Der NSU Prozess !

Im NSU-Prozess gibt es nur eine halbe Wahrheit !

Im Gerichtssaal sitzen die Ankläger der Staatsanwaltschaft und die Angeklagten einander gegenüber.
Die Sitzordnung markiert den Frontverlauf zwischen den Strafverfolgern und den verfolgten Gesetzesverletzern.
Sind Nebenkläger an einem Strafprozess beteiligt – Opfer von Straftaten oder deren Hinterbliebene –, dann sitzen sie auf der Seite der Ankläger.
Beide verfolgen ja ein gemeinsames Ziel: Aufklärung und Sühne.

Im Münchner NSU-Prozess gibt es diesen klaren Frontverlauf nicht.
Die Bundesanwaltschaft hat von Beginn des Verfahrens an eine zweite Front eröffnet – hin zu den Nebenklägern und ihren Rechtsvertretern.
Während des mittlerweile gut vier Jahre andauernden Prozesses sparte sie nicht mit Attacken gegen die Anwälte und mit dem Blockieren ihrer Beweisanträge.
Auch verwehrte sie ihnen die Einsicht in wesentliche Aktenteile.
Alle Versuche der Nebenklage, durch Erheben zusätzlicher Beweise auf die Spur möglicher Mittäter zu kommen und eine Verwicklung zwielichtiger V-Leute des Verfassungsschutzes zu beleuchten, hintertrieben die Ankläger.

Zaghaftigkeit und Selbstbeschränkung
In ihrem Plädoyer trieben die Bundesanwälte diese Frontstellung gegen die mit ihnen doch eigentlich verbündeten Nebenkläger auf die Spitze.
Als lästiges „Fliegengesumme“ etwa taten sie deren Beharren auf gründlicherer Suche nach weiteren Hintermännern des NSU ab.
Die Nebenklägervertreter hätten ihren Mandanten „leichtfertig“ die Existenz von rechten Hintermännern an den Tatorten versprochen, ohne dass es dafür Indizien gebe, behauptete die Bundesanwaltschaft zynisch und diffamierte all jene Anwälte – und Journalisten – als „Irrlichter“, die sich mit der umstrittenen Trio-These der Anklage nicht zufriedengeben wollen.

Was hat die Bundesanwaltschaft nur geritten, so gegen ihre Verbündeten bei der Aufklärung der schrecklichsten Terrorserie in der deutschen Nachkriegsgeschichte auszuteilen?
Sehen sich die Ankläger einem Korpsgeist bundesdeutscher Sicherheitsbehörden verpflichtet, die eigene Verfehlungen lieber vertuschen als ehrlich aufarbeiten?
Oder wollen die Ankläger nur ihre Versäumnisse bei den NSU-Ermittlungen kaschieren?

Man kann nicht oft genug daran erinnern: Bundeskanzlerin Merkel hatte beim Staatstrauerakt für die NSU-Opfer im Februar 2012 öffentlich versprochen, die Verbrechen der rechten Terroristen aufzuklären und alle (!) Helfershelfer und Hintermänner aufzuspüren.
Das Versprechen ist bislang nicht eingelöst worden.
Was auch daran liegt, dass die strafrechtliche Aufarbeitung des NSU-Komplexes von Beginn an unter zu großer Zaghaftigkeit und Selbstbeschränkung der Ermittler litt.

Kein politisch unabhängiges Strafverfolgungsorgan
Frühzeitig legte sich die Bundesanwaltschaft auf die These einer abgeschottet agierenden dreiköpfigen Terrorzelle fest, von der weder Freund noch Feind wussten.
Hinzu kam, dass der politische Druck immens war, in möglichst kurzer Zeit eine belastbare Anklage gegen die einzige Überlebende des NSU-Kerns, Beate Zschäpe, zu zimmern.
Eine Anklage zudem, die eine Mitverantwortung staatlicher Behörden für die Mordserie aussparen sollte.

Viele Spuren, die tiefer in das Geflecht aus militanten Neonazis, Verfassungsschutzspitzeln und Geheimdiensten führen, verfolgten die Ermittler daher zunächst gar nicht, später nur halbherzig.
Der Fall NSU legt abermals die Nachteile bloß, die sich daraus ergeben, dass die oberste Anklagebehörde kein politisch unabhängiges Strafverfolgungsorgan ist.

Die halbe Wahrheit
Der Generalbundesanwalt ist ein politischer Beamter, der jederzeit ohne Angabe von Gründen vom Bundesjustizminister abgesetzt werden kann.
Sein Entscheidungsspielraum ist somit erheblich eingeschränkt, insbesondere bei politisch heiklen Verfahren.
Im NSU-Komplex hat das verhindert, dass sich die Behörde deutlich mehr Zeit für umfassendere Ermittlungen nehmen und restriktiver gegen den Verfassungsschutz vorgehen konnte.

