Der Wirecard-Skandal !

Diskussion um Staatsaufträge: Schont Berlin "die Wirecard-Versager" ?

Weil die Beratungs- und Prüffirma EY nicht vor dem Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal aussagen wollte, war ihr aus der Union der Entzug staatlicher Aufträge angedroht worden.
Doch die Bundesregierung sieht es anders.

Seit EY (früher Ernst & Young) mit dem Vorwurf konfrontiert wird, dank laxer Blicke in die Wirecard-Bilanzen den Skandal um den Pleite-Konzern mit verursacht zu haben, erlebt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, deren Wurzeln bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts gehen, einen Reputationsverlust ungeahnten Ausmaßes.
Der Vermögensverwalter DWS, der durch das Wirecard-Debakel viel Geld verlor, und die Commerzbank, die wegen geplatzter Kredite an das frühere Dax-Unternehmen schon 175 Millionen Euro abschreiben musste, verzichten auf die Dienste von EY.
Zuletzt zog die öffentliche KfW-Bank nach - auch sie dürfte zig Millionen durch die Wirecard-Misere eingebüßt haben.

Nach den Vorstellungen des altgedienten CSU-Finanzpolitikers Hans Michelbach müsste die KfW Vorbildcharakter für den Staat haben.
Nachdem sich abzeichnete, dass Topmanager von EY vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestages die Aussage verweigern wollen, drohte er mit drastischen Konsequenzen.
"Es ist jedenfalls klar, dass eine Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft, die einen solchen Blockadekurs unterstützt, kein Geschäftspartner mehr für die Bundesregierung sein kann", sagte Michelbach der "Augsburger Allgemeinen" in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Gremiums.

Was schmerzen würde.
"EY kassierte in den letzten fünf Jahren fast 60 Millionen Euro an Aufträgen vom Bund", erklärte Fabio De Masi, der für die Linke in dem Ausschuss sitzt.
Doch das Unternehmen zeigte sich unbeeindruckt.
Diejenigen EY-Vertreter, gegen die berufsrechtlich ermittelt wird, bestanden auf ihrem Recht zu schweigen, um sich nicht selbst zu belasten - und Christian Orth, Leiter der internen Qualitätssicherung des Unternehmens, verweigerte die Aussage unter Hinweis auf die generelle Verschwiegenheitspflicht für Wirtschaftsprüfer.
Das Entsetzen im Ausschuss war groß, Koalition und Opposition empörten sich gleichermaßen.

Da darf die Politik nicht eingreifen?
Die Drohung, EY grundsätzlich keine Aufträge mehr zu geben, allerdings fand bei der Bundesregierung bislang kein Gehör.
Die SPD trat ebenfalls auf die Bremse.
Ihr Abgeordneter Jens Zimmermann sagte: "Kollege Michelbach schießt immer sehr schnell aus der Hüfte und wird dann von seinen Kollegen wieder eingefangen."
Vorsicht sei geboten, erst recht bei der Vergabe ohne Ausschreibung.
Es gebe aber klare rechtliche Regeln.
"Da kann und darf die Politik nicht einfach eingreifen."

De Masi wollte das nicht akzeptieren.
"Die Bundesregierung darf die Wirecard-Versager nicht länger schonen", sagte er.
Unter Verweis auf die Strafanzeige der Wirtschaftsprüferaufsicht APAS gegen EY bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin fragte sein Fraktionskollege Stefan Liebich das Wirtschaftsministerium, ob die Regierung das Unternehmen weiterhin bei Aufträgen mit oder ohne Ausschreibungen berücksichtigen wolle.
Staatssekretär Ulrich Nußbaum schrieb in seiner Antwort: "Der Umstand, dass eine Mitteilung von möglicherweise eine Straftat begründenden Tatsachen an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist, stellt allein noch keinen Nachweis einer schweren Verfehlung dar."
Erst dann wäre ein Ausschluss von Aufträgen möglich.
Im Übrigen müsse jedes Ministerium selbst entscheiden.

De Masi beklagte die offensichtliche Folgenlosigkeit von Michelbachs Drohungen.
"Die Abgeordneten der GroKo poltern gegen öffentliche Aufträge an EY.
Dies ist nur heiße Luft."
Die Bundesregierung habe aus seiner Sicht schon jetzt die gesetzliche Möglichkeit, auch vor einer Verurteilung wegen Verletzung der Berufspflichten auf öffentliche Aufträge an EY zu verzichten, sagte er und erinnerte daran, dass Gesundheitsminister Jens Spahn "über längere Zeiträume und nicht nur für die Notfallsituation zu Beginn der Corona-Pandemie" Aufträge an EY vergeben habe, "um das selbst angezettelte Chaos bei den Schutzmasken zu bewältigen".

Millionenschwere Regierungsaufträge für EY
Wie aus einer früheren Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Bewältigung der Corona-Welle mindestens 33 Millionen Euro an Beratungsfirmen gezahlt.
Im April hatte das Gesundheitsministerium EY ohne Ausschreibung eingeschaltet, um den bis dahin turbulenten Einkauf von Schutzmasken zu koordinieren.
Bisher erhielt die Firma dafür rund zehn Millionen Euro Honorar, ein Folgeauftrag bis Herbst 2021 hat ein Volumen von 18 Millionen Euro plus Mehrwertsteuer.

Schon das hatte De Masi kritisiert.
Zwar zeigte er Verständnis für ein rasches Vorgehen Spahns am Anfang der Pandemie.
Doch erinnere der Umfang der freihändigen Vergaben an EY an die Berateraffäre im Verteidigungsministerium.
EY wollte sich zu dem Komplex auf Anfrage nicht äußern.

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Kay Gottschalk, glaubt indes, dass allein die Schlagzeilen EY Millionen kosteten.
"Der Markt sanktioniert und bestraft das Unternehmen gerade enorm", sagte der AfD-Politiker.
"Welcher Vorstand kann denn gerade sagen: Wir nehmen EY als Wirtschaftsprüfer?
Da springt doch der Aufsichtsrat im Dreieck."
Zimmermann meinte ebenfalls: "Ich bin mir sicher, dass alle öffentlichen und privaten Unternehmen jetzt ganz genau überlegen, ob sie mit EY zusammenarbeiten."

