Der NSU Prozess !

409. Verhandlungstag: Ein Befangenheitsantrag mit Ansage !

Das Ende des NSU-Prozesses verzögert sich weiter.
Grund: Eine Befangenheitsantrag des mutmaßlichen NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben, der wegen Beihilfe zum neunfachen Mord angeklagt ist.

Es war ein Antrag mit Ansage: Seit Wochen rechneten Prozessbeobachter damit, dass der mutmaßliche NSU-Waffenlieferant Wohlleben die Richter des Strafsenats am Münchner Oberlandesgericht wegen Befangenheit ablehnen würden - seit seine Verteidiger einen Beweisantrag eingebracht hatten, mit dem sie beweisen wollten, dass die Tatwaffe des NSU nicht durch Wohlleben, sondern jemand anderen geliefert wurde.
Es geht um jene berüchtigte Pistole Ceska 83, mit der die Neonazi-Terroristen neun Migranten ermordeten.
Da die Richter vergleichbare Anträge in der Vergangenheit mehrfach verworfen hatten, war abzusehen, dass sie auch diesen ablehnen würden.

Endlose Endphase
Ebenso wie abzusehen war, dass Wohllebens Verteidigung diese Gelegenheit nützen würde, einen Befangenheitsantrag zu stellen.
Solche Ablehnungsgesuche sind zu dieser Phase eines Verfahrens höchst ungewöhnlich.

Denn eigentlich befindet sich der NSU-Prozess längst in der Schlussphase, seit Sommer schon wird plädiert.
Nur noch einige wenige Schlussvorträge der Opfer-Anwälte stehen aus, anschließend will sich noch die Witwe eines NSU-Mordopfers zu Wort melden, dann wären die Verteidiger mit ihren Plädoyers an der Reihe.

Mit dem Befangenheitsantrag am Donnerstag verzögert sich der nun fast schon fünf Jahre laufende Prozess weiter.

Nächsten Dienstag soll es weiter gehen, was allerdings fraglich ist, denn erst einmal muss ein anderer Senat über den Befangenheitsantrag gegen die Richter im NSU-Verfahren entscheiden.
Der NSU-Prozess verzögert sich damit weiter.
Wann ein Urteil fallen wird, ist völlig offen.


 
410. Verhandlungstag: Ein Alptraum und die schmerzhafte Suche nach der dunklen Seite !

Habil Kilics wurde im August 2001 in München in seinem Geschäft mutmaßlich vom NSU ermordet.
Seine Tochter ist Nebenklägerin im NSU-Prozess.
Ihre Anwältin beschrieb heute in ihrem Plädoyer eindringlich die schrecklichen Spuren die das rechtsextremistische Verbrechen bei Kilics Frau und Tochter hinterließ.

Der Beginn von Verhandlungstag 410 ist ziemlich trocken.
Wie so oft in letzter Zeit geht es um Anträge und deren Ablehnung, juristische Querverweise und endlose Begründungen.
Prozessuales Graubrot also.
Bis zum Mittag.
Danach wird es ganz überraschend heute noch mal hoch emotional.
Und beklemmend zugleich.
Denn wir hören ganz konkret wie grausam und menschenverachtend die angeklagten Taten waren.
Was die Familien der Mordopfer durchleiden mussten.

Verdächtigungen statt Antworten
Barbara Kaniuka ergreift am frühen Nachmittag das Wort.
Sie ist die Anwältin von Habil Kilics Tochter, der im August 2001 in München in seinem Geschäft mutmaßlich vom NSU ermordet wurde.
In ihrem Plädoyer beschreibt sie die schrecklichen Spuren die das rechtsextremistische Verbrechen bei Kilics Frau und Tochter hinterließ.
Die Tochter ist erst 12 Jahre alt, als der Vater aus ihrem Leben gerissen wird.
Erschossen in seinem Geschäft, eigentlich ein Ort der Sicherheit für die Familie.
Warum der Vater?
Es gibt keine Antwort.
Stattdessen, so Rechtsanwältin Kaniuka, nur Verdächtigungen.
Denn die Ermittler suchen krampfhaft nach der vermeintlich dunklen Seite des Ermordeten: Drogen, Prostitution, illegales Glücksspiel.
Sie suchen und suchen und finden nichts.
Nur einen unauffälligen Familienvater.
Auf ein rechtsextremistisches Motiv seien die Ermittler nicht gekommen.
Aber so Barbara Kaniuka, „Habil Kilic wurde erschossen weil er Türke war“.

Angst vor den Tätern
NSU-Opfer Nummer vier Habil Kilic und seine Familie – plötzlich sind sie wieder ganz präsent für alle im Saal: die Tochter, die die Bilder vom blutverschmierten Tatort nicht aus dem Kopf bekommt und deren unbeschwerte Kindheit vorbei ist.
Die erleben muss, wie es in der Schule heißt, dass ihr Vater bei der Mafia gewesen sei.
Freunde gegen auf Distanz, die Familie wird Mörderfamilie oder Drogenbande genannt.
Dabei ist der geliebte Vater tot.
Und dann bleibt da die Angst, die Täter könnten wiederkommen.

