Landtagswahlen 2016 !

Landtagswahlen: Welche Koalitionen jetzt in den Ländern wahrscheinlich sind !

Berlin. Die Wahlen wirbeln die bisherigen Koalitionen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt durcheinander.

Was folgt daraus?

Die Ergebnisse des Super-Wahlsonntags versetzen den etablierten Parteien einen Schock.
Die AfD mischt die Parteienlandschaft gehörig auf: Die rechtspopulistische Partei hat es aus dem Stand heraus in die Parlamente von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt geschafft.
Sie übertrifft mit ihren Ergebnissen noch die ohnehin schon hohen Erwartungen ihrer Anhänger: 24,2 Prozent in Sachsen-Anhalt, satte zweistellige Ergebnisse in den beiden anderen Bundesländern.

Die Abwanderung der Wähler zur AfD hat Konsequenzen: Alle drei Koalitionen können nicht weiterregieren wie bisher.
Den Ministerpräsidenten bleibt aber die Hoffnung, auf andere Konstellationen auszuweichen.

Eines lässt sich nach den Landtagswahlen bereits mit Sicherheit sagen: politikmüde sind die Bürgerinnen und Bürger vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise offenbar nicht.
In allen drei Bundesländern schnellte die Wahlbeteiligung nach oben.
In Rheinland-Pfalz haben so viele Menschen abgestimmt wie seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr – die Beteiligung lag bei 70 Prozent.

Die Ergebnisse werten die Parteien in ihren Gremien nun aus.
Sie ordnen die Lage, ziehen Schlüsse für die Regierungsbildungen.
Wie sieht die Ausgangslage nach den vorläufigen Ergebnissen aus?
Was bedeuten die Resultate für die Sitzverteilungen im Landtag?
Und vor allem: Welche Koalitionen erscheinen in den drei Bundesländern nun wahrscheinlich?

Hier sind die wichtigsten Fakten.

Baden-Württemberg

So sieht die Ausgangslage aus: Die Grünen liegen laut vorläufigem amtlichen Endergebnis mit Regierungschef Winfried Kretschmann bei 30,3 Prozent (2011: 24,2).
Die Christdemokraten brechen mit ihrem Spitzenkandidaten Guido Wolf hingegen völlig ein und sind mit 27,0 Prozent (39,0) erstmals seit Gründung des Bundeslandes nicht stärkste Partei.
Die SPD schrumpft auf 12,7 Prozent (23,1) auf die Hälfte zusammen – ihr mit Abstand schlechtestes Ergebnis im „Ländle“.
Eine Zäsur für die Volksparteien: Selbst für beide zusammen reicht es nicht für eine Regierungskoalition.
Die AfD springt aus dem Stand auf 15,1 Prozent.
Die lange schwächelnde FDP legt auf 8,3 Prozent (5,3) zu.
Die Linke kommt mit 2,9 Prozent nicht in den Landtag.
Für die Sitzverteilung im Landtag heißt das: Grüne 47, CDU 42, AfD 23, SPD 19, FDP 12.
Diese Koalitionen ist wahrscheinlich: Am ehesten in Frage kommt wohl ein Bündnis von Grünen und CDU.
Es wäre die erste grün-schwarze Koalition unter Führung der Grünen.
Rechnerisch wären auch Dreierbündnisse mit der FDP möglich: eine rot-gelb-grüne Ampel und eine schwarz-rot-gelbe „Deutschland-Koalition“.

