Bei einem Ukraine-Krieg droht Auflösung Russlands

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Ruhe in Frieden
Bei einem Ukraine-Krieg droht Auflösung Russlands

Es ist ein verstörendes Militär-Szenario: Bei einem Krieg zwischen der "Volksrepublik Donezk" und der Ukraine stünde für Russland viel auf dem Spiel. Es droht sogar die Auflösung des Putin-Reiches.

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Wie Clausewitz irgendwo anmerkt, will der Angreifer immer den Frieden. Er will unser Land, unsere Leute, unsere Ressourcen übernehmen, ohne einen Schuss abzufeuern. Nach jener Logik ist der Verteidiger immer der Aggressor. Diese Wahrheit ist selten besser illustriert worden als durch die Ereignisse in der Ostukraine. Mit dem Sieg der Sezessionisten bei der Volksabstimmung hat sich die Situation weiter verschlechtert. Wenn nicht die eine oder die andere Seite nachgibt, wird ein Krieg zwischen der selbst ernannten "Volksrepublik Donezk" und der Regierung in Kiew immer wahrscheinlicher.

Wie könnte ein solcher Krieg aussehen? Sollten die Feindseligkeiten eskalieren und die russische Armee eine größere Rolle übernehmen, ist der Ausgang klar. Die ukrainischen Streitkräfte haben der russischen Dampfwalze nichts entgegenzusetzen. Was die Zahl der aktiven Truppen angeht, beträgt das Kräfteverhältnis sechs zu eins. Im Hinblick auf Waffen und Ausrüstung ist das Missverhältnis noch krasser, zumal die Waffen der Ukrainer in vielen Fällen aus sowjetischer Produktion und der Zeit des Kalten Krieges stammen. Das bedeutet, dass jeder Versuch der Nato oder der EU, militärischen Beistand zu leisten, durch die Tatsache erschwert wird, dass sie selbst nicht über solche Waffen verfügen. Gemeinsame Operationen dürften also problematisch werden.

Sollte es also zum Äußersten kommen, gibt es für die Nato und die EU nur eine Möglichkeit, eine Sezession der "Volksrepublik Donezk" und ihren Anschluss an Russland zu verhindern: direktes militärisches Eingreifen. Was die konventionelle Militärtechnologie, die Truppenanzahl und vor allem die Wirtschaftskraft angeht, kann Russland den Streitkräften der Nato und der EU in Europa nicht das Wasser reichen. Dagegen verfügen Putins Streitkräfte über einige Vorteile gegenüber ihren potenziellen Feinden.

Die Nato kann nur symbolisch helfen

Erstens bilden die russischen Streitkräfte im Hinblick auf Kommandostruktur, Logistik, Waffensysteme, Ausrüstung, Kommunikation, Ausbildung und Militärdoktrin eine Einheit, anders als die heterogenen und bunt gemischten Streitkräfte der Nato und der EU. Wie stark dieser Vorteil ins Gewicht fällt, dürfte schwer zu schätzen sein, aber er dürfte ausreichen, um die quantitative Überlegenheit des Westens zu minimieren und möglicherweise auszugleichen.

Zweitens liegt das Epizentrum des Konflikts, der Ort, an dem er ausgetragen und entschieden wird, denkbar weit entfernt von den Grenzen der EU, und noch weiter von den wirklichen Machtzentren der Nato und der EU im Westen. Die Krim, früher der wichtigste Meereszugang der Ukraine, ist nun fest in russischer Hand und fällt als Nachschubbasis aus. Unter solchen Bedingungen ist der Gedanke an eine größere Bodenoperation der EU oder Nato absurd. Allenfalls könnten sie einige Ausbilder und kleinere Teams schicken, um den ukrainischen Streitkräften symbolische Hilfe zu leisten.