Der Stoff aus dem Alpträume sind, sagt Anwältin Kaniuka. Jahrelang hatten sie keine Hoffnung, dass die Täter noch gefasst werden.
Bis zum Auffliegen des NSU-Trios 2011.
Zum Schluss ihres Plädoyers wendet sich Barbara Kaniuka direkt an Beate Zschäpe: „Trotz des Leids, das sie der Familie angetan haben.
Sie können Frau Kilic nicht vertreiben.
Sie gehört hierher und bleibt hier.“
Eindrückliche Worte, die vom 410. Verhandlungstag bleiben werden.


 
411. Verhandlungstag: Hinterbliebene wollen keinen Schlussstrich !

Die Nebenkläger beenden ihre Plädoyers mit einem kämpferischen Schlusswort von Yvonne Boulgarides, der Witwe des 2005 ermordeten Theodorus Boulgarides und deren Anwalt.
Für sie bleiben wichtige Fragen offen.
Aber Boulgarides erkennt die Reue von Carsten S. an.
Mit ihm hat sie sich außerhalb des Prozesses getroffen.


Berichtet die Ehefrau eines der NSU-Opfer in ihrem Schlusswort.
Das Treffen mit Carsten S. kam auf ihren Wunsch zustande und fand außerhalb des Gerichts an einem geheimen Ort statt.
Der mutmaßliche Waffenlieferant des NSU ist wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.
Er ist der einzige Angeklagte, der umfassend ausgesagt und im Prozess Reue gezeigt hat.
Er befindet sich im Zeugenschutzprogramm.


Die Frau des ermordeten Theodoros Boulgarides spricht in ihrem Plädoyer auch im Namen ihrer beiden Töchter.
Dennoch bringt der Prozess für sie und ihre Familie keinen Rechtsfrieden.
Viele Antworten sei der Prozess schuldig geblieben.
Warum so viele Ermittler als Zeugen einen "epedemie-artigen Gedächtnisverlust" erlitten hätten und warum trotz laufender Ermittlungen tausende Seiten Akten vernichtet wurden.
Es wäre die Aufgabe der entsprechenden Staatsorgane gewesen, der Wahrheitsfindung zu dienen, so Boulgarides, "Leider muss ich an dieser Stelle von einem kompletten Organversagen sprechen", lautet ihr bitteres Fazit.

Ernsthafte Reue vermisst ihr Anwalt Yavuz Narin vor allem bei vielen Zeugen, die im Prozess gehört wurden.
Viele hätten sich vor ihrer Verantwortung weggeduckt.
„Menschen ohne Rückgrat, Feiglinge und Schreibtischtäter.
Rädchen im Getriebe einer beispiellosen Mordserie, die ihrerseits auf kleingeistigem und ewig gestrigem Gedankengut von selbsternannten Opfern beruht, die sich ernsthaft einbilden, für den Erhalt der „deutschen Nation“ relevant zu sein.“
Früher Verdacht

Narin hatte bereits Monate vor der Selbstenttarnung des NSU einen Zusammenhang zwischen der Ceska-Mordserie an neun Migranten und dem Nagelbombenanschlag in Köln hergestellt und die Täter in rechtsradikalen Kreisen vermutet.
In ihrem Schlusswort berichtete Yvonne Boulgarides, wie ein Ermittler der Soko „Theo“ sie nach Feierabend aufgesucht und ihr empfohlen habe, sich von ihrem Anwalt zu trennen.
Sie tat es nicht und wenige Monate später, am 4. November 2011, hatte sich der Verdacht ihres Anwalts bestätigt.
Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten sich nach einem Banküberfall in Eisenach erschossen und Beate Zschäpe steckte die gemeinsame Wohnung in Zwickau in Brand.
Der NSU bekannte sich auf einem zynischen Video zu seinen Taten.

Yvonne Boulgarides brach in Tränen aus, als sie darüber sprach, dass ihr Mann Theo gerne das Aufwachsen seiner Töchter und die Geburt der Enkelin erlebt hätte.
Die Zeit lasse sich nicht zurückdrehen aber eines könne sie tun:


Zeitplan abgesprochen
Mit den letzten Schlussvorträgen der Nebenkläger rückt ein Ende des NSU-Prozesses näher.
Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl klärte mit den Verteidigern das weitere Vorgehen ab.
Am 20. Februar wird weiter verhandelt, es steht noch eine Entscheidung des Gericht zur Abtrennung eines Verfahrens aus.
Dann soll die Hauptverhandlung für mehrere Wochen unterbrochen werden um den Verteidigern Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Plädoyers zu geben.
Am 13. März sollen Matthias Grasel und Hermann Borchert, die Verteidiger von Beate Zschäpe, plädieren.
Nach einer weiteren Pause sind Zschäpes sogenannte Altverteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm an der Reihe.
Das wäre dann am 20. März - wenn nichts dazwischenkommt.


 
412. Verhandlungstag: Besonders viele Neonazis im Gerichtssaal !

Seit dem Prozessbeginn vor fünf Jahren haben auch Neonazis regelmäßig ihr Interesse am NSU-Prozess gezeigt und sind zu den Verhandlungsterminen gekommen.
Selten allerdings waren sie so massiv vertreten wie heute.

