collombo
MyBoerse.bz Pro Member
Abgründe bei Wirecard: "Sehr impulsiv" trifft auf "komplett irre" !
Der Ausschuss, der den Wirecard-Skandal untersucht, bringt unglaubliche Dinge zum Vorschein.
Jüngste Befragungen gewähren Einblicke in das Innenleben des Pleite-Konzerns.
Ein adliger Zeuge bedauert sein Zutun - und sorgt für jede Menge Heiterkeit.
Wie ein Adelsmann sieht er nicht gerade aus, der Stephan Freiherr von Erffa.
Zwar trägt er standesgemäß dunkelblauen Anzug mit gleichfarbiger Krawatte über weißem Hemd.
Aber er wirkt glanz- und freudlos.
Man sieht, dass er - gemessen an seinem bisherigen Leben - eine kummervolle Zeit durchmacht.
Der Cousin der AfD-Politikerin Beatrix von Storch ist als Zeuge vor den Bundestagsausschuss geladen, der das Wirecard-Debakel aufklärt.
Er stellt sich als ehemaliger "Director Accounting" des Pleite-Konzerns vor, "im Moment ohne Arbeit".
Als Adresse gibt er einen Ort nahe München an.
Was nicht ganz stimmt.
Erffa sitzt in Landshut in U-Haft.
Erffa bedankt sich, dass der Ausschuss im Dezember nicht auf seiner Befragung bestanden hatte.
Der Freiherr, dem zur Last gelegt wird, am größten Bilanzskandal der deutschen Nachkriegszeit beteiligt gewesen zu sein, wollte erst mit der Staatsanwaltschaft reden.
"Ich hatte damals versprochen, dass ich im Falle eines weiteren Termins persönlich zur Verfügung stehe.
Deshalb bin ich heute selbstverständlich auch nach Berlin gekommen."
Das klingt so, als hätte er eine Wahl gehabt.
Zunächst macht der frühere Chef-Buchhalter von Wirecard klar, dass ihm die vorher "unvorstellbare" Insolvenz "und damit natürlich auch die Folgen für die Mitarbeiter, die Partner und Lieferanten, aber auch die Aktionäre sehr nahegeht".
Danach beginnt er mit seiner Verteidigung und erklärt - ähnlich wie der einstige Konzernchef Markus Braun -, dass er kein konkretes Fehlverhalten habe erkennen können und er hinterher schlauer sei: "Eigentlich dachte ich, dass wir bei der Wirecard ganz gut aufgestellt sind."
Die Gremien, "auch die Abteilung für Risk", sowie die externen Prüfungen hätten funktioniert.
"Aber die bestehenden Mechanismen, wie wir heute wissen, haben diesen Skandal leider nicht verhindert, was mir wirklich sehr leidtut."
Während Braun nur eine dürre Erklärung abgab und ansonsten jede Auskunft als Zeuge verweigerte, was sein Recht gewesen ist, beantwortet Erffa Fragen des Gremiums, die nicht direkt sein Strafverfahren betreffen.
Trotzdem gewährt er bisher unbekannte Einblicke in das Innenleben von Wirecard, man könnte auch sagen: Abgründe.
Den letzten Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann, der erst 2019 in das Kontrollgremium berufen worden war, beschrieb Erffa als "sehr impulsiv" und das Verhältnis als zerrüttet.
"Ich glaube nicht, dass er ein Freund von mir werden wird."
Eichelmann, der der nächste Zeuge ist, stuft wiederum Erffa als "komplett irre" ein, und berichtet, der Manager habe schon mal rumgebrüllt und sei ausgetickt, wenn man anderer Meinung gewesen sei.
"Schwierige Frage"
Wie sehr der einstige "Director Accounting" an Wirecard hängt, wird daran ersichtlich, dass er ständig im Präsens und von "wir" redet, als sei er nicht in U-Haft, sondern im Konzernvorstand.
Er gibt an, eher der "Grüßonkel" gewesen zu sein.
Der FDP-Abgeordnete Florian Toncar sagt laut, was wohl alle Ausschussmitglieder denken.
Er lässt Verwunderung über die Aussagen erkennen und stellt somit die Glaubwürdigkeit des Zeugen infrage.
Toncar wundert sich, dass ein "Head of Accounting" jahrelang ganz nah an den Zahlen und Bilanzen sei, aber "sich nicht vorstellen" könne, "dass Wirecard insolvent geht".
