Der Wirecard-Skandal !

Ermittlungen gegen Braun: Hat Ex-Wirecard-Chef Vermögen versteckt ?

Der ehemalige Wirecard-Konzernchef Markus Braun steht unter Verdacht, Teile seines Vermögens bei Seite geschafft zu haben.
Dazu zählen laut Gläubigern auch Bilder und Mobiliar in Kitzbühel.
Braun hingegen versichert in einer eidesstaatlichen Erklärung, kein weiteres Vermögen zu besitzen.

Im Fall Wirecard gibt es nach einem Bericht des "Handelsblatts" Ungereimtheiten rund um das Vermögen des früheren Konzernchefs Markus Braun.
Im Rahmen der Suche nach Brauns Vermögen durch Staatsanwaltschaft und Gläubiger gebe es Hinweise darauf, dass der in Untersuchungshaft sitzende einstige Manager des mittlerweile insolventen Unternehmens Teile seines Hab und Guts vor dem Zugriff anderer schützen wolle, berichtete die Zeitung.

Das "Handelsblatt" berief sich auf vertrauliche Dokumente, darunter eine private Vermögensaufstellung und eine eidesstattliche Versicherung Brauns, die Ungereimtheiten nahelegten.
Klägeranwälte sehen demnach "klare Indizien, die darauf schließen lassen, dass Braun Vermögen verschoben" haben könnte.

In einer am 11. Januar 2021 von ihm selbst unterschriebenen eidesstattlichen Versicherung hatte Braun dem Bericht zufolge mitgeteilt, dass sämtliche Vermögensgegenstände "in voller Höhe gepfändet" beziehungsweise "mit Arresthypotheken belegt sind".
Über weiteres Vermögen verfüge er nicht.

Gläubiger berichten dem Blatt zufolge nun allerdings unter anderem von Bildern, die aus einem Anwesen in Kitzbühel weggeschafft wurden, und Erklärungen, wonach vorgefundenes Mobiliar Brauns Ehefrau gehöre.
Zudem geht es demnach um eine weitere Immobilie in Österreich, die Braun gehören soll.

Der einstige Börsenliebling Wirecard hatte Ende Juni 2020 Insolvenz angemeldet und soll jahrelang die Bilanzen gefälscht haben.
Die Staatsanwaltschaft verdächtigt Braun, einer der Hauptverantwortlichen für den "gewerbsmäßigen Bandenbetrug" zu sein.


 
Opposition zu Wirecard-Ausschuss: "Aufseher nicht fit fürs Internet-Zeitalter" !

Auf beinahe 700 Seiten fassen Grüne, Linke und FDP ihre Erkenntnisse aus dem Wirecard-Ausschuss zusammen.
Wenig überraschen fällen sie ein vernichtendes Urteil über Aufsichtsbehörden und Wirtschaftsprüfer.
CDU und SPD legen ein eigenes Votum vor und auch die AfD will ihre Schlüsse allein ziehen.

Die Opposition im Bundestag geht in ihrem Abschlussbericht zum Wirecard-Untersuchungsausschuss hart mit den deutschen Behörden und der Bundesregierung ins Gericht.
Die Behörden hätten in dem Finanzskandal auf allen Ebenen versagt, heißt es in dem 675 Seiten starken Dokument.
Die politische Hauptverantwortung sehen FDP, Grüne und Linke - die Initiatoren des parlamentarischen Sondergremiums - bei Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.
Kanzlerin Angela Merkel warfen sie vor, sich "naiv" von Lobbyisten für die Interessen des mittlerweile insolventen Zahlungsabwicklers eingespannt haben zu lassen.