Es ist nicht sonderlich angenehm, in einen Raum zu kommen, den zuvor vier ausgewiesene Neonazis in Beschlag genommen haben, insbesondere dann nicht, wenn es sich bei diesen um gute Freunde von mutmaßlichen Rechtsterroristen handelt, oder gar um solche, die selbst im Verdacht stehen, Helfer einer Neonazi-Killertruppe gewesen zu sein.

So beschleicht denn heute auch den Gerichtsreporter eine leichte Beklemmung beim Betreten der Zuschauertribüne im NSU-Prozess.
Denn dort befinden sich zunächst lediglich ein einsamer Zeitungskollege und dazu, ganz vorne in der ersten Reihe, drei Männer und eine Frau, an Kleidung und Verhalten unschwer als Angehörige der rechten Szene auszumachen.
Unter den Zuhörern: die mutmaßlich beste Freundin Zschäpes

Zwei sind dem Reporter ohnehin seit längerem namentlich bekannt: Susann E., Ehefrau des Angeklagten André E. und mutmaßlich beste Freundin der Hauptangeklagten Beate Zschäpe, sowie André K., ein früher Freund der späteren NSU-Terroristen Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos aus Jena, der für die Untergetauchten unter anderem Fluchtmöglichkeiten ins Ausland ausgekundschaftet haben soll.

Gegen Susann E. ermittelt die Bundesanwaltschaft bis heute wegen Terrorunterstützung.
Gegen André K. wird nur deshalb nicht ermittelt, weil seine bekannten Unterstützungsleistungen für das untergetauchte Terrortrio verjährt sind.
Der NSU bzw. sein Unterstützerumfeld hatte den Kontakt zu André K. 1999 abgebrochen, weil dieser tausende Euro unterschlagen haben soll, die für die Untergetauchten bestimmt waren.

Nein, mit solchen Leuten teilt man wirklich ungern den gleichen Raum, da hilft selbst die Gewissheit wenig, dass auch Neonazis, ebenso wie alle anderen Besucher, vor Eintritt in den Verhandlungssaal erst einmal den Metalldetektor am Eingang passieren und sich dann einer genauen Durchsuchung unterziehen müssen und dass die Zuschauertribüne von mehreren uniformierten und bewaffneten Aufpassern der Justiz gesichert wird.
Auch ein verurteilter Rechtsterrorist ist auf der Tribüne

Später kommen zwar noch weitere Zuhörer auf die Tribüne, darunter aber auch ein bereits verurteilter Rechtsterrorist: Karl-Heinz Statzberger.
Er saß fünf Jahre im Gefängnis, weil er einen Bombenanschlag auf die Grundsteinlegung des neuen jüdischen Gemeindezentrums in der Münchner Innenstadt verüben wollte.

Zuschauerin fühlt sich von Neonazis bedrängt
Angesichts des insgesamt geringen öffentlichen Interesses an der heutigen Verhandlung beträgt das Verhältnis zwischen Neonazis, Journalisten und einfachen Zuschauern heute im Saal A101 zeitweise annähernd 1 : 1 : 1.
Die Rechten geben sich betont selbstsicher, feixen, Klopfen ihre Sprüche.
Eine Zuhörerin fühlt sich von den Neonazis irgendwann derart bedrängt, dass sie erst sicherheitshalber ihr türkisches Buch wegklappt und schließlich den Platz wechselt.

Kamen die Neonazis wegen Wohllebens Geburtstag?
Umso größer ist die Freude bei den Angeklagten unten im Saal über die Anwesenheit der extrem rechten Zuschauer: Der mutmaßlicher Terrorhelfer André E. lächelt und grüßt zu seiner Ehefrau hinauf.
Noch besser hat es sein Mitangeklagter Ralf Wohlleben erwischt.
Der mutmaßliche Lieferant der Mordwaffe, mit der neun Menschen umgebracht wurden, darf heute auf der Anklagebank Händchen halten mit seiner Ehefrau, die neben ihm Platz genommen hat.
Anlass dürfte Wohllebens Geburtstag sein: Er wird heute 43 Jahre alt.

Diverse Anträge verzögern den Prozess weiter
Im Gerichtsverfahren selbst dagegen passiert kaum relevantes: Die Verteidigung, die eigentlich schon in der übernächsten Woche mit ihren Schlussvorträgen beginnen soll, stellt zwar diverse neue Anträge, die sich allerdings nur um Altbekanntes drehen und deshalb den Prozess zwar einmal mehr verzögern, ihm aber wohl kaum eine entscheidende Wendung geben dürften: Zschäpes Altverteidiger wollen – mal wieder – von ihrem Mandat entbunden werden und Wohllebens Anwälte wollen – mal wieder – beweisen, dass die Mordwaffe nicht unbedingt von ihrem Mandanten, sondern auch von jemand ganz anderem geliefert worden sein könnte.
Neonazis kennen die Wohlleben-Verteidiger gut - und schätzen sich

Als nach dem Ende des durch viele Unterbrechungen geprägten Verhandlungstages dann draußen vor dem Justizzentrum die Neonazi-Besucher auf die Wohlleben-Verteidiger treffen – darunter der langjährige Chef der verbotenen Neonazi-Organisation Wiking-Jugend sowie eine einstige NPD-Funktionärin – gibt es viele Umarmungen und Küsschen.
Man kennt sich, man schätzt sich.
Und schon wieder beschleicht den Gerichtsreporter eine leichtes Gefühl der Beklemmung.