Zumal die SPD EY weiter zusetzt.
Die Sozialdemokratin Cansel Kiziltepe stellte Strafanzeige gegen Orth wegen Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss.
Zimmermann erklärte, der EY-Manager habe mit einem Anruf bei der Aufsicht "ganz offensichtlich" versucht herauszufinden, was es mit der Strafanzeige gegen sein Unternehmen auf sich habe.
Als Zeuge habe er es jedoch so dargestellt, dass es ihm lediglich darum gegangen sei, einen geeigneten Ansprechpartner bei der APAS in der Sache zu finden.
Orths Rechtsanwalt Björn Gercke wies den Vorwurf zurück.
Ohnehin gehe die Anzeige ins Leere, da sein Mandant das Protokoll der Aussage noch gar nicht gelesen, eventuell korrigiert und abgezeichnet habe.
Zimmermann verteidigte seine Kollegin: "Offensichtlich so dreist die Unwahrheit zu sagen, ist keine gute Idee und darf nicht ohne Konsequenzen bleiben."


 
Ex-Minister vor dem Untersuchungs-Ausschuss: Guttenberg sieht sich als Opfer des Wirecard-Betrugs !

Der frühere Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat die Bundesregierung im Skandal um den Bilanzbetrug bei Wirecard in Schutz genommen.
Nach damaligem Kenntnisstand sei die Unterstützung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für das deutsche Fin-Tech richtig gewesen, sagte zu Guttenberg am Donnerstag im Untersuchungsausschuss des Bundestags.

Der 49-Jährige war mit seiner Beratungs- und Beteiligungsfirma Spitzberg Partners vor der Insolvenz für Wirecard tätig und hatte den Kontakt ins Kanzleramt vermittelt.
Merkel hatte sich daraufhin bei einer China-Reise im Jahr 2019 für Wirecard eingesetzt.

Milliardenbetrug konnte man nicht erahnen
Im Ausschuss wies zu Guttenberg auch entschieden alle Vorwürfe zurück, er habe den mutmaßlichen Milliardenbetrug erahnen können.
„Einen derartigen Betrug konnte man als Geschäftspartner - trotz gewisser Mutmaßungen in der britischen Financial Times - nicht erahnen“, betonte er.
„Hätten wir gewusst, dass das Geschäftsmodell von Wirecard offenbar auf Betrug basiert, hätten wir dieses Dax-Unternehmen niemals beraten.“

Weder seine Firma noch er selbst hätten zu irgendeinem Zeitpunkt von Diskrepanzen in der Bilanzierung, von Geldwäsche oder anderen Straftaten gewusst, versicherte zu Guttenberg.
Stattdessen habe man sich auf die offiziellen Bewertungen des Unternehmens und die staatlichen Prüfstellen verlassen.

Luftbuchungen über 1,9 Milliarden Euro
Der inzwischen insolvente frühere Dax-Konzern Wirecard soll über Jahre Scheingewinne ausgewiesen haben.
Im Sommer räumte das Unternehmen Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro ein.

Laut Staatsanwaltschaft könnte es insgesamt um rund drei Milliarden gehen.
Die Firma saß als Dienstleister für bargeldlose Zahlungen an der Schnittstelle zwischen Händlern und Kreditkartenfirmen und machte nach aktuellem Ermittlungsstand jahrelang Verluste.
Unter anderem die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young und die Finanzaufsicht Bafin stehen in der Kritik, weil der Betrug nicht früher aufflog.
Der Untersuchungsausschuss will auch herausfinden, ob man im Kanzleramt ahnte, dass es bei Wirecard nicht mit rechten Dingen zuging.


 
"Macht diese Zeitung fertig": Bank-Kontrolleur stachelte Wirecard-Boss an !

Im Wirecard-Skandal wird eine private Mail eines Aufsichtsratsmitglieds der Deutschen Bank öffentlich, die nach dem Urteil der Opposition "engen Filz in der deutschen Finanzelite" zeigt.
Der Konzern bemüht sich um Schadensbegrenzung.

Von 2015 an war es die britische Tageszeitung "Financial Times" (FT), die immer wieder mutmaßliche Machenschaften von Wirecard offenlegte, die sich später als richtig erwiesen.
Stets sah sich die Führungsriege des Pleite-Konzerns gezwungen, gegen die Berichte verbal oder juristisch anzugehen.
Nur zu gern glaubten Akteure am Kapitalmarkt und in der Politik den Beschwichtigungen des ehemaligen Wirecard-Chefs Markus Braun, der sich selbst als Opfer von Ganoven darstellt.

Im Nachhinein wundert es jedenfalls nicht, dass Braun, der in Untersuchungshaft sitzt und einer Anklage als bandenmäßiger Betrüger entgegensieht, in einer Mail im Februar 2019 schrieb, kürzlich sein "langjähriges FT-Abo" gekündigt zu haben - versehen mit einem Smiley.
"Aber ich glaube das wird jetzt schnell in eine andere Richtung gehen."*
Es folgte ein Zwinker-Smiley.
Die Emojis und die Formulierungen decken sich mit der öffentlichen Wahrnehmung von Braun, dieser habe in einer Art Parallelwelt gelebt, Fakten ignoriert und seinem eigenen Budenzauber geglaubt.

Der Empfänger antwortete: "hab ich mir schon gedacht.
hab ja in der FT gelesen dass du ganz ein schlimmer bist."
Zwinker-Smiley.
Nachdem der Schreiber auf einen geplanten Kurztrip nach Frankreich eingeht, der im Zentrum des Mailwechsels steht, folgt die Bemerkung: "habe übrigens 3x wirecard aktien gekauft letzte woche, macht diese zeitung fertig!!"
Die Botschaft endet mit "lg", also "liebe Grüße".

Öffentlich gemacht hat die entscheidende Passage Jens Zimmermann, der für die SPD im Wirecard-Untersuchungsausschuss sitzt, in der Sitzung des Gremiums in der Nacht zum Freitag.
Der Mailwechsel, der vollständig vorliegt, wäre eine Petitesse angesichts des größten Bilanzfälschungsskandals in der deutschen Nachkriegszeit, wäre der Duz-Freund Brauns nicht Alexander Schütz, Chef der von ihm gegründeten C-Quadrat Investment Group und seit Jahren kritisch beäugtes Mitglied des Aufsichtsrates der Deutschen Bank, die wie andere deutsche Geldhäuser Wirecard Millionenkredite gewährt hatte.
Deutsche Bank distanziert sich

Der Sozialdemokrat konfrontierte den Vorstandsvorsitzenden des Konzerns, Christian Sewing, der wie andere Spitzenmanager der deutschen Bankenszene als Zeuge geladen war, mit den Aussagen von Schütz.
Sewing erklärte, die Mail nicht zu kennen - was glaubhaft ist.
"Die Email ist ein seltener Einblick in die Gedankenwelt eines Aufsichtsrates der Deutschen Bank und alles andere als ein Ruhmesblatt für den größten Finanzkonzern Deutschlands", sagte Zimmermann nach der Sitzung.
Fabio De Masi, der das Wirecard-Debakel für die Linke parlamentarisch aufarbeitet, sah in den Äußerungen einen Beleg für den "engen Filz in der deutschen Finanzelite".
Schütz sei "einer der letzten Freunde Brauns".
De Masi twitterte: "Dass Herr Sewing auch davon nicht eindeutig distanzieren wollte, ist aufschlussreich!"
Woraufhin sich Deutsche-Bank-Sprecher Jörg Eigendorf zu Wort meldete, was vermuten lässt, dass der Konzern alles andere als begeistert ist von den Einlassungen seines Aufsichtsratsmitglieds: "Wir haben von einer solchen Email erst in dieser Nacht erfahren.
Grundsätzlich kommentieren wir private Aussagen von Aufsichtsratsmitgliedern nicht.
Allerdings sind unabhängig davon sowohl Inhalt als auch Haltung der zitierten Aussage inakzeptabel - ganz gleich von wem sie kommt."