Die Aufsichtsbehörden seien ungeeignet, um digitale Geschäftsmodelle angemessen bewerten zu können.
"Deutsche Aufsichtsbehörden sind nicht fit für das Internet-Zeitalter."
Warnhinweise im Fall Wirecard aus dem Ausland seien allesamt versickert, sagte die Grünen-Abgeordnete Lisa Paus.
Die Bonner Finanzaufsicht BaFin habe Vorwürfe zu Unregelmäßigkeiten in der Wirecard-Bilanz nicht inhaltlich überprüft und eine tiefsitzende Skepsis gegenüber angelsächsischen Medien und Investoren an den Tag gelegt.
Die mangelnde Internationalität irritiere.
"Das fand ich in der Schärfe schon frappierend."

Der frühere Dax-Konzern war im Juni 2020 nach Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen in die Pleite gerutscht.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bilanzfälschung, Betruges, Marktmanipulation und Geldwäsche.
Scholz trage die politische Verantwortung für das Versagen der BaFin, so die Oppositionsparteien.
"Die Bankenaufsicht der BaFin hätte den Konzern als Finanzholding einstufen können und müssen, was etwa auch Prüfungen in den Konzerntöchtern im Ausland ermöglicht hätte."

Stattdessen habe die BaFin, aber auch die Münchner Staatsanwaltschaft, geglaubt, der Konzern sei Opfer von Investoren und Medien.
Scholz' persönliche Rolle in dem Fall sei aber nicht zweifelsfrei geklärt worden.
Dieser hat immer wieder eine Mitschuld weit von sich gewiesen.

Bundestag berät Ende Juni
FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar sagte, es habe überraschend viele Warnhinweise in den Jahren vor dem Wirecard-Kollaps gegeben, vor allem Anfang 2019.
Diese hätten ein Eingreifen der Behörden erforderlich gemacht.
"Es war verhinderbar."
Fabio De Masi von den Linken ergänzte, stattdessen hätten viele Mitarbeiter in Behörden selbst mit Wirecard-Aktien gehandelt.
"Das hätte ich so nicht für möglich gehalten."

Deutliche Kritik äußerten die Oppositionsparteien auch am jahrlangen Wirecard-Bilanzprüfer EY.
"Die Prüfungstätigkeiten waren schlicht ungenügend."
Eine kritische Grundhaltung sei nie erkennbar gewesen.
Es fehlten Nachweise für große Teile der Geschäftstätigkeit und Bestätigungen für angebliche Treuhandkonten in Milliardenhöhe.
EY habe im U-Ausschuss zudem gemauert.
Damit sei dem Berufsbild schwerer Schaden zugefügt worden.

Die Regierungsfraktionen von Union und SPD wollen eine eigene Bewertung des Untersuchungsausschusses vorlegen.
Von der AfD wird ein Sondervotum erwartet.
Der Bundestag soll dann Ende Juni im Plenum über die Erkenntnisse beraten.


 
Milliarden-Skandal: Wirecard-Untersuchungsausschuss - Die große Schuldzuweisung !

Vor fast genau einem Jahr platzte die Bombe: Das Dax-Unternehmen Wirecard musste zugeben, dass ihm 1,9 Milliarden Euro fehlten.
Pleite.
Die Aktien rauschten in den Keller, gerade Kleinanleger verloren viel Vermögen.
Ex-Chef Markus Braun sitzt in U-Haft, Vorstandskollege Jan Marsalek ist auf der Flucht.
Jetzt erhielt Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses, der den größten Betrug der deutschen Nachkriegsgeschichte aufklären wollte, 110 Zeugen befragte.

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Die Opposition aus FDP, Grünen und Linken hat ein Sondervotum abgegeben, die AfD ein weiteres.
Am Freitag wird der Bericht im Bundestag diskutiert.

