Der NSU Prozess !

367. Verhandlungstag: "Zschäpe-Theater", "Wohlleben-Theater" !

Wieder ein Tag, der aus Sicht vieler Angehöriger der zehn Mordopfer des NSU ein vergeudeter Tag ist.
Immer nur "Zschäpe-Theater" oder "Wohlleben-Theater", also immer nur der Blick auf die Angeklagten und die Strategien ihrer Verteidiger, nie ein Blick auf das Befinden der Angehörigen.

Die Angehörigen fragen sich auch am 367. Verhandlungstag und vier Jahren NSU immer noch: Warum musste mein Vater, mein Sohn, mein Bruder, unsere Tochter sterben?
Diese Frage - das ist jetzt schon klar - wird auch am Ende des Strafverfahrens gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte nicht beantwortet werden.

Ende des Strafverfahrens
Vor Wochen, es war der 359. Verhandlungstag am 26. April, hatte ich in meinem Gerichtstagebuch geschrieben, ein Urteil im Juli sei durchaus wahrscheinlich - und wünschenswert.
Inzwischen müssen wir Beobachter und auch die Beteiligten des Prozesses erkennen, dass das wieder absolut unrealistisch ist.
Die Bundesanwaltschaft kann nicht direkt nach den Pfingstferien plädieren.
Denn auf Antrag der Altverteidiger Heer, Stahl und Sturm wird der psychiatrische Sachverständige Henning Saß am 29. Juni noch einmal befragt.
Die drei Zschäpe-Verteidiger sahen sich gestern außer Stande, ohne einen mit Hilfe von externem Sachverstand ausgearbeiteten Fragenkatalog den forensischen Psychiater zu löchern.

Auf die Plädoyers vorbereitet
Hört man sich bei den Nebenklagevertretern um, hört man erstaunliche Dinge: einige von ihnen sind offenbar längst auf ihre Plädoyers vorbereitet.
Eine sagt, sie werde ihren Schlussvortrag in ein paar Wochen fertig haben.
Ein anderer sagt sogar, er schreibe seit dem ersten Verhandlungstag daran.
Die meisten Prozessbeteiligten sind anscheinend auf das Ende vorbereitet und das spricht dafür, dass sich die meisten von ihnen auch seit Monaten wünschen, dass endlich Schluss ist.
Schluss nach dann fast 400 Verhandlungstagen, Schluss mit inzwischen über 800 Zeugenaussagen, Schluss mit einem dunklen Kapitel deutscher Geschichte, in dem nach wie vor viele Fragen offen bleiben, zum Beispiel, was die nicht selten dubiose Rolle von V-Männern und ihre Verbindungen zu rechtsextremistischen Kreisen angeht.

Gerichtssprecherin hört auf
Eine hat die Kurve gekriegt: Andrea Titz, bisherige Sprecherin des Oberlandesgerichts.
In den vergangenen vier Jahren wurde sie das bekannteste Gesicht des NSU-Verfahrens, zum einen durch ihre kompetenten Erklärungen des Prozessgeschehens, zum anderen durch ihre extravaganten, täglich wechselnden High Heels.
Heute war ihr letzter Tag - sie wird nun neue Direktorin des Amtsgerichts Wolfratshausen.
Es wird Zeit, dass der NSU-Prozess zu Ende geht.


 
368. Verhandlungstag: Schlagabtausch um Psychiater und Gutachten !

War Beate Zschäpes psychiatrischer Gutachter Professor Joachim Bauer befangen?
Wird es ein weiteres forensisches Gutachten zu den beiden toten NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt geben?
Diese Fragen standen im Mittelpunkt des 368. Verhandlungstages im NSU-Prozess.

Nebenklage und Bundesanwaltschaft sind im NSU-Prozess nur sehr selten einer Meinung.
Anders ist das im Fall des Freiburger Psychiaters Joachim Bauer, den Zschäpes Verteidigung als psychiatrisch-forensischen Gutachter bestellt hat, um zu beweisen, dass die Hauptangeklagte nur bedingt schuldfähig ist.

Bauer hatte in seinem Gutachten ausgeführt, dass er Zschäpe vor allem als Opfer sieht.
Sie sei quasi eine Gefangene von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gewesen, sei von diesen in "verschärfter Geiselhaft" gehalten worden, vermutlich sei sie von beiden sexuell missbraucht, in jedem Fall aber von Böhnhardt regelmäßig geschlagen worden.

Zschäpe, so Bauers Resümee, habe eine dependente Persönlichkeitsstörung, habe sich komplett untergeordnet, aus Angst von Böhnhardt verlassen zu werden, weshalb sie nur vermindert schuldfähig sei.

"Hexenprozess" gegen Beate Zschäpe?
Schon diese Einschätzungen waren von vielen Prozessbeteiligten und -beobachtern mit Kopfschütteln aufgenommen worden.
Schließlich ließ sich Bauer aber auch noch dazu herab, sich dem stellvertretenden Chefredakteur der Tageszeitung "Die Welt" per E-Mail anzudienen und ihm eine "exklusive" Geschichte über Zschäpe anzubieten.
In dem Schreiben, dass die "Welt" schließlich veröffentlichte, bezeichnet Bauer die Behandlung Zschäpes zudem als "Hexenprozess".

Diese Mail sowie Bauers Verhalten vor Gericht nahm die Nebenklage zum Anlass, ein Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen einzubringen.
Ein Ansinnen, dass auch die Bundesanwaltschaft unterstützt.
Der Eindruck, der Gutachter habe nicht überparteilich sondern interessengeleitet gehandelt, sei nachvollziehbar, so Bundesanwältin Anette Greger in einer Stellungnahme.
Zudem hätten sich bei der Aussage Bauers "methodische Unzulänglichkeiten" abgezeichnet.