Zimmermann erinnerte zudem daran, dass "schon die Berufung von Herrn Schütz in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank umstritten" gewesen sei.
"Sein Ruf in der Finanzwelt ist alles andere als tadellos."
Schütz hatte über seine Finanzfirma C-Quadrat die Anteile des hochverschuldeten Mischkonzerns Hainan Jiaoguan Holding (HNA) verwaltet, eine chinesische Holding, die Marktbeobachter als sehr undurchsichtig einstufen.
Selbst Sewings Vorgänger John Cryan lehnte es lange ab, den Chef von HNA zu treffen.
Die Deutsche Bank kaufte die Aktien zurück. Im HNA-Gebilde verblieb ein sehr kleiner Teil, die das Unternehmen von Schütz, der wie Markus Braun Österreicher ist, Ende 2019 übernahm.
Schütz war für die HNA im Mai 2017 in den Aufsichtsrat eingezogen, sein Mandat läuft bis 2023.

Der Österreicher hatte die private Sicherheitsfirma Aventus in Wien gegründet, die auf ihrer Website "Akquisition, Sicherung und Kontrolle von Informationen" als "Kernkompetenz" nennt.
Ihr Geschäftsführer Gerald Karner erklärt dazu: "In der globalisierten Wirtschaftswelt sind fundierte Hintergrundinformationen zu Personen und Unternehmen aus nicht-öffentlichen Quellen notwendig, um die richtigen Schritte setzen zu können."
"Ich lag falsch"

Schütz bemühte sich um Schadensbegrenzung.
Er begründete - wie viele andere direkt oder indirekt Beteiligte des Skandals auch - seine Wortwahl von damals mit Unwissen und Vertrauen.
"Ich habe Markus Braun Anfang 2019 geglaubt, dass Wirecard ein integres Unternehmen ist, das zu Unrecht diffamiert wird und dass es tatsächlich eine mediale Kampagne initiiert von short sellern gegen das Unternehmen gibt.
Mittlerweile ist klar, dass ich damit falsch lag", zitierte ihn die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" in einer Stellungnahme für das Blatt.
Schütz entschuldigte sich bei der "Financial Times und ihren Reportern für diese emotionale und deplatzierte Äußerung".
Er wisse, dass sie einen wesentlichen Beitrag zur Enthüllung des Skandals geleistet haben, wofür dem Team um Reporter Dan McCrum Anerkennung gebühre.

McCrum erhielt kürzlich den Deutschen Reporterpreis.
Die Laudatio hielt Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der den Journalisten als "Aufklärer in bester Historie der Pressefreiheit" lobte.
Froh sei er, dass die Staatsanwaltschaft München die Ermittlungen gegen McCrum "eingestellt hat und sich jetzt auf die Täter konzentriert", sagte er.
Die Worte lösten unter Kennern der Materie Reaktionen zwischen Grinsen und lautem Lachen aus.
Scholz ist Dienstherr der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) - sie hatte ebenso wie Wirecard McCrum im April 2019 angezeigt und die Ermittlungen gegen den FT-Mann ins Rollen gebracht.

*Anmerkung: Die Zitate aus den Mails wurden im Original übernommen.
Rechtschreib- und Grammatikfehler wurden nicht korrigiert.


 
Geheimdienstmann soll Marsalek bei Flucht geholfen haben !

Die österreichische Justiz hat einen Ex-Abteilungsleiter des Nachrichtendiensts BVT und einen Ex-FPÖ-Abgeordneten festnehmen lassen.
Sie sollen dem Wirecard-Manager Jan Marsalek die Flucht nach Belarus ermöglicht haben.

Die Affäre um den flüchtigen Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek weitet sich endgültig zum Geheimdienstkrimi aus.
In Österreich hat die Staatsanwaltschaft Wien einen ehemaligen Abteilungsleiter des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und einen ehemaligen Nationalratsabgeordneten der rechtspopulistischen FPÖ festnehmen lassen.

Laut dem Haftbefehl, den der SPIEGEL einsehen konnte, besteht der dringende Tatverdacht, dass Martin W. und Thomas Schellenbacher am 19. Juni Marsalek bei seiner Flucht nach Belarus geholfen haben.
Der Ex-Wirecard-Vorstand soll damals mit einem Cessna-Kleinflugzeug mit der Flugnummer FTY5 vom österreichischen Bad Vöslau nach Minsk geflohen sein.
Wo er sich seitdem aufhält, ist nicht bekannt.
Gerüchteweise versteckt er sich in Russland.

Die Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen den in Wien geborenen Marsalek unter anderem wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in Milliardenhöhe.
Über die neueste Wendung in der Affäre hatte zuerst die österreichische Zeitung Der Standard berichtet.

Laut der österreichischen Ermittlungsunterlagen soll sich der ehemalige BVT-Abteilungsleiter Martin W. am Tag vor der Flucht in München mit Marsalek in einem Lokal getroffen haben, um dessen Verschwinden in die Wege zu leiten.
Den Flug mit der Cessna soll dann der Ex-FPÖ-Abgeordnete Schellenbacher eingefädelt haben.

Schellenbacher sorgte in den vergangenen Jahren mehrfach für Schlagzeilen.
So tauchte der bis dahin politisch völlig unerfahrene Unternehmer 2013 überraschend auf der Landesliste der Wiener FPÖ zu den Nationalratswahlen auf.
Er verpasste den Einzug in den Nationalrat knapp, bekam dann aber sonderbarerweise doch einen Sitz, weil drei andere Kandidaten auf ihren Posten verzichteten.

Später wurde unter anderem durch eine eidesstattlich versicherte Aussage bekannt, dass das Mandat offenbar erkauft worden war.
Eine Gruppe ukrainischer Unternehmer soll zehn Millionen Euro gezahlt haben, damit Schellenbacher ins Parlament einzieht.
Es besteht der Verdacht, dass der damalige FPÖ-Chef und spätere Vizekanzler Heinz-Christian Strache maßgeblich an dem Deal beteiligt war.
Darauf deuten Fotos einer Sporttasche mit Bargeld hin, die sich mutmaßlich in Straches Wagen befand.