Scholz, oder doch Altmaier?
Für die Union steht SPD-Finanzminister Olaf Scholz im Zentrum des Skandals.
Finanzaufsicht BaFin und Scholz' für sie zuständiges Ministerium hätten sich „jahrelang im Aufsichtstiefschlaf befunden“, sagte CDU-Ausschuss-Obmann Matthias Hauer.
Cansel Kiziltepe (SPD) dagegen macht die Wirtschaftsprüfungsfirma EY verantwortlich, die jahrelang die Bilanzen von Wirecard abgesegnet hatte.
Und hier trage Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Ende Verantwortung, weil die Wirtschaftsprüferaufsicht Apas in seinen Bereich falle.

Florian Toncar (FDP) sagte, dass das Ausmaß der Pleite hätte verhindert werden können.
Verantwortlich seien vor allem EY sowie in Scholz' Verantwortung BaFin und Anti-Geldwäsche-Einheit FIU.
Sein Linke-Kollege Fabio de Masi sagte zwar, die deutschen Aufseher seien nicht fit für das digitale Zeitalter.
Dennoch: „Diese Illusionsfabrik Wirecard war auch nur denkbar, weil sie sich ein politisches Netzwerk organisiert haben.“
Lisa Paus (Grüne) meinte, die Aufseher hätten geglaubt, deutsche Unternehmen seien die besten.
Dabei sind Braun und Marsalek Österreicher ....

Kay Gottschalk, der den Ausschuss geleitet hatte, forderte im Namen der AfD den Rücktritt von Olaf Scholz, und dass Wirtschaftsprüfer höchstens fünf Jahre lang für ein Unternehmen zuständig sein dürften.

Justiz auf Jahre mit Wirecard befasst
Die juristische Aufarbeitung des Falls dürfte Jahre dauern.
Beim Landgericht München sind 400 Schadenersatzklagen gegen EY anhängig.
Gegen die Wirecard-Spitze wird strafrechtlich wegen „bandenmäßigen Betrugs“ ermittelt.
Banken und Investoren seien um drei Milliarden Euro geschädigt worden.


 
Abschlussbericht mit 4500 Seiten: Wirecard-Ausschuss uneins über Scholz !

Ein dreiviertel Jahr spürt der Wirecard-Untersuchungsausschuss dem monströsen Finanz-Skandal nach.
Nun liegt der Abschlussbericht vor.
Doch im Wahlkampf tun sich die Ermittler schwer mit einer klaren Bilanz.
Die SPD dringt darauf, ihren Kanzlerkandidaten Scholz freizusprechen.

Drei Monate vor der Bundestagswahl ziehen die Abgeordneten im Wirecard-Untersuchungsausschuss Bilanz - oder vielmehr: mehrere Bilanzen.
CDU, CSU und SPD tragen den Abschlussbericht mit, daneben gibt es ein gemeinsames Sondervotum der Oppositionsparteien FDP, Linke und Grüne und ein eigenes der AfD.
Neun Monate nach dem Start des Ausschusses gibt es damit einen 4500 Seiten starken Abschlussbericht, allerdings ohne gemeinsame Empfehlungen.
Gemeinsam und unstrittig ist lediglich die Entrüstung über die mutmaßlichen Betrügereien des Zahlungsdienstleisters in Milliardenhöhe und die peinliche Frage, wie das Unternehmen damit jahrelang durchkam.
Der Obmann der Linksfraktion im Ausschuss, Fabio De Masi, zeigte sich entgeistert über "diese Milliardenlüge, diese Illusionsfabrik Wirecard".

Wie schon zum Auftakt im Oktober lädt die Union einen wesentlichen Teil der Verantwortung beim Finanzministerium von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ab, bei dem die Finanzaufsicht Bafin angesiedelt ist.
Die SPD wiederum verweist auf die Rolle der Wirtschaftsprüfer, die Wirecard jahrelang tadellose Bilanzen bescheinigten - für die Aufsichtsbehörde Apas ist das CDU-geführte Wirtschaftsministerium zuständig.

