Der NSU Prozess !

431. Verhandlungstag: Verteidiger - Zschäpe ist keine Mörderin

Beate Zschäpe könne nicht wegen der von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos begangenen Morde verurteilt werden, sagte Rechtsanwalt Wolfgang Stahl heute in seinem Plädoyer.
Zschäpe sei keine Mittäterin.
Sie habe keinen Einfluss auf die Taten gehabt.

Neben Anja Sturm und Wolfgang Heer ist Wolfgang Stahl einer der sogenannten "Alt-Verteidiger" von Beate Zschäpe.
Mit ihnen hatte sich die Hauptangeklagte im Laufe des Prozesses zerstritten, was dazu führte, dass sie mit Mathias Grasel und Herrmann Borchert zwei zusätzliche Verteidiger bekam.
Grasel und Borchert haben schon vor Wochen plädiert, seit ein paar Tagen sind nun Sturm, Heer und Stahl an der Reihe.

Keine Tatherrschaft
Dass aufgrund der Beweisaufnahme feststehe, dass Beate Zschäpe keine Terroristin, Mörderin und Attentäterin sei, hatte Wolfgang Heer bereits vergangene Woche behauptet.
Stahl konkretisierte die These heute noch einmal, indem er die von der Anklage angenommene Mittäterschaft in Zweifel zog.


Grundsätzlich sei es zwar möglich, als Mittäter bestraft zu werden, auch wenn man, wie Beate Zschäpe, bei keiner der Taten direkt dabei gewesen wäre, sagte Stahl.
Es fehle im konkreten Fall aber an einem gemeinsamen Tatentschluss.
Zschäpe habe die Taten nicht gewollt und auch keinen Einfluss auf die Begehung durch Mundlos und Böhnhardt nehmen können.
Sie habe keine Tatherrschaft gehabt, keinen einzigen Tatbeitrag geleistet und damit keine Tat gemeinschaftlich begangen.


Mitwisserschaft und keine Mittäterschaft
Stahl warf der Bundesanwaltschaft vor, auf der Basis des Satzes "Wer mit Verbrechern zusammenlebt, ist selbst Verbrecher", zu argumentieren.
Dabei habe schon der renommierte Strafrechtler Claus Roxin in einem Interview gesagt: "Es ist sicherlich keine wünschenswerte Lebensform, mit zwei Mördern zusammenzuleben, aber das macht einen Menschen noch lange nicht selbst zum Mörder."
Dass Zschäpe von den Morden, Sprengstoffanschlägen und Raubüberfällen ihrer Mitbewohner gewusst habe, sei unerheblich, meint Stahl.
Mitwisserschaft sei keine Mittäterschaft.
Zschäpe müsse daher vom Vorwurf der Mittäterschaft freigesprochen werden.


 
432. Verhandlungstag: Das Plädoyer wiederholt sich !

Als letzte der drei sogenannten Altverteidiger von Beate Zschäpe versucht Rechtsanwältin Anja Sturm Zweifel an der Überzeugung der Bundesanwaltschaft zu sähen, ihre Mandantin sei gleichberechtigte Mittäterin bei den Verbrechen des NSU gewesen.

Zschäpe-Verteidigerin Sturm beginnt ihren Schlussvortrag mit Vorwürfen, die bereits ihr Kollege Wolfgang Heer erhoben hat.
Aber, so sagt sie, man könne nicht oft genug darauf hinweisen.
Und sieht es als geboten an, abermals die Vorverurteilung durch den damaligen BKA-Chef Jörg Ziercke zu kritisieren.
Bereits im Dezember 2012 hatte er auf einer Pressekonferenz von einer "Mörderbande" und von "Terroristen" gesprochen.
Im Zuge dieser vermeintlichen Vorverurteilung seien viele Zeugen unter Druck gestanden, etwas auszusagen, was Zschäpe belaste.
Eine Frau etwa habe angegeben, sie "fühle sich in die Enge getrieben“.

Keine terroristische Vereinigung
Beate Zschäpe aber, davon ist Sturm überzeugt, war gar kein Mitglied des "Nationalsozialistischen Untergrunds".
"Sie habe den NSU weder mitbegründet, noch habe sie sich an ihm beteiligt."
Im strafrechtlichen Sinne sei der NSU gar keine terroristische Vereinigung gewesen, sagt Sturm, denn er habe nur aus Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bestanden.
Vielleicht, so mutmaßt Sturm, wäre es den Ermittlern nach den Verfolgungspannen peinlich gewesen, wenn man es nur mit zwei Einzeltätern zu tun gehabt hätte.

Apell an das Gericht
Mehrfach appelliert Sturm an das Gericht, auch in Erwägung zu ziehen, dass es auch anders gewesen sein könnte, als von der Bundesanwaltschaft dargestellt: "Ich weiß genauso wenig wie Sie, was sich zugetragen hat, geschweige denn, was Zschäpe gedacht und gewollt hat.
Aber ziehen Sie bitte in Betracht, dass es anders gewesen sein kann."
Es ist der Versuch, die Überzeugung der Bundesanwaltschaft zu erschüttern.
Die sieht es als erwiesen an, dass Böhnhardt und Mundlos während ihres Lebens im Untergrund zehn Menschen ermordeten, neun davon aus rassistischen Motiven.
Dass sie zwei Sprengstoffanschläge verübten und 15 Raubüberfälle.
Und dass Beate Zschäpe all diese Taten durch ihr Verhalten überhaupt erst ermöglicht habe.
Und deshalb als Mittäterin zu verurteilen sei.

Das Plädoyer wiederholt sich
"War Zschäpe aber wirklich die eiskalte und berechnende Mörderin, der Kopf hinter Böhnhardt und Mundlos, wie es die Ankläger behaupten?"
Diese aus ihrer Sicht rhetorische Frage stellt Sturm an den Anfang ihrer Überlegungen, warum dem eben nicht so war.
Letzten Endes sei sie mit Böhnhardt und Mundlos nur in den Untergrund gegangen, um sich der drohenden Strafverfolgung zu entziehen.
Anfängliche Überlegungen, sich der Justiz zu stellen, seien an falschen Rechtsauskünften eines Anwalts gescheitert, später, nach den Verbrechen, habe es keinen Weg zurück in die Legalität gegeben.
Auch das wurde jetzt im NSU-Prozess wiederholt vorgetragen.
Wie heißt es so schön: Es wurde bereits alles gesagt, nur noch nicht von jedem.


 
433. Verhandlungstag: Zwischen Korinth und Konfuzius !

Am zweiten Tag ihres Plädoyers verirrt sich Zschäpes Pflichtverteidigerin teils im Kleinteiligen und erinnert das Gericht mit einem Zitat an seine Verpflichtung zur Wahrheit.

Der 433. Verhandlungstag im NSU-Prozess war eigentlich ein sehr typischer.
Den Zuhörern auf der Saal-Tribüne und den Prozessbeteiligten wurde, einmal mehr, viel Geduld abverlangt.

Beate Zschäpes Pflichtverteidigerin Anja Sturm setzte ihren Schlussvortrag fort und ging ins Detail.
Die Juristin nahm sich zahlreiche Zeugenaussagen aus rund fünf Jahren Terrorismus-Prozess vor und versuchte so, den Beleg zu führen, dass ihre Mandantin eher politisch verführte Mitläuferin als gleichberechtigtes Mitglied einer Terrorzelle war.
Verteidigerin Sturm griff selektiv zahllose Zitate aus Aussagen raus, warf Gericht und Bundesanwaltschaft vor, suggestiv gefragt und voreingenommen gearbeitet zu haben und zeichnete das Bild einer fremdbestimmten Frau, die sich aus emotionaler Abhängigkeit heraus, zwei Männern quasi unterwarf und deren Tun nicht hinterfragte.

Einmal mehr: Wer ist Zschäpe?
Sturms Ausführungen gerieten dabei selbst für den detail-bewussten Zuhörer sehr kleinteilig und warfen teils die Frage nach dem Zusammenhang zu den angeklagten Taten auf.
Es gelang der Juristin aber aufzuzeigen, wie viel Raum für Interpretationen auch nach fünf Jahren Prozess noch da ist, wenn es um die genaue Rolle der Hauptangeklagten geht.

Anja Sturm versuchte Zweifel zu säen - am Bild der kaltblütigen Neonazi-Terroristin, das die Bundesanwaltschaft gezeichnet hat.
Das Plädoyer von Verteidigerin Sturm ist noch nicht zu Ende.

