Germanwings Flug 4U9525 absturzt: 100 Tage nach Germanwingsabsturz: Angehörige erzählt von Trauer und Entsetzen

Nach Germanwings-Unglück: Piloten sollen besser kontrolliert werden



Muss es Veränderungen bei der Cockpit-Sicherheit geben? Wie kann die Flugtauglichkeit von Piloten besser überprüft werden? Damit hat sich die Taskforce zur Germanwings-Katastrophe beschäftigt und jetzt einen Zwischenbericht herausgegeben.

Als Lehre aus der Germanwings-Katastrophe sollen Piloten besser kontrolliert werden. Das sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bei der Vorstellung des Zwischenberichts einer Arbeitsgruppe am Dienstag in Berlin. So soll geprüft werden, wie die Kontrollen auf Medikamente, Drogen oder Alkohol intensiviert werden können. Die mögliche Einführung stichprobenartiger Zufallskontrollen von Piloten nach US-Vorbild werde von einer neuen Arbeitsgruppe analysiert, so Dobrindt.

Zu den weiteren Empfehlungen der Taskforce zählen eine stärkere Sensibilisierung der Fliegerärzte für psycho-soziale Störungen und die verpflichtende Einrichtung von Anlaufstellen auf europäischer Ebene. An diese können sich Piloten und Crewmitglieder wenden, wenn sie bei sich selbst oder ihren Kollegen Auffälligkeiten beobachten.
Sicherheitsmechanismus der Cockpittür soll erhalten bleiben

Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich auch mit dem Mechanismus der Cockpittür. Der Sicherheitsmechanismus der Tür muss "unbedingt erhalten bleiben", heißt es in dem Zwischenbericht. Nur so sei gewährleistet, dass nicht autorisierte Personen keinen Zugang zum Cockpit bekommen würden.

Die Beratungen der Taskforce finden unter dem Dach des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) statt. Ihr gehören unter anderem Fachleute der Fluggesellschaften und Flugzeughersteller, Flugmediziner, das Verkehrsministerium, das Luftfahrt-Bundesamt und Vertreter der Piloten sowie des Kabinenpersonals an. Die Taskforce war nach dem Germanwings-Unglück gegründet worden.

Bei dem Absturz am 24. März in den französischen Alpen waren alle 150 Menschen an Bord gestorben. Der Co-Pilot hatte psychische Probleme, nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft sperrte er seinen Kollegen aus dem Cockpit aus und brachte die Maschine absichtlich zum Absturz.

Einige Airlines hatten nach der Katastrophe die "Zwei-Personen-Regel" eingeführt. Sie besagt, dass immer zwei Besatzungsmitglieder im Cockpit sein müssen. Die Arbeitsgruppe plädierte dafür, die Regel zu erhalten.

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100 Tage nach Germanwingsabsturz: Angehörige erzählt von Trauer und Entsetzen




100 Tage ist es her, dass der voll besetzte Airbus von Germanwings in den Alpen zerschellte. Keiner der 150 Insassen überlebte die Katastrophe, die der Co-Pilot bewusst herbeigeführt hatte. Eine Angehörige, die ihren Bruder und ihre Nichte verlor, sowie ein Fotograf, der als einer der ersten an der Unglücksstelle filmte, berichten über ihr Entsetzen und ihre Trauer.

 
Germanwings-Absturz: "Dieser Mann war einer von uns"


Die deutschen Fluglinien sprechen ungern über das, was an jenem 24. März in den französischen Alpen geschehen ist. Darüber, wie sich das Fliegen verändert hat, wie es sich heute anfühlt, im Cockpit zu sitzen. Es gebe ein Gentlemen's Agreement, sagt eine Sprecherin von Air Berlin. Über das Unglück anderer Fluggesellschaften wolle man sich nicht äußern. "Wir fliegen gegeneinander, aber wir sind eine große Familie", sagt sie. "Da trauert man mit, wenn eine Airline einen solchen Schicksalsschlag hinnehmen muss." Doch einer redet schließlich: Markus Wahl, Lufthansa-Pilot mit rund 7500 Flugstunden. Der 35-Jährige, der auch Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit ist, spricht im Interview über die Folgen von einer der schwersten Flugzeugkatastrophen.



Markus Wahl: Eigentlich nicht. Beim Pilotenberuf kam es schon immer auf Vertrauen im Miteinander an. Ein Flugzeug lässt sich nur sicher von A nach B fliegen, wenn es in der Besatzung zu 100 Prozent funktioniert. Ich habe auch vor dem Unglück großes Vertrauen in den Kollegen neben mir gehabt. Das musste ich auch haben, sonst könnte ich ja gar nicht zur Arbeit gehen. Das ist heute immer noch so. Obwohl ich nach wie vor erschüttert bin, dass dieses Unglück absichtlich herbeigeführt wurde. Dieser Mann war einer von uns.