Die inzwischen insolvente Wirecard AG hatte im vergangenen Sommer eingestanden, dass in der Bilanz aufgeführte 1,9 Milliarden Euro nicht auffindbar sind.
Die Münchner Staatsanwaltschaft geht von einem "gewerbsmäßigen Bandenbetrug" aus - und zwar seit dem Jahr 2015.
Der Bilanzskandal hatte für hohe Schäden bei Anlegern gesorgt, weil die Aktie abgestürzt war.
Der Untersuchungsausschuss sollte untersuchen, ob staatliche Aufsichtsbehörden und die Bundesregierung zu wenig unternommen haben, um Verdachtsfällen bei Wirecard früher und entschiedener nachzugehen.

An Scholz scheiden sich die Geister
Dass das Parteibuch bei ihren Schlussfolgerungen aus dem Wirecard-Skandal eine Rolle gespielt haben könnte, wiesen Union und SPD weit von sich.
"Es muss auch möglich sein, politische Verantwortung zu benennen, ohne dass einem direkt Wahlkampfgetöse unterstellt wird", sagte der Unionsobmann im Ausschuss, Matthias Hauer von der CDU.
"Die politische Verantwortung trägt Olaf Scholz und das Bundesfinanzministerium."
Das hatte SPD-Ausschussmitglied Cansel Kiziltepe wohl gehört, die in einer späteren Pressekonferenz zu den Vorwürfen sagte: "Ich halte das für Wahlkampfgetöse der Union.
Olaf Scholz trägt keine politische Verantwortung für den Wirecard-Skandal."
Der Fokus ihrer Parteikollegen auf die Rolle der Wirtschaftsprüfer, die insbesondere vom Unternehmen EY kamen, sei "kein politisches Kalkül" gewesen, sondern entspringe der Überzeugung, dass hier der Kern des Skandals liege.

"Den Bilanzbetrug hätte EY feststellen können und müssen", unterstrich der Sozialdemokrat Kiziltepe.
Dass die Prüfer die Bilanzen von Wirecard jahrelang absegneten, habe das Vertrauen in das Unternehmen bestärkt.
Nicht nur die Grünen-Obfrau Lisa Paus vermisste bei den Prüfern von EY "die kritische Grundhaltung".
Noch am Nachmittag scheiterte ein Ex-Prüfer erst vor dem Verwaltungsgericht Berlin und dann vor dem zuständigen Oberverwaltungsgericht mit dem Versuch, die Veröffentlichung von Passagen zu verhindern, in denen sein Handeln kritisch betrachtet wurde.

"Leerverkaufsverbot war ein Fehler"
Einigkeit über Parteigrenzen hinweg gab es beim sogenannten Leerverkaufsverbot, das die Bafin im Februar 2019 ausgesprochen hatte.
Damit verbot sie Spekulationen auf fallende Wirecard-Kurse.
Der Bafin wird deshalb vorgeworfen, bei Aktionären den falschen Eindruck erweckt zu haben, bei Wirecard sei alles in Ordnung gewesen, obwohl es bereits Berichte über Unregelmäßigkeiten gegeben hatte.
"Das Leerverkaufsverbot war ein Fehler", räumte der SPD-Obmann im Ausschuss, Jens Zimmermann ein - zumindest rückblickend sei das klar.

Der FDP-Obmann im Ausschuss, Florian Toncar, resümierte: "Es ist, glaube ich, ein großes Ärgernis für viele Bürger, dass am Ende bei solchen Skandalen es niemanden gibt, der sich auch hinstellt und eigene Fehler einräumt."
Der Ausschutzvorsitzende Kay Gottschalk von der AfD forderte Scholz' Rücktritt und beklagte "die Pattex-Haftkraft" mancher Politiker, die an ihrem Stuhl klebten.

