Hallo, Frau Honecker - Bild zu Besuch in Chile

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Ruhe in Frieden
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Margot Honecker wollte nicht aussehen, als wäre sie gerade aufgestanden. Sie hat sich, nachdem es vor 25 Minuten erstmals geklopft hat an der Tür, noch zurechtgemacht.

Es soll nicht den Anschein haben, als wisse die einst mächtigste Frau der DDR, als wisse die Frau, die 40 Jahre die Ehefrau von Staats- und Parteichef Erich Honecker war, schon am Morgen nichts mit dem Tag anzufangen. Denn die deutsche Alt-Stalinistin (87) bringt die Tage in Santiago de Chile nur noch schwer über die Stunden.

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Als sie die Tür zu ihrem Haus im Nobelstadtteil La Reina öffnet, ist es 10.30 Uhr. Und sie ist noch nicht ganz fertig mit sich: Die zierliche Frau, einst wegen ihrer lila Haare und ihrer berüchtigten Eiseskälte „lila Hexe“ genannt, hat dicke bunte Lockenwickler im Haar!

Sie sieht aus wie ein altes Mädchen.

Lila ist der Pulli, schwarz ist die Hose, grau sind die Strickjacke und die Haare. Glatt und rein die Haut.

Von 1963 bis 1989 war sie „Minister für Volksbildung“. Herrin über 500 000 Lehrer, Kita-,Heimerzieher, Hortner, Funktionäre, führte Militär-Unterricht ein. Nun lebt sie seit 23 Jahren im Exil am anderen Ende der Welt.

Und vieles ist wie immer: Sie lebt nicht wie alle. Sie lebt besser. Sehr gut.

Die bewachte Wohnanlage, in der ihr Haus steht, hätte vor 25 Jahren so auch im Wald nördlich von Berlin stehen können. Dort lebten sie, die Mächtigen der Diktatur des Proletariats, die Oberproleten der DDR – abgeschirmt in der sogenannten „Waldsiedlung Wandlitz“, die eigentlich „Waldsiedlung Bernau“ hieß. Drumherum: eine grüne Mauer, bis zu 2,30 Meter hoch.

In Chile hat Margot Honecker sie wieder, ihre Mauer: bis zu 2,30 Meter hoch und grün. Nur: kein Wachregiment mehr, nur einen kleinen runden Wachmann, der „Señora Margot“ über die Straße hilft, wenn sie im orangefarbenen „Kia Picanto“ zum Samstagskaffee zu Genossen geholt wird. Oder wenn das Taxi kommt, das sie in die „Clínica Las Condes“ bringt, in der 1994 ihr Erich mit 81 an Leberkrebs starb. Früher hatte sie in Ostberlin ihr Regierungskrankenhaus. Nun hat sie für ihre Alterszipperlein: die teuerste Privatklinik Chiles.

Sie kann es sich leisten. Jeden Monat überweist der gehasste soziale Einheitsstaat Deutschland 1600 Euro Rente. Viel Geld in Chile. Zumal ihr Haus bezahlt ist. 550000 Dollar ist das Haus G in der Anlage Carlos Silva in der Vildosola 8978 wert, meint der Makler, der gerade ein Nachbarhaus verkauft.150000 Dollar hat es einst gekostet.

Honeckers Bleibe ist aufgeräumt. Fast klinisch rein. Sie hat eine Putzfrau. Und die Nachbarin aus Haus E hilft. Nichts liegt herum, es sieht aus, als wäre sie verreist. Doch sie steht ja da.

Hinter ihr die Garderobe: Mantel, Regenschirm, Beutel und Tuch auf der Hutablage. Dahinter das Wohnzimmer mit dem runden Tisch und der gelben Decke. Sorgsam ausgerichtet: Vase, eine Karte und ein Buch. Dahinter das helle Sofa. Sie sitzt dort abends und schaut fern – oft deutsche Nachrichten. Auf der Anrichte: böhmisches Bleikristall – bunte Stielkelche. Die Treppe führt hinauf zu den Schlafzimmern – eines war für Erich, das andere für sie.

In seinem alten steht auf einer Kommode ein großes Porträt: Erich, milde lächelnd, das Kinn auf die Hand gestützt, schaut er hinaus – über die Mauer.

Ab und an, erzählen Nachbarn, verlasse sie noch allein die Anlage, um ein paar Hundert Meter weiter im Einkaufszentrum Kleinigkeiten einzukaufen. Sie ist – nicht nur für ihre 87 Jahre – fit. Die Kommunistin: gut zu Fuß, auch sonst ganz ordentlich beisammen.

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Über Erich und ihr altes Land will sie nicht mehr reden. Hat Erich ein Grab in Chile oder steht die Urne noch im Schrank? „Hauen Sie ab, Sie unverschämter Kerl!“ Nicht altes Mädchen: Der „lila Hexe“ der DDR fehlt nur das Lila.

Ein Nachbar spricht es aus: „Sie ist gestraft: einsam in einem fremden Land.“

Ist das die Erkenntnis: dass die meistgehasste Frau der DDR, die nie vor Gericht musste, hier ihre gerechte Strafe erhält?

Ihre kaputte DDR ist in Deutschland aufgeblüht. Die 17 Millionen Menschen der DDR sind frei. Und Margot Honecker? Ganz allein mit sich in ihrem Anden-Wandlitz. Hinter der grünen Mauer: die letzte Gefangene ihrer DDR.



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