Es stinkt bei Wirecard
Schellenbacher, der bereits am Mittwoch festgenommen wurde, hat inzwischen in einer Vernehmung eingeräumt, den Flug nach Minsk für Marsalek organisiert zu haben – angeblich im Auftrag des seit einiger Zeit beim BVT freigestellten Geheimdienstlers Martin W.

Offenherzig räumte der Ex-FPÖ-Abgeordnete gegenüber den Ermittlern ein, dass er natürlich mitbekommen habe, dass es bei Wirecard stinkt, schließlich war Marsalek im Juni als Vorstand abgesetzt worden.
Martin W. habe ihn aber beruhigt und gesagt, das sei nur eine Mediengeschichte, es sei alles in Ordnung.
Er habe dann Marsaleks Reisepass an den Piloten des Flugzeugs weitergeleitet.
Bezahlt habe der Ex-Wirecard-Vorstand in bar.

Am Tag der Flucht habe Martin W., so Schellenbacher, mehrfach angerufen, um mitzuteilen, dass sich Marsalek verspäte und dessen Taxi den Weg zum Flugplatz in Bad Vöslau nicht finde – ein weiterer Beleg dafür, dass der BVT-Beamte offenbar eng in die hektische Flucht nach Belarus eingebunden war.
Laut der österreichischen Zeitung Die Presse wurde Martin W. am Freitagabend festgenommen.
Seine Anwältin reagierte zunächst nicht auf eine Anfrage des SPIEGEL.

Mutmaßlicher Missbrauch der Amtsgewalt
Marsalek und Martin W. hatten nach Erkenntnissen der deutschen Ermittler seit Jahren intensiven Kontakt.
Der österreichische Geheimdienstmann war ständiger Gast in Marsaleks Münchener Domizil, einer Gründerzeitvilla in der Prinzregentenstraße im Nobelstadtteil Bogenhausen.
Nach SPIEGEL-Informationen wickelten sie von dort gemeinsame Geschäfte ab.

Neben dem Verdacht der Fluchthilfe erhebt die österreichische Justiz nun noch weitere brisante Vorwürfe gegen den ehemaligen BVT-Abteilungsleiter Martin W.
Die Ermittler werfen ihm vor, dass der freigestellte Beamte dubiose Nebentätigkeiten für Wirecard übernommen habe.
So soll er für den Finanzdienstleister die Zahlungsfähigkeit von Pornoseiten-Anbietern überprüft haben.

In diesem Zusammenhang hätten Martin W. und womöglich weitere BVT-Mitarbeiter personenbezogene Daten für Wirecard ermittelt – und somit ihre Amtsgewalt missbraucht.
Dem flüchtigen Marsalek wirft die Wiener Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang Bestechung vor.
Marsaleks deutscher Rechtsanwalt wollte sich zu den neuen Vorwürfen nicht äußern.
Sie haben bitte dafür Verständnis, dass nach wie vor keine Stellungnahme zu diesem Sachverhalt abgegeben wird, sagte er dem SPIEGEL.


 
Eklat im Wirecard-Ausschuss !

Er sollte der Trumpf der Opposition im Wirecard-Untersuchungsausschuss sein.
Doch die Aussage des jungen Bundesbankmitarbeiters erweist sich als Rohrkrepierer.
Nun stehen Merkels Beamte im Verdacht, unerlaubten Einfluss ausgeübt zu haben.

Auf dem Zeugen ruhte die Hoffnung der Opposition, dass da jemand zu Wirecard umfassend auspacken und Vertraute von Angela Merkel oder gar die Kanzlerin selbst bloßstellen würde.
Der junge Mann, der bei der Bundesbank beschäftigt ist, war vom Sommer 2017 an für drei Jahre ins Kanzleramt abgeordnet worden.
Anfang 2019 hatte er zu prüfen, ob die Regierungschefin den damaligen Wirecard-Vorstandsvorsitzenden Markus Braun persönlich treffen sollte, wie dieser es gewünscht hatte.

Der Beamte durchforstete das Internet und kam zu dem Schluss: "Wir empfehlen Absage des Gesprächs aus Termingründen."
Eine Unterredung etwa "über Geschäftsmodell und Zukunftsaussichten" sei auf Abteilungsebene angemessen, schrieb er in einem Vermerk.
Ein Empfang Brauns durch Merkel und Kanzleramtsminister Helge Braun sei jedoch "nicht ratsam".
Als Grund nannte er ein Ermittlungsverfahren der Münchener Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts zwielichtiger Machenschaften von Wirecard – der sich Monate später als richtig erwies.

Hochrangige Beamte des Kanzleramtes bestätigten im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags offen oder indirekt, dass die "Termingründe" vorgeschoben gewesen seien, Merkel aus inhaltlichen Gründen von einem Treffen mit Braun abgeraten worden sei.
"Die Formulierung ist eine höfliche Umschreibung für: Wir wollen nicht", erklärt Florian Toncar, der für die FDP in dem Ausschuss sitzt.
Das sei zudem vollkommen plausibel, da der Zeuge für Finanzmarktthemen zuständig gewesen sei "und keinen Einblick in den Terminkalender der Kanzlerin hatte".
Trotzdem und ungeachtet weiterer Warnhinweise in den Medien machte sich die Kanzlerin aber auf ihrer China-Reise Ende 2019 für Wirecard stark - nach erfolgreicher Lobbyarbeit ihres Ex-Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg, der dem Konzern den Weg in die Volksrepublik ebnen half.

Als der Bundesbankmitarbeiter kurz vor Weihnachten vor dem Untersuchungsausschuss erschien, erwies er sich aus Sicht der Opposition jedoch nicht als Bombe, sondern als Rohrkrepierer.
Der junge Mann erklärte, dass damals tatsächlich kein Termin gefunden worden sei.
Vor jeder Antwort blickte er intensiv in seine Aufzeichnungen und überlegte lange, bevor er sich äußerte.
Falls er sich nicht auf Erinnerungslücken berief.
Der Linke-Abgeordnete Fabio De Masi forderte ihn einmal auf: "Nun sagen Sie das mal frei und schauen Sie mich dabei an."
Es schien offensichtlich zu sein, dass der Zeuge aufpasste, bloß nichts Falsches zu sagen.