Bauer seinerseits in einem ausführlichen Schriftsatz zu dem Ablehnungsgesuch Stellung genommen und den Vorwurf, befangen zu sein, energisch zurückgewiesen.
Der Psychiater sieht sich vielmehr als Opfer einer "eifernden medialen Begleitung des Prozesses".
Bestimmte Medien würden ihn gezielt angreifen, "Falschmeldungen" über ihn verbreiten und sein persönliches Umfeld "ausforschen".

Die Psyche der toten Terroristen
Ob Bauer am Ende wegen Befangenheit abgelehnt wird, muss nun der Strafsenat entscheiden, ebenso, ob ein weiterer Sachverständiger damit beauftragt wird, ein psychiatrisches Gutachten über Böhnhardt und Mundlos zu erstellen.
Das hat die Verteidigung von Ralf Wohlleben beantragt.

Sie will damit beweisen, dass die beiden unter einer psychopathischen Persönlichkeitsstörung litten und den mutmaßlichen NSU-Waffenlieferanten Wohlleben sozusagen verführt und über ihre wahren Absichten getäuscht hätten.

Die Bundesanwaltschaft hat der Erstellung eines solchen Gutachtens allerdings heute ausdrücklich widersprochen.
Das letzte Wort hat auch in diesem Fall das Oberlandesgericht.


 
369. Verhandlungstag: Plädoyers beginnen bald !

Mit Prognosen zum weiteren Prozessverlauf, das hat das NSU-Verfahren gelehrt, sollte man vorsichtig sein.
Nach dem heutigen Verhandlungstag scheint aber sicher: Die Beweisaufnahme steht vor ihrem baldigen Ende.

Nicht einmal zwei Stunden hat das Münchner Oberlandesgericht heute verhandelt, die kommenden drei Prozesstage hat es gleich ganz abgesagt.
Aus Sicht der Vorsitzenden Richters Manfred Götzl scheint in der Beweisaufnahme fast alles gesagt.
Geladen ist nur noch mal der vom Gericht bestellte Psychiater Henning Saß.
Und weil der eben erst Ende nächster Woche einen Termin frei hat, wird bis dahin das NSU-Verfahren ausgesetzt.

Weitere Beweisanträge abgelehnt
Zudem hat der Staatsschutzsenat zwei Beweisanträge der Wohlleben-Verteidigung und einiger Nebenkläger abgelehnt, die die Rolle des früheren deutschen "Blood and Honour"-Chefs Stefan Lange beleuchten wollten.
Der hatte bei seiner Vernehmung als Zeuge im NSU-Prozess ausgesagt, kein Informant des Verfassungsschutzes gewesen zu sein.
Vor gut einem Monat berichteten dann mehrere Medien, dass Lange, der enge Kontakte zu etlichen Personen aus dem NSU-Umfeld hatte, wohl doch als V-Mann tätig war.

Während sich die Nebenkläger Beweise für ihre These erhofften, der Verfassungsschutz habe bei der Verfolgung des untergetauchten NSU-Trios versagt, wollten die Verteidiger von Ralf Wohlleben nachweisen, dass nicht er die Mordwaffe Czeska besorgt habe, sondern die Blood and Honour-Organisation.
Doch Richter Götzl und seine Kollegen halten offenbar dies alles nicht für relevant.
Sie lehnten die Beiziehung von Verfassungsschutzakten und die Vernehmung möglicher V-Mann-Führer von Lange ab.

Plädoyers noch vor der Sommerpause
Jetzt muss das Gericht noch über einen Antrag der Wohlleben-Verteidigung entscheiden, die ein posthumes psychiatrisches Gutachten für Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt fordert.
Weil die als Psychopathen aus reiner Mordlust getötet und betrügerisch-manipulativ gehandelt hätten, wäre auch für Dritte deren Bereitschaft, schwerste Gewaltverbrechen zu begehen nicht erkennbar gewesen.
Und somit auch nicht für ihren Mandanten Ralf Wohlleben, so die steile These seiner Verteidiger.

Die Bundesanwaltschaft hat bereits gestern diesen Antrag ziemlich überzeugend zurückgewiesen.
Wenn das Gericht ihn auch ablehnt, könnte es sich zwar noch einmal wie schon so oft einen weiteren Ablehnungsantrag wegen Besorgnis der Befangenheit einfangen.
Doch niemand zweifelt daran, dass auch der keinen Erfolg haben wird.
Und somit zeichnet sich ab: Schon bald nach der vermutlich letzten Befragung des Sachverständigen Professor Saß am Donnerstag, den 29. Juni, könnten die Plädoyers beginnen.
Der Prozess bietet dafür bis zur Sommerpause reichlich Zeit, bis einschließlich 1. August sind noch 14 Verhandlungstage angesetzt.


 
370. Verhandlungstag: Eine Endphase, die sich ziehen kann !

Während der NSU-Bundestagsuntersuchungsausschuss seinen Abschlussbericht vorlegt, schleppt sich der NSU-Prozess Richtung Verfahrensende - laut dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl "befindet er sich in der Endphase".
Doch die kann sich ziehen.