Der Geheimdienst hatte nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 in großem Stil Akten vernichtet, er hat Ermittlern – und Abgeordneten – Informationen vorenthalten, er hat sie vermutlich sogar belogen.
Die Bundesanwaltschaft hat all das hingenommen und dem Verfassungsschutz in ihrem Plädoyer vor Gericht jetzt sogar einen Persilschein ausgestellt: Die Ermittlungen hätten keine Hinweise auf eine strafrechtliche Verstrickung staatlicher Stellen ergeben, erklärten die Ankläger.

Zu Beginn des Schlussvortrages hatten die Bundesanwälte angekündigt, in ihrem Plädoyer die Wahrheit über Taten, Täter und Hintergründe des NSU vortragen zu wollen.
Was aber ist ein Plädoyer wert, dass nur die halbe Wahrheit erzählt?


 
378. Verhandlungstag: Aus dem Schatten ins Licht !

Vierter Tag des Schlussvortrages der Bundesanwaltschaft.
Erstmals geht es darin um die mitangeklagten Helfer von Beate Zschäpe.
Zwei von ihnen wirft die Bundesanwaltschaft Beihilfe zum Mord in jeweils neun Fällen vor.

Die Bundesanwaltschaft könnte es sich eigentlich leicht machen.
Denn Carsten S. hat unmittelbar nach seiner Festnahme und dann nochmal in der Hauptverhandlung selbst ein umfangreiches Geständnis abgelegt.
Und dabei den Mitangeklagten Ralf Wohlleben und sich selbst schwer belastet.
Dem Geständnis zufolge hat S. zusammen mit Ralf Wohlleben die Ceska-Pistole beschafft, mit der Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in den Jahren 2000 bis 2006 neun Migranten ermordeten.
Damit haben sie, folgt man der Anklage, Beihilfe zum Mord in neun Fällen geleistet.

Zwei ganz unterschiedliche Angeklagte
Carsten S. hielt laut Bundesanwaltschaft nach dem Untertauchen von Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos seit August 1998 Kontakt zu den dreien.
Und zwar im Auftrag von Ralf Wohlleben.
Als das Trio telefonisch bei S. eine Waffenlieferung in Auftrag gab, übermittelte er den Wunsch an Wohlleben.
Und bekam von diesem Auftrag und Geld, die Waffe in einem Jenaer Szeneladen zu besorgen.
Was er auch tat.
Anschließend zeigte er Wohlleben die Ceska-Pistole mit Schalldämpfer und übergab sie schließlich Böhnhardt und Mundlos.
Trotz dieses Geständnisses verwendet die Bundesanwaltschaft viel Zeit, um diesen einfach erscheinenden Sachverhalt in ihrem Schlussvortrag aufzuarbeiten.

"Echte Reue" und "Wille nach Aufklärung"
Denn sie muss nachweisen, dass Carsten S. auch tatsächliche die Mordwaffe geliefert hat, und nicht irgend eine andere, wie Wohlleben behauptet.
"Ohne das Geständnis von Carsten S.", würden Wohlleben und S. selbst nicht auf der Anklagebank dieses Prozesses sitzen, würdigt Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten die Angaben, die S. nach "bestem Wissen und Gewissen" gemacht habe, getrieben von "echter Reue" und dem "Willen, an der Aufklärung der Verbrechen" mitzuwirken.
Die Verteidiger von Wohlleben schütteln bei solchen Sätzen den Kopf.
Besonders ärgern dürfte Anwalt Olaf Klemke die Bemerkung, dass sein Versuch, die Glaubwürdigkeit von Carsten S. zu erschüttern, "kolossal gescheitert" sei.
Die Anklagebehörde macht ganz nebenbei deutlich, dass ihrer Überzeugung nach zwar beide Angeklagten wegen Beihilfe zum Mord zu verurteilen seien, sie am Ende ihrer Plädoyers aber ganz unterschiedliche Strafen fordern wird.

Es geht um jede Kleinigkeit
Allein verlassen kann und will sich die Bundesanwaltschaft auf die Angaben von Carsten S. sowieso nicht.
So bestreitet dieser beispielsweise, dass er eine Pistole mit Schalldämpfer besorgen sollte.
Mit oder ohne Schalldämpfer, wo ist da der Unterschied?
Aus Sicht der Bundesanwaltschaft lässt die Bestellung mit Schalldämpfer den Rückschluss zu, dass der NSU von Anfang eine ganze Mordserie plante.
Mit dem Schalldämpfer habe die Terrororganisation sicherstellen wollen, an den Tatorten durch Schussgeräusche nicht aufzufallen.

Um alle möglichen Zweifel von vorneherein auszuräumen, zeichnet die Anklagebehörde den ganzen Weg der Pistole von einem Waffengeschäft in der Schweiz über mehrere Mittelmänner der rechten Szene bis zu Ralf Wohlleben, Carsten S., Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nach.
Und steht in einigen Momenten vor der Schwierigkeit, plausibel zu erklären, warum sie manche Angaben der Vorbesitzer, die zum Teil jahrelang gelogen hatten, in bestimmten Punkten am Ende doch für glaubwürdig hält.