"Dann kann man sich das Ganze sparen"
Während der Befragung platzte Toncar der Kragen: Er sprach von einer "Farce" und forderte einen sofortigen Abbruch der Vernehmung.
Seine Kollegen stimmten zu - auch die von Union und SPD.
Denn nicht nur Toncar war aufgefallen, dass ausgerechnet die Beamtin, die der Untersuchung als Vertreterin der Regierung ständig beiwohnt, direkt hinter dem Zeugen saß.
Nicht nur das: Sie war nach Angaben aus dem Ausschuss in seiner Zeit im Kanzleramt die Vorgesetzte des Bundesbankers.
"Wenn eine wichtige Mitarbeiterin Merkels Woche für Woche in dem Ausschuss sitzt, alles mitschreibt und während der Aussage nur zwei Meter vom Zeugen entfernt sitzt, so dass Blickkontakt besteht und er ihren Atem spüren kann, ist das absolut bedenklich", schimpft Toncar.

Auf Nachfrage von De Masi teilte der Beamte mit, er sei von dieser Ex-Kollegin auf die Befragung vorbereitet worden - allerdings im erlaubten Rahmen.
Das hieße: Der Zeuge wurde juristisch gebrieft, was gestattet ist, aber nicht inhaltlich eingenordet.
Doch genau dieser Eindruck entstand.
"Wenn ein Zeuge seine Warnung später nicht mehr als Warnung verstanden wissen will, liegt die Vermutung sehr nahe, dass hier ein Zeuge beeinflusst worden ist".
Es habe gewirkt, als habe der Befragte "inhaltliche Instruktionen der Fachabteilung" erhalten.
"Dann kann man sich das Ganze sparen."
De Masi und sein Grünen-Kollege Danyal Bayaz hegen ebenfalls den Verdacht, dem Zeuge seien die Antworten eingeimpft worden.

Auch Koalitionsabgeordneter glaubt Kanzleramt nicht
Das Kanzleramt weist den Vorwurf zurück.
Es beeinflusse "selbstverständlich" keine Zeugen, sagte ein Regierungssprecher auf Anfrage.
"Wir sind vielmehr an einer vollumfänglichen Aufklärung interessiert und unterstützen daher den Untersuchungsausschuss umfassend."
Doch selbst in der Union wird den Beteuerungen nicht geglaubt.
Der CSU-Parlamentarier Hans Michelbach erklärt, es habe "offensichtlich eine Absprache stattgefunden", von der Merkel nichts gewusst habe - was auch die Opposition nicht unterstellt.
"Das Verhalten des Zeugen ist nicht nachvollziehbar gewesen", meint Michelbach.

CDU, CSU und SPD unterstützen im Grundsatz einen Antrag von FDP, Linke und Grünen mit der Überschrift "Maßnahmen zur Vermeidung von Zeugenbeeinflussung".
Darin wurde die Regierung aufgefordert, bis Ende Januar zu erklären, inwieweit sie die gesetzlichen Vorgaben bei der Vorbereitung von Zeugen eingehalten habe - oder eben auch nicht.
Nach Darstellung des Sozialdemokraten Jens Zimmermann soll verhindert werden, dass "es nicht erneut zu solchen Konstellationen kommt".
Der Antrag der Opposition sei geändert worden, damit er "mehr den Charakter eines Appells statt einer faktischen Weisung" von einem Verfassungsorgan zum anderen habe.
"Denn gesetzlich ist das alles schon geregelt, da brauchen wir keine Vorgaben zu machen.
Der Druck, es nicht wieder zu tun, ist ja schon jetzt enorm."

Tatsächlich erklärte Merkels Wirtschaftsberater Lars-Hendrik Röller als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss neulich, er habe sich stundenlang auf seine Befragung vorbereitet - und zwar ausdrücklich "allein".


 
Bafin-Mitarbeiter im Fall Wirecard angezeigt !

Beim Handel mit Wirecard-Papieren soll ein Beschäftigter der Finanzaufsicht Insiderwissen genutzt haben.
Er wird freigestellt und muss nun mit einem Disziplinarverfahren rechnen.
Während Finanzminister Scholz von Reformbedarf spricht, wird die Forderung nach einer neuen Bafin-Spitze laut.

Der spektakuläre Bilanzskandal um den früheren Dax-Konzern Wirecard könnte bei der Finanzaufsicht jetzt auch juristische Folgen haben.
Die Bafin hat einen ihrer Mitarbeiter wegen des Verdachts des Insiderhandels angezeigt.
Im Raum steht der Vorwurf, er könnte Insiderwissen genutzt haben, um mit Wirecard-Papieren Geschäfte zu machen.
Finanzminister Olaf Scholz sieht Reformbedarf bei der Aufsichtsbehörde, die seinem Ministerium untersteht.
In den nächsten Tagen will er Ergebnisse einer Untersuchung zur Neuaufstellung der Bafin vorstellen.

Die Finanzaufsicht prüft seit Monaten private Börsengeschäfte ihrer Mitarbeiter, bei denen der Kurs des inzwischen insolventen Skandalunternehmens Wirecard eine Rolle spielte.
Noch im November hatte sich Bafin-Chef Felix Hufeld vor seine Mitarbeiter gestellt.
Bis dahin habe es keine Anhaltspunkte gegeben, dass mit Wirecard-Aktien handelnde Beschäftigte einen möglichen Informationsvorsprung zum privaten Vorteil genutzt hätten, hatte er gesagt. 510 private Geschäfte von 85 Mitarbeitern mit Bezug zu Wirecard waren gemeldet worden.

Der nun angezeigte Mitarbeiter habe am 17. Juni 2020 strukturierte Produkte mit dem Basiswert Wirecard AG verkauft, erklärte die Aufsicht.
Dazu zählen unter anderem Zertifikate.
Einen Tag später hatte das Fintech-Unternehmen ein Bilanzloch von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt.
Ende Juni meldete Wirecard Insolvenz an.
Die Finanzaufsicht entdeckte den Verdacht gegen den Mitarbeiter nach eigenen Angaben im Rahmen der Sonderauswertung.
Der Beschäftigte sei sofort freigestellt und ein Disziplinarverfahren eröffnet worden.

Scholz sprach von einem "schwerwiegenden Vorgang".
Dieser zeige, wie richtig die neuen Regeln für den Aktienhandel von Bafin-Beschäftigten seien.
"Und es belegt den Reformbedarf, der dort herrscht", sagte er.
Private Finanzgeschäfte der Bafin-Mitarbeiter sollen stark eingeschränkt werden, der Bundestag muss den neuen Regeln allerdings noch zustimmen.
Die Bafin selbst hatte ihre Regeln für die privaten Wertpapiergeschäfte ihrer Mitarbeiter Mitte Oktober 2020 verschärft.
Spekulative Finanzgeschäfte, also das kurzfristige Handeln beispielsweise mit Aktien, sind den Angaben zufolge seitdem nicht mehr möglich.

