Das Grauen in Dauerschleife: Warum Weihnachtssongs Mist sind !

collombo

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Weihnachtssongs: von den einen geliebt, von den anderen gehasst.
Zwei n-tv - Autoren schlagen sich auf je eine Seite und beziehen Stellung.
Den Anfang macht Weihnachtssong-Allergiker Kai Butterweck.

Alle Jahre wieder sind sie aufs Neue präsent, klopfen vehement an jede Tür und hören erst auf zu nerven, wenn der Weihnachtsbaum gegen Sekt, Böller und Raketen eingetauscht wird: Die Rede ist von Schokomänner-Herden, von in kunterbunte Lichter gehüllten Kirmes-Balkonen und natürlich von dauernarkotisierenden, Ohrenschmerzen verursachenden, in Klang gegossenen Dreiminuten-Soundtracks aus der Klingglöckchen-Hölle.
Letztgenannte markieren die alljährlichen Tiefpunkte einer Zeit, in der der Begriff Tradition mit Nikolausstiefeln getreten wird.

Es schmerzt nicht nur in den Ohren
Ob man will oder nicht, man kommt an den rostigen Speerspitzen der Weihnachtssong-Branche nicht vorbei.
MTV und Youtube sei Dank, schmerzt es dieser Tage nicht nur in den Ohren.
Der suchende Wo-stehen-meine-Zeilen?-Blick von Paul Young im legendären "Do They Know It's Christmas"-Videoclip und das in den Walliser Alpen noch heute für Gesprächsstoff sorgende schmachtende Gezwinker von Fönfrisur-Darling George Michael ("Last Christmas") sind gruselig mit anzusehen.
Von der Schneehasen-Jonglier-Nummer von Lady-In-Red-Christkind Mariah Carey ("All I Want For Christmas Is You") mal ganz zu schweigen.


Mariah Carey - All I Want For Christmas Is You !


Das bloße Augenzuhalten reicht aber leider nicht aus, schließlich lässt kein Shoppingcenter seine Entertainment-Flatscreens an den Wänden ohne Ton laufen.
Und so wird der unschuldige Weihnachtsgeschenk- und Backformkäufer zwischen glitzernden Plastikbäumen und mannshohen Rentieren aus Buchenholz hin und her rennend, gejagt wie ein wildes Tier.
Es gibt einfach kein Entrinnen.
Von überall her bahnen sie sich ihren Weg in die Gehörgänge.


 
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In rote Mäntel gehüllte Apokalypse-Reiter
Die sich sogar in den Lauschern von stiernackigen Wacken-Dauergästen einnistenden Akkord-Abfolgen aus den Häusern Wham! und Co sind im finalen Jahresdrittel präsenter als der Duft von roten Rosen in der "Bachelor"-Villa.
Und hinter den drei - in rote Mäntel gehüllten - Apokalypse-Reiterformationen (Wham!, Team Maria Carey, Band Aid) sorgt ein Heer von ähnlich gestrickten Tantiemen-Gierhälsen für nicht minder einfältigen Klingklang-Nachschub.


Wham! - Last Christmas (Official Video) !

 
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Die beiden Ohrengraus-Offiziere Paul McCartney ("Wonderful Christmas Time") und Chris Rea ("Driving Home For Christmas") galoppieren dabei an vorderster Front, dicht gefolgt von Hüftschwung-Weihnachtskobold Shakin' Stevens ("Merry Christmas Everyone") und Opulenz-Weltmeister Freddie Mercury ("Thank God It's Christmas").


Paul McCartney - Wonderful Christmas Time !


Benebelndes Glockengebimmel
Gefangen zwischen blubbernden Delay-Synthies, blechernen Drum-Sounds aus dem James-Last-Archiv und benebelndem Glockengebimmel schlurft der Geist des guten Geschmacks wie ein geprügelter Hund durch die festlich geschmückten Einkaufsgassen.

Wirklich so schlimm?
Leider ja. Sicher, es gibt mindestens tausend Songs, die ähnlich banalen Harmoniemustern folgen.
Es gibt auch Millionen Tracks da draußen, die noch viel plumper und kalkulierter daherkommen.
Der Unterschied ist aber: All dieser Mumpitz wandert bereits nach dem ersten Hördurchgang in die musikalische Restmülltonne.
Die dürftigen Klangergüsse der Damen und Herren Carey, Michael und Stevens hingegen hat man ein Leben lang an der Backe - ob man will oder nicht.
In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!
Und jetzt alle: All I want for Christmas is youuuuuuuuuu …
 
Wham! und Co in Dauerschleife: Warum Weihnachtssongs großartig sind !