Ob es so war oder Erffa seine Rolle herunterspielt, wird ein Gericht entscheiden.
Cansel Kiziltepe, die die SPD in dem Ausschuss vertritt, will aber nicht so lange warten und möchte von ihm, der "doch genug Zeit" zum Nachdenken gehabt habe, wissen: "Wer ist aus Ihrer Sicht verantwortlich für diesen kriminellen Bilanzbetrug?"
Erffas Antwort sorgt für ausgelassene Heiterkeit.
"Es ist ne schwierige Frage.
Also natürlich die Täter erstmal, wer auch immer jetzt das tatsächlich war", sagt der Zeuge unter Gelächter, bevor er weiter sagt: "Ansonsten glaube ich, dass sehr viele Leute, also ich möchte mich da jetzt auch nicht rausreden, eine gewisse Verantwortung durchaus tragen.
Und jeder von uns muss reflektieren, wann hat er was wo falsch gemacht und wo war er vielleicht zu gutgläubig."
Er denke darüber nach, "hätte ich da tiefer einsteigen müssen" und "hartnäckiger nach anderen Belegen fragen müssen", sagt der Freiherr.
Kiziltepe, die Zeugen, denen sie verwerfliches Verhalten unterstellt, gerne von oben herab behandelt, bügelt Erffa ab: "Ja, wissen wir auch"
Er solle Täter benennen?
Natürlich tut er das nicht, sondern sagt: "Heute heißt es ja in allen Zeitungen: Herr Marsalek war es.
Wenn ich mich festlegen würde, würde ich es auch sagen.
Aber ich habe keinen einzigen wirklichen Beweis."
Gemeint ist der frühere Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, der weltweit mit internationalem Haftbefehl gesucht wird.
"Es ist Straftätern mit hoher krimineller Energie gelungen, alle zu täuschen", erklärt Christian Orth, Chef der Qualitätssicherung der Wirtschaftsprüfungsfirma EY, als erster Zeuge am Freitag und reiht sein Unternehmen damit in die Reihe der Opfer des Skandals ein.
Was sicherlich auch damit zu tun hat, dass EY diversen Klagen auf Schadensersatz entgegen sieht und dass zu den Umsatzverlusten durch den Imageschaden Entschädigungszahlungen hinzukommen könnten.
Dass EY nicht dazu beigetragen habe, das Debakel früher aufzudecken, "beschäftigt mich auch sehr", erklärt Orth, der selbst nicht in der Kontrolle der Wirecard-Bilanzen beteiligt war.
Milliarden Euro exisitierten nicht
Seine Firma habe jahrelang keine Bankbestätigung für Treuhandkonten in Asien eingeholt und sich auf Angaben der von Wirecard angegebenen Personen verlassen, berichtet Orth.
Vertraglich sei kein Auskunftsrecht für die Banken vereinbart gewesen.
Allerdings sei gecheckt worden, ob Treuhänder Wirecard in irgendeiner Art nahestanden.
Erst als jene Konten von Singapur auf die Philippinen verlagert worden seien, habe er "Feueralarm" geschlagen.
Nachdem Überweisungen zu Testzwecken gescheitert seien, sei der Schwindel aufgeflogen und von Wirecard bestätigt worden.
Mit diesem Trick hatte der ehemalige Dax-Konzern weltweit Anleger getäuscht.
Die Treuhandkonten vermittelten den Eindruck, als würden Drittpartner von Wirecard offene Rechnungen per Überweisung bezahlen - tatsächlich existierten die 1,9 Milliarden Euro Gewinn jedoch nicht.
Zu dem Fiasko beigetragen hat, dass sich offenbar jeder auf jeden verließ.
Der Sozialdemokrat Jens Zimmermann formulierte es so: "Analystin: Ich hab auf die Wirtschaftsprüfer vertraut.
EY: Wir haben auch auf die Analysten vertraut."
Auch nach Orths Äußerungen ist unklar, wie stark - unabhängig von Rechtsfragen - EY zum Wirecard-Fiasko beigetragen hat.
Danyal Bayaz von den Grünen meint, "wichtige Grundsätze des Prüfer-Einmaleins" seien nicht beachtet worden.
Die nachlässige Kontrolle habe "den Betrug mitbegünstigt".