FDP fordert neue Bafin-Spitze
Letztlich gehe es nicht um das Fehlverhalten eines Einzelnen, der sein berufliches Wissen möglicherweise zu Geld gemacht habe, sagte der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar.
Der Fall greife "das Vertrauen in die Aufsicht im Innersten" an.
Er forderte Scholz zu einem Neuanfang an der Bafin-Spitze auf.
"Nur so lässt sich die Autorität der Behörde absehbar wieder herstellen."
Auch der Finanzpolitiker der Linken, Fabio De Masi, sieht weiter Bedarf für strengere Regeln in deutschen Behörden - auch für Ministerien und den Bundestag.
Der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz betonte: "Uns helfen bessere Regeln aber wenig, wenn sich an der Aufsichtskultur an der Spitze nicht grundsätzlich etwas ändert."

Der milliardenschwere Bilanzskandal rund um den früher aufstrebenden Tech-Konzern Wirecard hatte Finanzszene und Politik schwer erschüttert.
Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Unternehmen jahrelang Scheingewinne auswies, ohne dass dies Wirtschaftsprüfern und Aufsichtsbehörden auffiel.
Zahlreiche Aktionäre machten hohe Verluste, als Wirecard nach Auffliegen des Skandals Insolvenz anmeldete und die Aktie abstürzte.
Mit dem Fall beschäftigte sich inzwischen sogar ein Untersuchungsausschuss des Bundestags.

Der frühere Finanzvorstand von Wirecard bestritt am Donnerstag vor diesem Ausschuss jegliche Beteiligung an dem mutmaßlichen Milliardenbetrug.
Die umstrittenen Treuhandkonten hätten nicht in seinem Aufgabenbereich gelegen.
Vielmehr sei der inzwischen untergetauchte Wirecard-Manager Jan Marsalek zuständig gewesen.


 
Nach Wirecard-Skandal: Chef der Finanzaufsicht muss gehen !

Nach dem Wirecard-Skandal gibt es einen Wechsel an der Spitze der Finanzaufsicht: Der Chef der Behörde, Felix Hufeld, muss gehen.
Zuvor war die Aufsicht wegen Wirecard in die Kritik geraten.


Bei der Finanzaufsicht BaFin kommt es nach dem Wirecard-Skandal zu einem Wechsel an der Führungsspitze.
Wie das Finanzministerium am Freitag mitteilte, hört der Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Felix Hufeld, auf.

Man sei einvernehmlich zu dem Entschluss gekommen, dass es einen personellen Neustart an der Spitze der BaFin geben sollte, teilte das Ministerium am Freitag mit.
Nächste Woche sollen Details zum Umbau der Bonner Behörde veröffentlicht werden.
Dieser wird vorgeworfen, im Wirecard-Skandal versagt zu haben.

Hufeld: Vorgänge bei Wirecard seien "Schande"
Der frühere Dax-Konzern Wirecard hatte im Juni Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt und in der Folge Insolvenz angemeldet – insgesamt könnte es nach Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft um mehr als drei Milliarden Euro gehen.
Die Ermittler gehen mittlerweile von einem "gewerbsmäßigen Bandenbetrug" aus.

Der Jurist Hufeld, der die BaFin seit März 2015 führte, hatte die Vorgänge rund um Wirecard als "Schande" bezeichnet und von der "entsetzlichsten Situation" gesprochen, in der er jemals einen Konzern in der ersten deutschen Börsenliga gesehen habe.

Hufeld hatte sich zugleich selbstkritisch zur Rolle der Aufsicht geäußert: "Wir sind nicht effektiv genug gewesen, um zu verhindern, dass so etwas passiert."


 
Wirecard-Skandal: Ließ Jan Marsalek deutsche Politiker ausspionieren ?

Im Wirecard-Skandal gewinnt die Geheimdienst-Komponente an Fahrt.
In einer Vernehmung in Wien wurde bekannt, dass der frühere Wirecard-Manager Jan Marsalek ein besonderes Interesse an dem Linken-Politiker Fabio De Masi gehabt haben könnte.
De Masi hatte als einer der ersten deutschen Politiker schon sehr früh auf die Ungereimtheiten bei Wirecard hingewiesen.
De Masi war auf das Thema durch die Lektüre der Financial Times gestoßen und wurde auch mehrfach von dieser befragt.
Marsalek, der seit dem Zusammenbruch des Unternehmens spurlos verschwunden ist, soll seinen Freund Martin W., bis 2017 mächtiger Abteilungsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), gebeten haben, Informationen über De Masi einzuholen.
Dabei könnte Martin W. auch versucht haben, diese Informationen über frühere Leitungsfiguren der deutschen Geheimdienstszene einzuholen, so mit der Materie vertraute Personen zur Berliner Zeitung.
Martin W. war kürzlich verhaftet worden.

Laut der österreichischen Tageszeitung Die Presse soll Martin W., der nach 2017 für eine private Partnerfirma für Wirecard arbeitete, seinen früheren Kollegen O. aus dem BVT in die Spur geschickt haben.
Die Presse: „O. soll für Marsalek Informationen aus den sensiblen und geheimen Registern der Verfassungsschützer besorgt haben, so der Vorwurf.
25 Anfragen soll es gegeben haben, darunter Geschäftspartner und auch Journalisten.“
Marsalek wollte offenbar herausfinden, ob De Masi Mitarbeiter eines Geheimdienstes sein könnte.
Auch im Umfeld anderer Politiker sollen Nachforschungen angestellt worden sein.

Fabio De Masi kommentiert die Erkenntnisse über die Geheimdienstaktivitäten gegenüber einem Abgeordneten des Deutschen Bundestags: „Mir sind Auszüge aus einem Vernehmungsprotokoll zugespielt worden, in denen auch ich thematisiert werde.
Zum derzeitigen Zeitpunkt ist noch unklar, ob ich auf der von Jan Marsalek beauftragten Liste für Spionage-Ziele stand oder in Eigenregie von den ehemaligen österreichischen Top-Agenten ins Visier genommen wurde.
Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass auch der Versuch unternommen wurde, aus deutschen Sicherheitskreisen Erkenntnisse zu gewinnen.
Sollte ich als Abgeordneter im Auftrag von Marsalek von Nachrichtendiensten ins Visier genommen worden sein, hätte der Wirecard-Skandal eine weitere Dimension, die auch umfassende Befragungen der involvierten Personen im Wirecard-Untersuchungsausschuss nach sich ziehen müsste.“

De Masi weiter: „Ich fordere die österreichische Regierung auf, ihre Sicherheitsbehörden umfassend anzuweisen, ihre Erkenntnisse über die Bespitzelung von Abgeordneten zu teilen.
Die deutsche Regierung muss endlich Druck auf die österreichische Regierung machen, die Rolle Ihrer Nachrichtendienste in Deutschland umfassend aufzuklären.
Es ist darüber hinaus zu klären, weshalb Marsalek nach seiner Flucht von einer britischen und einer russischen Telefonnummer Kontakt aufnahm und weshalb die deutsche Staatsanwaltschaft nicht früher einen Haftbefehl erließ.“


 
Wirecard-Skandal: Es schnuppert nach Bananenrepublik !