Rheinland-Pfalz

So sieht die Ausgangslage aus: In Rheinland-Pfalz ist die seit 25 Jahren regierende SPD nach langem Umfragerückstand mit 36,2 Prozent (2011: 35,7) doch wieder stärkste Partei, Ministerpräsidentin Malu Dreyer kann also weiterregieren.
Julia Klöckners CDU sackt auf 31,8 Prozent (35,2) und damit auf ihr schlechtestes Ergebnis im Land ab.
Die Grünen stürzen auf 5,3 Prozent (15,4), die FDP kehrt nach fünf Jahren Abwesenheit im Landtag mit 6,2 Prozent (4,2) zurück.
Die AfD bekommt auf Anhieb 12,6 Prozent.
Auch in Mainz bleibt die Linke mit 2,8 Prozent draußen.
Für die Sitzverteilung im Landtag heißt das: SPD 39, CDU 35, AfD 14, FDP 7, Grüne 6.
Diese Koalition ist wahrscheinlich: Es kommt eine große Koalition von SPD und CDU in Frage oder ein Dreierbündnis mit Grünen und FDP.
Ministerpräsidentin Dreyer strebt letzteres an: „Wir haben auch gute Zeiten in Rheinland-Pfalz erlebt gemeinsam mit der FDP“, sagte sie am Wahlabend.
Bei den Grünen und der FDP wurde Gesprächsbereitschaft signalisiert.

Sachsen-Anhalt

So sieht die Ausgangslage aus: Hier verliert die seit 2002 regierende CDU von Ministerpräsident Reiner Haseloff etwas.
Mit 29,8 Prozent (2011: 32,5) verteidigt sie aber ihre Position als stärkste Partei.
Allerdings wird ihr Juniorpartner SPD wie in Baden-Württemberg halbiert: 10,6 Prozent (21,5) sind zum Weiterregieren zu wenig.
Die Linke fällt mit nur noch 16,3 Prozent (23,7) hinter die AfD als neue Nummer zwei mit 24,2 Prozent zurück.
Die Grünen verbleiben mit 5,2 Prozent (7,1) im Landtag.
Die FDP scheitert mit 4,9 Prozent (3,8) erneut.
Für die Sitzverteilung im Landtag heißt das: CDU 30, AfD 24, Linke 17, SPD 11, Grüne 5.
Diese Koalition ist wahrscheinlich: Nach dem aktuellen Stand ist in Sachsen-Anhalt allein Schwarz-Rot-Grün realistisch.


 
Nach den Landtagswahlen: Ex-CDU-Generalsekretär Geißler - "Seehofer war Stichwortgeber für die AfD" !

Der frühere Generalsekretär der CDU, Heiner Geißler, sieht die Verantwortung für das starke Abschneiden der rechtspopulistischen AfD zu einem großen Teil bei CSU-Chef Horst Seehofer.

Im Gespräch sagte Geißler, Seehofer sei geradezu der Stichwortgeber der AfD gewesen.
"Im Herbst war die Lage klar", erinnert der 86-Jährige: "Gegenüber der Flüchtlingsfrage gab es eine gute, positive Stimmung."

Dann sei Seehofer gekommen und habe den Leuten gesagt: "Das ist falsch, das schaffen wir nicht, das führt ins Chaos.
Da werden die Unionsanhänger natürlich hellhörig und denken: 'Da muss was dran sein'."

Geißler nannte es einen einmaligen Vorgang, dass durch die ständige Kritik der CSU während des Wahlkampfes in drei Ländern die Schwesterpartei verunsichert und der politische Gegner in die Lage versetzt wurde, die CDU gegen die Kanzlerin auszuspielen.

Er erinnerte an Seehofers Moskau-Reise Anfang Februar, als sich der bayerische Ministerpräsident an der Bundesregierung vorbei mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin traf und die Aufhebung der Sanktionen gegen Moskau forderte.

Mayer: "Glaube nicht, dass man dazu Herrn Seehofer braucht"
Der Bonner Parteienforscher Tilman Mayer sieht es anders: "Ich glaube nicht, dass man dazu Herrn Seehofer braucht", widerspricht er. "
Den AfD-Erfolg kann man nur durch die Politik der Kanzlerin erklären."

Seehofer stehe ja in Umfragen gut da, die AfD sei in Bayern schwach.
Mayer zitiert eine Umfrage, der zufolge in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt durchaus die bayerische CSU gewählt hätten, hätten sie die Möglichkeit gehabt.

"Die Deutschen sind ja nicht bescheuert"
Die CDU sei gespalten erinnert der Politikwissenschaftler und zitiert unter anderem eine Recherche, derzufolge viele Mitglieder der CDU-Basis durchaus auf Merkels Kurs in der Flüchtlingspolitik seien, während andere gerade deswegen der Partei den Rücken kehrten.