Er prophezeite: "Auf EY kommen keine einfachen Zeiten zu."
Der Ausschuss, der den Wirecard-Skandal untersucht, bringt unglaubliche Dinge zum Vorschein.
Jüngste Befragungen gewähren Einblicke in das Innenleben des Pleite-Konzerns.
Ein adliger Zeuge bedauert sein Zutun - und sorgt für jede Menge Heiterkeit.
Wie ein Adelsmann sieht er nicht gerade aus, der Stephan Freiherr von Erffa.
Zwar trägt er standesgemäß dunkelblauen Anzug mit gleichfarbiger Krawatte über weißem Hemd.
Aber er wirkt glanz- und freudlos.
Man sieht, dass er - gemessen an seinem bisherigen Leben - eine kummervolle Zeit durchmacht.
Der Cousin der AfD-Politikerin Beatrix von Storch ist als Zeuge vor den Bundestagsausschuss geladen, der das Wirecard-Debakel aufklärt.
Er stellt sich als ehemaliger "Director Accounting" des Pleite-Konzerns vor, "im Moment ohne Arbeit".
Als Adresse gibt er einen Ort nahe München an.
Was nicht ganz stimmt.
Erffa sitzt in Landshut in U-Haft.
Erffa bedankt sich, dass der Ausschuss im Dezember nicht auf seiner Befragung bestanden hatte.
Der Freiherr, dem zur Last gelegt wird, am größten Bilanzskandal der deutschen Nachkriegszeit beteiligt gewesen zu sein, wollte erst mit der Staatsanwaltschaft reden.
"Ich hatte damals versprochen, dass ich im Falle eines weiteren Termins persönlich zur Verfügung stehe.
Deshalb bin ich heute selbstverständlich auch nach Berlin gekommen."
Das klingt so, als hätte er eine Wahl gehabt.
Zunächst macht der frühere Chef-Buchhalter von Wirecard klar, dass ihm die vorher "unvorstellbare" Insolvenz "und damit natürlich auch die Folgen für die Mitarbeiter, die Partner und Lieferanten, aber auch die Aktionäre sehr nahegeht".
Danach beginnt er mit seiner Verteidigung und erklärt - ähnlich wie der einstige Konzernchef Markus Braun -, dass er kein konkretes Fehlverhalten habe erkennen können und er hinterher schlauer sei: "Eigentlich dachte ich, dass wir bei der Wirecard ganz gut aufgestellt sind."
Die Gremien, "auch die Abteilung für Risk", sowie die externen Prüfungen hätten funktioniert.
"Aber die bestehenden Mechanismen, wie wir heute wissen, haben diesen Skandal leider nicht verhindert, was mir wirklich sehr leidtut."
Während Braun nur eine dürre Erklärung abgab und ansonsten jede Auskunft als Zeuge verweigerte, was sein Recht gewesen ist, beantwortet Erffa Fragen des Gremiums, die nicht direkt sein Strafverfahren betreffen.
Trotzdem gewährt er bisher unbekannte Einblicke in das Innenleben von Wirecard, man könnte auch sagen: Abgründe.
Den letzten Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann, der erst 2019 in das Kontrollgremium berufen worden war, beschrieb Erffa als "sehr impulsiv" und das Verhältnis als zerrüttet.
"Ich glaube nicht, dass er ein Freund von mir werden wird."
Eichelmann, der der nächste Zeuge ist, stuft wiederum Erffa als "komplett irre" ein, und berichtet, der Manager habe schon mal rumgebrüllt und sei ausgetickt, wenn man anderer Meinung gewesen sei.
"Schwierige Frage"
Wie sehr der einstige "Director Accounting" an Wirecard hängt, wird daran ersichtlich, dass er ständig im Präsens und von "wir" redet, als sei er nicht in U-Haft, sondern im Konzernvorstand.
Er gibt an, eher der "Grüßonkel" gewesen zu sein.
Der FDP-Abgeordnete Florian Toncar sagt laut, was wohl alle Ausschussmitglieder denken.
Er lässt Verwunderung über die Aussagen erkennen und stellt somit die Glaubwürdigkeit des Zeugen infrage.
Toncar wundert sich, dass ein "Head of Accounting" jahrelang ganz nah an den Zahlen und Bilanzen sei, aber "sich nicht vorstellen" könne, "dass Wirecard insolvent geht".