 
Tageszusammenfassung: Der Fahrplan steht - unter Vorbehalt !

In zwei Wochen könnte der NSU-Prozess endgültig auf die Zielgerade einbiegen.
Dann sollen die Schlussvorträge der Verteidiger beginnen, der letzte Zwischenschritt vor dem Urteil, so hat es das Münchner Oberlandesgericht am Mittwoch bekräftigt.

Ausgerechnet die Verteidigung hat den Beginn der eigenen Schlussvorträge im NSU-Prozess zuletzt immer wieder verzögert.
Letzte Woche war der Wahlverteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe, Mathias Grasel, erkrankt, sein Vertreter Herrmann Borchert verhindert - das Gericht vertagte die Verhandlung daraufhin um eine Woche.
Gestern wiederum meldeten sich Zschäpes Altverteidiger zu Wort.
Sie beantragten einmal mehr die Entbindung von ihrer Mandantin, die ihnen das Vertrauen entzogen hat und mit der sie deshalb seit Jahren kein Wort mehr gewechselt haben.

Zschäpe-Anwälte wollen ihre Mandantin loswerden - und umgekehrt
Die Bundesanwaltschaft betonte heute in einer Stellungnahme, dass sie diesen Antrag des Anwalt-Trios Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl für völlig grundlos und unangebracht hält.
Das Gericht muss darüber nun in den nächsten Tagen entscheiden.
Allerdings hat der Strafsenat vergleichbare frühere Anträge von Sturm, Stahl und Heer und auch von Beate Zschäpe, die ihre Altverteidiger ebenfalls am liebsten los werden würde, abgelehnt.
Unwahrscheinlich also, dass sich die Richter nun anders entscheiden werden.

Wohlleben-Verteidigung will nochmals Zeugen laden
Ebenfalls wenig Chancen auf Erfolg hat ein Antrag, den die Verteidiger des mutmaßlichen Mordwaffenlieferanten Ralf Wohlleben gestern gestellt haben.
Sie wollen wieder in die Beweisaufnahme einsteigen und einen Zeugen aus der Neonaziszene vernehmen lassen, um nachzuweisen, dass die berüchtigte Pistole der Marke Česká 83, mit der der NSU neun Migranten ermordete, auch von jemand anderem als ihrem Mandanten hätte geliefert werden können.
Erst vor wenigen Wochen hat das Oberlandesgericht einen ganz ähnlichen Antrag bereits abgelehnt.

Verteidiger-Plädoyers in zwei Wochen?
Derzeit deutet alles daraufhin, dass das Gericht an seinem Plan festhält, am 13. März mit den Verteidiger-Plädoyers zu beginnen.
Mehrfach fragte der vorsitzende Richter Manfred Götzl heute bei Zschäpes Wahlverteidiger Grasel nach, ob er bis dahin bereit sei, seinen Schlussvortrag zu halten - was Grasel allerdings nicht eindeutig beantworten wollte.
Zschäpes zweiter Neuverteidiger Herrmann Borchert, der heute - wie fast immer - nicht im Prozess anwesend war, hat offenbar schon im Vorfeld signalisiert, dass er in zwei Wochen plädieren kann.

Vermutlich wird der Senat danach eine Pause einlegen, um Zschäpes Altverteidigern die Gelegenheit zu geben, ihr eigenes Plädoyer fertigzustellen und dabei auch die Ausführungen ihrer Vorredner zu berücksichtigen.
Danach sind die Verteidiger der anderen Angeklagten dran und zwar voraussichtlich in folgender Reihenfolge: André E., Holger G., Ralf Wohlleben und Carsten S.
Diese Angaben sind allerdings - wie immer im NSU-Prozess - ohne Gewähr.


 
414. Verhandlungstag: Richter Götzl gibt alles !

Eigentlich sollten heute die Verteidiger mit ihren Schlussanträgen beginnen.
Ein weiterer Befangenheitsantrag der Verteidigung Wohlleben hat dies verhindert.
Mit einem wahren Redemarathon erreicht Richter Manfred Götzl immerhin, dass es zumindest vorläufig bei diesem einen Ablehnungsgesuch bleibt.

Seit fast fünf Jahren läuft jetzt der NSU-Prozess.
Ein wahres Mammutverfahren, bei dem es nicht weiter verwundert, dass praktisch nie der ursprünglich gesetzte Zeitplan eingehalten wurde.
Auch heute rechnet daher eigentlich keiner der Prozessbeteiligten ernstlich damit, dass die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe ihr Plädoyer vortragen würden.
Schließlich hatte das Gericht noch nicht über drei Anträge der Verteidigung entschieden.
Und dann stellen die Anwälte von Ralf Wohlleben, dem mutmaßlichen Lieferanten der sogenannten Ceska-Pistole, mit der der NSU neun Morde verübte, am Morgen gleich noch einen Beweisantrag.