Doch Konsequenzen hatte die Affäre bereits.
So bekommt die Bafin zusätzliche Befugnisse, und Vorschriften für Abschlussprüfer werden verschärft.
Nun werden die Zuständigkeiten für die Bilanzkontrolle bei der Bafin gebündelt.
Mitarbeiter der Bafin dürfen selbst nicht mehr mit bestimmten Finanzprodukten handeln.
Das bisherige zweistufige Verfahren mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung wird vereinfacht.
Zudem müssen Abschlussprüfer spätestens nach fünf Jahren wechseln, damit sie nicht betriebsblind werden.
Sie werden auch stärker in Haftung genommen.


 
Tochterfirmen verkauft: Wirecard-Erlöse umfassen 600 Millionen Euro !

1,9 Milliarden Euro - so viel fehlt in der Bilanz von Wirecard, als der Konzern zusammenbricht.
Nach dem Verkauf asiatischer Tochterfirmen kommen nun 600 Millionen Euro zusammen - nur ein Bruchteil dessen, was Gläubiger und Aktionäre fordern.

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Nach dem Verkauf mehrerer asiatischer Wirecard-Firmen steigen die Erlöse aus der Zerschlagung des zusammengebrochenen Konzerns auf 600 Millionen Euro.
Insolvenzverwalter Michael Jaffé meldete den erfolgreichen Verkauf der indonesischen Gesellschaft PT Prima Vista Solusi mit rund 670 Mitarbeitern an ein einheimisches Unternehmen in dem südostasiatischen Land.
Außerdem wurden demnach zwei zuvor vereinbarte Verkäufe von Wirecard-Firmen in Hongkong und Malaysia abgeschlossen.

"Mit dem Verkauf der PT Prima Vista Solusi in Indonesien sowie dem Vollzug der Verkäufe von Tochtergesellschaften in Hong Kong und Malaysia haben wir die Verwertung von Beteiligungsgesellschaften weitgehend abgeschlossen.
Insgesamt konnten wir dabei bestmögliche Lösungen für Mitarbeiter und Gläubiger erreichen und im Zuge der Verwertung bislang rund 2.800 Arbeitsplätze erhalten", so Insolvenzverwalter Jaffé.

Erlöse von 600 Millionen Euro erzielt
Dem Vernehmen nach brachten die Verkäufe eine mittlere zweistellige Millionensumme ein.
Die Gesamterlöse belaufen sich demnach mittlerweile auf 600 Millionen Euro.
Gläubiger und Aktionäre haben im Insolvenzverfahren Forderungen von über zwölf Milliarden Euro angemeldet.

Der frühere Dax-Konzern brach im Juni 2020 zusammen, nachdem der Vorstand Fantasiebuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt hatte.
Mittlerweile hat die Muttergesellschaft Wirecard AG das Geschäft eingestellt.
Das Unternehmen existiert quasi nur noch als Hülle, die für das Insolvenzverfahren notwendig ist.
Ex-Vorstandschef Markus Braun sitzt wegen Betrugsverdachts seit einem Jahr in Untersuchungshaft, während Ex-Vertriebsvorstand Jan Marsalek nach wie vor flüchtig ist.


 
Über 100 Fälle abgewiesen: Geprellte Wirecard-Anleger gehen reihenweise leer aus !

Die Prüfer von EY haben Wirecard jahrelang saubere Bilanzen attestiert.
Nach der Pleite des Zahlungsdienstleisters aus München attestiert ein Sonderermittler den Prüfern schwere Fehler.
Schadenersatz gibt es trotzdem nicht für geschädigte Anleger.
Sie verlieren - ein zweites Mal.


Im Bilanzskandal bei Wirecard sind zahlreiche geprellte Kleinanleger, die gegen den Abschlussprüfer EY klagen, mit ihren Klagen gescheitert.
Wie das Landgericht München I auf Anfrage von Capital mitteilte, sind derzeit rund 115 Verfahren erledigt.
In allen bekannten Fällen seien die Klagen gegen EY abgewiesen worden, erklärte eine Sprecherin.
Insgesamt seien seit Juni 2020 etwa 650 Klagen eingegangen.
Die Zahl dürfte sich noch erhöhen, Anlegerkanzleien arbeiten derzeit an weiteren Klagen.
Auch einige institutionelle Investoren haben bereits angekündigt, gegen EY vorzugehen.