Komplizierte Beweisführung
Das macht diesen Teil des Schlussvortrages kompliziert in der Beweisführung.
Auch das ein Grund, warum die Bundesanwaltschaft bereits angekündigt hat, sich auch am morgigen letzten Tag vor der Sommerpause nur mit der Rolle von Wohlleben und Carsten S. zu beschäftigen.


 
Plädoyer im NSU-Prozess: Bundesanwaltschaft geht mit Unterstützern hart ins Gericht !

Am letzten Tag vor der Sommerpause im NSU-Prozess hat sich die Anklage ganz den mutmaßlichen Unterstützern gewidmet.
Der Angeklagte Ralf Wohlleben sei "Master-Mind" der Unterstützerszene des NSU gewesen.

Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten nahm Ralf Wohlleben und Carsten S., die beiden mutmaßlichen Waffenlieferanten des NSU, ins Visier.
Sie sollen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt jene Ceska 83 geliefert haben, mit denen der NSU neun Migranten tötete.
Sie hätten die Pistole mit Schalldämpfer und Munition in dem Bewusstsein geliefert, dass Mundlos und Böhnhardt damit Morde begehen könnten.
Weingarten sieht die beiden Angeklagten der Beihilfe zum Mord überführt.

Der Strippenzieher und sein stolzer Helfer
Ralf Wohlleben, ehemaliger NPD-Spitzenfunktionär in Thüringen habe bei der Waffenbeschaffung eine zentrale Rolle gespielt; sei "Spiritus Rector des Waffengeschäfts" gewesen, so Jochen Weingarten in seinem Schlussvortrag.
Die Bundesanwaltschaft ist sich sicher: Wohlleben entschied den Waffenkauf, fädelte den Kontakt zu Waffenhändlern ein und bezahlte die Ceska 83 aus dem Geld, das er von seinen untergetauchten Neonazi-Freunden Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe erhalten hatte.

Er sei "Master-Mind" der Unterstützerszene des NSU gewesen und habe den Kontakt zu Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe nach deren Untertauchen 1998 organisiert.
Wohlleben sei als eine Art „Schulmeister“ der Konspiration aufgetreten, nur er habe gewusst, wer Helfer war und wer was wusste, sagte Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten am Vormittag.

Der damals 19-jährige Carsten S. fungierte als Kontaktmann und Kurier. S. handelte auf Anweisung von Ralf Wohlleben, sei stolz gewesen, dass er als Helfer ausgewählt worden war, so Jochen Weingarten zu dessen Motiven.
Carsten S. hatte ein umfangreiches Geständnis abgelegt und eingeräumt, dass er die Waffe bei einem Szenehändler in Jena abgeholt und schließlich samt Schalldämpfer und Munition bei Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt abgeliefert hatte.
Er habe trotz Bauchschmerzen bei der Übergabe darauf vertraut, dass die schon nichts Schlimmes damit anstellen würden.

Carsten S. nur teilweise glaubwürdig
Dass die beiden damit Morde begehen würden, musste den beiden Waffenlieferanten klar gewesen sein, das sieht Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten als erwiesen an.
Es sei immer um eine Waffe mit Schalldämpfer gegangen.
Außerdem musste Carsten S. die Gefahr bekannt gewesen sein, die von den Untergetauchten ausging.
Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten bei der Waffenübergabe ihm gegenüber damit geprahlt „in Nürnberg eine Taschenlampe abgestellt“ zu haben.
Erst später will er gemerkt haben, dass es sich dabei um einen Bombenanschlag gehandelt habe.
Auch wenn die Schilderung objektiv zutreffe, so Weingarten, sei die subjektive Seite seiner Aussagen wenig überzeugend.
Carsten S. habe zwar umfangreich ausgesagt, könne sich aber offenbar nicht eingestehen, dass er schon damals, als er die Waffe übergab, wusste oder zumindest ahnte, was die NSU-Terroristen damit vorhatten.

Bundesanwaltschaft glaubt Wohllebens Version nicht
Ausführlich ging Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten auf Wohllebens Aussage im NSU-Prozess ein.
Er hatte sich nicht zu Beginn der Beweisaufnahme, sondern erst zweieinhalb Jahre nach Prozessbeginn eingelassen.
Wohlleben sagte aus, bei der Beschaffung einer Waffe sei es lediglich um den Wunsch von Uwe Böhnhardt gegangen, sich im Falle einer Verhaftung selbst töten zu können.
Böhnhardt habe ausdrücklich eine Pistole deutschen Fabrikats nachgefragt.

Jochen Weingarten findet diese Einlassung "beinahe komisch".
Für einen Selbstmord sei es egal, ob man eine Pistole oder einen Revolver benutze, außerdem mache ein Schalldämpfer keinen Sinn.
"Auf eine Schonung des eigenen Gehörs oder des Gehörs anderer wird es dem Selbstmörder kaum ankommen", sagt Weingarten in seinem Schlussvortrag.
Auch sei es doch wohl selbst einem Neonazi egal, welcher Herkunft die Waffe sei.
Böhnhardt habe schließlich auch ein Auto ausländischen Fabrikats gefahren, da sei er ideologisch flexibel gewesen.