Unvermeidliches Übel oder unverzichtbarer Soundtrack?
Die Meinungen gehen weit auseinander.
Nach dem Rundumschlag von Weihnachtssong-Allergiker Kai Butterweck meldet sich jetzt n-tv - Autor Ingo Scheel zu Wort.

Mal ernsthaft: Über Sinn und Unsinn von Weihnachtssongs zu diskutieren, ist so, als würde man plötzlich fragen, ob Brot, Kartoffeln oder Milch noch sinnvoll sind. Weihnachtssongs gehören dazu.
Sind absolut essenziell.
Lebenswichtig.
Punkt.

Wenn sich im September die ersten Dominosteine und Spekulatius in die Supermarkt-Reihen schleichen, dann gilt es frühestmöglich, die Youtube-Bookmarks und das heimische LP-Archiv entsprechend zu präparieren, um klanglich gewappnet zu sein.

Verträumt auf der Chaiselongue
Apropos präparieren, die Magie von "Last Christmas" entfaltet sich in seiner vollen Pracht gerade abseits der Pisten.
Wer sich jemals traute, im Spätsommer George Michael und Andrew Ridgeley bei der Ankunft in der Skihütte zuzuschauen, der spürt die Kraft dieses Klassikers, der sich spielerisch über alle Jahreszeiten, über Zeit und Raum hinwegzuheben scheint.
Man möchte umgehend die Rhabarberschorle beiseitestellen und stattdessen Eierpunsch, Grog und Rumtopf ansetzen.
Wie hatte es Oscar Wilde einst so schön gesagt: Musik ist der vollkommenste Typus der Kunst.
Ich lege mich fest: Wilde wäre heute ein Fan von Wham! und würde "Last Christmas" hören - in Dauerschleife.

Oder verträumt auf der Chaiselongue liegen und Leuten wie Tony Hadley, Bananarama und Midge Ure dabei zuschauen, wie sie im "Making of" zu "Do They Know It's Christmas?" am Londoner Studio ankommen, um für uns - für mich, für ihn dort hinten und auch für dich, lieber Kai Butterweck - diesen Xmas-Evergreen, einen für die Ewigkeit, einzusingen.


Do they Know it's Christmas ~ Band Aid 1984 !



 
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Wer an Seriösität und Anspruch dieser Allstar-Kiste zweifelt, der möge mal schauen, wie Paul Weller im Clip zum Song an der Seite von Bono und Sting mitgeht.
Bono!
Sting!
Würde der Modfather so etwas auf sich nehmen, wenn das alles verzichtbar wäre?
Paul Young schaut also verwirrt aufs Textblatt?
Ja, warum denn?, möchte man fragen.
Wegen der Emotionen, der Tragweite, dem Bewusstsein, den Menschen auf immer ein Wohlgefallen in die Spotify-Playlist zu singen!

Silvester-Bleigießen nicht verdient
Weihnachten ist die Zeit der Versöhnung, schon vergessen?
Genau jetzt müssen wir uns zu Chris Rea ins Auto setzen, Shakin' Stevens die Pomade reichen und Mariah Carey die Schühchen schnüren.


Chris Rea ~ Driving Home For Christmas (1986) !

 
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Shakin' Stevens - Merry Christmas Everyone (Official Video) !


Wer neulich noch bei Paul McCartneys Stippvisite in Liverpool Tränen der Rührung in den Augen hatte, darf jetzt bei "Wonderful Christmas" nicht weghören.
Und wem das immer noch nicht einleuchtet, der hört dann vielleicht auf so oh du selige Gassenhauer vom Tresenrand englischer Pubs: Wer bei Noddy Holder nicht mitsingt, wer auch Slades "Merry Xmas Everybody" die Rute spüren lässt, der hat Silvester das Bleigießen nicht verdient.

Selbst Lichtgestalten wie Thin Lizzys Phil Lynott und die harten Jungs von den Sex Pistols, als Supergroup The Greedies mit "A Merry Jingle" im ewigen Adventskalender hinter der großen Tür mit der Nummer 24, haben es gewusst: Wenn das Fest naht, dann wird gesungen.
Meckern ist - na klar - easy, aber am Ende ist es ein bisschen wie mit Oliver Kahn und der Bundesliga.
So lange der Mann noch spielte, krittelte man gern an ihm herum.
Kaum war er in Pension, hieß es: Wir haben keine Typen mehr.
Mal ehrlich: Was bliebe in diesen Tagen, wenn die Weihnachtssongs verstummten?
Mark Forster?
Die Titelmusik vom "Bachelor"?
Die Verspätungsdurchsagen der Bahn? Na also.
Und jetzt alle: Last Christmas I gave you my heart …
 
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