Bei wem hat das Ereignis tiefere Spuren hinterlassen, bei Besatzungen oder Passagieren?

Beide Gruppen sind extrem betroffen, nur auf unterschiedliche Weise. Vorher war das Vertrauen der Passagiere in die Piloten unerschütterlich. Die Piloten waren in Notsituationen meist diejenigen, die das Richtige gemacht haben, um Katastrophen zu verhindern. Bei den Crews hat es sich anders ausgewirkt. Viele Kollegen waren persönlich betroffen und kannten Besatzungsmitglieder der abgestürzten Germanwings-Maschine. Sie haben sich krankschreiben lassen und das war auch richtig so. Wenn ich ein Flugzeug fliegen will, muss ich meine volle Leistungsfähigkeit abrufen können. Das kann ich nicht, wenn ich im Geiste mit Trauer beschäftigt bin.


Wie haben die Piloten versucht, das Vertrauensverhältnis zu stärken?

Jeder Kollege hat seinen Weg gesucht. Viele haben sich an der Flugzeugtür aufgestellt, um sich als Mensch zu zeigen. Viele haben ihre Ansagen angepasst, um zu zeigen, dass natürlich auch sie als Piloten ein vitales Interesse daran haben, alles dafür zu tun, am Abend wieder heil zu Hause anzukommen.

Wie spürbar war die Angst der Passagiere?

Einige sind, wie vorher auch, grußlos eingestiegen und haben den Flug über sich ergehen lassen. Andere haben sich beim Kapitän mit Handschlag vorgestellt, um den Typen kennenzulernen, der sie zu ihrem Zielort fliegt und dem sie ihr Leben in die Hand geben. Es gab auch Passagiere, die deutlich angesprochen haben, dass sie Bedenken haben nach so einem Ereignis. Aber meist ließen sich solche Ängste in kurzen Gesprächen ausräumen.

Der "FAZ" hat ein Pilot Ende März in einem Interview gesagt: "Für mich war es immer ein unangenehmes Gefühl, mich aus dem Cockpit auszusperren und hoffen zu müssen, dass der Kollege mich wieder reinlässt." Können Sie das nachempfinden?

Nein, wirklich nicht. Wenn ich solche Ängste habe, während des Fluges mal aufs Klo zu gehen, dann sollte ich mal über die Einstellung zu meinem Beruf nachdenken. Wenn ich meinem Kollegen so wenig vertraue, dass ich ihn nicht mal allein im Cockpit lasse, weil er ein Selbstmordattentat vorbereiten könnte, dann kann ich doch nicht guten Gewissens davon ausgehen, dass er im Normalbetrieb seine Leistung liefert. Dann müsste ich doch permanent Angst haben, neben ihm zu sitzen und davor, dass er mir gleich mit dem Knüppel einen überzieht und irgendeinen Unsinn veranstaltet. Das halte ich für sehr übertrieben und finde es schade, dass der Kollege so empfindet. Es schockiert mich, so etwas zu hören.

Unmittelbar nach der Germanwings-Katastrophe wurde das Vier-Augen-Prinzip im Cockpit eingeführt. Erhöht diese Regel die Sicherheit?

Es war eine schnelle erste Maßnahme, darauf zu reagieren. Ob es langfristig sinnvoll ist, wird sich zeigen, wenn der finale Untersuchungsbericht vorliegt. Wenn man dadurch genau weiß, wo die Ursache lag, sollte man untersuchen, ob das eine Lösung ist, die solche Fälle verhindert.

Es gab öffentlich intensive Debatten, unter anderem über die angeblich zu laschen Tests für Piloten. Wie haben Sie das verfolgt?

Mit viel Kopfschütteln. Viele dieser Vorschläge, die nach dem Unglück in der Presse auftauchten, zeugten von reinem Aktionismus. Durch das Aufheben der Schweigepflicht würde es doch nicht besser. Es würde dazu führen, dass viele Kollegen dem Arzt gar nichts mehr sagen, bevor sie ihren Job riskieren.

Wie stark hat der Unfall Germanwings geschadet?

Ein Unfall mit Toten schadet einer Luftlinie im ersten Moment immer. "Das ist die Airline, die letztens abgestürzt ist", heißt es dann. Dadurch schwindet das Vertrauen. Dennoch glaube ich, dass Germanwings in der Kommunikation sehr gut und transparent damit umgegangen ist. Viel hängt vom Abschlussbericht ab, wo drinsteht, was Germanwings gewusst hat und woran es gelegen hat. Sollte sich herausstellen, dass dort wirklich etwas bekannt war, ist der Schaden deutlich höher, als wenn sich zeigt, es war die Tat eines kranken Einzelnen.
 
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