Unterstützung im politischen Kampf gegen Ausländer
Wohlleben kann nach Ansicht von Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten die zunehmende Radikalisierung von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nicht entgangen sein.
In der Kameradschaft Jena sei regelmäßig die Bewaffnung und Anwendung von Gewalt diskutiert worden.
Mundlos Böhnhardt und Zschäpe traten bei diesen Diskussionen als Hardliner auf.


Plädoyer dauert bis nach der Sommerpause
Der NSU-Prozess geht nach dem heutigen Verhandlungstag in eine vierwöchige Sommerpause.
Erst Ende August wird die Bundesanwaltschaft ihr Plädoyer fortsetzen.


 
380. Verhandlungstag: Das besondere Geständnis des Andre E. !

Wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ist Andre. E im NSU-Prozess angeklagt.
Bislang hat er beharrlich geschwiegen.
Oberstaatsanwalt Weingarten spricht in seinem Plädoyer heute dennoch von einem Geständnis des 38–jährigen, und zwar durch schlüssiges Verhalten.

Die Plädoyers der Bundesanwaltschaft werden fortgesetzt, heute nehmen die Ankläger Unterstützer des NSU ins Visier.
Andre E. soll für das Trio unter anderem eine Wohnung und drei Wohnmobile angemietet haben.
Aber wusste er auch über die Taten der Terroristen Bescheid?
E. sei klar kommuniziert worden, dass man Ausländer umbringen und zur Finanzierung des Lebensunterhalts Raubüberfälle begehen wolle, sagt Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten am Vormittag.

Wohnzimmerwandgestaltung als Beweis
Ein Beweis dafür, dass Andre. E nicht als Werkzeug des NSU missbraucht wurde, sondern bis zu einem gewissen Grad eingebunden war, ist nach Ansicht von Weingarten die Wohnzimmerwandgestaltung im Hause E.
Bei der Durchsuchung der Wohnung in Zwickau sei eine Portraitzeichnung aufgefallen, die über dem Fernseher, nahe der Fotos der Kinder gehangen habe.
Zwei Männerköpfe und ein weißes Runensymbol, das für den Tod stehe und ein altdeutscher Schriftzug: "Unvergessen".

Mundlos und Böhnhardt als Helden verehrt
Bei den Männerköpfen habe es sich um Mundlos und Böhnhardt gehandelt , sagte Weingarten.
Mit dem Bild an der Wand habe sich Andre E. nach dem Tod der beiden Terroristen eine Gedenkstätte geschaffen und sie als Helden verehrt.
Wäre er als ahnungsloser Mordgehilfe benutzt worden, hätte er das das Bild nicht aufgehängt, argumentiert Weingarten.


Mit der Aufhängung des Bildes habe Andre E. deshalb ein Geständnis durch schlüssiges Verhalten abgegeben, sagt Weingarten.
Aus diesem, aber auch aus vielen anderen Gründen, sei er deshalb überführt.


 
381. Verhandlungstag: Bundesanwaltschaft - Zschäpe ist Mittäterin !

Bis auf wenige Details bleibt die Karlsruher Bundesanwaltschaft bei ihrer vor vier Jahren formulierten Anklage: Beate Zschäpe ist nicht Mitwisserin, sondern gleichberechtigte Mittäterin des NSU gewesen.

Heute würdigten zudem die Anklage-Vertreter das Verhalten der fünf Angeklagten im NSU-Prozess aus rechtlicher Sicht.
Am kommenden Verhandlungstag, am 12. September, wird das Ende des Plädoyers der Bundesanwälte und die Strafzumessung erwartet.

Tag sieben der Plädoyer-Verlesung
Bereits den siebten Tag in Folge verlesen die Karlsruher Bundesanwälte ihr Plädoyer.
Und sind immer noch nicht fertig.
Heute geht es um die rechtliche Bewertung des Verhaltens der Angeklagten.
Oberstaatsanwältin Anette Greger lässt keinen Zweifel daran, dass Beate Zschäpe ein voll- und gleichwertiges Mitglied des NSU war.
Die Vorwürfe sind schwerwiegend: Zschäpe habe sich nicht nur wegen der Bildung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung strafbar gemacht, sondern unter anderem auch wegen der zehn Morde des NSU, dazu wegen versuchten Mordes in mehr als 30 Fällen.
Letztere Vorwürfe beziehen sich auf Sprengstoffanschläge, die mutmaßlich auf das Konto des NSU gehen, insbesondere der Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße im Jahr 2004.

Mittäterin, auch wenn sie nicht an den Tatorten war
Die zehn Morde, ausgeführt maßgeblich von den im Jahr 2011 verstorbenen NSU-Mitgliedern Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, hier sieht die Bundesanwaltschaft Zschäpe ganz klar als Mittäterin, auch wenn sie wohl am jeweiligen Tatort nicht anwesend war.
Die Karlsruher Staatsanwälte sind dennoch der Ansicht, dass die Angeklagte objektiv an den jeweiligen Taten entscheidend mitgewirkt habe.