Heute gab es sowohl neue Beweisanträge als auch einen erneuten Befangenheitsantrag gegen den Senat.
Insbesondere die Verteidigung des mutmaßlichen NSU-Waffenlieferanten Ralf Wohlleben wird zum Verfahrensende immer aktiver.
Kaum ein Prozesstag, an dem die Anwälte nicht neue Anträge stellen, um wahlweise Unschuld und Friedfertigkeit ihres Mandanten zu beweisen oder die Verantwortung für die NSU-Mordserie auf den Verfassungsschutz zu schieben oder gar eine angebliche psychische Erkrankung der beiden NSU-Killer Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nahezulegen.

Bislang hat der 6. Strafsenat die meisten Anträge abgelehnt, so auch heute: Der Senat will, anders als von Wohllebens Anwälten gefordert, kein forensisch-psychiatrisches Gutachten über die beiden toten Terroristen Mundlos und Böhnhardt erstellen lassen.
Wohlleben reagierte darauf mit dem x-ten Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat.

Nebenklage kritisiert Ausschuss: Rolle des Verfassungsschutzes unterbelichtet
Am Rande des heutigen Verhandlungstages war auch der Abschlussbericht des NSU-Bundestagsuntersuchungsausschusses in Berlin Thema: Bei den Anwälten der NSU-Opfer stieß er auf ein geteiltes Echo.
Der Ausschuss habe einige wichtige Zwischenergebnisse geliefert, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die 24 Nebenklage-Vertreter heute veröffentlichten.
Insbesondere die Rolle des Verfassungsschutzes bleibe jedoch unterbelichtet.

So habe der Bundestagsausschuss nachgewiesen, dass das NSU-Kerntrio und seine Unterstützer von Geheimdienstspitzeln geradezu umzingelt war und dass die Aktenvernichtung im Bundesamt für Verfassungsschutz, die eine Woche nach der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 einsetzte, gezielt erfolgte um die Verbindungen des Dienstes in das NSU-Umfeld zu verschleiern.

Nach Auffassung der Opferanwälte hätten die Morde des NSU verhindert werden können, denn die Geheimdienste hätten, zumindest in den ersten Jahren des Untertauchens, zahlreiche Hinweise gehabt auf den Aufenthaltsort der Terroristen.
Bis heute verschleiere der Verfassungsschutz sein Wissen über den NSU und seine Verwicklung in die Affäre.
"Die Aufklärung des NSU-Komplexes ist noch lange nicht erreicht und benötigt noch einen langen Atem", so die Nebenklagevertreter.

Der Münchner NSU-Prozess indes wird zur gewünschten Aufklärung der Rolle des Staates wohl nicht mehr allzu viel beitragen.
Zuletzt hat das Oberlandesgericht alle Beweisanträge, die den Verfassungsschutz und seine V-Leute in der Neonaziszene betrafen, konsequent abgelehnt.
Zwar versuchten Nebenklage und Verteidigung heute nochmals das Verhalten des hessischen Verfassungsschutzmitarbeiters Andreas Temme ins Zentrum zu rücken - Temme war beim Mord an dem Kasseler NSU-Opfer Halit Yozgat am Tatort gewesen.
Vermutlich wird das Gericht jedoch auch diese Anträge ablehnen.


 
371. Verhandlungstag: Land in Sicht ?

Das Ende des NSU-Prozesses ist nahe, das kann man in und außerhalb des Gerichtsaals deutlich spüren.
Ob es aber Wochen oder noch Monate dauert, bis die Plädoyers beginnen, kann niemand mit Gewissheit sagen.

Zwei Zeugen, zwei Anträge – so lautet grob die Bilanz von Verhandlungstag 371.
Erstere blieben jeweils recht wortkarg – aus mangelnder Erinnerung oder mangelndem Interesse.
Es ging um eine Wohnung, die das Trio Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Zeitraum 2000/2001 bewohnt haben soll, angemietet mit falschen Papieren.
Da die beiden geladenen Zeugen nichts zum Zustand der Wohnung oder zu den Personen die darin wohnten, sagen konnten (oder wollten), wird man die Angelegenheit wohl als weiteres Indiz zu den Akten legen.

Die beiden Anträge, inhaltlich sicher interessant, werden wohl aus Sicht der Antragsteller ein noch schlimmeres Schicksal ereilen: sie werden wahrscheinlich abgelehnt.

Die Rolle des Staatsschutzes - für Nebenkläger noch viele Fragen offen
Die Anwälte der Familie Yozgat (Halit Yozgat wurde im April 2006 in einem Internetcafé mit zwei Kopfschüssen ermordet) wollen einen Mitarbeiter des Hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz als Zeugen laden.
Er soll bereits 1999 von einem Informanten auf ein Neonazinetzwerk aufmerksam gemacht worden sein, das sich selbst "National Sozialistische Untergrundkämpfer Deutschland" nannte.
Diesen Hinweis soll er in einem entsprechenden Bericht aufgenommen haben.

Nebenkläger: Verfassungsschutz hätte vom NSU wissen müssen
Da die Anklage davon ausgeht, dass sich das Trio ab 1998 radikalisiert und die Durchführung der späteren Taten beschlossen habe, liege da ein Zusammenhang nahe, so die These.
Der Vorwurf der Nebenkläger: Der Hessische Verfassungsschutz hätte von der Entstehung des NSU wissen müssen.
Stoff, der für ein eigenes Verfahren ausreichen könnte - im NSU Prozess nur ein weiterer Antrag, ohne große Aussicht auf Erfolg.
Es handle sich um einen Beweisermittlungsantrag, erwiderte die Bundesanwaltschaft und sei daher abzulehnen.
Die Chancen, dass der Senat den Zeugen tatsächlich lädt, gelten als gering.