Die Zukunft der AfD macht dem früheren CDU-Vordenker und heutigen Globalisierungs- und Kapitalismuskritiker Geißler keine Sorgen.
Er fühle sich an die Wahlerfolge der NPD in den 60er Jahren und die der Republikaner in den frühen 90ern erinnert.
Beide Phänomene hätten sich von selbst erledigt.

"Es gibt immer einen Rand, der gegen Ausländer im Allgemeinen, für autoritäre Erziehung und gegen Frauenrechte ist", so Geißler.
"Die, die so denken haben einen Bevölkerungsanteil zwischen zehn und 15 Prozent; in Krisensituationen wählen sie radikal."

Geißler ist sich sicher, dass die von Merkel angestrebte europäische Lösung am Ende funktionieren wird und alternativlos ist.
Am Ende werde sich auch die Radikalisierungswelle wieder legen.
"Die Deutschen sind ja nicht bescheuert."

AfD auf "Selbstmord-Tour"?
Tilman Mayer teilt den Optimismus nicht ganz: "Wenn die AfD sich radikalisiert, ist sie schnell wieder weg", so der Wissenschaftler.
Wenn sie bürgerlich bleibt - also zu der Linie von Parteigründer Bernd Lucke zurückkehrt - kann sie dauerhaft eine Gefahr für die Union werden - aber nur dann."

Er könne aber nicht ausschließen, "dass die AfD auf Selbstmord-Tour ist und sich demnächst selbst zerfleischt."


 
Internationale Pressestimmen zu den Wahlen: "Niederschmetternder Schlag für Merkel" !

Die Landtagswahlen am Sonntag in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt liefen ernüchternd für die Union und Angela Merkel.
Die Kanzlerin hat sich bislang nicht zu den Ergebnissen geäußert.
Die internationalen Medien beschäftigen sich heute allerdings mit der Frage, was der Super-Wahlsonntag für die CDU-Chefin bedeutet.

Hier eine Auswahl der Pressestimmen:

Die konservative "Times" aus Großbritannien:
"Dieser Sieg ist ein niederschmetternder Schlag gegen Frau Merkel, die vor dem Krisengipfel in Brüssel diese Woche auch Probleme hat, ihre Pläne für die Aufteilung von Asylsuchenden über die Europäische Union anderen skeptischen Regierungen zu verkaufen.
Die Ergebnisse der Landtagswahlen erhöhen den Druck auf sie, die Zahl der nach Deutschland kommenden Migranten zu senken."

Die konservative "Daily Mail" aus Großbritannien:
"Der Zeitpunkt der Wahl hat sie zu einer virtuellen Abstimmung über die deutsche Flüchtlingspolitik gemacht.
Vergangene Nacht haben Millionen Wähler gezeigt, dass sie das Vertrauen in die Politik der Kanzlerin verloren haben."

Der linksliberale "Guardian" aus Großbritannien:
"Die flüchtlingsfeindliche Partei Alternative für Deutschland (AfD) hat mit ihren dramatischen Zugewinnen bei den Wahlen Deutschlands politische Landschaft erschüttert und ist getragen vom zunehmenden Ärger über Angela Merkels Asylpolitik in drei Regionen erstmals in die Parlamente eingezogen.
Aber ein Zeichen der zunehmend polarisierten Debatte in Deutschland ist, dass flüchtlingsfreundliche Kandidaten auch zwei dröhnende Siege in den Wahlen eingefahren haben - den ersten, seit Kanzlerin Merkel an Bord ihres Flaggschiffs, einer Politik der offenen Tür in der Flüchtlingskrise, gegangen ist."

Die linksliberale spanische Zeitung "El País":
"Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde von den Wählern abgestraft.
Der Vormarsch der ausländerfeindlichen und euroskeptischen AfD bedeutet ein politisches Erdbeben, das durch die Flüchtlingskrise ausgelöst wurde.
Für Deutschland und das übrige Europa sind die Wahlergebnisse eine sehr schlechte Nachricht.
Für die deutschen Politiker ist es eine Warnung, die sie mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 nicht ignorieren können."