In der Terrorgruppe herrschte Arbeitsteilung
Denn, während die beiden Uwes auf Mordtour waren, habe Zschäpe Stallwache gehalten, habe so für die Legendierung der beiden Männer gesorgt.
Außerdem habe sie sich um die finanzielle Verwaltung und die Dokumentation der Taten gekümmert.
Sie sei auch an der Erstellung des Bekennervideos beteiligt gewesen.
Oberstaatsanwältin Greger: "Die Taten beruhten allesamt auf einem gemeinsamen Tatentschluss, einem gemeinsamen Tatplan.“
Zschäpe habe sich vor Ort bewusst zurück gehalten, um die Gruppe nicht zu gefährden.
Greger macht aber auch deutlich, dass die Taten nur möglich waren, weil jedes einzelne Mitglied gewusst habe, was während und nach der Tat zu tun war, auch Zschäpe.

Sicherungsverwahrung liegt vor
Längst ist unübersehbar, dass die Bundesanwaltschaft nicht nur für Zschäpes Mitangeklagte hohe Haftstrafen fordern wird, sondern in erster Linie für Zschäpe selbst.
Die mutmaßliche NSU-Terroristin hat sich vermutlich längst darauf eingestellt, dass die Staatsanwälte eine lebenslange Haft fordern.
Grundsätzlich, so Oberstaatsanwältin Greger in ihrem Vortrag heute, liege bei der Angeklagten auch eine Sicherungsverwahrung vor.
Heißt: wenn das Gericht der Anklage folgen sollte, sieht es bei Zschäpe die besondere Schwere der Schuld vorliegen.
Die Hauptangeklagte bliebe dann weit länger in Haft als bei ‚nur‘ lebenslänglich.

Ende weiter offen
Am Dienstag, 12. September wird die Bundesanwaltschaft wohl endlich erklären, welche Haftstrafen sie für die Angeklagten fordert.
Damit wäre das erste Plädoyer im NSU-Verfahren beendet, aber der Prozess selbst noch immer nicht.


 
Anklage fordert Sicherungsverwahrung für Zschäpe !

Beate Zschäpe, Hauptangeklagte im NSU-Prozess, soll nach dem Willen der Anklage lebenslang in Haft.
Bundesanwalt Diemer sieht auch die besondere Schwere der Schuld und forderte Sicherungsverwahrung.

Bundesanwalt Herbert Diemer hat gleich zu Beginn des heutigen Verhandlungstages klargestellt: Zschäpe sei für jeden einzelnen der zehn Morde des NSU an neun Migranten und einer Polizistin verantwortlich und schon allein dafür komme nur eine lebenslange Haftstrafe in Frage.


Dazu komme unter anderem noch ihre Beteiligung an zwei Sprengstoffanschlägen in Köln und weiteren dem NSU zur Last gelegten Taten.
Dass die Bundesanwaltschaft am Ende wohl eine lebenslange Haftstrafe für Zschäpe fordern wird, ist keine Überraschung:


NSU-Prozess: Anklage fordert lebenslänglich für Beate Zschäpe !


Laut den Ausführungen der Anklagebehörde war Zschäpe nicht nur Mitwisserin aller Taten des NSU, sondern auch Mittäterin: Sie habe die Finanzen und Kommunikationsmittel der Gruppe verwaltet, die Fassade aufrecht erhalten und quasi als Tarnkappe fungiert - ohne sie wären die Taten nicht möglich gewesen.

Lange Haftstrafe für Wohlleben gefordert
12 Jahre Haft wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen - so lautet die Forderung der Bundesanwaltschaft gegen den mutmaßlichen Terrorhelfer Ralf Wohlleben.
Dieser soll die "Ceska"-Pistole beschafft haben - die Mordwaffe der NSU-Terroristen.
Unter Berücksichtigung aller Umstände seien 12 Jahre angemessen, so Bundesanwalt Diemer.


 
Haftbefehl gegen André E. erlassen !

Nach den Strafmaßforderungen der Bundesanwaltschaft geht heute der Münchner NSU-Prozess weiter – anders als geplant allerdings erst am frühen Nachmittag (13.00 Uhr).
Hintergrund ist nach Angaben aus Justizkreisen, dass mehrere Verteidiger für Donnerstagvormittag internen Beratungsbedarf angemeldet haben.

Am Mittwochabend hatte das Münchner Oberlandesgericht Haftbefehl gegen den mutmaßlichen NSU-Unterstützer André E. erlassen.
Damit gab das Gericht einem Antrag der Bundesanwaltschaft statt, die E. Beihilfe zum versuchten Mord vorwirft.

Am Dienstag hatte Bundesanwalt Herbert Diemer eine überraschend hohe Haftstrafe von zwölf Jahren für André E. gefordert und die sofortige Untersuchungshaft beantragt.
Er saß in den vergangenen Jahren, anders als die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und der mutmaßliche Terrorhelfer Ralf Wohlleben, nicht in U-Haft.