Und auch der zweite Antrag hat schlechte Karten: Zschäpes Altverteidiger Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl wollen einen neuen psychiatrischen Gutachter hinzuziehen.
Es wäre der vierte Sachverständige in diesem Prozess.
Das wird der Vorsitzende Richter Manfred Götzl kaum zulassen.

Das Ende ist in Sicht
Wegen dieser nach wie vor regen Beteiligung von Nebenklägern und Verteidigern kann im Moment niemand sagen, wann die Beweisaufnahme abgeschlossen wird.
Die Bundesanwaltschaft könnte und würde wohl gerne noch im August vor der Sommerpause ihr Plädoyer halten.
Ob es tatsächlich so weit kommt, entscheidet sich vielleicht nächste Woche.


 
372. Verhandlungstag: Schwere Schlappe für die Verteidigung !

Das Münchner Oberlandesgericht hat den Gutachter Prof. Joachim Bauer für befangen erklärt.
Der Psychiater hatte die Hauptangeklagte Beate Zschäpe vor allem als Opfer von Mundlos und Böhnhardt bezeichnet.

Es das erste Mal in dem seit über vier Jahren laufenden Prozess, dass einem Befangenheitsantrag stattgegeben wurde.
Der Senat folgte dem Antrag mehrerer Nebenkläger.
Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl sagte, Bauer habe den Eindruck der Parteilichkeit nicht beseitigen können.

Bauer: "Zschäpe nicht voll schuldfähig"
Im Auftrag ihrer beiden Wahlverteidiger Mathias Grasel und Hermann Borchert hatte Joachim Bauer als Sachverständiger befunden, Zschäpe sei wegen einer krankhaften Persönlichkeitsstörung nur eingeschränkt schuldfähig.
Bauer sieht in der Hauptangeklagten im NSU-Prozess ein mehr ein Opfer als eine Täterin.
Zschäpe sei von Uwe Böhnhardt psychisch abhängig gewesen, dieser habe sie regelmäßig geschlagen und eventuell sogar sexuell missbraucht.

NSU-Verfahren als "Hexenverbrennung" bezeichnet
Zum Verhängnis wurde dem Freiburger Psychiater Bauer eine E-Mail an eine Mediengruppe.
Darin bot er eine Exklusivgeschichte über Zschäpe und den NSU-Prozess an und bezeichnete das Verfahren und die Berichterstattung darüber als "Hexenverbrennung".
Sein Gutachten würde einigen nicht passen, schrieb Bauer, der zuvor bereits durch den erfolglosen Versuch, Pralinen für Beate Zschäpe in das Untersuchungsgefängnis zu schmuggeln, unangenehm aufgefallen war.

Nebenkläger: "Gutachter nimmt Angeklagte in Schutz"
Für einige Nebenkläger stand damit fest, dass Bauer nicht unparteilich ist, wie es das Gesetz von Sachverständigen fordert, sondern sich im Gegenteil auf die Seite der Angeklagten geschlagen hat und versucht sie in Schutz zu nehmen.
So sah es heute auch das Gericht.
Dadurch, dass Bauer das Verfahren als Hexenverbrennung bezeichnete, habe er deutlich gemacht, dass nach seiner Ansicht ein massiver Schuldspruch bereits feststehe, sagte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl.
Der Sachverständige Joachim Bauer wurde am Mittag für befangen erklärt.

Bauer wehrt sich
Nach der Entscheidung des Gerichts wies Bauer den Vorwurf der Befangenheit umgehend per Mail an mehrere Medien zurück.
Er halte sein Gutachten nach wie vor für einen Beitrag mit erheblicher Verfahrensrelevanz, schrieb der Psychiater.
Beate Zschäpe bringt diese Behauptung vermutlich nichts mehr.


 
373. Verhandlungstag: Beweisaufnahme auf der Zielgeraden !

Im NSU-Prozess steht die Beweisaufnahme vor dem Ende, demnächst dürfte die nächste Phase anstehen: die Plädoyers.
Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl wandte sich heute erstmals direkt an die Prozessbeteiligten und bat um eine Einschätzung, wie lange sie für ihre Schlussvorträge veranschlagen.

Die Bundesanwaltschaft, die als Erste plädieren wird, kündigte an, für ihren Vortrag rund 22 Stunden zu benötigen - woraufhin die Verteidiger sämtlicher Angeklagten in bislang einmaligen Eintracht beantragten, dieses Plädoyer mitzuschneiden, um sich auf die eigenen Vorträge besser vorbereiten zu können.
Die Plädoyers der Nebenklage-Anwälte, die rund 80 NSU-Opfer und deren Angehörigen vertreten, dürften vermutlich kaum weniger Zeit in Anspruch nehmen als die der Bundesanwaltschaft.

Plädoyers der Verteidiger wohl nach Sommerpause
Sicher ist: Bis zur Sommerpause, die Anfang August beginnt, werden die Plädoyers definitiv nicht beendet sein.
Richter Götzl deutete heute an, dass die Verteidiger der fünf Angeklagten mit ihren abschließenden Plädoyers erst nach der Sommerpause an der Reihe sein werden.

Wohllebens Anwälte lassen nicht locker
Trotz des sich abzeichnenden Prozessendes beantragte die Verteidigung des mutmaßlichen NSU-Waffenhändlers Ralf Wohlleben heute erneut, den Haftbefehl gegen ihren Mandanten auszusetzen.
Die lange Untersuchungshaft von knapp fünf Jahren und acht Monaten sei unverhältnismäßig.
Das Oberlandesgericht lehnte ähnliche Anträge in der Vergangenheit allerdings stets ab – und es ist wenig wahrscheinlich, dass es von dieser Linie ausgerechnet am Ende des Verfahrens abweichen wird.