Die Prüfer von EY hatten dem Zahlungsdienstleister aus Aschheim bei München über Jahre saubere Bilanzen attestiert – obwohl es immer wieder Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gab und zeitweise auch intern Forensiker Bedenken äußerten.
Als sich im Sommer 2020 herausstellte, dass ein angebliches Milliardenvermögen in Asien praktisch nicht existierte, musste das Dax-Unternehmen Insolvenz anmelden.
Später attestierte ein Sonderermittler im Auftrag des Untersuchungsausschusses des Bundestages den Prüfern schwere Fehler.
Im Wirecard-Komplex ermittelt die Staatsanwaltschaft München I auch gegen frühere EY-Prüfer.

Seine Entscheidungen, die Ansprüche von Aktionären auf Schadenersatz in den bisherigen Verfahren abzuweisen, begründete das Landgericht München I unter anderem mit einem formalen Argument: Die Anleger hätten nicht nachweisen können, dass für ihren Kauf von Wirecard-Aktien die Testate von EY ausschlaggebend gewesen seien.
Zudem sei kein vorsätzliches Handeln der Prüfer feststellbar.

EY erklärte auf Anfrage, man sehe seine Position durch die erstinstanzlichen Urteile bestätigt: "Ansprüche gegen EY auf Schadensersatz bestehen nicht."
Zu konkreten Fragen zu den Klagen könne man sich grundsätzlich nicht äußern.

"Rechtsprechung wirkt verbraucherfeindlich"
Anlegeranwälte äußerten scharfe Kritik an den Entscheidungen und am Umgang der Justiz mit den geprellten Kleinaktionären.
"Wenn Gerichte verlangen, dass Anleger beweisen müssen, dass sie Testate gelesen und zu ihrer Entscheidungsgrundlage gemacht haben, dann ist das eine Rechtsprechung, die vor allem für institutionelle Investoren freundlich ist und verbraucherfeindlich wirkt", sagte der Kapitalmarktexperte Marc Liebscher von der Berliner Kanzlei Dr. Späth und Partner, der mehrere Hundert Wirecard-Geschädigte vertritt.

Darüber hinaus kritisierte Liebscher, dass die Münchner Richter in den Verfahren zahlreiche Hürden für Kleinanleger aufstellten.
So seien Online-Verhandlungen kaum möglich, zudem ordneten die Richter an, dass Kläger persönlich vor Gericht erscheinen müssten.
Bei dem einst gehypeten Unternehmen waren auch viele Kleinsparer investiert, die wenig Erfahrung am Aktienmarkt haben und die die Papiere als Altersvorsorge gekauft hatten.

"Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Richter die Klagen so unbequem wie möglich machen wollen", sagte Anwalt Liebscher.
Dabei handele es sich möglicherweise um "Notwehr" angesichts der Vielzahl der Verfahren.
"Die Leidtragenden sind die Anleger", sagte Liebscher.
Sie würden nach dem jahrelangen Versagen der Aufsichtsbehörden bei Wirecard nun "ein zweites Mal vom Staat alleine gelassen".

Musterklagen nicht möglich
Auf Anfrage erklärte eine Gerichtssprecherin, tatsächlich seien "einige Verfahren" online verhandelt worden.
Genaue Zahlen seien nicht verfügbar.
Die Sprecherin bestätigte, dass einige Kammern verfügt hätten, das sich die Kläger nicht von ihren Anwälten vertreten lassen könnten.
Hintergrund sei, dass die Kläger "informatorisch angehört werden" sollten, teilte die Sprecherin mit.
Nach ihren Angaben sind am Landgericht München I neun verschiedene Kammern mit den Klagen gegen EY befasst.

