten muss.

Grundsätzlich haben Neuwagenkäuferinnen und -käufer in den ersten zwei Jahren besondere Rechte, wenn sich herausstellt, dass ihr Auto Mängel hat.
Unter bestimmten Voraussetzungen haben sie in der Regel die Wahl zwischen einer kostenlosen Reparatur und dem Austausch gegen ein anderes, neues Auto.
Ein Rücktritt vom Kaufvertrag kommt erst infrage, wenn die Reparaturversuche nichts gebracht haben oder der Händler die Nachbesserung trotz Aufforderung verweigert.

Der Kläger in dem Fall hatte seinem Händler gar keine Frist gesetzt, sondern wollte sofort aus dem Vertrag heraus.
Die Kölner Gerichte hatten dies für gerechtfertigt gehalten: Dem Mann sei nicht zumutbar, die unzulässige Abgastechnik in dem Auto durch das angebotene Software-Update entfernen zu lassen.
Dieses komme letztlich vom selben Autobauer, der den Mangel durch arglistiges Verhalten selbst verursacht habe.
Außerdem seien negative Auswirkungen auf das Auto oder den Fahrbetrieb "nach der allgemeinen Lebenserfahrung" denkbar.

Das hätte laut BGH aber nicht ohne eingehende Prüfung und Experten-Rat unterstellt werden dürfen.
Es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass hier die Vertrauensgrundlage zwischen Käufer und Verkäufer gestört sei.
Die obersten Zivilrichterinnen und -richter geben aber zu bedenken, dass sich ein Verkäufer nach ihrer bisherigen Rechtsprechung "ein arglistiges Vorgehen des Herstellers gerade nicht zurechnen lassen muss".
Außerdem sei das Software-Update zum fraglichen Zeitpunkt von den zuständigen Behörden geprüft und freigegeben gewesen.
Das Kölner Oberlandesgericht muss sich den Fall auf die Revision des Händlers hin nun noch einmal genauer anschauen.


 
BGH-Urteil nach Streit in Köln: Nachbarn müssen nachträgliche Wärmedämmung akzeptieren !

Mit einem wegweisenden BGH-Urteil im Klimaschutz ist ein Nachbarschaftsstreit in Köln zu Ende gegangen.
Demnach müssen Hausbesitzer es akzeptieren, wenn eine Wärmedämmung des Nachbarn auf ihr Grundstück ragt.

Nachbarn müssen bei einer nachträglichen Wärmedämmung einen leichten Überbau auf ihr Grundstück hinnehmen – dies gilt jedenfalls bei Altbauten, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Freitag in Karlsruhe.
Neubauten müssten so geplant sein, dass die Wärmedämmung in den Grenzen des eigenen Grundstücks bleibt.

Das höchste deutsche Zivilgericht stellte damit zugleich klar: Die Bundesländer dürfen die grenzüberschreitende Wärmedämmung regeln (Az. V ZR 115/20).
Mit der energetischen Gebäudesanierung solle Energie eingespart werden; dies liege angesichts des Klimaschutzes im allgemeinem Interesse, so der BGH.

Dämmung sollte über Grundstücksgrenze ragen
Die Karlsruher Richter urteilten über einen Fall aus Köln.
Dort hatten sich Nachbarn wegen der geplanten Außendämmung eines Mehrfamilienhauses, das direkt an der Grundstücksgrenze steht, in die Haare bekommen.
Nach nordrhein-westfälischem Landesrecht muss der Nachbar den Überbau dulden, wenn eine vergleichbare Wärmedämmung anders nicht mit vertretbarem Aufwand machbar ist und die Überbauung sein Grundstück nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt.
Alles Überragende unter 25 Zentimetern ist demnach in Ordnung.

Vergleichbare Regelungen gibt es laut BGH in den Nachbargesetzen vieler Bundesländer, darunter in Baden-Württemberg, Hessen, Brandenburg, Niedersachsen, Thüringen und Berlin.


 
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