Kein neues Zschäpe-Gutachten
Einen Antrag von Beate Zschäpes Altverteidigern Sturm, Stahl und Heer lehnte das Gericht heute ab: Diese hatten beantragt, einen weiteren psychiatrischen Sachverständigen mit der Begutachtung der Hauptangeklagten zu beauftragen.
Nach der ausführlichen Begründung des Antrags durch den Vorsitzenden Richter, beantragten Zschäpes Altverteidiger einmal mehr, die Hauptverhandlung bis morgen zu unterbrechen, um über einen Befangenheitsantrag gegen den Senat zu beraten.

Bundesanwalt Herbert Diemer wies dies allerdings brüsk zurück: "Wenn das so weiter geht, können wir vor der Sommerpause nicht mehr zum Ende der Beweisaufnahme kommen."


 
Vorerst keine Plädoyers: NSU-Prozess bis Dienstag unterbrochen !

Eigentlich hätten im NSU-Prozess die Plädoyers der Bundesanwaltschaft beginnen sollen.
Doch die Verhandlung stockte - und wurde schließlich auf Dienstag verschoben.
Grund dafür ist Streit über die Frage, ob der Schlussvortrag aufgezeichnet werden darf.

Zum Auftakt der heutigen Sitzung ging es wieder einmal um Verfahrensfragen: Sämtliche Verteidiger wollten durchsetzen, dass der Schlussvortrag auf Tonband aufgenommen wird.
Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl lehnte das ab mit den Worten, eine Tonaufnahme sei für eine sachgerechte Verteidigung nicht erforderlich.
Die Anwälte der Hauptangeklagten Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben kündigten daraufhin an, "prozessuale Anträge" zu stellen.

Komplexe Anklage im NSU-Prozess
Rund 22 Stunden wird das Plädoyer der Bundesanwaltschaft dauern.
Die Anklage ist komplex, erläutert Bundesanwalt Herbert Diemer: "Es ist ja ein reiner Indizienprozess, wir haben keinen einzigen Tatzeugen, und da müssen eben die ganzen Indizien, die einzelnen Beweise müssen gewürdigt werden, müssen miteinander in Beziehung gesetzt werden, zusammengesetzt werden wie ein Puzzle."

Vier Jahre Beweisaufnahme
Aus Sicht der Bundesanwaltschaft ist die über vierjährige Beweisaufnahme gut gelaufen.
Dem Bayerischen Rundfunk sagte Bundesanwalt Diemer vor wenigen Tagen, dass er die Ermittlungsergebnisse der Bundesanwaltschaft im Wesentlichen bestätigt sieht.
Ins Detail ging er aber nicht.
Die Anklage geht davon aus, dass die Hauptangeklagte Beate Zschäpe gleichberechtigtes Mitglied im Terror-Trio NSU war.

Zehn Morde, mehr als 30 Verletzte
Dem rechtsextremen NSU werden unter anderem zehn Morde und zwei Bombenanschläge mit mehr als 30 Verletzten zugerechnet.
Die Morde und Attentate wurden von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt verübt.
Doch die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe vor, den Rückzugsraum für Mundlos und Böhnhardt organisiert und die Taten auch gewollt zu haben.
Somit gilt sie als Mittäterin.

Zschäpe bestreitet das.
Sie will immer erst im Nachhinein von den Morden und Bombenanschlägen erfahren haben.
Doch vielen Prozessbeteiligten erscheint diese Version wenig nachvollziehbar.

Wie glaubwürdig ist Zschäpe?
Bis zuletzt wurde im NSU-Prozess über die Frage von Zschäpes Glaubwürdigkeit gerungen, schließlich stellte aber auch die Verteidigung keine Beweisanträge mehr.
Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hatte in den letzten Tagen und Wochen Druck gemacht.

Auch die Vorträge der Nebenkläger werden Tage, wenn nicht gar Wochen in Anspruch nehmen, schließlich vertreten sie insgesamt über 80 Opfer der Terrorgruppe NSU beziehungsweise Angehörige der Opfer.
Als letztes werden die Verteidiger der fünf Angeklagten plädieren, doch Richter Götzl hat heute bereits durchblicken lassen, dass damit erst nach der Sommerpause zu rechnen ist – also erst Ende August bzw. Anfang September.
Danach wird das Oberlandesgericht sein Urteil verkünden.
Die Hauptangeklagten Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben müssen dem Prozessverlauf nach mit langjährigen Haftstrafen rechnen, weitgehend unklar ist, welches Strafmaß die drei anderen Angeklagten Carsten S., Holger G. und André E. zu erwarten haben.

Kurzfristige Anreise zu den Plädoyers
Obwohl schon lange erwartet, kam das Ende der Beweisaufnahme gestern für viele Prozessbeteiligte dann doch überraschend schnell.
Im NSU-Prozess sind über 90 Opfer und Angehörige von Opfern als Nebenkläger zugelassen.
Sie sind aber selten persönlich anwesend, sondern werden von über 60 Anwälten vertreten.
Die Opfer-Familien müssen nun sehr kurzfristig anreisen, erklärt Seda Basay.
Sie vertritt die Familie des ersten Mordopfers des NSU, des Blumenhändlers Enver Simsek.
"Unsere Mandanten sind ja berufstätig und können nicht sofort Urlaub nehmen und den Plädoyers beiwohnen.
Das ist jetzt ein bisschen unglücklich, andererseits verstehe ich auch das Gericht, dass hier ein bisschen Druck gemacht wird, um endlich zum Ende zu kommen und mit den Plädoyers zu beginnen."