Bei Wirecard können Anleger aus formalen Gründen nicht nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, das eine Bündelung von Verfahren ermöglicht und damit Gerichte entlastet, gegen EY klagen.
Hintergrund ist, dass es in diesem Fall nicht um möglicherweise falsche Kapitalmarktinformationen eines Emittenten einer Aktie geht.

Neben den Vertretern von Kleinaktionären hatten auch institutionelle Investoren wie die Fondsgesellschaft DWS Klagen gegen EY angekündigt.
Auch die Commerzbank, die Konsortialführerin bei einem Großkredit an Wirecard war, will gegen die Prüffirma vorgehen.
Von der DWS ist bislang allerdings noch keine Klage eingereicht worden, ebenso wenig von Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffé.
Mögliche Ansprüche gegen die Prüffirma verjähren erst 2023.
Anders als Kleinaktionäre dürften sich die Profiinvestoren leichter tun zu belegen, dass sie die Testate analysiert und bei ihren Investitionsentscheidungen berücksichtigt haben.
Voraussichtlich wird am Ende der Bundesgerichtshof entscheiden müssen, ob gegen EY Schadensersatzsprüche bestehen.


 
Kritik am Umgang mit EY-Klagen: "Watschn fürs Landgericht, auf beide Backen" !

Die Art und Weise, wie Wirecard-Anleger mit ihren Klagen in der ersten Instanz abgefertigt wurden, trifft beim Oberlandesgericht München auf scharfe Kritik.
Die Aussichten für die geprellten Aktionäre auf Schadenersatz hätten sich nun "dramatisch verbessert", sagt Anlegeranwalt Marc Liebscher.

Sie haben regelmäßig Verhandlungstermine beim Landgericht München I, das die Klagen gegen EY im Fall Wirecard bislang abgewiesen hat.
Sind Sie überrascht über die Kritik des Oberlandesgerichts München an den Entscheidungen des Landgerichts?

Marc Liebscher: Der Beschluss ist in seiner Direktheit überraschend, im Inhalt ist er für uns nicht überraschend.
Wir waren immer von unseren Argumenten überzeugt und verwundert, dass mehrere Kammern des Landgerichts diese so geschlossen zurückgewiesen haben.
Deshalb freut uns, dass das Oberlandesgericht nun so harsche Kritik übt und unserer Linie folgt.

Richter äußern Kritik an Kollegen normalerweise sehr diplomatisch.
Wie bewerten Sie den Beschluss des Oberlandesgerichts?
Auf Bayerisch formuliert ist die Entscheidung eine Watschn für das Landgericht, und zwar auf beide Backen links und rechts.
Faktisch attestiert das OLG dem Landgericht, dass es Grundaufgaben, die ein Gericht erfüllen muss, nicht erfüllt hat.

Was wirft das OLG dem Landgericht konkret vor?
In seinem Beschluss sagt das OLG sehr deutlich, dass sich das Landgericht viel zu oberflächlich mit dem Fall befasst hat.
Konkret hätten die Richter einen Sachverständigen bestellen sollen, um zu untersuchen, ob die Abschlussprüfer von EY vorsätzlich gehandelt haben, indem sie Auffälligkeiten bei Wirecard ignoriert haben.
Heftig ist die Feststellung des OLG, dass die Richterinnen und Richter am Landgericht "gehörswidrig" zum Nachteil der klagenden Anleger entschieden haben.
Im Kern ist das der Vorwurf einer Grundrechtsverletzung.