Am Schluss des heutigen Tages wandte sich die Juristin an das Gericht, dem sie vorwarf im bisherigen Verlauf des Prozesses Fehler gemacht zu haben.
Sturm zitierte Konfuzius und sagte an die Adresse des Senats: "Wer einen Fehler nicht korrigiert, macht einen weiteren."
Beate Zschäpe hörte zu und wirkte dabei eher gelangweilt.


 
434. Verhandlungstag: Urteil in Kürze? Zu früh gefreut !

Heute kann man mal wieder vortrefflich spekulieren, wann dieser Mammutprozess endlich zu Ende geht.
Bis gestern schien alles weitgehend klar.
Aber weit gefehlt.

Wie gesagt - bis gestern schien alles weitgehend klar: Heute oder spätestens morgen würde das letzte Plädoyer im NSU-Prozess vorbei sein, in der kommenden Woche dann die Beschlüsse zu den letzten Beweisanträgen verlesen, anschließend kämen die Schlussworte der Angeklagten dran.
Und Anfang Juli, mit der Urteilsverkündung, wäre zur Erleichterung vieler Prozessbeteiligter alles vorbei.

In gepflegter Langsamkeit
Aber weit gefehlt: Erstens verliest Anja Sturm aus der Riege der drei Altverteidiger von Beate Zschäpe ihr Schlusswort in gepflegter Langsamkeit (was den Vorteil hat, dass die Reporter bequem mitschreiben können).
Zweitens muss und will auch sie - wie alle, die vor ihr plädiert haben - nach 45 Minuten eine Pause einlegen.
Drittens schafft Sturm pro Tag nur drei solcher Vortragsblöcke, weil sie sich nach eigenem Bekunden noch nicht wieder fit fühlt.

E. bekommt Migräne
Nun ja, und viertens: Der Mitangeklagte André E. lässt nach der Mittagspause über seinen Verteidiger Kaiser mitteilen, dass er an einer Migräne leide und der Verhandlung nicht länger folgen könne.
Kaiser bringt einen angeblich bevorstehenden Wetterwechsel ins Spiel, der Auslöser für die Migräne sei.
Jedenfalls lässt Richter Götzl die Verhandlung bis morgen unterbrechen.
Mit dem Sturm-Plädoyer scheint die Migräne jedenfalls nichts zu tun zu haben.

Urteil im Juli oder doch erst im November?
Vor dem Gerichtssaal dann kurzer Informationsaustausch mit Prozessbeteiligten: Danach heißt es, dass Frau Sturm auch morgen nicht mit ihrem Plädoyer fertig wird.
Mögliche juristische Scharmützel mit einkalkuliert, wird es jetzt vielleicht noch weitere vier Wochen (oder wie ein Vertreter der Nebenklage leicht genervt meinte: noch vier Monate) weiterverhandelt, bis das Urteil gesprochen wird.

Zu früh gefreut
So ist es eben: Das Unkalkulierbare ist seit Anfang an Teil des NSU-Verfahrens.
Denn verlassen kann man sich hier auf nichts, meistens hat man sich zu früh gefreut.
Und wer als Prozessbeobachter im Juni denkt, er müsse seinen Urlaub abbrechen und zurück nach München eilen, weil das Urteil ja unmittelbar bevorstehe, der sollte sich einfach eine kleine Portion Fatalismus aneignen: Es ist immer noch anders gekommen als gedacht.


 
435. Verhandlungstag: Zschäpe-Verteidiger - NSU war keine Vereinigung und verübte auch keinen Terror !

Schließlich ging es doch schneller als gedacht: Die Pflichtverteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe beendeten heute ihr mehr als zwei Verhandlungswochen dauerndes Plädoyer, nachdem es zuletzt immer wieder Verzögerungen und Unterbrechungen gegeben hatte.
Wann der Prozess zu Ende gehen wird, bleibt dennoch unklar

Seit fast einem Jahr schon laufen vor dem Oberlandesgericht in München die Schlussvorträge von Bundesanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung und ausgerechnet Anja Sturm war als Letzte an der Reihe.
Sturm gehört zur Riege der drei sogenannten Alt-Verteidiger Zschäpes, mit denen sich die Hauptangeklagte vor knapp drei Jahren überworfen hat, wobei Sturm damals von Zschäpe besonders angefeindet wurde.
Auch heute quittierte die Hauptangeklagte die Ausführungen ihrer Anwältin mit demonstrativem Desinteresse, starrte die meiste Zeit ins Nichts oder auf den Bildschirm ihres Laptops.

Dabei hatte Anja Sturm durchaus Erstaunliches zu bieten.
Ihre These: Der NSU war keine terroristische und auch keine kriminelle Vereinigung.
Beate Zschäpe habe sich mit den beiden Mördern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nicht etwa zu einer Terrortruppe zusammengetan, sondern nur zu einer „Wohngemeinschaft“.
„Das ist natürlich sehr plastisch und banal ausgedrückt“, so Sturm.
„Aber darauf muss man es reduzieren, wenn man es strafrechtlich genau anschaut“

Was ist Terrorismus?
Zudem, so Sturm, seien die juristischen Voraussetzungen für Terrorismus im Fall NSU gar nicht gegeben.
Denn dieser habe sich nie zu seinen Taten bekannt, es fehle somit das notwendige „kommunikative Element“.
Und: Der NSU habe auch nicht die gesamte Bevölkerung verunsichert, sondern nur einen Teil und das auch nicht „erheblich“.
Anwälte der NSU-Opfer bezeichneten diese Argumentation als komplett blödsinnig und perfide.
„Letztlich sagt Frau Sturm: Minderheiten kann man angreifen, so viel man will, das kann kein Terrorismus sein.
Terrorismus kann es nur sein, wenn die Mehrheitsbevölkerung angegriffen ist“, so Nebenklage-Vertreter Björn Elberling.
„Also Islamisten, das sind Terroristen, aber Nazis oder Rechtspopulisten, die gezielt Leute angreifen, um sie aus dem Land zu treiben, das können per Definition keine Terroristen sein.“

Kopfschütteln bei der Nebenklage
Auch bei Sebastian Scharmer, der die Tochter des Dortmunder NSU-Mordopfers, Mehmet Kubasik vertritt, löste das Plädoyer der Zschäpe-Verteidigung Kopfschütteln aus: „Dieses Bild Zschäpes als unselbstständige Person, die Katzen mochte und Kindern Süßigkeiten geschenkt hat, in einem Prozess, wo es um zehn Morde, zwei Sprengstoffattentate, 15 Raubüberfälle und eine faschistische Ideologie geht, das ist tatsächlich ein bisschen schwer zu ertragen.“

Zschäpe keine Gefahr für die Allgemeinheit?
Erwartungsgemäß lehnten die Zschäpe-Anwälte zum Ende ihres Plädoyers auch eine Sicherungsverwahrung für ihre Mandantin ab, wie sie die Bundesanwaltschaft gefordert hat. Zschäpe habe – entgegen der Ansicht des gerichtlichen Gutachters – keinen Hang zu Straftaten und sei keine Gefahr für die Allgemeinheit.
„Wir drei Verteidiger sind der Auffassung, dass Beate Zschäpe keine Terroristin ist, sie ist keine Mörderin“, so Anwalt Wolfgang Heer.
„Sie kann lediglich wegen Inbrandsetzung des Hauses in der Frühlingsstraße in Zwickau verurteilt werden und das auch nicht wegen schwerer, sondern nur wegen einfacher Brandstiftung.“
Die dafür zu erwartende Strafe sei durch die lange Untersuchungshaft längst verbüßt, weshalb die Anwälte schon zu Beginn ihres Plädoyers die sofortige Freilassung Zschäpes gefordert hatten.
Dem wird das Gericht kaum nachkommen, glaubt Opferanwalt Scharmer: „Es ist ein bisschen schade in so einem historischen Prozess, dass am Ende eine Verteidigung in Erinnerung bleiben wird, die über mehrere Tage juristische Scheindiskussionen geführt hat, ohne dass das in irgendeiner Art und Weise irgendjemanden hier überzeugen kann.“

Zurück in die Beweisaufnahme
Zumindest eines aber haben die Zschäpe-Altverteidiger erreicht: Das Oberlandesgericht wird nächste Woche wieder in die Beweisaufnahme einsteigen und einen Brandsachverständigen als Zeugen vernehmen.
Wie es danach weiter geht und wann mit einem Urteil zu rechnen ist, bleibt unklar.


 
Im NSU-Prozess rückt das Urteil näher: Letzte Beweisanträge !