Wieder geht es um die Tatwaffe
Sie forderten die Beiziehung eines Vernehmungsprotokolls aus dem Untersuchungsausschuss zum NSU-Komplex im baden-württembergischen Landtag vom 5. März.
Dort war an diesem Tag ein früherer Neonazi vernommen worden, der auch schon in dem noch nicht entschiedenen Beweisantrag der Wohlleben-Verteidigung vor einigen Wochen eine zentrale Rolle spielte.
Dieser Jug P. soll dem damaligen Anführer der Neonazi-Szene im thüringischen Rudolstadt Sven R. noch vor dem Jahr 2000, also dem Beginn der Ceska-Mordserie, eine Pistole gleichen Typs geliefert haben.
Wenn das zuträfe, so die Logik der Anwälte, sei die These der Bundesanwaltschaft erschüttert, wonach ihr Mandant Wohlleben der Auftraggeber der Waffenbeschaffung in der Schweiz ist.
Das Gericht unterbricht, will beraten, wie es weitergeht.

Der Redemarathon von Richter Götzl
Um 10.38 Uhr setzt Götzl fort und zu einem wahren Redemarathon an, wie er ihn in diesen fast fünf Jahren im NSU-Prozess noch nie gehalten hat.
Denn er muss selbstverständlich nicht nur erklären, ob seine Kammer einen Antrag annimmt oder ablehnt, sondern dies auch ausführlich begründen.
Mit Fundstellen aus Kommentaren oder Verweisen auf in vergleichbaren Fällen ergangene höchstrichterliche Urteile, und dabei immer Bezüge zum gestellten Antrag und zur Relevanz für das Verfahren herstellen.
Und so trägt er mit monotoner Stimmer Seite für Seite vor.
Nach dem ersten vorgetragenen Beschluss will Wohlleben-Verteidiger Olaf Klemke sofort das Wort, aber Götzl lässt sich nicht beirren.
"Wir verkünden noch einen Beschluss, ich bitte Sie, sich noch etwas zu gedulden, Sie erleiden keinen Rechtsverlust", sagt Götzl und trägt den nächsten vor.

Götzl wirft Verteidigung Prozessverschleppung vor
Sein Senat lehnt die Ladung von Sven R. ab, in der Begründung liest Götzl der Verteidigung von Wohlleben ordentlich die Leviten.
Bereits im September 2014 hätte man den Antrag genauso stellen können.
Wenn das erst jetzt geschehe, also lange nach dem das Gericht eine letzte Frist für die Stellung von Beweisanträgen gesetzt hatte, diene das nur der Prozessverschleppung.
Zudem habe die umfangreiche Beweiserhebung ergeben, dass die Tatwaffe wie von der Bundesanwaltschaft angeklagt aus der Schweiz beschafft worden sei.
Die von der Verteidigung vorgetragenen Argumente würden das nicht in Zweifel ziehen können.
Das Gericht macht damit ganz nebenbei klar, mit welcher Strafe Ralf Wohlleben rechnen muss: mit einer Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen.

Götzl redet sich heiser
Sein Verteidiger Olaf Klemke will natürlich sofort erwidern, aber Götzl ist schon beim nächsten Beschluss.
Das Gericht lehnt auch das ab, was am Vormittag überhaupt erst beantragt worden war, die Beiziehung der Akten aus Stuttgart.
Und, ohne dass Klemke dazwischen kann, stellt der Staatsschutzsenat auch noch fest, dass er die Rechtsanwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm entgegen ihrem Antrag nicht von ihrem Mandat als Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe entbindet.
Manfred Götzl redet zu diesem Zeitpunkt schon über eine Stunde, seine Stimme ist heiser und manchmal brüchig, aber der 64-Jährige zieht das durch.
Denn er weiß wohl, was jetzt kommt: Ein Befangenheitsantrag.

Klemke kann so nur ein Ablehnungsgesuch stellen
Nach der Mittagspause beantragt Verteidiger Klemke eine Unterbrechung bis morgen um 11.30 Uhr, um einen "Ablehnungsantrag gegen den gesamten Senat" vorbereiten zu können.
Das wird den Fortgang des NSU-Prozess weiter verzögern.
Aber, dank des Redemarathons von Götzl, passiert das nur einmal.
Hätte er bereits nach dem ersten Beschluss Klemke das Wort erteilt, hätte der vermutlich sofort das Ablehnungsgesuch gestellt.
Die weiteren Beschlüsse wären gar nicht mehr zur Verlesung gekommen.
Und die Wohlleben-Verteidiger hätten in der nächsten oder übernächsten Woche erneut Gelegenheit gehabt, einen weiteren Befangenheitsantrag hinterherzuschieben.
Zumindest das hat Manfred Götzl mit seinem stimmlichen Einsatz bis an die Grenzen der Heiserkeit heute verhindert.


 
415. Verhandlungstag: Ein Befangenheitsantrag sorgt für einen kurzen Prozesstag !

Ralf Wohlleben stellt einen weiteren Befangenheitsantrag.
Das war keine Überraschung.
Gestern hatte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl seine Beweisanträge abgelehnt und ihm vorgeworfen, den Prozess nur verschleppen zu wollen.

