VRAM bei GTX 970: Kommt jetzt eine Welle von Rückläufern auf die Händler zu ?
Am Abend des 24. Januar hatte Nvidia auch uns ein Statement zur VRAM-Problematik zukommen lassen.
Jetzt ist klar: Nvidia hat den VRAM auf zwei Bereiche aufgeteilt.
Einen gewohnt schnellen Bereich mit 3,5 GiB Speicher und einen langsamen Bereich mit 0,5 GiB Speicher, der nur bedient wird, wenn eine Anwendung mehr als 3,5 GiB benötigt oder es der Treiber überhaupt zulässt.
Offen stellt sich nun die Frage, ob Nvidia diese Maßnahme nach außen hätte kommunizieren müssen und ob Händler nun mit Gewährleistungsrückläufern rechnen müssen.
Liegt wirklich ein Sachmangel vor?
Ein Kommentar von Clemens Gäfgen.
Bereits vor dem Verkaufsstart bahnte sich ein echter Verkaufserfolg für Nvidia an.
Speziell die Geforce GTX 970 hatte ein bis dato kaum mehr von Nvidia bekanntes Preisleistungsverhältnis an den Tag gelegt.
Erste Produktionschargen waren binnen weniger Tagen ausverkauft und auch Wochen danach war für ausgewählte Custom-Grafikkarten Lieferengpässe angesagt.
Mitte Januar kamen jedoch erste Berichte an das Tageslicht, dass die GTX 970 eventuell über einen VRAM-Bug verfügen könnte.
Aufmerksame Tester hatten vereinzelt starke Frameraten-Einbrüche vermeldet, wenn der vorhandene Videospeicher über 3,5 GiB ausgelastet wurde.
Die GTX 970 verfügt offiziell über 4 GiB Videospeicher.
Mit diesen 4 GiB Videospeicher wurde von Nvidia, den Board-Partner und letztlich auch von den Händlern kräftig geworben.
Für viele Spieler sind mindestens 4 GiB Videospeicher ein schlagendes Kaufargument, wie man nun an dem Verkaufsstart der GTX 960 sehen kann.
2 GiB Videospeicher werden als nicht mehr zeitgemäß empfunden.
Selbst 4 GiB Videospeicher ist Enthusiasten nicht mehr genug.
DSR und hoch aufgelöste Texturen, durch Modifikationen bereitgestellt, sorgen schnell für Speicherknappheit.
Umso ärgerlicher ist es, wenn das gute Image des Verkaufsschlagers plötzlich Risse bekommt.
Knapp zwei Wochen dauerte es, bis Nvidia ein Statement veröffentlichte.
Demnach bestätigt Nvidia, dass der VRAM in zwei Bereiche aufgeteilt wurde.
Die Maßnahme wurde offenbar deswegen notwendig, da die GTX 970 lediglich über 13 SIMD-Einheiten verfügt.
Die GTX 980 wiederum über 16 SIMD-Einheiten.
Auch der L2-Cache ist von einer geringfügigen Kürzung betroffen (1,75 statt 2 MiByte).
Demnach werden die ersten 3,5 GiB wie gewohnt angesteuert und befüllt.
Ein Spiel, das weniger als 3,5 GiB Videospeicher benötigt, wird daher keinerlei Framerateneinbrüche aufgrund der VRAM-Problematik aufweisen.
Benötigt ein Spiel jedoch mehr als 3,5 GiB, wird der zweite 0,5 GiB große aber langsamere Bereich zugeschaltet.
Laut Nvidia soll der Leistungsverlust nur minimal sein.
In einschlägigen Foren wurden Einbrüche von über 50 Prozent registriert.
Nvidia steuert mit Treiber-Updates dagegen, die eine VRAM-Belegung künstlich auf 3,5 GiB limitieren.
Nicht nur, dass faktisch 12,5 Prozent des beworbenen Videospeichers nicht zur Verfügung stehen.
Mitunter wird im Nachhinein eine Beschränkung durch den Treiber vorgenommen, die so vermutlich gegenüber den meisten Erstkäufern nicht kommuniziert wurde.
VRAM bei GTX 970: Liegt ein Sachmangel vor?
Es darf offen folgende Frage gestellt werden: Begründet diese VRAM-Problematik einen Sachmangel?
Ferner, wenn denn ein Sachmangel vorliegt, müssen die Händler nun mit enormen Rückläuferquoten rechnen?
Zunächst sei einmal klargestellt: Nachfolgende Aussagen beziehen sich auf die gesetzliche Gewährleistung, die vom Händler gegenüber dem Käufer zu erbringen ist, wenn ein Sachmangel vorliegt.
Ein Sachmangel muss nicht zwingend ein reiner Defekt sein.
Ein Sachmangel liegt bereits dann vor, wenn die Grafikkarte nicht der (mit dem Händler) vereinbarten Beschaffenheit entspricht.
Im Massengeschäft des Internets dürften solche Vereinbarungen eher selten vorkommen.
Deswegen kennt das Gesetz (§ 434 Abs. 1 Satz 2 BGB) weitere Auffangtatbestände.
Die Grafikkarte ist demnach auch dann mangelhaft, wenn sie sich nicht für die nach dem Kaufvertrag vorausgesetzte Verwendung eignet oder sonst, wenn sie sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet, aber eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art nicht üblich ist oder der Käufer dies nicht erwarten konnte.
Zu der Beschaffenheit der Grafikkarte gehören auch Aussagen, die im Zusammenhang mit Werbung geäußert werden.
Die ebenso bestehende Beweislastumkehr, sechs Monate nach den Kauf, muss uns an dieser Stelle nicht interessieren.
Sind diese sechs Monate abgelaufen, muss der Käufer nachweisen, dass der Sachmangel bereits zum Kaufzeitpunkt bestanden hat.