Untersuchungsausschüsse haben den Ruf zahnloser Tiger.
Die Aufarbeitung des Wirecard-Debakels ist bisher allerdings ein großer Erfolg.
Selten wurden übelste Machenschaften sowie das Zutun staatlicher und privater Stellen so rasant aufgedeckt.

Von Anfang an war klar, dass der Ausschuss des Bundestages, der das Wirecard-Fiasko untersucht, unter enormem Zeitdruck arbeiten muss.
Denn der Abschlussbericht und die Sondervoten der Fraktionen müssen noch geschrieben und vor der Wahl im Parlament diskutiert werden.
Es war goldrichtig, dass die Opposition das Gremium trotz erwartbarer Zeitnot durchgedrückt hat.
Schon jetzt steht fest: Die Aufklärung ist ein Erfolg.
Selten oder nie wurde das Versagen staatlicher Aufsichtsbehörden und privater Finanzmarktteilnehmer in so kurzer Zeit offengelegt und aktenkundig.

Untersuchungsausschüsse haben den Ruf als zahnlose Tiger.
Für die Aufarbeitung des Wirecard-Debakels gilt das definitiv nicht - und das ungeachtet der üblichen Sprechblasen, Ausreden und (angeblichen) Erinnerungslücken von Zeugen sowie Querschüssen, Verschleierungs- und Verzögerungstaktiken im oder aus dem Regierungsapparat.
Man denke nur an den Mitarbeiter der Bundesbank, den das Kanzleramt vor seiner Aussage ganz offenkundig eingenordet hatte, damit er bloß nicht das Falsche sagt.

Seit Mitte November sind die Parlamentarier dabei, Licht in die teils grotesken Vorgänge zu bringen, die zur Pleite des einstigen Dax-Konzerns führten.
Die Erkenntnisse der Abgeordneten sind absolut blamabel für den Finanzstandort Deutschland und lassen nur den Schluss zu: Deutschland ist zwar keine Bananenrepublik - das zeigt schon die Arbeit des Untersuchungsausschusses.
Aber ein wenig schnuppert es schon danach.
Jedenfalls gibt es, um im Sprachbild zu bleiben, eine ganze Reihe Bananendörfer.
Man ahnt, wie leicht es hierzulande Geldwäscher haben, wenn nicht einmal die übelsten und dreistesten Bilanztricks eines gerissenen Konzern-Vorstands auffallen.

Dax-Konzern mit Hofschranzen
Das Wissen darüber, wie leicht ein Dilettant wie Markus Braun es schaffte, reihenweise Anleger, Banken, Politiker und PR-Firmen nicht nur hinter die Fichte, sondern durch einen riesigen Fichtenwald zu führen, lässt einen erschaudern.
Man muss hoffen, dass der frühere Wirecard-Vorstandschef eine unrühmliche Ausnahmefigur in der deutschen Wirtschaft ist, ansonsten aber Charme und Gerissenheit weniger zählen.
Braun schaffte es mit seinem Budenzauber, dass ihn Politiker, Banker, Anleger, Lobbyisten wie Karl-Theodor zu Guttenberg und PR-Leute wie der ehemalige "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann umschwärmten und hofierten.
Ohne die Arbeit des Ausschusses wäre das Treiben all der Wirecard-Hofschranzen niemals zum Vorschein gekommen.

Wobei man Leuten wie Guttenberg und Diekmann auf alle Fälle zugestehen muss: Wie sollten sie einen Verdacht schöpfen, wenn Banken Wirecard einen Millionenkredit nach dem anderen gaben, Aufsichtsbehörden keinen Verdacht schöpften oder Indizien ignorierten und die Abschlussprüfer von Ernst & Young, angeblich ein Konzern von Weltrang, einen Bilanzbericht nach dem anderen absegneten, obwohl sie am Ende offenkundig selbst ahnten, dass das alles nicht mit rechten Dingen zuging?
Der Skandal ist definitiv ein Armutszeugnis für die PR-Branche, die Politik, Finanzämter und vielleicht sogar Staatsanwälte.
Alle halfen mehr oder weniger mit, dass die Illusion, Deutschland könne auch FinTech auf Weltklasseniveau, am Leben bleibt - und Zehntausende Anleger dadurch verdammt viel Geld verloren.

Die Finanzaufsicht Bafin hat amateurhaft gehandelt.
Dass ihr Chef und seine Stellvertreterin zurückgetreten sind, war überfällig.
Dass sie es erst getan haben, nachdem der Untersuchungsausschuss einen mutmaßlichen Insiderhandel in der Bafin aufdeckte, passt ins Bild.
Apropos: Auch der Chef der Aufsichtsbehörde der Wirtschaftsprüfer musste seinen Hut nehmen.
Er handelte mit Wirecard-Aktien und steht ebenfalls im Verdacht, von Wissen profitiert zu haben, das er durch seinen Beruf erlangt hatte.
Der Präsident der "Bilanzpolizei", der Prüfstelle für Rechnungslegung, kündigte sein "vorzeitiges" Ausscheiden aus dem Amt zum Ende des Jahres.
Und Ernst & Young ist laut der im Wirecard-Skandal stets bestens formierten "Financial Times" drauf und dran, seinen Deutschland-Chef abzusetzen.
Wenn man den Erfolg einer parlamentarischen Untersuchung daran bemessen würde, wie viele Behördenchefs und andere Spitzenbeamte ihre Posten und Ansehen verloren, läge der Wirecard-Ausschuss im Ranking weit vorn.

Die Beweisaufnahme darf nicht vorzeitig abgebrochen werden
Wohltuend ist, dass Union und SPD nicht nur bemüht sind, Zeit zu schinden, sondern Zeugen immer wieder bohrende Fragen stellen.
Das Gremium hat in drei Monaten schon so viele Stunden beraten und Zeugen vernommen wie der Maut-Untersuchungsausschuss, der seit Januar 2020 tagt.
Oft gingen die Sitzungen bis weit nach Mitternacht - was so gar nicht zum Bild angeblich fauler Berufspolitiker passen will.

Dass die Sozialdemokraten ständig versuchen, dass ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der als Finanzminister für die Bafin zuständig ist, möglichst glimpflich davonkommt, ist legitim.
Genauso ist es der Opposition erlaubt, der SPD anzukreiden, ihr Agieren im Ausschuss allein darauf auszurichten, Scholz zu schützen.
Beides gehört zu den Spielregeln einer parlamentarischen Demokratie.