Großes Interesse heute am NSU-Prozess; der Zuschauerraum war auch heute wieder fast voll besetzt.
Doch die Besucher waren mehr oder weniger umsonst gekommen.
Bereits nach etwa einer halben Stunde musste die Hauptverhandlung wieder unterbrochen werden.
„Der ganze Aufwand für nur eine halbe Stunde?!“, wundert sich unsere Hospitantin, die das erste Mal im Gerichtssaal mit dabei ist.

Es hilft nichts, es steht ein Befangenheitsantrag im Raum, da kann nicht weiter verhandelt werden.
Ralf Wohlleben, der mutmaßliche Waffenlieferant des NSU, wirft dem Senat vor, sich bereits ein Urteil über seine Schuld gebildet zu haben und lehnt sämtliche Richter ab - nicht zum ersten Mal.
Hintergrund ist die Abweisung seiner jüngsten Beweisanträge.
Praktisch in letzter Minute wollten seine Verteidiger nachweisen, dass nicht Wohlleben die Mordwaffe Ceska 83 für den NSU beschafft hat, sondern Sven R., Waffennarr wie Uwe Böhnhardt und politischer Weggefährte.
Die Wohlleben-Verteidigung wollte Sven R. als Zeuge laden.

Das hätte er mal früher tun sollen, argumentierte das Gericht sinngemäß.
Schließlich ist die Beweisaufnahme bereits seit fast einem Jahr abgeschlossen, der Prozess befindet sich in der Schlussphase.
Seit Mitte letzten Jahres wird plädiert, da werden an einen Beweisantrag hohe Maßstäbe gesetzt.
Der Antrag hatte nach Ansicht des Gerichts zu wenig Substanz, hätte bereits 2014 gestellt werden können.
Auch die Verteidigung wisse, dass nichts Sachdienliches dabei herauskomme und deshalb sei der Beweisantrag „ins Blaue hinein“ gestellt, er diene allein der Prozessverschleppung.

Auch der heute gestellte Befangenheitsantrag hat wenig Aussicht auf Erfolg.
Jedenfalls wurden auch seine zahlreichen Vorgänger abgelehnt.


 
Übelkeit Zschäpes verzögert Plädoyers im NSU-Prozess !

München - Auf der Zielgeraden des NSU-Prozesses verzögert sich der mit Spannung erwartete Beginn der Verteidiger-Plädoyers weiter.
Grund: Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe klagte am Mittwoch über Kopfschmerzen und Übelkeit.

Nach einer Untersuchung durch einen Arzt teilte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl mit, dass eine Fortsetzung der Hauptverhandlung nicht möglich sei.
Er unterbrach die Sitzung bis Donnerstagvormittag.


 
Verteidiger-Plädoyers im NSU-Prozess sollen beginnen !

Nach bald fünf Jahren Dauer soll der NSU-Prozess heute womöglich in seine letzte Etappe gehen.
Das Gericht will als nächstes der Verteidigung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe das Wort für deren Plädoyer geben - zunächst den beiden Vertrauensanwälten der mutmaßlichen Rechtsterroristin, Mathias Grasel und Hermann Borchert.

Am Mittwochnachmittag war es nur deshalb nicht dazu gekommen, weil Zschäpe über Übelkeit und Kopfschmerzen klagte, von einem Arzt untersucht wurde und der Prozess unterbrochen wurde.

Die Bundesanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer lebenslange Haft für Zschäpe verlangt und ihr Mittäterschaft an allen Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" vorgeworfen.
Dazu zählen neun Morde an türkisch- und griechischstämmigen Gewerbetreibenden aus Fremdenhass.

Die Schlussvorträge der Verteidigung hatten sich zuletzt mehrfach verzögert, unter anderem wegen immer neuer Beweis- und Befangenheitsanträge des Mitangeklagten Ralf Wohlleben.


 
417. Verhandlungstag: Verteidiger verschleppen weiterhin Verteidigungs-Plädoyers !

Fast drei Wochen lang war der NSU-Prozess über Ostern unterbrochen.
Hinter den Kulissen ist in dieser Zeit aber viel passiert: So hat sich der Angeklagte André E. einen neuen Verteidiger genommen.
Der sorgte am Dienstag gleich dafür, dass der Prozess erneut ins Stocken geraten ist.

Seit Monaten schon steht in dem Verfahren vor dem Münchner Oberlandesgericht der Beginn der Verteidiger-Plädoyers auf der Tagesordnung - womit die letzte Phase dieses bald fünf Jahre dauernden Mammutverfahrens eingeläutet werden würde.
Doch die Verteidigung hat es immer wieder geschafft, den Beginn der Schlussvorträge zu verhindern.
Bislang waren dafür vor allem die Anwälte von Ralf Wohlleben zuständig, des mutmaßlichen Lieferanten der Waffe, mit dem der NSU neun Menschen ermordete.
Sie hatten seit Januar wiederholt beinahe gleichlautende Beweisanträge gestellt, die zwar nie Aussicht auf Erfolg hatten, ihr eigentliches Ziel aber dennoch erreichten: die Verschleppung des Verfahrens.