Für Zschäpe will die Bundesanwaltschaft die Höchststrafe.
Es wird lebenslange Haft, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließende Sicherungsverwahrung, gefordert.
Die Anklage wirft ihr Mittäterschaft an allen Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" vor, darunter zehn vorwiegend rassistisch motivierte Morde und zwei Bombenanschläge.


 
Neuer Befangenheitsantrag bringt NSU-Prozess ins Stocken !

München - Ein neuer Befangenheitsantrag verzögert die mit Spannung erwarteten Plädoyers der Nebenkläger im Münchner NSU-Prozess.
Die Verteidiger des mutmaßlichen Terrorhelfers André E. stellten außerhalb der Hauptverhandlung ein entsprechendes Ablehnungsgesuch, wie ein Justizbeamter mitteilte.

Hintergrund ist nach Informationen juristischer Streit rund um die Eröffnung eines Haftbefehls gegen E. durch das Oberlandesgericht am Mittwochabend.
Der Prozesstag wurde deshalb genauso wie der für nächsten Dienstag geplante Verhandlungstag abgesagt.
Zunächst muss ein anderer Senat über den Befangenheitsantrag entscheiden.
Der Prozess soll erst am Mittwoch kommender Woche fortgesetzt werden.

Bundesanwalt Herbert Diemer hatte am Dienstag die Höchststrafe für die Hauptangeklagte Beate Zschäpe gefordert: lebenslange Haft, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließende Sicherungsverwahrung.
Die Anklage wirft ihr Mittäterschaft an allen NSU-Verbrechen vor, darunter zehn vorwiegend rassistisch motivierte Morde.
Für den mutmaßlichen Terrorhelfer Ralf Wohlleben und überraschend auch für E. forderte Diemer jeweils zwölf Jahre Haft.

Am Mittwochabend erließ das Gericht auf Antrag der Bundesanwaltschaft Haftbefehl gegen E. - der 38-Jährige saß in den vergangenen Jahren, anders als Zschäpe und Wohlleben, nicht in Untersuchungshaft.
Den Befangenheitsantrag begründete E.s Verteidigung dem Vernehmen nach vor allem damit, dass das Gericht unzureichend begründet habe, warum Nebenkläger zu dem nicht-öffentlichen Termin zugelassen wurden.

E. galt bis zuletzt als einer der engsten Vertrauten des "Nationalsozialistischen Untergrunds" und von Beate Zschäpe.
Die Ankläger sehen in ihm einen der loyalsten Helfer des Terrorgruppe und werfen ihm Beihilfe zum versuchten Mord vor: E. soll im Dezember 2000 das Wohnmobil gemietet haben, mit dem laut Anklage Zschäpes Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach Köln fuhren, um einen Anschlag auf das Lebensmittelgeschäft einer iranischstämmigen Familie zu verüben.


 
NSU-Prozess verzögert sich wegen neuer Befangenheitsanträge !

München - Zwei neue Befangenheitsanträge verzögern den NSU-Prozess.
Das Oberlandesgericht (OLG) München hat daher die Verhandlungstermine an diesem Mittwoch und Donnerstag gestrichen.
Der Prozess werde erst am 26. September fortgesetzt, teilte das OLG mit.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur haben die beiden mutmaßlichen Terrorhelfer Ralf Wohlleben und André E. erneut Richter des OLG-Staatsschutzsenats abgelehnt.
In beiden Ablehnungsanträgen soll es um die Umstände des Haftbefehls für André E. gehen.

Für beide Angeklagte hatte die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer zwölf Jahre Haft gefordert.
Das Gericht befürchtete daraufhin Fluchtgefahr und nahm E. vergangene Woche in Untersuchungshaft.
Wegen der Turbulenzen um den neuen Haftbefehl für E. waren bereits vergangene Woche zwei Termine und die Sitzung am Dienstag abgesagt worden.

E. war nach Darstellung der Anklage der treueste Helfer des "Nationalsozialistischen Untergrunds".
Er soll Fahrzeuge gemietet haben, mit denen die Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zu Tatorten fuhren und bei der Tarnung des NSU-Trios geholfen haben.
Wohlleben ist wegen Beihilfe zum neunfachen Mord angeklagt, weil er die Pistole vom Typ "Ceska" beschafft haben soll.
Mit dieser Waffe sollen Mundlos und Böhnhardt neun türkisch- und griechischstämmige Gewerbetreibende ermordet haben.

Für Beate Zschäpe hatte die Bundesanwaltschaft eine lebenslange Haftstrafe gefordert.
Sie soll Mittäterin bei allen Straftaten des NSU gewesen sein.


 
NSU-Prozess soll weitergehen !

München - Nach mehreren Befangenheitsanträgen soll der NSU-Prozess heute weitergehen.
Das Oberlandesgericht München muss allerdings über noch ausstehende Befangenheitsanträge entscheiden.