Das Münchner Oberlandesgericht (OLG) steht im NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und vier mitangeklagte mutmaßliche Terrorhelfer möglicherweise kurz vor dem Urteil.
In der kommenden Woche will sich der verhandelnde Staatsschutzsenat mit letzten Beweisanträgen beschäftigen.
Am Dienstag ist ein Gutachter zur Verhandlung geladen.
Anschließend könnten die letzten Worte der Angeklagten folgen.
Das Gericht hätte dann zehn Tage Zeit für die Urteilsberatung und müsste am elften Tag das Urteil verkünden.


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In dem Gutachten geht es am Dienstag um das Haus in Zwickau, in dem Zschäpe mit ihren beiden Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt lebte und das sie nach dem Selbstmord der beiden Männer in Brand setzte.
Nach Ansicht ihrer drei ursprünglichen Pflichtverteidiger ist diese Brandstiftung die einzige Tat, für die das Gericht sie verurteilen könne.
Die Strafe dafür solle die bisherige Untersuchungshaft nicht übersteigen, so dass Zschäpe spätestens mit dem Urteil auf freien Fuß zu setzen sei.
Zschäpe ist seit dem Auffliegen des NSU im November 2011 inhaftiert.

Die Bundesanwaltschaft hat dagegen lebenslange Haft mit Sicherungsverwahrung gegen Zschäpe beantragt.
Die Anklage hält es für erwiesen, dass sie Mittäterin an allen Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) war.
Zschäpe sei eines von drei gleichberechtigten Mitgliedern gewesen.
Bei der Gruppe handele es sich um eine terroristische Vereinigung.
Zu ihren Taten zählten zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge, die Mundlos und Böhnhardt aus Fremdenhass oder Hass auf den Staat verübt haben sollen.
Neun der Mordopfer waren Gewerbetreibende türkischer oder griechischer Herkunft, eines eine Polizistin.

Zschäpes Verteidigungsteams - neben den drei ursprünglichen Pflichtverteidigern zwei Vertrauensanwälte - fordern für diese Anklagepunkte Freispruch.
Sie bestreiten Zschäpes Mitgliedschaft beim NSU, der damit überdies nur zwei Mitglieder gehabt habe und rechtlich darum nicht als terroristische Vereinigung zu sehen sei.

Damit liegen die Strafforderungen gegen Zschäpe maximal weit auseinander.
Wie sich das Gericht am Ende entscheiden wird, halten zahlreiche Prozessbeteiligte für nicht vorhersehbar.


 
436. Verhandlungstag: Die Tage sind gezählt !

Bereits am kommenden Dienstag werden Beate Zschäpe und drei ihrer vier Mitangeklagten Gelegenheit zum letzten Wort im NSU-Prozess haben.
Danach ist das Gericht an der Reihe: Innerhalb von elf Tagen muss es sein Urteil sprechen.
Das Mammutverfahren könnte also nach über fünf Jahren bereits übernächste Woche enden.

Beate Zschäpe will nach Angaben ihres Verteidigers Mathias Grasel etwa fünf Minuten sprechen, Ralf Wohlleben und Holger G. planen einminütige Schlussworte, Carsten S. kalkuliert mit ein, zwei Minuten.
Nur André E. will gar nicht von seinem Recht als Angeklagter auf das letzte Wort Gebrauch machen.
Als das Gericht am Dienstagnachmittag seinen Plan bekannt gibt, dass die Angeklagten am kommenden Dienstag noch einmal Gelegenheit bekommen sollen, im Prozess zu sprechen, beginnen sofort die Spekulationen, wann das Gericht sein Urteil fällen wird.

Spekulationen über Urteilstermin
Theoretisch könnte es dies nach einer gewissen Pause noch am selben Tag tun.
Das erscheint aber höchst unwahrscheinlich, denn schließlich wird das Gericht den Nebenklägern ermöglichen wollen, zum Urteil nach München zu kommen.
Ein paar Tage Vorlauf sind dafür unerlässlich.
Auf der anderen Seite muss der Senat spätestens am elften Tag nach Verhandlungsende urteilen - spätestens also übernächste Woche.
Da sind vom 10. bis 12 Juli am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag drei Verhandlungstage angesetzt.
An einem dieser Tage dürfte das Urteil fallen.
Ob sich der Vorsitzende Manfred Götzl in irgend einer Weise nach dem Spielplan der Fußball-WM richtet?
Am Dienstag und Mittwoch sind die Halbfinals angesetzt, Donnerstag wäre spielfrei, zumindest an diesem Tag bestünde die Chance, dass die Nachricht über das Urteil nicht zur Nebensache würde.

Ist die Beweisaufnahme endgültig abgeschlossen?
Dass vieles anders kommt als zunächst erwartet, zeigt auch der heutige Verhandlungstag.
Obwohl die Verteidiger ja bereits vergangene Woche ihre Plädoyers beendet hatten, eröffnet das Gericht wieder die Beweisaufnahme.
Im Zeugenstand: ein inzwischen pensionierter Brandgutachter des Bayerischen Landeskriminalamtes.
Zschäpe hatte ja eingeräumt, ihre letzte Wohnung in Zwickau in Brand gesteckt zu haben, um Beweismittel nach dem Selbstmord ihrer Freunde Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zu vernichten.
Weil sich im Nachbarhaus eine alte hochbetagte Frau aufhielt und zu diesem Zeitpunkt gewöhnlich zwei Handwerker im Haus arbeiteten, wirft die Anklage Zschäpe nicht nur schwere Brandstiftung vor, sondern versuchten Mord in drei Fällen.

Heer schießt ein Eigentor
Wolfgang Heer und Anja Sturm, zwei der drei sogenannten Altverteidiger, erhoffen sich durch den Sachverständigen Entlastung ihrer Mandantin.
Doch es kommt anders.
Die Mauer zwischen beiden Gebäuden hätte zwar aufgrund ihrer Stärke wie eine Brandschutzmauer gewirkt, so der Experte, das Nachbarhaus sei aber trotzdem kurz davor gestanden, in Flammen aufzugehen.
"Und das kann ich beweisen", fügt er an.
Denn der rund um das Gebäude führende Dachüberstand, an dem die Dachrinne befestigt ist, bestand aus Holz.
"Fünf Minuten später hätte auch das andere Haus gebrannt, das wurde nur verhindert, weil die Feuerwehr schnell vor Ort war."
Der Schluss, der daraus zu ziehen ist: Die alte Nachbarin befand sich objektiv in Gefahr und kam nur nicht zu Schaden, weil die Feuerwehr schnell eingriff.
"So deutlich hat das in diesem Prozess noch niemand formuliert", sagt in der Mittagspause der Verteidiger eines anderen Angeklagten, "das war wieder ein echtes Eigentor, das Heer geschossen hat".

Andere Verteidiger sauer
Heer scheint das ganz anders zu sehen.
Unverdrossen streitet er mit Richter Götzl, um mehr Zeit für seine Anträge.
Auch Zschäpe, so der Anwalt, dem die Hauptangeklagte schon lange das Vertrauen entzogen hat, solle überlegen können, ob sie das Gericht nicht doch wegen Befangenheit ablehnen möchte.
Schon wieder eine Überraschung.
Denn seit langem ist bekannt, dass Zschäpe keine Befangenheitsanträge mehr stellen will und nichts von Heers Verteidigungsstrategie hält.
Weshalb es Hermann Borchert, einem der beiden Verteidiger, die das Vertrauen von Zschäpe genießen, zu bunt wird.
"Einen solchen Antrag wird es nicht geben", geht Borchert sofort dazwischen - eine Aussage, die die Hauptangeklagte auf Nachfrage des Gerichts bestätigt.

Altverteidiger scheinen zerstritten
Heer und seine Kollegin Sturm stehen inzwischen allein auf weiter Flur.
Sogar Wolfgang Stahl, der dritte im Bunde der sogenannten Altverteidiger, hat sich von beiden offensichtlich entfernt.
Als Heer und Sturm nach Erstattung des Gutachtens Zeit erbitten, um in einem Beratungszimmer ihre Fragen an den Sachverständigen abzustimmen, bleibt Stahl demonstrativ im Gerichtssaal sitzen, signalisiert damit völliges Desinteresse an der Strategie seiner Kollegen.
Das Zerwürfnis innerhalb des Anwaltstrios, das jahrelang zusammengehalten hat, ist nicht mehr zu übersehen - auch das ist eine überraschende Wendung im NSU-Prozess.




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Prozess vor dem Ende: Nächste Woche Schlussworte der Angeklagten !

Mehr als fünf Jahre nach dem Beginn des NSU-Prozesses ist das Urteil in diesem Mammutverfahren in greifbare Nähe gerückt.
Das Münchner Oberlandesgericht hat am Dienstag den Fahrplan für die Schlussphase festgelegt.