Das Pult war schon aufgebaut
Am letzten Verhandlungstag vor den Osterferien hatte es dann schließlich tatsächlich so ausgesehen, als ob es losgehen könnte, das Pult für die Plädoyers war schon aufgebaut - doch da meldete sich plötzlich die Hauptangeklagte Beate Zschäpe zu Wort: Sie habe Kopfweh und ihr sei übel.
Die Verhandlung wurde ausgesetzt.

Heute sollte also der nächste Versuch unternommen werden, auf die Zielgerade des Prozesses einzubiegen.
Dementsprechend groß war der Andrang von Medienvertretern und Zuschauern.
Doch sie wurden einmal mehr enttäuscht.

André E. will neuen Pflichtverteidiger
Diesmal war es die Verteidigung von André E., die einen Strich durch die Rechnung machte.
Schon vor drei Wochen hatte der mutmaßliche NSU-Unterstützer versucht, einen neuen, dritten Pflichtverteidiger beigeordnet zu bekommen: Einen Szeneanwalt der extrem rechten Szene.
Das Gericht lehnte dies jedoch ab.
Über die Osterpause hat André E. nun Kontakt zu dem Karlsruher Strafverteidiger Daniel Sprafke aufgenommen, der zuletzt durchaus erfolgreich Angeklagte aus der islamistischen Szene in Terrorprozessen verteidigte.
Doch auch seine Beiordnung als Pflichtverteidiger lehnte das Münchner Oberlandesgericht ab, ebenso den Antrag, den NSU-Prozess für mehrere Wochen zu unterbrechen, damit sich Sprafke einarbeiten kann.

"Verwirrte Prozess-Destruktion"
Kaum hatte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl diese Beschlüsse am Dienstagmorgen verkündet, erhob der neue Verteidiger von André E. prompt Einspruch.
Daraus entwickelte sich, wieder mal, eine Kaskade an Stellungnahmen, Gegenreden, Verfügungen und Unterbrechungen, wie inzwischen aus dem NSU-Prozess hinlänglich bekannt.
Rechtsanwalt Sprafke agierte dabei zeitweise so ungeschickt, dass er von Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten regelrecht abgekanzelt wurde: Er betreibe eine derart "verwirrte Prozess-Destruktion", dass sich die Bundesanwaltschaft nicht in der Lage sehe, dazu "in irgendeiner Form qualifiziert Stellung zu nehmen".
Der Strafverteidiger solle erst einmal klären, "was er genau hier tut oder beantragt hat".

Befangenheitsantrag gegen den Richter
Dennoch hatte Sprafke am Ende mit seinem Agieren Erfolg: In der Mittagspause stellte er einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl, die Hauptverhandlung wurde daraufhin bis Mittwochmittag, 12.00 Uhr, unterbrochen.
Bis dahin, so hat es Sprafke angekündigt, will er weitere Anträge mit seinem Mandanten André E. vorbereiten.
Angesichts dessen ist höchst fraglich, ob die Verteidigerplädoyers diese Woche überhaupt noch beginnen können.


 
418. Verhandlungstag: Keiner will anfangen !

Am 418. Verhandlungstag kam es wieder nicht zum Beginn der Plädoyers.
Dabei stehen die Schlussvorträge der Verteidigung schon seit mittlerweile fünf Wochen auf dem Programm des Münchner NSU-Prozesses.
Heute waren es keine Ablehnungsgesuche oder Beweisanträge die das Verfahren verzögerten, sondern abwesende Verteidiger.

Erinnern Sie sich an folgende Situation aus der Schulzeit: Der Lehrer kommt morgens in die Klasse und fragt: Wer kann mir denn diese Exponentialfunktion hier an der Tafel ableiten?
Betretenes Schweigen.
Keiner meldet sich.
Auf keinen Fall drankommen, hoffen die meisten.
Es werden noch einige Ausreden von Kopfschmerzen oder von der Oma, die gestern spontan vorbei kam, ausgepackt.
Aber am Ende hilft es nichts.
Einer muss als erstes nach vorne und sich mit der Ableitung abquälen.
Ein leichtes Gefühl von "bloß nicht als erstes drankommen wollen", bekamen wir Gerichtsreporter auch heute im NSU-Prozess mit.

Niemand kann oder will plädieren
Denn der, der heute eigentlich dran gewesen wäre, ist gar nicht erst erschienen: Hermann Borchert, Wahlverteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe.
Er sei wegen eines dringenden privaten Notfalls verhindert, ließ er durch seinen Kollegen Mathias Grasel wissen.
Dabei wollte es der Vorsitzende Richter Manfred Götzl heute aber nicht bewenden lassen.
Also fragte er die Verteidigung von Holger G. Man wolle an der vorher festgelegten Reihenfolge nichts ändern und lieber nicht anfangen, sagte Verteidiger Stefan Hachmeister.
Er brachte auch durchaus für seinen Mandanten nachvollziehbare Gründe dafür vor.
G. habe Zschäpe belastet und deshalb sei es inhaltlich für ihn relevant was deren Verteidigung vortrage.