Ob es so war oder Erffa seine Rolle herunterspielt, wird ein Gericht entscheiden.
Cansel Kiziltepe, die die SPD in dem Ausschuss vertritt, will aber nicht so lange warten und möchte von ihm, der "doch genug Zeit" zum Nachdenken gehabt habe, wissen: "Wer ist aus Ihrer Sicht verantwortlich für diesen kriminellen Bilanzbetrug?"
Erffas Antwort sorgt für ausgelassene Heiterkeit.
"Es ist ne schwierige Frage.
Also natürlich die Täter erstmal, wer auch immer jetzt das tatsächlich war", sagt der Zeuge unter Gelächter, bevor er weiter sagt: "Ansonsten glaube ich, dass sehr viele Leute, also ich möchte mich da jetzt auch nicht rausreden, eine gewisse Verantwortung durchaus tragen.
Und jeder von uns muss reflektieren, wann hat er was wo falsch gemacht und wo war er vielleicht zu gutgläubig."
Er denke darüber nach, "hätte ich da tiefer einsteigen müssen" und "hartnäckiger nach anderen Belegen fragen müssen", sagt der Freiherr.
Kiziltepe, die Zeugen, denen sie verwerfliches Verhalten unterstellt, gerne von oben herab behandelt, bügelt Erffa ab: "Ja, wissen wir auch"
Er solle Täter benennen?
Natürlich tut er das nicht, sondern sagt: "Heute heißt es ja in allen Zeitungen: Herr Marsalek war es.
Wenn ich mich festlegen würde, würde ich es auch sagen.
Aber ich habe keinen einzigen wirklichen Beweis."
Gemeint ist der frühere Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, der weltweit mit internationalem Haftbefehl gesucht wird.
"Es ist Straftätern mit hoher krimineller Energie gelungen, alle zu täuschen", erklärt Christian Orth, Chef der Qualitätssicherung der Wirtschaftsprüfungsfirma EY, als erster Zeuge am Freitag und reiht sein Unternehmen damit in die Reihe der Opfer des Skandals ein.
Was sicherlich auch damit zu tun hat, dass EY diversen Klagen auf Schadensersatz entgegen sieht und dass zu den Umsatzverlusten durch den Imageschaden Entschädigungszahlungen hinzukommen könnten.
Dass EY nicht dazu beigetragen habe, das Debakel früher aufzudecken, "beschäftigt mich auch sehr", erklärt Orth, der selbst nicht in der Kontrolle der Wirecard-Bilanzen beteiligt war.
Milliarden Euro exisitierten nicht
Seine Firma habe jahrelang keine Bankbestätigung für Treuhandkonten in Asien eingeholt und sich auf Angaben der von Wirecard angegebenen Personen verlassen, berichtet Orth.
Vertraglich sei kein Auskunftsrecht für die Banken vereinbart gewesen.
Allerdings sei gecheckt worden, ob Treuhänder Wirecard in irgendeiner Art nahestanden.
Erst als jene Konten von Singapur auf die Philippinen verlagert worden seien, habe er "Feueralarm" geschlagen.
Nachdem Überweisungen zu Testzwecken gescheitert seien, sei der Schwindel aufgeflogen und von Wirecard bestätigt worden.
Mit diesem Trick hatte der ehemalige Dax-Konzern weltweit Anleger getäuscht.
Die Treuhandkonten vermittelten den Eindruck, als würden Drittpartner von Wirecard offene Rechnungen per Überweisung bezahlen - tatsächlich existierten die 1,9 Milliarden Euro Gewinn jedoch nicht.
Zu dem Fiasko beigetragen hat, dass sich offenbar jeder auf jeden verließ.
Der Sozialdemokrat Jens Zimmermann formulierte es so: "Analystin: Ich hab auf die Wirtschaftsprüfer vertraut.
EY: Wir haben auch auf die Analysten vertraut."
Auch nach Orths Äußerungen ist unklar, wie stark - unabhängig von Rechtsfragen - EY zum Wirecard-Fiasko beigetragen hat.
Danyal Bayaz von den Grünen meint, "wichtige Grundsätze des Prüfer-Einmaleins" seien nicht beachtet worden.
Die nachlässige Kontrolle habe "den Betrug mitbegünstigt".
Er prophezeite: "Auf EY kommen keine einfachen Zeiten zu."