Bereits nächste Woche haben die fünf Angeklagten die Möglichkeit, letzte Worte an den Strafsenat zu richten.
Danach haben die Richter elf Tage Zeit, ihr Urteil zu verkünden.
Bei vielen Anwälten der NSU-Opfer ist die Erleichterung groß.
"Wir haben erst gestern im Kollegenkreis mal gerätselt: Gab es eigentlich schonmal einen Prozess mit soviel Hauptverhandlungstagen?", so Nebenklageanwalt Hardy Langer.
"Und nun sind auch mal froh, wenn es zu Ende geht."
Sein Kollege Björn Elberling ergänzt: "Wirklich glauben tue ich es erst, wenn der Vorsitzende den Termin für das Urteil bestimmt, was ja hoffentlich nächste Woche der Fall sein wird."
Auch Anwältin Doris Dierbach ist noch vorsichtig: "Ob das wirklich so ist, bleibt abzuwarten.
Denn die Verteidigung von Beate Zschäpe hat ja angekündigt, noch Beweisanträge zu stellen."

Erneute Anträge von Zschäpes Altverteidiger
Auch am 436. Verhandlungstag hatte es zunächst so ausgesehen, als würden die Zschäpe-Altverteidiger Wolfgang Heer und Anja Sturm das Verfahren erneut verzögern.
Nachdem das Gericht auf ihren Antrag hin am Vormittag einen Brandsachverständigen des bayerischen Landeskriminalamts vernommen hatte, wollten Sturm und Heer auch noch einen Brandschutzsachverständigen laden lassen.
Dabei geht es um das Feuer, das Beate Zschäpe am 4. November 2011 in der Wohnung des NSU in Zwickau gelegt hat, um Beweise zu vernichten.
Dass die Verteidiger so kurz vor Prozessende noch einmal Beweisanträge stellen wollen, stößt bei Opferanwalt Thomas Bliwier auf Unverständnis: "Das sind so letzte Rückzugsgefechte: Anträge, die mit der Beweisaufnahme, der Schuld- und der Straffrage wirklich nichts mehr zu tun haben."

Zschäpe brüskiert ihre Altverteidiger
Nach mehreren Verhandlungsunterbrechungen verwarf der Senat schließlich den Antrag von Sturm und Heer.
Diese hatten zwar noch versucht, ihre Mandantin, die seit bald drei Jahren mit ihnen kein Wort mehr wechselt, zu einem Befangenheitsantrag gegen die Richter zu bewegen.
Doch Beate Zschäpe brüskierte ihre Altverteidiger einmal mehr und ließ über ihren neuen Verteidiger Hermann Borchert ausrichten, dass sie daran kein Interesse habe.
Womit nun tatsächlich der Weg frei ist für die Endphase des Prozesses: Die Schlussworte der fünf Angeklagten.

Nur André E. will weiter schweigen
Bis auf den mutmaßlichen NSU-Unterstützer André E. haben alle am Dienstag angekündigt, diese Gelegenheit auch zu nutzen - einschließlich Beate Zschäpe.
Kommenden Dienstag soll es soweit sein.
Theoretisch könnte der Strafsenat gleich im Anschluss an die letzten Worte sein Urteil fällen, allerdings gehen Prozessbeobachter davon aus, dass das Oberlandesgericht sich damit etwas Zeit lässt, um den zahlreichen Nebenklägern, den Opfern des NSU bzw. deren Angehörigen, die Gelegenheit zu geben, nach München zu reisen und der Urteilsverkündung beizuwohnen.
Doch egal wie das Urteil am Ende ausschauen wird - eines steht für Nebenklage-Anwalt Hardy Langer schon fest: "Es gibt in der Tat noch viele Sachen, die noch nicht geklärt sind und die die Angehörigen der Opfer viel mehr interessiert hätten."

Viele Fragen bleiben ungeklärt
Insbesondere die Verantwortung staatlicher Behörden und hier vor allem der Geheimdienste harrt weiter der Aufklärung, sagt Thomas Bliwier, der die Eltern des Kasseler NSU-Mordopfers Halit Yozgat vertritt: „Wir können jetzt klarer als zu Beginn des Verfahrens sagen, dass tatsächlich bestimmte Fragen nicht beantwortet werden sollen und das liegt maßgeblich an den Verfassungsschutzbehörden.“

Dennoch sei der NSU-Prozess nicht umsonst gewesen, betont Björn Elberling, der Opfer des Nagelbombenattentats in der Kölner Keupstraße vertritt: "Ich glaube, dass nach diesem Prozess schon feststeht, dass der NSU kein abgeschlossenes Trio war, sondern aus einem Netzwerk besteht.
Der Prozess hat den Rassismus in den Polizeibehörden oder institutionellen Rassismus an vielen Stellen nochmal deutlich gemacht und dass da noch viel zu klären wäre an sogenannten Pannen.
Wie viel davon allerdings im Urteil stehen wird, das weiß ich nicht."


 
Urteil am 11. Juli: Zschäpe distanziert sich in Schlusswort von rechter Szene !

Im NSU-Prozess hat die Hauptangeklagte Beate Zschäpe in ihrem Schlusswort erklärt, dass für sie heute "rechtes Gedankengut" keine Rolle mehr spiele.
Das Urteil in dem Mammutprozess soll am 11. Juli fallen.

Beim 437. - und wohl vorletzten - Sitzungstermin im NSU-Prozess war der Gerichtssaal A101 nach langer Zeit wieder einmal bis auf den letzten Platz gefüllt.
Schließlich standen die Schlussworte der Angeklagten auf der Tagesordnung.
Auch Korrespondenten türkischer Tageszeitungen hatten sich eingefunden.

Zschäpe: "Die Angehörigen haben mein Mitgefühl"
Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe erschien in schwarzem Hosenanzug, mit streng zurückgekämmtem Haar und geflochtenem Zopf.
Wer nun erwartete, dass sie diese letzte Gelegenheit nutzen würde, um Substanzielles oder gar Bahnbrechendes auszusagen, wurde enttäuscht.

Zschäpe sprach mit fester Stimme selbst.
Sie entschuldige sich "für das Leid, das ich verursacht habe.
Die Angehörigen haben mein aufrichtiges Mitgefühl“, so Zschäpe.
Sie bereue, dass sie sich "nicht von Uwe Böhnhardt getrennt habe".
Wie schon in einer Erklärung zuvor behauptete Zschäpe erneut, nichts davon gewusst zu haben, warum und wie Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ihre Mordopfer ausgewählt hatten.

"Mit diesem Kapitel abgeschlossen"
Zschäpe distanzierte sich von der rechten Szene, sie habe "mit diesem Kapitel abgeschlossen".
"Rechtes Gedankengut" habe keine Bedeutung mehr für sie.
Ihre knapp fünfminütige Erklärung beendete Zschäpe mit dem Satz: "Bitte verurteilen Sie mich nicht stellvertretend für etwas, das ich nicht gewollt oder getan habe."

Die Bundesanwaltschaft hatte für die heute 43-Jährige eine lebenslängliche Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung gefordert.
Sie soll Mittäterin bei zehn Morden und zwei Sprenstoffanschlägen gewesen sein.
Ihr wird außerdem Brandstiftung im Fall der letzten gemeinsamen Wohnung des NSU-Trios in Zwickau vorgeworfen.
Zschäpes zwei Verteidigerteams halten sie dagegen für die Morde und Anschläge für unschuldig.
Unterschiedlich sehen die Verteidiger Zschäpes Schuld an den anderen Straftaten: Ihre drei ursprünglichen Pflichtverteidiger halten lediglich eine Strafe für einfache Brandstiftung für angebracht, ihre beiden Wunschverteidiger höchstens zehn Jahre Gefängnis wegen Beihilfe bei zahlreichen Überfällen.

André E. bleibt weiter stumm
Der Angeklagte André E. sagte als einziger - wie erwartet - nichts.
Ihm droht eine Haftstrafe von bis zu zwölf Jahren.
Er soll den NSU logistisch unterstützt haben.

Sehr kurze Erklärungen von Wohlleben, Holger G. und Carsten S.
Der Angeklagte Ralf Wohlleben fasste sich sehr kurz.
Er gab an, er habe "alles was es aus meiner Sicht zu sagen gab", bereits vorgetragen.
Er schließe sich den Ausführungen seiner Verteidiger an.
Wohlleben wird von der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, sozusagen das "Mastermind" der NSU-Unterstützer gewesen zu sein.
Die Anklagebehörde forderte für Wohlleben ebenfalls eine Haftstrafe von zwölf Jahren.