Ein Ende wird absehbar
Adile Simsek, die Witwe des ermordeten Enver Simsek, wird heute persönlich kommen, um den Schlussvortrag der Bundesanwaltschaft zu hören.
Doch es ist klar, die Nebenkläger stehen der Rolle der Bundesanwaltschaft in diesem Verfahren kritisch gegenüber.
Wichtige Fragen bleiben für die Opferfamilien offen, erklärt Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer.

Doch noch hat die Bundesanwaltschaft nicht gesprochen.
Insgesamt vier Tage wird sie für ihr Plädoyer vermutlich brauchen.
Es geht dabei nicht nur um Beate Zschäpe.
Neben ihr sind vier mutmaßliche Unterstützer des NSU angeklagt.
Allen voran Ralf Wohlleben und Carsten S..
Sie sollen die Haupt-Mordwaffe des NSU besorgt haben.
Wohlleben, ein ehemaliger Spitzenfunktionär der NPD in Thüringen, bestreitet den Vorwurf.
Carsten S. der sich bereits vor Jahren von der rechtsextremen Szene gelöst hat, legte ein umfangreiches Geständnis ab.
Er befindet sich im Zeugenschutz.
Sein Anwalt Jacob Hösl sagt, auch sein Mandant sei froh, dass mit dem Beginn der Plädoyers nun ein Ende im NSU-Prozess absehbar ist.


 
Plädoyers im NSU-Prozess: Bundesanwaltschaft sieht Zschäpe als Mittäterin !

Im zweiten Anlauf hat vor dem Oberlandesgericht München das Plädoyer der Bundesanwaltschaft begonnen.
Sie sieht Beate Zschäpe in mehreren Fällen schwer belastet.
Ihr Motiv: Rechtsextremismus.

Die Bundesstaatsanwaltschaft sieht alle wesentlichen Punkte der Anklageschrift bestätigt und Beate Zschäpe als Mittäterin des NSU, dem vorgeworfen wird, in der Zeit zwischen 1998 und 2011 zehn Menschen ermordet zu haben.
Auch sei sie Mittäterin beim Bombenanschlag in der Kölner Probsteigasse sowie der räuberischen Überfälle auf einen Supermarkt und 14 Bankfilialen.
Schließlich habe sie eine Haus in Zwickau in Brand gesetzt und billigend in Kauf genommen, dass drei Menschen darin umkommen könnten.

Motiv für die Taten war laut Herbert Diemer und Annett Greger - zwei der drei Bundesanwälte, die heute vortragen - eine rechtsextremistische Ideologie.
Ein freies Land sollte in seinen Grundfesten erschüttert werden.
Zschäpe habe ihren Mittätern Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos dabei als "Tarnkappe" und Kassenwart gedient.
Die Bundesanwaltschaft widerspricht ausdrücklich der Aussage Zschäpes, sie sei lediglich Mitläuferin gewesen und habe von den Morden erst im Nachhinein erfahren.

Die Bundesanwaltschaft sollte eigentlich bereits letzten Mittwoch mit ihrem Plädoyer beginnen.
Alles war vorbereitet.
Doch dann fuhr Wohllebens Verteidigung ihr in die Parade
. Fast alle anderen Verteidiger schlossen sich an.
Sie wollen durchsetzen, dass der Schlussvortrag der Bundesanwaltschaft mitgeschnitten oder im Auftrag des Gerichts mitgeschrieben wird.
Der Senat hatte das bereits abgelehnt.

Bundesanwaltschaft: Persönlichkeitsrecht in Gefahr
Es ist in deutschen Gerichtssälen nicht üblich, mitzuschneiden oder etwa ein Plädoyer durch einen Gerichtsschreiber protokollieren zu lassen.
Darum stellten sich die Vertreter der Bundesanwaltschaft einer Dokumentation ihres Schlussvortrags entgegen.
Sie wollen weder, dass dieser aufgezeichnet noch protokolliert wird, auch sind sie nicht bereit, ihr Plädoyer schriftlich an Prozessbeteiligte weiterzureichen.
Sie fürchten, dass die Aufzeichnungen in die Öffentlichkeit gelangen und aus dem Zusammenhang gerissene Zitate im Internet veröffentlicht werden.
Die Bundesanwälte berufen sich dabei auf ihr Persönlichkeitsrecht.
Das Gericht folgte dieser Argumentation.

Verteidiger: Mandanten können langem Vortrag nicht folgen
Doch die Verteidiger sehen die Persönlichkeitsrechte der Bundesanwälte nicht in Gefahr, da sie als Vertreter der Anklage auftreten und nicht als Privatpersonen.
Schlüssigstes Argument aber ist, dass ihre Mandanten in der Lage sein müssen, dem Schlussvortrag der Bundesanwaltschaft zu folgen.
Dieser dauert aber geschätzt 22 Stunden, also vier bis fünf Tage.
Da ist für Verteidiger und Angeklagte eine wörtliche Mitschrift kaum möglich, so Anja Sturm, Anwältin von Zschäpe.

"Es geht um alles"
Die Beweisaufnahme dauerte mehr als vier Jahre, über 800 Zeugen und Sachverständige wurden gehört.
Zschäpe muss sich wegen Mittäterschaft verantworten - also wegen sämtlicher Taten, die dem NSU zugerechnet werden.
Sie sitzt seit über fünf Jahren in Untersuchungshaft, ebenso wie der wegen Beihilfe zum Mord angeklagte mutmaßliche NSU-Unterstützer Wohlleben.