Die linksliberale niederländische Zeitung "de Volkskrant":
"Die Wahlbeteiligung war überall höher als 2011.
Das lag daran, dass diese Landtagswahlen sowohl in Deutschland selbst, als auch im Rest Europas als Volksbefragung über die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel angesehen wurden.
Dass die CDU in allen drei Bundesländern Mandate verlor, kann als Missbilligung ihrer Politik durch einen großen Teil der deutschen Wähler interpretiert werden.
Noch sind nicht alle Konsequenzen absehbar."

Die liberale "Neue Zürcher Zeitung" aus der Schweiz:
"Überträgt man die Signale der drei Landtagswahlen auf die Bundesebene, so erscheint Bundeskanzlerin Merkels Regierungskoalition klar geschwächt.
Ein Warnschuss für die in eineinhalb Jahren anstehende Bundestagswahl ist das Ergebnis auf jeden Fall.
Alles deutet heute darauf hin, dass der Partei, mit der niemand koalieren will, dann auch der Einzug in den Bundestag gelingen wird, auf Kosten nicht nur der bürgerlichen CDU, sondern aller großen Parteien."

Die liberale italienische Tageszeitung "La Stampa":
"Seit gestern Abend ist Europa kleiner und Angela Merkel schwächer.
Das Ergebnis der Wahlen in Deutschland ist sehr bitter für die Kanzlerin.
Ihre Führungsrolle wird unverhohlen zur Diskussion gestellt, aber der Erfolg der AfD ist nicht mit den normalen und alten Kategorien der politischen Dialektik zu messen.
Er steht für mehr, er steht für einen Paradigmenwechsel in der Politik: Die Frage ist jetzt nicht mehr rechts oder links, sondern für oder gegen Europa."

Die liberale ungarische Tageszeitung "Nepszabadsag":
"Auf der extrem rechten Seite hatten bisher die Parteien mit Neonazi-Einschlag die Protest-Stimmen eingeholt.
Das hat sich nun geändert.
Die AfD ist keine Versammlung neu-brauner Glatzköpfe, sondern sie kann in der gesellschaftlichen Mitte Stimmen fischen - und zwar in großem Stil, wie es der Super-Wahlsonntag gezeigt hat.
Deutschland ist eine starke liberale Demokratie, aber jetzt muss man sehr aufpassen."

Die liberal-konservative dänische Tageszeitung "Berlingske":
"Seit der Gründung der rechten Partei haben die etablierten Parteien gehofft, dass das ungemütliche Phänomen von selbst wieder verschwinden würde.
Entweder als Folge interner Querelen oder politischer Inkompetenz.
Oder als Folge der politischen Konjunktur, die sich inzwischen als weit unberechenbarer herausgestellt hat, als selbst die für gewöhnlich gründliche Merkel hat voraussehen können."

Die liberale schwedische Tageszeitung "Dagens Nyheter":
"Die Deutschen sind am Montagmorgen in einem Land aufgewacht, das nach den drei Landtagswahlen am Sonntag nicht mehr dasselbe ist.
Der Wahlsieg für die Alternative für Deutschland gleicht einem Erdbeben, das dauerhafte Folgen haben wird."

Die konservative Zeitung "Lidove noviny" aus Tschechien:
"Die deutsche Kanzlerin führt ein großes Migrations-Experiment durch, das nun erstmals einem Test durch die Wähler unterzogen wurde.
Wen repräsentiert Angela Merkel dabei?
Die Christdemokraten, denen sie vorsteht, oder eher die Grünen, in deren Intentionen sie handelt?
Es ist augenscheinlich, dass ein großer Teil der Nation hinter ihr steht.
Aber steht dieser hinter ihr als Chefin der CDU oder als eigene Kraft grüner Politik?
Nach den Landtagswahlen muss man vermuten, dass den Wählern weniger am Schicksal der CDU gelegen ist als an dem der Kanzlerin."


 
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