Eine weitere Verzögerung könnte das Verfahren in Gefahr bringen.
Nach der gesetzlichen Regel muss die Verhandlung in dieser Woche weitergehen.

Ansonsten wäre die vorgeschriebene Unterbrechungsfrist überschritten.
Die Prozessparteien erwarten als nächstes den Beginn der Nebenklage-Plädoyers.


 
383. Verhandlungstag: Verteidiger diktieren Prozessfortgang !

Mit einer Serie von Befangenheitsanträgen haben die Verteidiger von Ralf Wohlleben und Andre E. den bereits verschobenen Beginn der Nebenklage-Plädoyers erneut verhindert.
Das Gericht strich daraufhin die nächsten vier Verhandlungstage und will den Prozess erst am 24. Oktober fortsetzen.

Was ist das gute Recht eines Angeklagten und wann beginnt er dieses Recht zu missbrauchen?
Diese Frage ist am heutigen 383. Verhandlungstag des NSU-Prozesses erneut akut geworden.
Denn im Stundentakt waren immer neue Befangenheitsanträge gegen das Gericht eingegangen.
Den ersten stellte Michael Kaiser, Verteidiger von André E., um 8.30 Uhr - per Fax.
Um 10.00 Uhr, während einer ersten kurzen Unterbrechung deswegen, legten Kaiser und Olaf Klemke, der Verteidiger von Wohlleben, nach - und stellten jeweils einen weiteren Ablehnungsantrag wegen Besorgnis der Befangenheit.
Da aber bekanntlich alle guten Dinge drei sind, schoben beide Verteidiger um gegen 10.40 Uhr jeweils noch einen Antrag nach.
Und als ob das nicht reichen würde, kündigten Kaiser und Klemke an, am Donnerstagmorgen einen weiteren Antrag zu stellen.
Macht also sieben Befangenheitsanträge innerhalb von 24 Stunden.

Warum das Gericht gegen die Anträge wenig machen kann
Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Prozess frühestens in drei Wochen fortgesetzt werden kann.
Der Münchner Staatsschutzsenat kann gegen diese Verzögerung aber nichts unternehmen.
Denn es ist gesetzlich genau festgelegt, dass die abgelehnten Richter zunächst dienstliche Stellungsnahmen zu den in den Anträgen erhobenen Vorwürfen abgeben müssen.
Diese Stellungnahmen müssen allen Prozessbeteiligten zugänglich gemacht werden.
Erst frühestens dann kann ein anderer Senat am Oberlandesgericht über die Anträge entscheiden - und das braucht eben seine Zeit.

Wollen die Verteidiger den Prozess damit verschleppen?
Dass tatsächlich ein oder gar mehrere Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, kann nach dem bisherigen Verlauf des NSU-Prozesses niemand ernstlich erwarten - wahrscheinlich selbst die Verteidiger nicht, die die Anträge stellen.
Was also ist ihr Kalkül?
Vermutlich setzen sie darauf, dass das Gericht in der Behandlung der Anträge einen Fehler begeht, der in letzter Konsequenz den ganzen Prozess platzen lassen könnte.
Und das ist theoretisch durchaus möglich.
Denn in der Strafprozessordnung ist auch festgelegt, dass eine Hauptverhandlung nicht länger als drei Wochen unterbrochen werden darf.
Und an diese Frist war man heute schon gefährlich nahe gekommen.
Denn auch letzte, vorletzte, und vorverletzte Woche hatte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl wegen Befangenheitsanträgen mehrere Verhandlungstage absetzen müssen.
Durch einen juristischen Kunstgriff hat er heute die drohende Unterbrechung von mehr als drei Wochen abgewendet.
Götzl erteilte nämlich mehrere rechtliche Hinweise an die Angeklagten.
Und trat damit, ohne es überhaupt zu erwähnen, wieder in die Beweisaufnahme ein.
Diese darf trotz nicht entschiedener Befangenheitsanträge fortgesetzt werden, während die Plädoyers nur dann gehalten werden dürfen, wenn über alle Befangenheitsanträge entschieden ist.
Nachdem durch den kurzen Eintritt in die Beweisaufnahme heute wieder weiterverhandelt wurde, ist das Platzen des Prozesses durch eine unzulässig lange Pause fürs erste abgewendet.

Wie geht es jetzt weiter?
Aber man braucht kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass es die Verteidiger mit neuen Anträgen wieder probieren werden, den Prozess länger als drei Wochen zu unterbrechen.
Denn aus ihrer Sicht ist es wohl die letzte Möglichkeit, die drohende Verurteilung ihrer Mandanten zu langen Haftstrafen abzuwenden.
Dies den Verteidigern nachzuweisen und ihrer Anträge von vorneherein deswegen als "rechtsmissbräuchlich" abzulehnen, ist aber praktisch unmöglich.
Denn solange die Gesuche auch nur einigermaßen plausibel begründet sind, muss sich die Justiz inhaltlich damit auseinandersetzen.
Es ist also gut möglich, dass dieses juristische Pingpong mit Befangenheitsanträgen noch monatelang weitergehen und damit den NSU-Prozess in die Länge ziehen wird.