Nebenklage-Anwalt: Antrag hat kaum Erfolgsaussicht
Für die Nebenklage im NSU-Prozess war die jüngste Volte der Verteidiger allerdings ein Affront.
Angehörige der Mordopfer waren extra angereist, um den für letzten Mittwoch angekündigten Schlussvortrag der Anklage persönlich zu hören.
Wegen des erneuten Antrags auf einen Mitschnitt oder eine Mitschrift wurden ihre Erwartungen enttäuscht.
Dabei haben die Verteidiger mit ihrem Anliegen kaum Aussichten auf Erfolg, glaubt Nebenklagevertreter Eberhard Reinecke.


 
Zweiter Tag der Schlussplädoyers: "Zwölf Waffen griffbereit" !

Im NSU-Prozess hat die Bundesanwaltschaft ihre Vorwürfe gegen Beate Zschäpe untermauert: In der letzten Wohnung des Terror-Trios fanden sich zwölf Waffen, teils geladen und griffbereit, sowie 2,5 Kilogramm Schwarzpulver.

Am zweiten Tag des Schlussplädoyers legte Oberstaatsanwältin Anette Greger anhand vieler Beispiele dar, dass Zschäpe bei der Tarnung des "Nationalsozialistischen Untergrunds" eine zentrale Rolle gespielt habe.
Zudem sei sie an der Beschaffung von Waffen beteiligt gewesen.
Nur weil Zschäpe und ihre Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt so eng zusammengearbeitet hätten, hätten sie so lange unentdeckt Anschläge begehen können.

Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe Mittäterschaft an allen Morden, Bombenanschlägen und Überfällen der Gruppe vor – auch wenn Zschäpe bei keinem Mord selbst geschossen habe.
Sie soll aber gleichberechtigtes Mitglied der Terrorzelle gewesen sein.

Greger sagte am Mittwoch in ihrem Schlussvortrag, alle drei hätten die Beschaffung von Waffen zu ihrem gemeinsamen Anliegen gemacht.
Zschäpe selbst habe schon früh eine Gaspistole besessen, was sie in ihren Aussagen aber verschwiegen habe.
Über die Jahre hinweg habe sich die Gruppe dann eine Vielzahl von Waffen, Unmengen an Munition und Sprengstoff besorgt.
Bei der Beschaffung einer Waffe, die der Mitangeklagte Holger G. dem Trio übergeben habe, sei Zschäpe "nicht unmaßgeblich eingebunden" gewesen, so die Oberstaatsanwältin.

Zschäpe bestimmte über das Geld
Zur Tarnung des Trios sagte Greger, Zschäpe sei es darum gegangen, ihre Freunde "sorgfältigst abzusichern".
Sogar untereinander hätten sich die drei mit ihren Tarnnamen angeredet.
Auch bei der Beschaffung zahlreicher Ausweise war Zschäpe demnach maßgeblich beteiligt.
Und: Zschäpe habe eine maßgebliche Rolle bei der Verwaltung des Geldes der Gruppe gespielt.
Die Angeklagte sei in sämtliche relevanten Finanztransaktionen eingeweiht und in Geldangelegenheiten "bestimmend" gewesen.

Die Bundesanwaltschaft sieht das NSU-Trio als eingeschworene Gemeinschaft: "Alle drei schweißte ein unbedingtes Vertrauen zusammen", sagte Greger und sprach von einer "sehr engen, vertrauensvollen Bindung".
Das enge Zusammenspiel von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt leitete die Anklägerin beispielsweise davon ab, dass der "Hauptcomputer" in Zschäpes Zimmer stand.
Auch das "Haupthandy" und ein Laptop hätten ihr gehört.

"Ich bin froh, dass es jetzt losgeht"
Einen Nachweis, dass Zschäpe bei der Ausspähung von Anschlagszielen dabei war, habe die Beweisaufnahme nicht erbracht, so Greger.
Davon hätten Mundlos und Böhnhardt möglicherweise wegen der "optischen Auffälligkeit" der Hauptangeklagten Abstand genommen.
Zschäpe habe aber rund um den Zeitpunkt nach München telefoniert, als Böhnhardt und Mundlos dort einen der zehn Morde verübten.
Das belege, dass Zschäpe von der Begehung der Tat unterrichtet gewesen sei.

"Ich bin froh, dass es jetzt losgeht" - mit diesen Worten kommentierte Yvonne Boulgarides den Beginn der Plädoyers.
Ihr Mann Theodoros Boulgarides war 2005 in seinem Münchner Laden ermordet worden, wo er einen Schlüsseldienst betrieb.
Seine Witwe verfolgt mit ihren Töchtern den Vortrag der Anklagebehörde.
Es sei gut, "dass die Dinge kurz gefasst beim Namen genannt werden", sagte Boulgarides.


 
NSU-Schlussplädoyer: Zschäpe verschickte Bilder von Ermordeten !

Eine bewusste "Verhöhnung" der Opfer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) warf die Bundesanwaltschaft der Angeklagten Beate Zschäpe am dritten Tag der Schlussplädoyers vor dem Oberlandesgericht München vor.

Bis zum Schluss habe sie hinter den Zielen des NSU gestanden, sagte Oberstaatsanwältin Anette Greger.
Zschäpe habe nach dem Tod von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im November 2011 die Möglichkeit gehabt, einen Schlussstrich zu ziehen.
Stattdessen habe sie möglichst viele Bekenner-DVDs mit Bildern der vom NSU Ermordeten in ihrem Blut verschickt.
Zschäpes Angabe, sie habe geglaubt, die Filme seien ein Bekenntnis zu den Raubüberfällen des NSU, nannte Greger absurd.

