Lockerungen gefordert Machen Hartz-IV-Sanktionen junge Menschen aggressiv?

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Experten haben für eine Entschärfung der Hartz-IV-Sanktionen plädiert. Sie befürchten dadurch einen Kriminalitätsanstieg. Schon 20.000 jungen Menschen sind komplett aus der Betreuung herausgefallen.

Mehr als eine Million Sanktionen wurden im vergangenen Jahr gegen Hartz-IV-Bezieher verhängt – weil sie einen Termin im Jobcenter versäumten, eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme verweigerten oder einen angebotenen Job ablehnten. Kommen Verstöße gehäuft vor, kann die Unterstützung komplett gestrichen werden, bei jungen Arbeitslosen unter 25 Jahren sogar schon bei der zweiten Pflichtverletzung. Von Totalsanktionen waren im vergangenen Jahr 7500 Hartz-IV-Bezieher betroffen, davon knapp 4000 unter 25 Jahren.

Die Opposition im Bundestag findet die Sanktionsregeln zu hart: Die Linke fordert deren komplette Abschaffung; die Grünen wollen ein Sanktionsmoratorium und die Kürzungen künftig auf höchstens zehn Prozent des Regelsatzes begrenzen. So weit ging die überwiegende Zahl der Sachverständigen aber nicht, die am Montag zu einer Anhörung vor dem Arbeitsausschuss im Bundestag geladen waren. Lediglich die Diakonie sprach sich für eine Abschaffung der Sanktionen aus, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) für einen grundlegenden Umbau. Hingegen lehnen Kommunen, Landkreise, Bundesagentur für Arbeit (BA), Arbeitgeber und Wirtschaftsverbände eine Abschaffung ab. Für sie gehören Sanktionen zum System des Förderns und Forderns – ohne sie würde Hartz IV zu einer Art bedingungslosem Grundeinkommen.

Viele Experten plädierten aber für eine Entschärfung der Sanktionen – insbesondere für Arbeitslose unter 25 Jahren. Gerade bei Jugendlichen könnten harte Sanktionen dazu führen, dass sie sich vollständig zurückzögen und in die Kriminalität abtauchten, um sich das Lebensnotwendigste zu besorgen. Nach einer aktuellen Studie sind rund 20.000 junge Menschen komplett aus der Betreuung von Jobcenter oder Jugendamt herausgefallen. Über ihren Verbleib weiß man nichts.

Auch sollten die Gelder für die Unterkunft im Sanktionsfall nicht gekürzt werden, damit die Hartz-IV-Empfänger nicht auch noch ihre Wohnung verlieren und in die Obdachlosigkeit abrutschten, warnten Sozialverbände, Kommunen und Bundesagentur. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Vereinfachung des Regelwerks hatte sich ebenfalls für entsprechende Entschärfungen der Sanktionsregelungen ausgesprochen. Eine gesetzliche Umsetzung ist aber bislang am Widerstand der CSU und des Wirtschaftsflügels der Union gescheitert.
Anreizwirkung der Sanktionen belegt

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit ist die Sanktionierung von Hartz-IV-Empfängern kein Massenphänomen. Lediglich rund drei Prozent der Hartz-IV-Bezieher werden jedes Jahr sanktioniert. Dies zeige, "dass sich die Mehrheit der Kunden in der Grundsicherung verantwortungsvoll verhält und die Jobcenter ebenso verantwortungsbewusst mit dem Instrumentarium umgehen". Dennoch will sie nicht auf die Drohkulisse der Sanktionen verzichten: Wissenschaftliche Befunde wiesen darauf hin, dass die Anreizwirkung der Sanktionen dazu beiträgt, dass Hartz-IV-Bezieher "ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen und mit den Integrationsfachkräften kooperieren".

Auch die Arbeitgeber halten die Sanktionen für "angemessen und unentbehrlich": "Sie tragen im Interesse der Arbeitsuchenden zu einer möglichst zügigen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bei." Ausdrücklich warnen die Arbeitgeber davor, "die erfolgreichen Reformen der letzten Jahre zurückzudrehen". Der Rückgang der Arbeitslosenzahl seit Einführung der Reformen von mehr als fünf auf unter drei Millionen sei auch auf die Sanktionen zurückzuführen.

Zur Aktivierung der Arbeitslosen seien sie unverzichtbar, erklärten Vertreter der Arbeitgeber und des Handwerks in der Anhörung. "Heilsamer Druck" durch Sanktionen auf die Arbeitslosen könne sinnvoll sein. Auch bei den Sonderregelungen für unter 25-Jährige sehen die Wirtschaftsvertreter keinen Änderungsbedarf. Gerade bei jungen Leuten zu Beginn des Berufslebens müsse Langzeitarbeitslosigkeit von vornherein verhindert werden. Der DGB klagte hingegen, bei Hartz IV habe das Fordern die Oberhand über das Fördern gewonnen. Das System sei ein "enges Korsett". Jeder, der nicht mitspiele, werde in der Folge durch Sanktionen bestraft.

 
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