Der Gesetzgeber muss handeln
Im Endeffekt können also die Verteidiger maßgeblichen Einfluss auf die Schlussphase dieses Prozesses ausüben.
Für die Angehörigen der Opfer und ihre Anwälte ist das frustrierend.
Ursprünglich wollten mehrere Familien selbst das Wort im Gerichtssaal ergreifen.
Weil es aber inzwischen unkalkulierbar geworden ist, wann die Schlussvorträge der Nebenklage tatsächlich beginnen können, haben etliche Angehörige der Opfer diesen Plan wieder aufgegeben.
Dass nicht das Gericht, sondern die Verteidigung zunehmend den Zeitplan diktiert, ist aber auch aus einem weiteren Grund höchst problematisch.
Die breite Öffentlichkeit versteht schon längst nicht mehr, warum der NSU-Prozess so lange dauert.
Kommt es jetzt zu weiteren Verzögerungen aufgrund von immer neu gestellten Befangenheitsanträgen, wird die ohnehin verbreitete Skepsis gegenüber dem Rechtsstaat zunehmen.
Der Münchner Staatsschutzsenat kann dagegen nichts machen, ihm sind durch die Strafprozessordnung die Hände gebunden.
Ändern kann sie nur der Gesetzgeber.
Und nach dem heutigen Verhandlungstag steht fest: Der Gesetzgeber muss sie dringend ändern.


 
384. Verhandlungstag: Das Tauziehen im Saal A 101 geht weiter !

Sämtliche Befangenheitsanträge gegen das Gericht wurden abgelehnt.
Die Verteidigung sorgte aber weiter für zahlreiche Unterbrechungen.
Wieder konnte die Nebenklage nicht mit ihren Plädoyers beginnen.

Nebenklägerin Gamze Kubasik ärgert das sehr.
"Ich nehme das persönlich", sagt die Tochter des 2006 in Dortmund ermordeten Kiosk-Betreibers Mehmet Kubasik am späten Nachmittag auf dem Vorplatz des Münchner Justizzentrums.
Da hatte das Gericht die Verhandlung nach nur drei Stunden bis zum nächsten Morgen unterbrochen.
Denn die Verteidigung von André E. wollte mehr Zeit zum Durchlesen der Begründung, mit der ihre drei letzten Befangenheitsanträge abgelehnt worden waren.

Neonazi André E. liest sehr langsam
Eigentlich gab es heute gar nicht so viel zu lesen.
Verteidiger Kaiser hatte die Kopien während einer der zahlreichen Pausen durchgearbeitet, doch seinem Mandanten André E. reichte die Zeit offenbar nicht.
Er müsse jeden Satz zwei und dreimal lesen, so sein Anwalt.
Er habe Konzentrationsstörungen und brauche darum Zeit bis zum nächsten Morgen.
Der Antrag überraschte.
Wirkte André E. während der Pausen doch sehr entspannt, sass tatenlos auf der Anklagebank und feixte mit den Verteidigern.
Dass er etwas durchlas war nicht zu beobachten.

Da droht auch der Bundesanwaltschaft der Geduldsfaden zu zerreißen.
Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten fragte, wie weit denn E. beim Durchlesen gekommen sei.
Doch es half nichts – das Gericht beschloss, die Verhandlung zu unterbrechen.

Der bekennende Neonazi André E. gilt neben Ralf Wohlleben als einer der wichtigsten Unterstützer des NSU.

Nebenklage ist enttäuscht
Eigentlich wäre Opfer-Anwältin Edith Lunnebach heute mit ihrem Schlussvortrag an der Reihe gewesen.
Sie eröffnet die Plädoyers der Nebenklage.
"Es ist teilweise peinlich, was von der Verteidigung inzwischen inszeniert wird", sagt sie.
Geduld gehöre zwar zu ihrem Beruf, doch ihre Mandanten würde es sehr belasten, dass der NSU-Prozess auf diese Weise immer wieder ins Stocken gerate.

Auch Gamze Kubasik raubt der Prozess viel Kraft.
Sie hat den Eindruck, den Angeklagten gehe es auch darum, die Nebenkläger zu ärgern.
Die junge Mutter ist aus Dortmund angereist, um Präsenz zu zeigen und daran zu erinnern, um was es in dem Verfahren eigentlich geht: Nämlich um die Ermordung ihres Vaters durch Rechtsterroristen und ihre Helfer, so wie auch um die vielen anderen Opfer des NSU.
Jetzt hätte sie noch einmal Gelegenheit, ihre Sicht auf den Prozess zu schildern.
Doch sie kommt nicht zu Wort.

"Ich hätte mir gewünscht dass das, was für die Woche was geplant ist, das auch durchgesetzt wird, man geht immer mit so einer Enttäuschung nach Hause," sagt sie und will morgen mit ihrer Mutter Elif Kubasik wiederkommen.

Vielleicht können dann die Nebenkläger endlich mit ihren Plädoyers beginnen.


 
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