Drittens aber, und vor allem: Die Nato und die EU haben schlicht und einfach nicht den Willen, für irgendetwas oder irgendjemanden zu kämpfen. Als Militäraktionen kommen allenfalls Luftschläge in Betracht. Drohnen werden ja schon zu Spionage- und Überwachungszwecken über der Ukraine eingesetzt. Russland ist jedoch weder Afghanistan 2001, noch der Irak 2003, noch auch Libyen 2011. Keines dieser Länder hatte eine Luftwaffe. Auf Nato-Luftangriffe zur Unterstützung der Ukrainer wird Russland mit den gleichen Mitteln antworten. Alle bisherige Erfahrung zeigt überdies, dass Luftschläge allein nicht ausreichen, um einen solchen Konflikt zu entscheiden.

Die baltischen Staaten zittern bereits

Putins Luftwaffe kann nicht nur am Kriegsschauplatz selbst zurückschlagen. Sie kann auch jedes Mitgliedsland der Nato oder der EU bedrohen, das sich an einer Operation zugunsten der Ukraine beteiligt. Schon jetzt fliegen russische Kampfflugzeuge, darunter solche, die mit Atomwaffen ausgerüstet werden können, regelmäßig über die baltischen Staaten, was offensichtlich der Einschüchterung dient. Andere Flugzeuge sind im Westen über der Nordsee und dem Atlantik und im Süden über dem Schwarzen Meer gesichtet worden. Die baltischen Staaten, Finnland und Schweden zittern bereits. Wörtlich. Dadurch ist ein Pulverfass geschaffen worden. Die eigenmächtige Handlung eines örtlichen Kommandeurs kann ebenso wie ein schlichtes Missverständnis jederzeit eine Explosion auslösen.

Zuerst dürfte sich der Krieg auf die östliche Ukraine beschränken. Russische Einheiten werden den Separatisten zu Hilfe kommen, wie sie es Berichten zufolge seit Monaten bereits tun. Dann werden stärkere Kräfte mit Luftdeckung und unter Einsatz von Hubschraubern eingesetzt, um Schlüsselziele wie Hauptquartiere, Brücken, Kommunikationszentren und so weiter zu erobern und den Widerstand Kiews zu brechen. Begleitet werden diese Operationen von einem intensiven Cyberkrieg gegen die Kommunikationsmittel des Feindes, um ihn zu paralysieren.

Sollten diese Operationen nicht zu einem schnellen Erfolg führen, dürften sie westwärts Richtung Kiew ausgedehnt werden, bis ein Großteil des Landes von Kämpfen minderer Intensität betroffen ist. Wie Putin gesagt haben soll, sind seine Streitkräfte stark genug, um die gesamte Ukraine, jedenfalls aber die wichtigsten Städte, innerhalb weniger Wochen zu besetzen. Eine solche Besetzung ist zwar möglich, aber unwahrscheinlich. Denn sie würde, wie Putin sicher weiß, zu einem jahrelangen Krieg führen, ähnlich den russischen Kriegen in Afghanistan und Tschetschenien, aber im viel größeren Maßstab. Sollte er verloren gehen, könnte die Auflösung der Russischen Republik die Folge sein.

Die ehernen Würfel des Schicksals

Im unwahrscheinlichen Fall einer Einmischung durch Kräfte der Nato oder der EU wäre mit gelegentlichen Einfällen russischer Flugzeuge in den Luftraum der Nato/EU zu rechnen. Gerade weil sie nur durch Atomwaffen gestoppt werden könnte, bleibt jedoch eine groß angelegte russische Invasion an der Nato-Ostflanke höchst unwahrscheinlich.

Der deutsche Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg sprach vor über hundert Jahren im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den Großmächten von den ehernen Würfeln des Schicksals. Sicher gibt es, vor allem im Kreml und in Donezk, einige, denen die Hände nach diesen Würfeln jucken. Das Ergebnis wäre mit großer Sicherheit ein Desaster für die "Volkrepublik Donezk", die Ukraine und einen Großteil Osteuropas. Was muss getan werden, um ein solches Ergebnis zu verhindern?

Quelle:

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