Da mittlerweile von Nvidia bestätigt wurde, dass diese Aufteilung eine herstellerseitige Maßnahme war, ist eine solche Nachweisführung hinfällig.
Der Käufer muss aber weiterhin nachweisen, dass überhaupt ein Sachmangel vorliegt.
Konkret bedeutet das, dass der Käufer nachweisen muss, dass die faktisch nicht nutzbaren oder nur mit Einschränkungen versehenen 0,5 GiB Videospeicher einen Sachmangel darstellen.
VRAM bei GTX 970: Argumentationsmöglichkeiten
Aus meiner Sicht kann der Käufer dies auf zwei Arten versuchen:
1. Der Käufer weist nach, dass sich die Grafikkarte nicht für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet.
Dieser Nachweis kann beispielsweise dadurch geführt, dass der Käufer dem Händler klarmacht, dass Spiele bzw. Anwendungen deswegen nicht (vollständig) nutzbar sind, weil der auf 3,5 GiB begrenzte Videospeicher der limitierende Faktor ist und dies anders wäre, wenn die vollen 4 GiB Videospeicher zur Verfügung stünden.
In dieser Hinsicht ist jedoch geboten, dass der Käufer nicht auf x-beliebige Berichte in Foren oder synthetische Benchmarks hinweist.
Es muss eine konkrete Beeinträchtigung für ihn gegeben sein.
Zum Beispiel kann er vortragen, dass die Grafikkarte speziell für ein bestimmtes Spiel gekauft wurde, dass in der vom Käufer vorgesehenen Konfiguration 4 GiB benötigt.
2. Der Käufer kann versuchen die Werbeaussagen des Händlers, aber auch des Herstellers als Grund vorzuschieben.
Demnach ist eine Werbeaussage zum Kaufzeitpunkt dann relevant, wenn der Käufer auf Grundlage der Werbeaussagen, bestimmte Eigenschaften der Grafikkarte erwarten konnte.
Zwar sind die beworbenen 4 GiB Videospeicher physisch vorhanden, der Speicher wird jedoch auf Softwareebene unter bislang unbekannten Umständen auf 3,5 GiB limitiert.
Da eine solche Maßnahme bislang öffentlich nicht bekannt (geworden) ist, darf eine solche Limitierung durchaus als ungewöhnlich angesehen werden.
Einzig im Fall der GTX 660 Ti waren solche Kniffe beim Speicher bekannt gemacht worden.
Anders ausgedrückt, hätte der Käufer nicht damit rechnen brauchen, dass eine Limitierung stattfindet.
Ferner hat der Händler (zu seiner Entlastung) den Nachweis zu erbringen, dass die Werbeaussage die Kaufentscheidung des Käufers nicht beeinflussen konnte.
Es ist daher auch möglich, dass der Käufer vortragen kann, dass er die Grafikkarte in Kenntnis der VRAM-Problematik erst gar nicht gekauft hätte.
Gegenteiliges müsste der Händler nachweisen, was in aller Regel nur schwierig umzusetzen ist.
Zu beachten ist jedoch, dass die Werbeaussagen auch (bzw. nur) dann vorgeschoben werden können, wenn sich die Grafikkarte ansonsten für eine gewöhnliche Verwendung eignet.
Die in 1. beschriebene Voraussetzungen müssen daher eben nicht zwingend vorliegen.
Es ist aber zu erwarten, dass der Händler vortragen wird, dass die softwareseitige Limitierung des VRAM erwartet werden kann.
Ebenso könnte er vortragen, dass der Mangel unerheblich sei (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB), da nur 12,5 Prozent des VRAM (teilweise) betroffen sind.
Es ist daher zu erwarten, dass der Händler sich auf die offiziellen Aussagen von Nvidia bezieht, die nur einen geringfügigen Leistungsverlust versprechen.
Beide Alternativen, Nacherfüllung als auch Nachbesserung, versprechen keine Mangelbeseitigung.
Die VRAM-Problematik scheint übergreifend bei allen Grafikkarten der GTX 970 zu bestehen, weswegen es für den Händler unmöglich (§ 275 Abs. 1, 2 BGB) sein sollte, nachzuerfüllen bzw. nachzubessern.
Ein Vertragsrücktritt ist daher nicht ausgeschlossen.
Ferner besteht die Möglichkeit, eine Kaufpreisminderung zu vereinbaren.
VRAM bei GTX 970: Fazit
Die öffentliche Kommunikation des VRAM-Problem bei der Geforce GTX 970 ist nicht optimal gelaufen und hinterlässt einen faden Beigeschmack.
Mit viel Argumentationsgeschick ist es mitunter möglich, einen Sachmangel zu rechtfertigen.
Dies ist jedoch einerseits vom Einzelfall und dem angedachten Einsatzbereich beim Käufer abhängig.
Andererseits von dem Entgegenkommen des Händlers. Pauschal lässt sich nicht eindeutig sagen, dass die komplette GTX 970-Serie mangelbehaftet und damit ein Fall für die Gewährleistung ist.
Ohnehin dürften nur die frühen Käufer einer GTX 970 davon betroffen sein.
Es ist zu erwarten, dass die VRAM-Problematik zumindest in Preisvergleichslisten einen Hinweis bekommen wird.
Vollkommen unabhängig von der Rechtslage wäre ein solcher Hinweis nur fair gegenüber (potenziellen) Kaufinteressierten.
Wer bereits eine GTX 970 besitzt, muss schon zu den hartgesottenen Gewährleistungsfetischisten gehören, um einen Sachmangel geltend zu machen UND den Händler damit auch noch zu überzeugen.
Kommen Reklamationen auf die Händler zu?
Vereinzelt mit Sicherheit.
Kommt auch eine Welle?
Garantiert nicht.