Was heißt das genau?
Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht dazu, den wesentlichen Kern der Argumentation beider Prozessseiten zu erfassen.
Das OLG ist der Auffassung, dass die Kläger keine Chance hatten, in dem Verfahren mit ihren Argumente vom Gericht gehört zu werden.
Das ist ein klarer Hinweis, dass hier fundamentale rechtsstaatliche Grundsätze verletzt wurden.
Darauf haben wir in unseren Verfahren immer wieder hingewiesen.
Doch neun Kammern mit insgesamt 27 Richterinnen und Richtern am Landgericht München haben sich mit unseren Argumenten nicht auseinandergesetzt.
Jetzt müssen sie sich vom OLG vorwerfen lassen, sie hätten unter Verstoß gegen Rechtsstaatsgrundsätze entschieden.
Dieses Versagen des Landgerichts passt in die Linie staatlichen Versagens bei Wirecard.
Desto wichtiger ist das frühe Einschreiten des OLG.

Warum konnten die geschädigten Anleger mit ihren Argumente denn bisher nicht punkten?
Das Landgericht war zwar immer der Ansicht, dass wir in unseren Klagen den Streitstoff gegen EY am Besten aufgearbeitet hätten.
Aber dafür konnten sich unsere Mandanten bislang nichts kaufen.
Denn die Richter haben stets verlangt, dass Kläger im Detail darlegen müssen, dass sie nur auf Grundlage der Testate von EY Wirecard-Aktien gekauft haben.
Das zu beweisen ist für Anleger natürlich schwierig, weshalb die allermeisten Klagen abgewiesen wurden, ohne dass sich das Gericht überhaupt mit konkreten Verfehlungen von EY beschäftigt hat.
Allerdings handelte es sich dabei nach unserer Überzeugung von Anfang an um eine völlig lebensfremde Annahme, die jetzt endlich auch das OLG kritisiert.
Denn es ist ja klar: Wenn Wirecard wegen eines verweigerten Testats schon früher in die Insolvenz gefallen wäre, dann hätten die Anleger auch nicht mehr investiert.
Auch dieses Argument haben wir von Anfang an vorgetragen.
Es wurde bisher aber einfach vom Tisch gewischt.

Aus Sicht der geschädigten Anleger ist die entscheidende Frage: Haben sie nun bessere Aussichten auf Schadenersatzansprüche gegen EY?
Die Aussichten für geschädigte Wirecard-Aktionäre haben sich nach unserer Überzeugung dramatisch verbessert.
Bei den bisherigen Entscheidungen des Landgerichts war auch das Problem, dass die Richter standardmäßig verneint haben, dass die Prüfer von EY vorsätzlich gehandelt und die Anleger damit geschädigt hätten.
Daran bemängelt das OLG nun, dass ein möglicher Vorsatz vom Landgericht gar nicht ausreichend geprüft wurde.
Bei der Prüfung wird nun sicherlich auch der Bericht des vom Wirecard-Untersuchungsausschuss beauftragten Sonderermittlers Martin Wambach oder die Strafanzeige der Aufsichtsbehörde APAS gegen Prüfer von EY eine zentrale Rolle spielen.
Aus unserer Sicht liefern beide eindeutige Hinweise auf vorsätzliche Verstöße von EY.

Wie geht es bei den Klagen jetzt weiter?
Wir setzen darauf, dass das Landgericht die Verfahren jetzt von einem zutreffenden Blickwinkel aus beurteilt und sich endlich mit unseren Argumenten in der Sache auseinandersetzt.

Das Oberlandesgericht verweist auch auf die Möglichkeit eines Musterverfahrens, um die zahlreichen Klagen gegen EY zu bündeln.
Wäre das für die Anleger eine gute Option, um schneller zu einer Entscheidung zu kommen?
Wir hoffen sehr, dass es nicht zu einem Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz kommt.
Das wäre für die Anleger extrem nachteilig, weil diese Verfahren in der Regel absurd lange dauern, teilweise mehr als zehn Jahre.
Im Musterverfahren bei der Deutschen Telekom beispielsweise sind die ersten Kläger schon verstorben, bevor überhaupt ein Urteil ergangen ist.
Das ist dysfunktional.

Das Interview erschien zuerst bei Capital.de.


 
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