Schon am 13. März sollten Plädoyers starten
Nächster Versuch: Verteidigung von Ralf Wohlleben.
Götzl fragt auch hier an.
Er selbst könne schon beginnen, sagt Verteidiger Olaf Klemke.
Aber seine beiden Kollegen hätten noch etwas in ihre Plädoyers einzuarbeiten.
Aber in der nächsten Woche sei man bereit.
Bei André E. nachzufragen spart sich der Vorsitzende Richter, denn dessen neuer Wahlverteidiger Daniel Sprafke fehlt ebenfalls.
Er sei aktuell wegen eines medizinischen Notfalls im Krankenhaus.
Der Senat hat nichts mehr auf dem Programm außer den Plädoyers der Verteidigung und den Schlussworten der Angeklagten.
Seit dem 13. März versucht Götzl die Plädoyers starten zu lassen.
Das kann doch alles gar nicht sein, denken wir uns auf den Presseplätzen.
Doch. Das ist momentan der NSU-Prozess.

"Stellen Sie sich auf ihre Schlussvorträge ein"
So einfach einen Schüler zur Ableitung nach vorne zu zitieren, so einfach hat es Götzl nicht mit den Verteidigern und ihren Plädoyers.
Aber heute hat er klar gemacht, nächste Woche müssen alle bereit sein zu liefern.
Egal wer.
Ob sie wollen oder nicht.
"Ich bitte sie sich auf die Schlussvorträge einzustellen", so Götzl.
Es könne nächste Woche auch zu einer anderen Reihenfolge kommen.
Sprich wenn die Zschäpe-Verteidigung wieder nicht kann, kommen eben Wohllebens Verteidiger dran.
Oder die von Holger G., André E. oder Carsten S.
Damit bleibt kaum mehr ein Hintertürchen offen, nicht plädieren zu können.
So ist wenigstens die Chance gestiegen, dass die Verteidigung endlich mit den Schlussvorträgen beginnt.


 
419. Verhandlungstag: Verteidigung bestreitet Mittäterschaft von Zschäpe !

Monate nach den Schlussvorträgen der Bundesstaatsanwaltschaft haben nun die Verteidiger im NSU-Prozess das Wort.
Beate Zschäpes Strafverteidiger bestritt in seinem Schlussplädoyer jede Mittäterschaft der Hauptangeklagten und kündigte an, ein "anderes Bild" von Zschäpe zu zeichnen.


Als der Vorsitzende Richter kurz nach der Mittagspause des 419. Verhandlungstages diese Worte sprach, klangen sie für viele Prozessbeteiligte wie eine Erlösung.
Monatelang hatte sich der Beginn der Verteidigerplädoyers verzögert, ein ums andere Mal brachten die Anwälte von zwei mutmaßlichen NSU-Unterstützern - Ralf Wohlleben und André E. - den Prozess durch aussichtslose Beweis- und Befangenheitsanträge zum Stocken.
Dem setzte das Gericht nun ein Ende.

Zschäpes Wahlverteidiger Hermann Borchert stellte sich an sein Stehpult und begann sein Plädoyer mit einem Appell an seine Verteidigerkollegen aus der zweiten Reihe, das Plädoyer nicht durch weitere Anträge zu unterbrechen.
Der Bundesanwaltschaft warf er eine bewusst fehlerhafte Beweisführung vor.
Die These der NSU habe durch die gegen Migranten gerichteten Morde und Sprengstoffanschläge ausländerfeindliche Ziele verfolgt sei falsch.
Da es unmittelbar nach den Taten kein Bekenntnis zu den Taten gegeben habe, hätten diese Ziele gar nicht erreicht werden können, so Zschäpes Verteidiger.

"Ein anderes Bild von Beate Zschäpe"
Grundlage seiner Ausführungen sei nicht nur die Beweisführung, sondern auch seine vielen Gespräche mit seiner Mandantin.
Er wolle in seinem Plädoyer ein anderes Bild von Beate Zschäpe zeichnen, so Borchert. Seiner Mandantin, die mitten im Verfahren ihre Verteidiger gewechselt hat, attestierte er Charakterstärke.
Dennoch habe sie sich nicht gegen ihren gewalttätigen Partner Uwe Böhnhardt durchsetzen können.

Auch die "Altverteidiger" kommen zu Wort
Das Plädoyer von Beate Zschäpes Vertrauensverteidigern Hermann Borchert und Mathias Grasel wird voraussichtlich bis morgen andauern.
Danach sollen ihre drei sogenannten Altverteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm nach einer einwöchigen Pause ihren Schlussvortrag halten.
Ihnen hat Beate Zschäpe mitten im Prozess das Vertrauen entzogen.
Dennoch werden Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm plädieren, da sie - anders als Borchert und Grasel - Beate Zschäpe über den gesamten Verlauf des nunmehr fast fünfjährigen Verfahrens vertreten haben.

Streit um André E.
Dem Beginn der Plädoyers war am Vormittag eine heftige Auseinandersetzung mit dem neuen Verteidiger von André E. vorangegangen.
Kurzzeitig war davon die Rede, das Verfahren gegen André E. abzutrennen.


 
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