Holger G. und Carsten S. entschuldigten sich.
"Ich muss mit meinem Fehler leben.
Ich kann die Schuld nicht abtragen", sagte ein sichtlich bewegter Carsten S.
Holger G. drohen fünf Jahre Haft, Carsten S. drei Jahre Jugendhaftstrafe.
Auch sie sollen den NSU unterstützt haben.

Urteil am 11. Juli
Nach dem kurzen Verhandlungstag verkündete der Vorsitzende Richter Manfred Götzl, der nächste Termin sei der 11. Juli.
Dann wird nach über fünf Jahren Prozess das Urteil gesprochen.

Zschäpe bildete laut Anklage zusammen mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos das sogenannte NSU-Trio.
Den Ermittlungen zufolge hatten Mundlos und Böhnhardt während der fast 14 Jahre, in denen das Trio im Untergrund lebte, zehn Menschen erschossen und zwei Sprengstoffanschläge verübt.
Das Motiv war in fast allen Fällen Fremdenhass.
Ein Mordopfer war eine Polizistin in Heilbronn.


 
ARD überträgt Urteilsverkündung im NSU-Prozess live !

München Am 11. Juli wird das Oberlandesgericht München das Urteil für Beate Zschäpe sprechen.

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Das Erste zeigt die Verkündung live im Fernsehen.
Die Urteilsverkündung im NSU-Prozess überträgt das Erste live.
Am Mittwoch, 11. Juli, will das Oberlandesgericht München das Urteil gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte sprechen.

Die Entscheidung der Richter lässt sich ab 9.55 Uhr verfolgen, wie das Erste am Freitag mitteilte.
Nach mehr als fünf Jahren geht damit einer der aufwendigsten Prozesse der deutschen Rechtsgeschichte zu Ende.

Zwei Dokumentationen in der ARD
Außerdem zeigt das Erste anlässlich der Urteilsverkündung zwei aktuelle Dokumentationen: Am Dienstag, 10. Juli (23 Uhr), widmet sich „Das Terrornetz – Zschäpes Helfer vor Gericht“ Zschäpes Mitangeklagten, die die beiden Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Untergrund unterstützt haben.

Am Mittwoch, 11. Juli (23.45 Uhr) zeigt das Erste dann „Heer, Stahl und Sturm - Wer Nazis verteidigt“.
Der Film konzentriert sich auf die Strafverteidiger von Beate Zschäpe, Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm.
Filmemacherin Eva Müller hat die drei Anwälte dafür über die gesamte Prozessdauer von mehr als fünf Jahren begleitet


 
NSU-Ombudsfrau John nennt Schreddern von Akten "Skandal" !

München - Vor dem Urteil im NSU-Prozess hat die Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opfer, Barbara John, die Vernichtung von Akten zur Neonazi-Szene in Thüringen im Bundesamt für Verfassungsschutz als "Skandal erster Güte" kritisiert.

Die Behörde habe damit gezeigt, dass sie "die Richtlinienkompetenz" der politischen Aufsicht für unbedeutend halte, sagte John der Deutschen Presse-Agentur in München.
Das Bundesamt wird, wie alle Geheimdienste, vom Kanzleramt koordiniert.
Wenige Tage vor der Schredder-Aktion im November 2011 hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) volle Aufklärung der NSU-Verbrechen versprochen.

Den NSU-Prozess, in dem die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe gemeinsam mit vier mutmaßlichen Terrorhelfern angeklagt ist, nannte John einen "Mammutprozess", der zu den "Mammutverbrechen" des "Nationalsozialistischen Untergrunds" passe.
Mit der Aufklärung habe der Staat viel Aufwand getrieben, was die Familien und Hinterbliebenen auch wahrgenommen hätten.

Wegen Mittäterschaft an den fast durchweg rassistisch motivierten Morden und Anschlägen ihrer beiden Freunde hat die Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess lebenslange Haft und Sicherungsverwahrung für Zschäpe beantragt.
Die Verteidigung fordert dagegen Freispruch für die Terror-Anklagepunkte und höchstens zehn Jahre Gefängnis für Raubüberfälle und Brandstiftung.
Das Oberlandesgericht München will das Urteil am Mittwoch verkünden.


 
Sieben Gründe, warum der NSU-Prozess so lange dauert !

München - Nach gut fünf Jahren und mehr als 430 Verhandlungstagen wird im NSU-Prozess das Urteil gegen Beate Zschäpe & Co. gesprochen.
Zwei oft gestellte Fragen: Warum erst jetzt, warum dauerte das so lange?
Und: Warum ist das so teuer?


Sieben Gründe:

1.) Beim NSU-Verfahren handelt es sich um einen der aufwendigsten Indizienprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Und das hat einen Grund: Es gibt bis heute keinen Beweis, dass Beate Zschäpe an einem der Mord- oder Anschlags-Tatorte war.
Dennoch will die Bundesanwaltschaft, dass die heute 43-Jährige als Mörderin verurteilt wird.
Das Gericht musste daher mit Hilfe unzähliger Indizien und Zeugenaussagen versuchen, sich ein eigenes Bild zu machen: Wie lief das Leben vor dem Abtauchen und dann im Untergrund ab?
Musste Zschäpe alles wissen, was ihre Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt taten?
Reichen die Indizien, um Zschäpe - wie dies die Anklage will - als Mittäterin verurteilen zu können, oder reichen sie nicht?
Ähnliches musste das Gericht auch bei anderen Angeklagten leisten: Ist der Weg der Mordwaffe so klar nachzuvollziehen, dass Ralf Wohlleben als Waffenbeschaffer wegen Beihilfe zum Mord verurteilt werden kann?

2.) Das Gericht musste eine ganze Fülle von Verbrechen juristisch aufarbeiten - nicht nur die neun rassistisch motivierten Morde und den Mord an einer deutschen Polizistin, sondern auch zwei Bombenanschläge und mehr als ein Dutzend Raubüberfälle.

3.) Auch die Zahl der Verfahrensbeteiligten sorgte dafür, dass das Verfahren länger dauerte.
Fünf Angeklagte mit insgesamt 14 Verteidigern, dazu Dutzende Nebenkläger und deren Anwälte: Jeder durfte im Prozess eigene Rechte wahrnehmen, Anträge stellen und anderes.
Bei den Nebenklägern handelt es sich um Angehörige der Mordopfer, aber auch um Menschen, die etwa bei einem der beiden Bombenanschläge teils selbst schwer verletzt wurden.

4.) Deutschland ist ein Rechtsstaat, in dem jeder Angeklagte in einem Gerichtsverfahren die gleichen Rechte genießt - egal ob er mutmaßlich Terrorist ist oder nicht.
Und die Aufgabe von Pflichtverteidigern ist es, ihre Mandanten bestmöglich zu verteidigen.
Natürlich ist es deren Recht und sogar deren Pflicht, Anträge zu stellen - auch wenn das Verfahren dadurch in die Länge gezogen wird.

5.) Sorgt sich ein Angeklagter, ob ein Richter oder der gesamte Senat möglicherweise befangen ist, darf er ein Befangenheitsgesuch stellen.
Dann müssen andere Richter darüber entscheiden.
Zwangspausen sind die Folge.
In bestimmten Phasen des Prozesses haben Angeklagte dieses Instrument allerdings sehr ausgiebig in Anspruch genommen - so dass sie sich den Vorwurf der Verzögerungstaktik gefallen lassen mussten.
Das Gericht musste dennoch sauber damit umgehen.

6.) Auch Erkrankungen von Angeklagten, eines Richters oder von Verteidigern sorgten manchmal dafür, dass Prozesstage ausfallen mussten.
Gemessen an der Dauer des Verfahrens mit mehr als 430 Verhandlungstagen bewegte sich das aber sehr im Rahmen.

7.) Dass der Prozess sehr teuer ist, hängt mit der Dauer des Verfahrens und der hohen Zahl der Prozessbeteiligten zusammen.
Pflichtverteidiger und Nebenklage-Anwälte müssen - so sieht es das Gesetz vor - aus der Staatskasse bezahlt werden, wenn das Gericht diese - wie geschehen - förmlich als Beistand bestellt.
Hinzu kommen Kosten für Sicherheitsdienste, Technik im Gerichtssaal und anderes.
Und dann sind für die Ermittlungen zusätzlich gewaltige Kosten entstanden: Spurensicherung an allen Tatorten, DNA-Untersuchungen, Rechtsmediziner, Zeugenvernehmungen, Sachverständige.
Diese Kosten sind noch gar nicht fertig kalkuliert.


 
NSU-Urteil: Höchststrafe für Zschäpe - so reagierten sie und der Saal - Zwischenfall vor dem Gericht !

Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe ist als Mittäterin schuldig gesprochen und zur Höchststrafe verurteilt worden.
Das Urteil nach langem Prozess wurde mit Spannung erwartet.

