Künstliche Intelligenz auf LSD: Googles Computer haben wirre Träume

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Künstliche Intelligenz auf LSD: Googles Computer haben wirre Träume

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Google lässt künstliche Intelligenz träumen. Was dabei herauskommt, sind surrealistische, psychedelische und seltsam entrückte Traumbilder voller Poesie. Die Geburt einer neuen Kunstform?

So spannend kann künstliche Intelligenz sein: Seit einigen Wochen geistern faszinierende Bilder durchs Netz, die psychedelisch und surreal, poetisch anmutend und verstörend zugleich wirken. Doch faszinierend ist nicht nur ihr Inhalt, sondern vor allem ihr Ursprung: Sie sind komplett computergeneriert, von künstlicher Intelligenz (KI) erdacht und fast ohne menschliches Zutun entstanden. Im Internet sammeln sich die Ergebnisse unter dem Hashtag #DeepDream, in den sozialen Netzwerken tragen User ihre eigenen Ergebnisse zusammen. Wo aber kommen die Bilder her?

Die surreale Bildwelt hat ihren Ursprung in einem KI-Projekt von Google. Entfacht wurde die Begeisterung laut "Motherboard" durch ein Bild, das anonym im Bilder-Netzwerk Imgur gepostet wurde. Die Bildunterschrift gab Rätsel auf: "Dieses Bild hat ein Computer selbstständig generiert (von einem Freund, der mit KI arbeitet)." Das Bild, das so seltsam und bizarr wie faszinierend und unergründlich ist, löste wilde Diskussionen über seinen Urheber und seine Entstehung aus. Wenig später stellte sich heraus: Das Bild entstammt dem Google-Projekt "Inceptionism", den Algorithmus hat Google inzwischen veröffentlicht.

Die Forscher arbeiten mit künstlichen neuronalen Netzwerken (KNN), simulierte Nervenzellen, die lernfähig sind und ähnlich wie das menschliche Gehirn funktionieren. Statt ihnen bis ins kleinste Detail einprogrammieren zu müssen, was sie zu tun haben, reicht es, sie mit den richtigen Vorgaben und Rahmenbedingungen, einer Art "Grundwissen" zu füttern. KNN werden zum Beispiel zur Spracherkennung oder, wie im Google-Projekt, zur automatischen Bilderkennung eingesetzt.

Stille Post im neuronalen Netz

Die neuronalen Netzwerke lernen, Bilder und ihre Inhalte richtig zu deuten und zu klassifizieren, indem sie Millionen von Beispielbildern vorgesetzt bekommen. Jedes Netzwerk besteht aus mehreren Schichten, die jeweils für eine andere Abstraktionsebene zuständig sind. Wird ein Bild ins Netzwerk eingespeist, interpretiert jede Schicht, was sie sieht und "spricht" mit den anderen, bis die letzte schließlich ein "Antwort" abgibt - eine Art Stille Post im neuronalen Netzwerk. Dabei wird es von Ebene zu Ebene komplexer: Die untersten erkennen nur grundlegende Formen, Ecken und Kanten zum Beispiel. Die mittleren setzen diese sinnvoll zusammen, erkennen zum Beispiel Elemente wie Türen oder Blätter. Die oberen ermitteln dann ein Gesamtbild, zum Beispiel ein Gebäude oder einen Baum.

Für die psychedelischen Bilder lassen die Forscher ihre Netzwerke von der Leine, stellen sie auf den Kopf und überlassen sie sich selbst. "Inceptionism" funktioniert nach dem Prinzip der Überinterpretation: "Wir bitten das Netzwerk: Was auch immer du siehst, gib mir mehr davon!" So entsteht eine Art Rückkopplungsschleife. Wenn eine Wolke ein bisschen aussieht wie ein Vogel, sorgt das Netzwerk dafür, dass sie mehr danach aussieht. Die nächste Ebene erkennt dann den Vogel besser und verstärkt dieses Bild wiederum, bevor es zur nächsten Schicht weitergegeben wird. Irgendwann ist dann ein Vogel zu sehen, wo gar keiner war.

So kann ein KNN aus einem beliebigen Bild voller Farbrauschen Objekte entstehen lassen. Richtig spannend wird es aber erst, wenn man es mit realen Fotos und Bildern füttert und dann eine bestimmte Schicht anweist, ihre "Wahrnehmung" zu verstärken, wie es das Inceptionism-Team getan hat. Untere Ebenen verstärken Linien, Formen, ornamentale Muster. Wenn höhere Ebenen angesprochen werden, werden auch die Verstärkungen komplexer, fantastische Wesen und Objekte entstehen, vielfach verstärkt und verfremdet. Die Ergebnisse wirken wie die Visualisierung eines intensiven Drogentrips. Grenzen der Abstraktion und Verfremdung gibt es kaum, wie die zahlreichen Galerien und Einträge im Netz beweisen - zum Beispiel bei Twitter, Reddit, Google+, Flickr, Facebook, Tumblr, Vimeo oder in der Galerie des Inceptionism-Teams.

So ist eine fesselnde Bilderwelt entstanden, mit deren Erforschung man Stunden und Tage verbringen kann. Besonders toll daran ist: Die Traumbilder sind eigentlich nur ein Nebenprodukt aus der Forschung des Google-Teams mit künstlicher Intelligenz. Aber dass künstliche neuronale Netzwerke so spannende, schöne und faszinierende Kunstwerke entstehen lassen können, hätte sich wohl kaum jemand erträumen lassen.

 
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