Die Oberstaatsanwältin sagte, die Angeklagte habe auch ein Zeitungsarchiv mit Berichten über die Morde und Bombenanschläge des NSU geführt – und dieses stets nach weiteren Taten aktualisiert.
Zschäpe hatte dagegen erklärt, zum Teil erst lange nach den Taten davon erfahren zu haben.

Keine Hintermänner
Energisch widersprach Greger der These, das NSU-Trio könnte an den Tatorten über Hintermänner aus der rechten Szene verfügt haben.
Die Anklägerin sagte, einige Rechtsanwälte hätten ihren Mandanten offenbar solche Hintermänner versprochen – darauf hätten sich aber weder bei den Ermittlungen noch im Prozess Hinweise ergeben.
Auch eine Verwicklung eines V-Mannes, der beim Mord an Halit Yozgat in Kassel zur Tatzeit in dessen Internetcafé war, schloss Greger aus.

Der Nebenklageanwalt Sebastian Scharmer warf der Bundesanwaltschaft hingegen vor, zu ignorieren, dass es "zahlreiche Beweismittel" gebe, die auf Unterstützer des NSU an den jeweiligen Tatorten hindeuteten: Der Generalbundesanwalt sei entsprechend verantwortlich, dass die Hinweise auf mögliche Hintermänner nicht angemessen verfolgt worden seien.

50 Juristen, 55 Stunden Schlussplädoyers
Das Plädoyer wird am Montag oder Dienstag, den beiden verbleibenden Verhandlungstagen vor einer vierwöchigen Sommerpause, abgeschlossen.
Wie der Berliner "Tagesspiegel" berichtete, schickte Scharmer an das Gericht ein Schreiben zum erwartenden Umfang der Plädoyers der Nebenkläger.

Demnach listete er 50 Juristen auf, die nacheinander vortragen wollen.
Die angemeldeten Plädoyers könnten demnach in der Summe etwa 55 Stunden und damit nach Verhandlungstagen etwa einen Monat in Anspruch nehmen.
Allerdings sei unklar, ob nicht noch weitere Nebenkläger ein Plädoyer halten wollen.

Die Plädoyers der Nebenkläger sollen nach der Sommerpause beginnen –diese geht bis Ende August.
Nach den Nebenklägern halten die Verteidiger der fünf Angeklagten ihre Schlussvorträge.


 
Nebenkläger im NSU-Prozess empört über Bundesanwaltschaft !

München - Mehrere Nebenklage-Anwälte im NSU-Prozess haben scharfe Kritik am Plädoyer der Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess geübt.

Rechtsanwalt Alexander Hoffmann sagte, die Anklagebehörde halte gegen die Beweislage an der These fest, das NSU-Trio aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sei eine "isolierte Gruppe" gewesen.
Andere Nebenkläger äußerten sich empört über den von der Bundesanwaltschaft erhobenen Vorwurf, sie hätten ihren Mandanten - Opfern und Hinterbliebenen - zu viel "über die Aufdeckung von Hintermännern im Prozess" versprochen.

Dieser Vorwurf, den Oberstaatsanwältin Anette Greger erhoben hatte, sei eine "Frechheit", sagte Rechtsanwalt Sebastian Scharmer.
Die Bundesanwaltschaft ignoriere, dass während des mehr als vier Jahre laufenden Verfahrens "zahlreiche Beweismittel gefunden wurden, die Unterstützer der Gruppe an den jeweiligen Tatorten nahelegen".
Scharmer vertritt im NSU-Prozess eine Tochter des im April 2006 in Dortmund ermordeten Kiosk-Betreibers Mehmet Kubasik.

Rechtsanwalt Yavuz Narin nannte den Vorwurf der Anklagebehörde "infam".
Tatsächlich habe die Bundesanwaltschaft "die Beweisaufnahme immer wieder blockiert".
Als Beispiel nannte er den Versuch von Nebenklägern, einen Beamten des Bundesamtes für Verfassungsschutz als Zeugen zu laden.
Die Bundesanwaltschaft hatte sich im Prozess gegen dessen Ladung gewandt.
Dieser Beamte sei für die Vernichtung zahlreicher Akten verantwortlich, sagte Narin, der die Familie des in München ermordeten Theodoros Boulgarides vertritt.

Hoffmann widersprach auch der Darstellung der Bundesanwaltschaft, das NSU-Trio habe sich von der rechtsextremen Unterstützerszene in Chemnitz abgesetzt, bei der Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt nach ihrem Untertauchen Zuflucht fanden.
Die drei seien nur deshalb nach Zwickau umgezogen, weil "Chemnitz für sie kein sicherer Ort" mehr gewesen sei, sagte Hoffmann.
Der Fahndungsdruck sei zu groß geworden.
Mitglieder der Chemnitzer Szene hätten das NSU-Trio aber immer wieder in Zwickau besucht.

Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft wollte die Vorwürfe nicht kommentieren.
Er stellte aber Stellungnahmen nach Abschluss des Plädoyers in Aussicht.
Der Schlussvortrag der Anklagebehörde soll kommenden Montag fortgesetzt werden und wird voraussichtlich erst nach dem Ende der Gerichtsferien im September beendet.

Hauptangeklagte im NSU-Prozess ist Beate Zschäpe.
Die Bundesanwaltschaft wirft ihr volle Mittäterschaft an allen Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" vor, zu denen neun fremdenfeindlich motivierte Morde und die Ermordung der Heilbronner Polizistin Michèle Kiesewetter gehören.


 
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