Nach über fünf Jahren NSU-Prozess wurde am heutigen Mittwoch in München ein Urteil gefällt.
Beate Zschäpe hat sich laut Gericht in zehn Mordfällen schuldig gemacht.
Sie wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Vier weitere Angeklagte wurden verurteilt.
Aller Voraussicht nach, wird Zschäpe und ihr Anwalt Revision einlegen.

13.30 Uhr: Nach dem Ende des NSU-Prozesses wollen auch die Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben das Urteil vom Bundesgerichtshof überprüfen lassen.
Dies kündigte Rechtsanwältin Nicole Schneiders am Mittwoch nach der Urteilsverkündung des Oberlandesgerichts München an.

12.50 Uhr: Die türkische Regierung hat das Urteil im NSU-Prozess als "nicht zufriedenstellend" kritisiert.
Das Außenministerium in Ankara erklärte am Mittwoch, die Türkei habe "zur Kenntnis genommen", dass die Hauptangeklagte Beate Zschäpe zu lebenslanger Haft und ihre Mitangeklagten ebenfalls zu langen Haftstrafen verurteilt worden seien.
Das Urteil habe aber "bedauerlicherweise" nicht den gesamten Hintergrund der NSU-Mordserie aufgeklärt.

Mögliche Verbindungen der NSU-Täter zu einem "Staat im Staate" und zum Geheimdienst seien nicht aufgeklärt, die "wahren Schuldigen" seien nicht gefunden worden, kritisierte das Außenministerium.
"Unter diesem Aspekt finden wir das Urteil nicht zufriedenstellend."

12.47 Uhr: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat den Angehörigen der Opfer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ Respekt gezollt.
Nach dem Verlust geliebter Menschen hätten sie Jahre der Ungewissheit und zum Teil falsche Verdächtigungen durch die Strafverfolgungsbehörden ertragen müssen, sagte Seehofer am Mittwoch.

Vor Gericht seien sie dann auch noch mit den Details der menschenverachtenden Taten konfrontiert worden.
„Mein ganzer Respekt gilt der Kraft der Angehörigen der ermordeten Opfer und den zum Teil schwer verletzten Überlebenden des NSU.“

12.32 Uhr: Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), hat nach dem Urteil im NSU-Prozess einen entschlossenen Kampf gegen Rechtsextremismus gefordert.
„Das Kapitel NSU ist mit dem Urteil im Fall Beate Zschäpe nicht abgehakt“, sagte Widmann-Mauz der „Rheinischen Post“ und der „Passauer Neuen Presse“.
Alle Verantwortlichen stünden in der Pflicht, den Kampf gegen Rechtsextremismus entschlossen voranzutreiben.
Rassismus entschieden entgegenzutreten erfordere zugleich die Zivilcourage eines jeden, erklärte Widmann-Mauz.
„Wir brauchen eine Kultur von null Toleranz, wenn Menschen angegriffen werden.“
Es gehe darum, „hinzuschauen hinzuhören und gegen Hass und Hetze das Wort zu ergreifen“.

Urteil im NSU-Prozess: Der Vater eines Opfers schrie plötzlich in den Saal

12.26 Uhr: Jetzt ist Pause, der Vater des Kasseler NSU-Opfers Halit Yozgat hat um 11:40 Uhr laut in den Saal geschrieen: „Es gibt keinen Gott außer Gott“ (auf Arabisch), dreimal, der Richter hat ihn zur Ruhe gebeten.
Das berichtet unsere Reporterin vor Ort.

12.14 Uhr: Die Tochter eines Opfers der NSU-Mordserie hat die Verurteilung von Beate Zschäpe wegen Mittäterschaft an den Morden und Gewalttaten als "ersten und sehr wichtigen Schritt" bezeichnet.
Das Urteil sei aber kein Trost, weil ihr Vater dadurch nicht wieder lebendig werde, erklärte Gamze Kubasik am Mittwoch nach der Urteilsverkündung am Oberlandesgericht München.
Ihr Vater war 2006 in Dortmund erschossen worden.

Sie forderte zugleich weitere Aufklärung. Wenn das Gericht ehrlich sei, werde es noch sagen, "dass Lücken geblieben sind", erklärte Kubasik.
Solange diese blieben, könnten ihre Familie und sie nicht abschließen.
Die Urteilsbegründung des Gerichts sollte sich über mehrere Stunden hinziehen.

12.12 Uhr: Wie hat Zschäpe das Urteil wahrgenommen?
Die Agentur afp berichtet beschreibt es so: „Beate Zschäpe sitzt starr auf ihrem Stuhl.
Der Rücken gerade, das Gesicht reglos.
Alleine ihre Finger verraten, dass die gerade von Richter Manfred Götzl verhängte Höchststrafe sie getroffen haben muss.
Fest verschränkt, fast verkrampft hält Zschäpe ihre Hände gefaltet zusammen, ihre Daumen bearbeiten die Handgelenke.
Erhält Götzls Urteil Rechtskraft, wird die 43-Jährige wohl erst ab dem Jahr 2030 auf eine Rückkehr in Freiheit hoffen können.“

12.00 Uhr: Das Urteil im NSU-Prozess war nach Ansicht der Pflichtverteidigerin von Beate Zschäpe schon lange beschlossene Sache.
Der Vorsitzende Richter habe am Mittwoch ein wenig den Eindruck vermittelt, dass „das Urteil seit sehr langer Zeit feststand“, sagte die Anwältin Anja Sturm in München.
Es sei ausgesprochen schwierig gewesen, dem Richter bei der Urteilsverkündung zu folgen.
Zudem sei die Begründung „ausgesprochen dünn“.

11.40 Uhr: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht das Vorgehen des Staates gegen den Rechtsextremismus nach den Behördenpannen der Vergangenheit entscheidend verbessert.
Die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern hätten den Kampf gegen Rechtsextremismus erheblich verstärkt, sagte Herrmann am Mittwoch zum Ende des NSU-Terrorprozesses in München.
„Dass der NSU über Jahre hinweg unbehelligt schwerste Straftaten verüben konnte, ist für uns Mahnung und Auftrag zugleich, dass sich solche Taten nie wieder wiederholen dürfen.“

Urteil im NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe: Heftige Kritik an Merkel

11.20 Uhr: Die Linken-Bundestagsabgeordnete Petra Pau hat die Bundesanwaltschaft zur Fortführung laufender Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der rechtsextremen Terrorzelle NSU aufgerufen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe bedingungslose Aufklärung der Mordtaten versprochen, sagte die Obfrau der Linken im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags nach dem Urteil im Münchner NSU-Prozess am Mittwoch.
„Das Versprechen ist nicht eingelöst.“
Noch immer existierten rechtsextreme Netzwerke.
„Während wir hier stehen, ist die Gefahr von weiteren rechtsextremen Taten weiter relevant.“
Pau ergänzte: „Was die Aufklärung über Gerichtsverfahren hinaus betrifft, da ist noch sehr viel Luft nach oben.“

11.09 Uhr: Das Urteil im Münchner NSU-Prozess muss vom Bundesgerichtshof überprüft werden.
Nach der Verurteilung von Beate Zschäpe wegen Mordes kündigte deren Verteidiger Wolfgang Heer am Mittwoch an, Revision einzulegen.

11.07 Uhr: Eines der NSU-Opfer war Halit Yozgat: Er wurde 2006 in seinem Internetcafé in Kassel ermordet.
Bei den Kollegen der HNA erfahren Sie, wie die Stadt Kassel von der grausamen Tat erschüttert wurde.

11.05 Uhr: "Ich hoffe, dass die heutige Urteilsverkündung ein weiterer Schritt für die Betroffenen und Angehörigen ist, das Erlebte zu verarbeiten", erklärte der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Edgar Franke am Mittwoch in Berlin.

"Die menschenverachtende Gesinnung, die in den Taten zum Ausdruck kam, erfordert eine klare gesellschaftliche Reaktion als Zeichen der Solidarität mit den Opfern dieser zynischen Verbrechen", erklärte Franke.
Er verwies darauf, dass die Härteleistungen für Opfer terroristischer Straftaten und extremistischer Übergriffe mit dem neuen Haushalt verdreifacht worden seien.