Fatal wäre, wenn die Koalition den Abbruch der Beweisaufnahme Ende April erzwingen würde, nur um die Debatte über die Abschlussberichte möglichst weit weg vom Bundestagswahltermin zu halten.
Damit würde vor allem die SPD an Glaubwürdigkeit verlieren, es ernst zu meinen mit der Aufarbeitung des Skandals im Interesse der Allgemeinheit.
Wieder mal entstünde der Eindruck, dass bemäntelt und vertuscht werden solle.
Dabei steht der Ausschuss bisher für das Gegenteil von Unter-den-Teppich-kehren: für das Aufdecken übelster Machenschaften und das - vorsätzliche und fahrlässige - Zutun staatlicher sowie privater Stellen.


 
Termin im April: Merkel soll im Wirecard-Ausschuss aussagen !

Für die Auswüchse des Wirecard-Skandals stehen unter anderem Politiker in der Kritik.
Der Untersuchungsausschuss will auch die Kanzlerin als Zeugin hören.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll Ende April als Zeugin im Untersuchungsausschuss zum Milliarden-Bilanzskandal beim früheren Dax-Unternehmen Wirecard aussagen.
Ihre Aussage sei für den 23. April vorgesehen, erfuhr die Deutschen Presse-Agentur aus Ausschusskreisen.

Einen Tag zuvor soll Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) aussagen.
Die Zeugenaussage von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist für den 20. April geplant.

Das aufstrebende Fintech Wirecard hatte im vergangenen Sommer ein Bilanzloch von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt und danach Insolvenz angemeldet.
Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft könnte es sich um jahrelangen Betrug und eine noch viel größere Summe handeln.

Nach dem aufgedeckten Bilanzskandal flog Wirecard aus dem Dax.
Weil der Skandal über Jahre unentdeckt blieb, stehen unter anderem die Finanzaufsicht Bafin und Wirtschaftsprüfer von EY in der Kritik.

Merkel soll aussagen, weil sie sich auf einer Chinareise für Wirecard stark machte, obwohl es damals bereits - vor allem in Presseberichten - Zweifel an der Integrität des Unternehmens gab.


 
WELT LIVE DABEI: Briefing - Zwischenbilanz des Untersuchungsausschusses Wirecard !


Im Wirecard-Skandal ziehen Vertreter von FDP, Grünen und Linken eine Zwischenbilanz des im Oktober gestarteten parlamentarischen Untersuchungsausschusses.
Die drei zuständigen Obleute der Oppositionsfraktionen in dem U-Ausschuss im Bundestag stellen die bisherigen Erkenntnisse aus ihrer Sicht vor; es sind Florian Toncar von der FDP, Fabio De Masi von den Linken und Danyal Bayaz von den Grünen.

Wirecard hatte Ende Juni 2020 Insolvenz angemeldet und soll jahrelang die Bilanzen gefälscht haben.
Der Untersuchungsausschuss soll die Vorkommnisse rund um den Münchner Zahlungsdienstleister aufarbeiten und insbesondere das Vorgehen der Bundesregierung und der ihr unterstehenden Behörden unter die Lupe nehmen.
Das Gremium mit neun Mitgliedern war Anfang Oktober eingesetzt worden.
Mitte November erschien der Ex-Chef des Konzerns, Markus Braun, vor dem Ausschuss; er verweigerte allerdings die Aussage.


Quelle: Welt Nachrichtensender
 
Trotz erfundener Buchungen: Regierung erwog wohl staatliche Wirecard-Rettung !

Das komplette Ausmaß des Wirecard-Skandals ist noch nicht aufgearbeitet - doch schon ist klar: Der Konzern hat Milliardenbuchungen einfach erfunden.
Die Bundesregierung wollte wohl trotzdem mit Krediten aushelfen.
Das Risiko für den Steuerzahler schätzt Scholz' Ministerium dabei offenbar gering ein.

Das Bundesfinanzministerium hatte eine staatliche Rettung von Wirecard in Betracht gezogen, nachdem Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro bekanntgeworden waren.
Das zeigen Dokumente, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegen.
Unter anderem ging es dabei um einen Kredit oder eine Bürgschaft der Staatsbank KfW.
Wenige Stunden nach der folgenschweren Pressemitteilung am 22. Juni nachts um 02.48 Uhr, in der Wirecard das Fehlen der knapp zwei Milliarden Euro einräumte, verschickte der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Jörg Kukies, ein neunseitiges Dokument an Finanzminister Olaf Scholz, in dem Argumente für mögliche Staatshilfen dargelegt wurden.

Ein "Bank Run" könne Wirecard in Liquiditätsprobleme bringen.
Das Unternehmen sei zudem ein wichtiger Anbieter für Zahlungsdienstleistungen, unter anderem für den Discounter Aldi.
Weiter heißt es in dem Dokument an "M" - das Kürzel für Minister Scholz -, es sei nicht damit zu rechnen, dass die Banken Wirecard "über die Klinge springen lassen" würden.
"Aufgrund der Vielzahl der beteiligten Kreditinstitute und der Kurzfristigkeit der möglichen Kündigungen wird das Kreditrisiko als begrenzt eingeschätzt."
Wirecard hatte bei mehreren Banken Kreditlinien über insgesamt rund zwei Milliarden Euro.

Die Überlegungen für Staatshilfen wurden in den folgenden Tagen ad acta gelegt.
Auch weil es Fragen bezüglich der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells von Wirecard gegeben habe, wie es in den Dokumenten heißt.
Am 25. Juni meldete Wirecard Insolvenz an.

Bundesregierung wusste von den Risiken
der "Spiegel" berichtet derweil von einem Telefongespräch, dass Staatsekretär Kukies mit dem Chef der staatlichen KfW-Bankentochter Ipex, Klaus Michalak, geführt haben soll.
Darin sei es um die Möglichkeiten weiterer Krediten für Wirecard gegangen.
Das Telefonat habe am 23. Juni stattgefunden, berichtet der "Spiegel".
Also einen Tag nachdem auch der Bundesregierung durch die Pressemitteilung von Wirecard klar gewesen sein muss, dass der Konzern zumindest einen Teil seiner Liquidität nur vorgegaukelt hatte.

Die Opposition im Bundestag stört sich auch daran, dass Kukies den Kontakt zu Ex-Wirecard-Chef Markus Braun gepflegt hat, der seit dem Zusammenbruch der Firma in Untersuchungshaft sitzt.
Durch den U-Ausschuss will die Opposition auch klären, inwieweit die Regierung Lobby für Wirecard etwa in China betrieben hat.
Das Bundesfinanzministerium lehnt einen Kommentar ab.
In früheren Aussagen des Ministeriums hieß es, Wirecard sei nicht bevorzugt behandelt worden.


 
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