11.03 Uhr: Auch Außenminister Heiko Mass (SPD) meldet sich zu Wort: „Gegen rassistische Gewalt setzen wir nicht nur die Stärke des Rechts.
Gegen Intoleranz und Hass braucht es die Kraft der Vielfalt unserer offenen Gesellschaften - überall auf der Welt.
Das Leid, was die Täter angerichtet haben, ist durch nichts wiedergutzumachen.
Die Opfer bleiben unvergessen.“

10.57 Uhr: Für den Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) bleiben nach der Verurteilung der NSU-Hauptangeklagten Beate Zschäpe zu viele Fragen ungeklärt.
„Fragen nach einem möglichen Unterstützernetzwerk des NSU und der Mitverantwortung der Geheimdienste sind in diesem Prozess nicht oder nur sehr verengt thematisiert worden“, sagte Ramelow am Mittwoch.

Er ergänzte: „Das Gericht hat Recht gesprochen, mit dem Urteil über Frau Zschäpe hat einer der wichtigsten Prozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte ein juristisches Ende gefunden.
Dennoch vermag sich keine Erleichterung einstellen.“
Es werde die Aufgabe der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern bleiben, die politische und historische Aufklärung weiter voranzutreiben.

Zwischenfall vor dem Gericht - so reagierten Zschäpe und der Saal auf das Urteil

10.53 Uhr:Zwischenfall vor dem Gericht! Unser Reporter berichtet, dass die Bereitschaftspolizei anrücken musste, weil sich Demonstranten daneben benommen haben.
Rund zwanzig bewaffnete Beamte sichern den Vorplatz am Oberlandesgericht.

10.48 Uhr: Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) hat die Verurteilung der Hauptangeklagten im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, zu lebenslanger Haft begrüßt.
Der Verband forderte aber weitere Strafverfahren gegen „das Unterstützernetzwerk des NSU“.
Der TGD-Vorsitzende Gökay Sofuoglu sagte am Mittwoch: Bundeskanzlerin „Angela Merkel und viele andere haben den Opfern eine lückenlose Aufklärung versprochen.
Dieses Versprechen wurde gebrochen.“

Auch Charlotte Knobloch, die ehemalige Präsidentin der Zentralrats der Juden in Deutschland reagierte und erklärte, sie sehe nach dem NSU-Prozess kein Ende der Aufklärung.
Die Urteile könnten kein Schlussstrich unter die Mordserie der rechtsextremen Terrorgruppe sein, erklärte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern am Mittwoch.
Das Oberlandesgericht München habe jahrelang intensiv nach der Wahrheit gesucht; trotzdem seien viele Fragen offen geblieben.

10.40 Uhr: Nach der Urteilsverkündung im NSU-Prozess hat die Linke weitere Aufklärung gefordert.
„Mit dem Urteil im NSU-Prozess ist der Komplex nicht aufgeklärt.
Vieles spricht dafür, dass der NSU aus mehr als drei Neonazis bestand“, schrieb die Partei am Mittwoch auf Twitter.
Verfassungsschützern warf sie vor, die Aufklärung verhindert zu haben.
„Die Angehörigen haben ein Recht auf die Wahrheit.
Kein Schlussstrich“, hieß es weiter.

10.32 Uhr: Nach unseren Informationen soll Richter Götzl gesagt haben, der NSU wollte sich gemeinsam zu allen Taten bekennen.
Nur im Falle, dass einer der Beteiligten auffliege, soll der Selbstmord geplant gewesen sein.
Weiter: „Mundlos und Böhnhardt sollten die Morde begehen, weil sie körperlich stärker waren als Zschäpe.
Sie blieb als Komplizin im Hintergrund und stellte auch ihre Wohnung zur Verfügung.“

10.20 Uhr: Die Bild-Zeitung berichtet von Applaus im Saal auf die Urteilsverkündung hin.
Zschäpe soll dem Bericht nach zudem eiskalt reagiert haben.
Sie nahm das Urteil ohne Regung auf, starrte zum Richter, hielt ihre gefalteten Hände still auf dem Tisch.
Auch andere Medien berichten darüber.

10.10 Uhr: Zschäpes und wohl auch Wohllebens Anwälte werden voraussichtlich in Revision gehen.
Die NSU-Serie wird uns damit noch jahrelang begleiten.

NSU-Prozess: Die Urteilsbegründung für Zschäpe und Co.

10.04 Uhr: Höchststrafe für Zschäpe also, allerdings ohne anschließende Sicherheitsverwahrung.
Sie wurde wegen Mordes in zehn tateinheitlichen Fällen, sechs Mal wegen Beihilfe, in 32 Fällen wegen versuchten Mordes, aufgrund besonders schwerer räuberischer Erpressung, Mitgliedschaft in terroristischer Vereinigung und versuchtem, besonders schwerem Raubes verurteilt.

Das Gericht folgt damit der Reue Zschäpes nicht.
Das Gericht sei aber zu dem Schluss gekommen, dass eine Sicherungsverwahrung nicht erforderlich sei, sagte der OLG-Pressesprecher Florian Gliwitzky am Mittwoch nach der Urteilsverkündung.

Die weiteren Verurteilungen: Ralf Wohlleben (43) ist wegen der Unterstützung des Mordes in neun Fällen zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.

Andre E. ist der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu zwei Jahren und sechs Monate Haft verurteilt worden.
Das Oberlandesgericht München sprach E. am Mittwoch allerdings nicht der Beihilfe zum versuchten Mord schuldig, wie dies die Bundesanwaltschaft gefordert hatte.
Es verurteilte den 38-Jährigen, der bei der Tarnung des NSU-Trios im Untergrund geholfen haben soll, lediglich wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.
Die Verteidiger hatten einen Freispruch von sämtlichen Anklagepunkten für ihren Mandanten gefordert.

Drei Jahre haft für Holger G. Das Oberlandesgericht München sprach G. am Mittwoch der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig.
G. hatte zugegeben, dem NSU-Trio einmal eine Waffe übergeben und den Untergetauchten mit falschen Papieren geholfen zu haben.
Die Bundesanwaltschaft hatte fünf Jahre Haft gefordert, die Verteidiger hatten für eine Strafe von „unter zwei Jahren“ plädiert.

Carsten S. bekommt drei Jahre Jugendstrafe.
Das Oberlandesgericht München sprach S. am Mittwoch der Beihilfe zum Mord in neun Fällen schuldig, verurteilte ihn aber nach Jugendstrafrecht, weil er zur Tatzeit noch Heranwachsender war.
S. hatte gestanden, dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ die „Ceska“-Pistole übergeben zu haben, mit der die Neonazi-Terroristen später neun Menschen erschossen.

Lebenslang! Höchststrafe für Beate Zschäpe im NSU-Prozess

9.58 Uhr: Im NSU-Prozess ist die Hauptangeklagte Beate Zschäpe des zehnfachen Mordes schuldig gesprochen worden.
Die 43-Jährige wurde zu einer lebenslänglichen Haftstrafe aufgrund der besonderen Schwere der Schuld verurteilt.

9.57 Uhr: Ein Gerichtssprecher wird das Urteil in wenigen Minuten verkünden.
Dann erst geht es in die Begründung.
Diese kann dann ein paar Stunden dauern.

9.54 Uhr: Nun betritt auch Richter Manfred Götzl den Gerichtssaal.
Angespannte, gedrückte Stimmung im herrscht dort.
Zschäpe spricht immer wieder mit ihren Anwälten, tauscht sich flüsternd aus.
Dann gehen die Türen zu, die Kameras müssen nach draußen.

9.45 Uhr: In diesem Sekunden kommt Beate Zschäpe mit ihren Anwälten in den Saal.
Sie wirkt fast ein wenig zuversichtlich.

Zentralrat der Muslime in Deutschland kritisiert Aufklärung

9.42 Uhr: Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat die Aufklärung des NSU-Terrors als unzureichend kritisiert und weitere Gerichtsverfahren gefordert.
Der mehr als fünf Jahre dauernde NSU-Prozess habe die Beteiligung weiterer Helfer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ und die Verwicklung von Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden nicht ausreichend aufklären können, teilte der ZMD am Mittwoch in Berlin kurz vor dem erwarteten Urteil in München mit.
„Dieses Versäumnis ist eine große Belastung für die Familienangehörigen der Opfer und den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland.“
Daher seien weitere Gerichtsverfahren nötig.

9.36 Uhr: Vor der Urteilsverkündung im NSU-Prozess sind erneut Forderungen nach einer weiteren Aufarbeitung laut geworden.
Nach wie vor sei nicht geklärt, ob es weitere Helfer oder Hintermänner des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ gebe, sagte der Generalsekretär des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland, Murat Gümüs, am Mittwoch in München.
„Man spricht nach wie vor von einem Trio, obwohl man aus Zeugenbefragungen weiß, dass es mittelbar oder unmittelbar Unterstützer gegeben hat.“
Auch ob und in welcher Weise der Verfassungsschutz involviert gewesen sein könnte, sei offen geblieben.
Hinterbliebene fragten, wieso gerade ihre Angehörigen Opfer wurden.

Unglaublich: Gümüs war bereits am Dienstagabend gegen 22.30 Uhr vor das Münchner Strafjustizzentrum gekommen, um einen Platz im Saal zu bekommen.

9.27 Uhr: Ab 9.30 Uhr müssen die Handys weggepackt werden.
Wir sind gespannt, wie wir weiter an Informationen aus dem Saal kommen.
Allerdings ist der Zeitplan schon gewaltig durcheinander geraten...

9.16 Uhr: Zwei Anwälte der Nebenklage im NSU-Prozess sehen wichtige Fragen zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ weiter offen.
„Ich habe eine gemischte Gefühlslage zwischen Erleichterung, dass wir endlich durch sind, und Enttäuschung, weil eben die wichtigen zentralen Fragen hier nicht beantwortet wurden“, sagte der Nebenklage-Vertreter Mehmet Daimagüler kurz vor dem erwarteten Urteil am Mittwoch in München.
Unklar sei weiterhin, wie groß die Terrorgruppe NSU gewesen und immer noch sei sowie welche Rolle die Verfassungsschutzbehörden spielten.

„Natürlich ist auch ein Schmerz dabei, weil bestimmte Fragen offen bleiben“, sagte der Nebenklage-Anwalt Thomas Bliwier.
Dennoch sei es auch eine Freude, dass der Prozess nun zu Ende gehe.
Daimagüler erwartet, dass das Oberlandesgericht München die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wegen Mordes verurteilen und die besondere Schwere der Schuld feststellen werde.

9.15 Uhr: Der Gerichtssaal 101 füllt sich so langsam...
Gleich kommt Beate Zschäpe.
Die TV-Sender Welt sowie ntv übertragen live vom Prozesstag.
Bislang ist es nie vor 9:45 Uhr losgegangen, erklären unsere Reporter vor Ort.

9.05 Uhr: Zur Erinnerung noch einmal Zschäpes letzte Worte im Gericht in der vergangenen Woche: Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe hat sich dabei noch einmal von den Morden und Anschlägen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ distanziert.
Gleichzeitig entschuldigte sie sich für das Leid, das sie selber verursacht habe, und sprach den Opfer-Angehörigen ihr Mitgefühl aus.

„Bitte verurteilen Sie mich nicht stellvertretend für etwas, was ich weder gewollt noch getan habe“, sagte die Hauptangeklagte am Dienstag in ihrem rund fünfminütigen persönlichen Schlusswort vor dem Münchner Oberlandesgericht.
Zschäpe sagte aber auch: „Ich wollte und will die Verantwortung für die Dinge übernehmen, die ich selbst verschuldet habe und entschuldige mich für das Leid, was ich verursacht habe.“

Zschäpe sagte in ihrem Schlusswort: „Ich bedauere, dass die Angehörigen der Mordopfer einen geliebten Menschen verloren haben.
Sie haben mein aufrichtiges Mitgefühl.“
Erst im Prozess habe sie „Stück für Stück das ganze Ausmaß der schrecklichen Taten“ ihrer beiden Freunde erfasst.
Zschäpe betonte erneut, sie habe keinerlei Kenntnis, warum die beiden „gerade diese Menschen“ an den verschiedenen Tatorten auswählten.
Zudem distanzierte sie sich erneut von rechtem Gedankengut, das keinerlei Bedeutung mehr für sie habe - weil sie „mit diesem Kapitel unwiderruflich abgeschlossen“ habe.

Schwere Vorwürfe gegen Kanzlerin Angela Merkel

8.43 Uhr: Auch der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, hat der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mangelnde Aufklärung vorgeworfen.
„Das Traurige ist, dass die Kanzlerin sich zumindest für mich nicht deutlich erkennbar wirklich eingesetzt hat für das Versprechen an die Opfer, nämlich volle Aufklärung einzuhalten“, sagte Hofreiter am Mittwoch in München.
Er könne nicht erkennen, „dass der Verfassungsschutz wirklich bereit war zu kooperieren, dass der Verfassungsschutz wirklich aufgeklärt hat“.
Die Urteilsverkündung dürfe kein Schlussstrich bei der Aufklärung der Verbrechen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ sein.

8.36 Uhr: An 438 Tagen hat das Oberlandesgericht verhandelt, 765 Zeugen gehört und 66 Millionen Euro ausgegeben.
Alles, um die Wahrheit über den rechten Terror herauszufinden.
Mit Erfolg?

8.05 Uhr: "Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Februar 2012 bei der zentralen Gedenkveranstaltung für die NSU-Opfer.
Fast sechseinhalb Jahre nach diesen in Anwesenheit von Hinterbliebenen der zehn Ermordeten geäußerten starken Worte wird im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München das Urteil erwartet.
Der hinterbliebene Sohn eines der Opfer der NSU-Mordserie, Abdulkerim Simsek, sagt: „Angela Merkel hat ihr Versprechen gebrochen.“
Er ist von der Aufklärung schwer enttäuscht.

7.02 Uhr: Mehrere Stunden vor der Urteilsverkündung im NSU-Prozess hat sich vor dem Oberlandesgericht München schon eine lange Zuschauer-Schlange gebildet.
Gegen sieben Uhr am Mittwochmorgen warteten bereits rund 150 Menschen auf dem Vorplatz des Gerichts, einige waren bereits seit dem späten Dienstagabend dort.
In den Saal dürfen nur 50 Zuschauer hinein.
Die Lage war ruhig.

Der Einlass in den Saal A101 des OLG beginnt.
Klar ist schon jetzt: Nicht alle Zuschauer werden reinkommen.
Die Schlange ist beträchtlich.
Noch gut zwei Stunden bis zum NSU Urteil

6.54 Uhr: Kommt Zschäpe schon in drei Jahren wieder frei?
Ihr Anwalt Hermann Borchert rechnet so.
Der Bild erklärte er vor der Urteilsverkündung am Mittwoch, er habe seine Mandantin auf eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord zu höchstens 14 Jahren vorbereitet.
Weil sie schon seit fast sieben Jahre in Untersuchungshaft sitzte und nach zwei Dritteln der Strafe freikommen könnte, könnte sie 2021 theoretisch aus dem Gefängnis entlassen werden.
„Sie trägt die moralische Mitverantwortung für die zehn Morde, und das weiß sie auch“, sagte er der Zeitung.
„Natürlich geht ihr aber die Düse vorm Urteil.“
Sollte Zschäpe wegen Mittäter*schaft zu lebenslanger Haft verurteilt werden, will der Anwalt Revision vorm Bundesgerichtshof (BGH) einlegen.
Borchert ist sicher: „Der BGH wird das Urteil trotz 438 Verhandlungstagen kassieren.“

Die Bild will außerdem wissen, dass Zschäpe bereits ihr Leben in Freiheit plant.
Wann das sein wird, wird man sehen.

Hinterbliebene erheben schwere Anschuldigungen

6.52 Uhr: Die Mordserie des NSU und die Reaktion des Staates auf den rechtsextremistischen Terror haben die Menschen türkischer Herkunft stark verunsichert.
„Unser Vertrauen in die staatlichen Institutionen ist zutiefst erschüttert“, sagte der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Gökay Sofuoglu, der Deutschen Presse-Agentur.
Dieses Vertrauen könne nur durch „weitere Strafverfahren gegen die konkret benannten Nazis und V-Personen im NSU-Komplex“ zurückgewonnen werden.

6.25 Uhr: Die Mitglieder des NSU erschossen Vater Enver (†38). Seine Familie wurde selbst verdächtigt, der Prozess milderte ihre Verletzungen nicht.
„Ich bin enttäuscht“, sagt Sohn Abdulkerim Simsek.
„Ich frage mich oft, warum mein Vater ausgewählt wurde.“
Seine Fragen seien im Prozess nicht beantwortet worden. Simsek: „Ich kann nicht abschließen.“
Auch Gamze Kubasik, Tochter des in Dortmund ermordeten Mehmet Kubasik, sagt: „Ich habe jahrelang auf Antworten gewartet und bin jetzt total enttäuscht.“

Wie viele Nebenkläger glaubt sie nicht an die „Trio-These“ der Bundesanwaltschaft – also dass der NSU nur aus Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt bestand. Kubasik: „Ich will, dass alle Helfer ermittelt und angeklagt werden“, sagte sie laut Bild.de.

Nebenkläger und Unterstützer werden am Mittwoch vor dem Gericht demonstrieren - damit die Aufklärung auch nach dem Urteil nicht endet.
Denn an die „Trio-These“ glauben sie nicht.


 
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